Nr. 127. 29. Iahrgaag.1. Itilap des Juimitts" Kcrlim ÜMIttt.Sitüsfui), l Zill 1912.Der Parteitag der i C. P.London, 30. Mai.(Eig. Ber.)Dev Parteitag der I. L. P. fand dieses Jahr in M e r t h h r,Südwales, statt. Es waren über 200 Delegierte aus allen Teilendes Landes anwesend. Der Parteitag wurde von dem Bürger-meister iwr Stadt begrüßt. Den Vorsitz führte Genosse Ander-f o n, der Präsident der I. L. P. Bei der Beratung des Vorstands-Berichtes entspann sich eine längere Debatte über einen Passus, dervon dem Beschluß des Vorstandes handelte, die Parlamentsmitglie-der der I. L. P. zu beauftragen, gegen irgendeine Wahlrechtsvor-läge zu stimmen, die den Frauen nicht zu denselben Bedingungendas Stimmrecht gebe wie den Männern. Die Kritiker dieses Be-schlusses wandten dagegen ein, daß sie nicht einsehen könnten, wiedie Ablehnung des allgemeinen Männerstimmrechts dem Frauen-stimmrecht dienen könne. Ein Delegierter meinte, die Partei müsse,um ihre Aufrichtigkeit zu beweisen, auch gegen die Homerulevorlagestimmen, wenn diese das Frauenstimmrecht für das irische Parla-ment nicht einführe. Der Antrag, den Passus an den Vorstandzurückzuverweisen, wurde aber mit großer Mehrheit abgelehnt.Auch der parlamentarische Bericht gab zur Kritik Anlaß.B u r g e ß(Bradford) bezeichnete ihn als höchst unzufriedenstellend.Er enthalte nichts, das darauf hinweise, daß die I. L. P. einesozialistische Organisation sei. Die Arbeiterpartei sollte in jederSession mindestens«ine deutlich sozialistische Maßregel, wie zumBeispiel die Verstaatlichung der Eisenbahnen in Vorschlag bringen.B a d l e y(Leeds) führte aus, daß in den Reihen der Partei einbeträchtliches Maß Unzufriedenheit mit der Handlungsweise derArbeitergruppe im Parlament bestehe, und zwar wegen ihrer Be-ziehungen zu der liberalen Regierung, die der schlimmste Feindder Arbeiterklasse sei. Keir Hardie wies in seiner Erwiderungdarauf hin, daß das Programm der Arbeiterpartei in dieser Sessiondie Gewerkschaftsvorlage(Osbornevorlage), die Vorlage betreffenddas Recht aus Arbeit und eine Vorlage zur unentgeltlichen Speisungbedürftiger Schulkinder enthalte. Wolle irgendein Sozialist be-haupten, daß die Verstaatlichung der Eisenbahnen oder der Berg-werke wichtiger seien als eine dieser Maßregeln? Was nötig sei,sei nicht die Kritik der Parlamentarier, sondern energische Agitationaußerhalb des Parlaments, damit die Partei wachse und wirksamerborgehen könne.Die parlamentarische Taktik wurde später wieder eingehenddiskutiert. Das Parlamentsmitglied für Bradford Genosse Jowetthatte folgende Resolution vorgeschlagen:„Um die Autorität der ge-wählten Volksvertreter im Parlament gegenüber der überwälti-genden politischen Macht von Mitgliedern der Regierung, die fastjede wichtige Abstimmung im Unterhause behandeln, als ob sieeine mögliche Demission des Ministeriums in sich schließe, herzustellen, möge die Arbeitergruppe im Unterhause ersucht werden,alle derartigen angedrohten Folgen zu ignorieren und bei allenFragen nach dem prinzipiellen Werte zu stimmen."Jowett bemerkte, daß die Arbeitervertreter unter dem Herr-schenden System so stimmen müßten, daß die Regierung am Ruderbleibe, ob sie die in Frage kommende Maßregel billigten oder nicht.In den Jahren 1900 bis 1910 sei die Haltung der Arbeiterparteiunabhängiger gewesen, sie habe damals keinen entscheidenden Ein-iflutz auf die Abstimmung gehabt und dennoch habe sie von der Re-gierung mehr Zugeständnisse errungen als in den letzten Jahren.Die Regierung wisse, sie könne sich auf die Unterstützung der Ar-heiterpartei verlassen und deshalb behandle sie sie von oben herab.Eonnelley(Bradford), der den Antrag unterstützte, verlangte,die Parlamentsmitglieder der I. L. P. sollten ihre Unabhängigkeitbeweisen. Gegenwärtig seien die Parlamentsmitglieder nichts alsStimmaschinen.M u r r a y(London-Hendon) stellte folgenden Abänderungs-antrag zur Resolution:„Diese Konferenz erkennt an, daß dieArbeiterpartei, um ihren Zweck wirksam zu erfüllen, alle möglichenunmittelbaren und sonstigen Folgen und Wirkungen irgendeinerHandlungsweise in Betracht ziehen muß, ehe sie sich dafür entscheidet,und im Auge behalten mutz, daß sie sich in ihren Entscheidungeneinzig und allein bestimmen lassen muß durch Rücksichten auf ihreeigenen Interessen als Partei und durch den Wunsch, die günsti-gen Gelegenheiten zur Erreichung ihrer Ziele zu vermehren." DerAntragsteller führte hierzu aus, daß die Kritik Jowetts mehr demherrschenden parlamentarischen System als der Parter gelte. Wiekönne man von den 8 parlamentarischen Vertretern der I. L. P.verlangen, daß sie dieses System ändern sollten?»Das erste ftädtifche Volkshonzcrtin ßerlin.Das Konzert der Philharmoniker am Sonnabend imBrauereisaale Friedrichshain läßt sich als ein gewichtigesEreignis in unserer lokalen Musikgeschichte bezeichnen— und überdies als ein gut gelungenes. Wie schon gemeldet, bat das Phil-harmonische Orchester mit der Stadt Berlin vereinbart, daß eSbillige Volkskonzerte, einschließlich einiger Schüleraufführungen, gebe.Die Stadt beteiligt sich mit einer Unterstützung von OOO00 M. aufdie Dauer eines JahreS. Dafür sind die Verpflichtungen festgelegt,insbesondere der Eintrittspreis(30 Pf.) mit Gratisabgabe des Programms. Zunächst sollen in verschiedenen größeren Sälenfünf jeweilig verschiedene Konzerte von ernster Mufik, sogenannteSinfoniekonzerte, stattfinden. An diese Reihe, die bis zum Ib. Junidauert, schließen sich fünf„populäre" Konzerte mit leichterer Musik,bis zum 3. Juli. Dann beginnt wieder eine Reihe der ersteren Art,und so fort.Das Ereignis wurde noch dadurch vergrößert, daß der neueDirigent des Philharmonischen Orchesters, der Nachfolger des viel-beliebten K u n w a l d. Herr Camillo Hildebr an d. sein Amtmit eben diesem Konzert begann, so daß der Friedrichshainer Teilvon Berlin auch noch den Borsprung bekam, den Dirigenten früherkennen zu lernen als der Potsdamer Teil. Das Programm beganndiesmal mit R. WagnerS.Tannhäuser"-Ouvertüre und schloß mitder fünften Sinfonie von Beethoven. Das Orchester selbst ist längstin so sicherer Weise als eines der besten in der Welt bekannt,daß der Kritiker gut tut. sich nicht erst nach besonderen Ausdrückender Anerkennung zu bemühen. Der neue Dirigent überraschtgeradezu als ein Mann von Geschmack, von Vornehmheit, von Vor-liebe für daS Milde, selbst Weiche. Wie er die Klangfarben gegen-einander zu halten versteht, sodaß sich nichts vordrängt, doch allesseine akustische Stelle findet, das war namentlich bei den erstenNummern des Konzertes so erfreulich, daß man allem Weitereuerst recht froh entgegensehen kann. Die geschilderte Eigenart desDirigenten hält ihn weit fern von allem, was extrem, schroff, über-trieben ist— nach manchem Geschmack vielleicht allzuweit entfernt.Man verlangt heute von einem Dirigenten nicht die Fort-tevuna der Revolution, welche Hans v. Bülow im Dirigierenaebrackt hat, und die hauptsächlich im freien Tempowechselbeitebt So„spielt" denn auch Hildebrand sozusagen mit ge-bundenem Tempo. In spezifisch modernen Stücken fällt das wenigerauf als in solchen von älterer Art, da ja unsere klassische Musikweit weniaer Gegensätzlichkeit rn sich trägt, als moderne. Kommtdann noch hinzu, daß der Dlr.gent, wie eben dieser, langsame Zeit-maße liebt, so ergibt sich eine Ruhe, über deren Maß maii streitenkann. Näher läßt sich hier nicht darauf eingehen; man mußte bei.spielsweise den zweiten Satz von Beethovens„Schickials-Emfonie Takt für Takt durchgehen..Das Philharmonische Orchester ist kem stadsischeS. wie ebenH a g e r t y(Miles Platting), der den Abönderungsantragunterstützte, bemerkte, daß die Bradforder Resolution so häufigzu allgemeinen Wahlen führen werde, daß es die Parteifinanzennicht aushalten könnten. M c L a ch l a n(Manchester) antwortetedarauf, daß die Parlamentsauflösungen der Partei nur nützenkönnten. Wenn die Regierung durch die Unabhängigkeit der Parteigestürzt werde, so habe dies einen großen erzieherischen Wert. Erglaube jedoch nicht, daß eine Auflösung der anderen folgen werde.Wahrscheinlicher sei, daß sich die beiden bürgerlichen Parteien zu-sammenschließen würden, und je eher das geschehe, um so besser seies für den Sozialismus. Wenn die Partei jedes Mandat durchihre Unabhängigkeit verliere, würde das dem Sozialismus mehrnützen als alle Zugeständnisse, die ihr die Regierung gegen ihreUnterstützung mache.Keir Hardie führte folgendes aus: Es ist eine Täuschung,zu glauben, daß die Arbeiterpartei im Unterhaus den Ausschlaggibt. In dieser Session hat die Arbeiterpartei ebenso energischgearbeitet wie in dem Parlament der Jahre 1900 bis 1910. DerFehler liegt nicht bei den Parlamentariern der I. L. P. oder beider Partei als ganzes, sondern bei der Bergarbeiterföderation.deren Mitglieder mit dem Eintritt in die Arbeiterpartei ihre An-schauungen nicht geändert haben und nur dem Namen nach derArbeiterpartei angehören. Es ist absurd, zu sagen, die Parteimuß bei jeder einzelnen Frage ohne Rücksicht auf die Folgen prin-zipiell stimmen. Die Parteimaschinerie und das Parteisystem be-darf der Remedur, und solange diese Unzulänglichkeiten bestehen.können die Parlamentarier nur versuchen, den größten Vorteil ausden bestehenden Verhältnissen zu ziehen.Lansbury verlangte größere Bewegungsfreiheit für dieMitglieder der Partei, damit sich diese der demoralisierenden Pflichtentziehen könnten, gegen ihre Ucberzeugung zu stimmen, um eineliberale Regierung am Ruder zu erhalten. Was moralisch unrechtsei, könne nicht politisch recht sein. Snowden bemerkt, seinKampfinstinkt bestimme ihn, für die Resolution einzutreten, abersein gesunder Menschenverstand, seine Erfahrung und seine Urteils-kraft hießen ihn für das Amendement stimmen. In Wirklichkeitstimmten die Parlamentarier der Partei prinzipiell, wenn der prin-zipielle Wert der Frage die Abstimmung wert sei. So werde diePartei zum Beispiel in der Wahlrechtsfrage stimmen. Wenn mandie Regierung wegen kleiner Fragen stürze, würde man die Wähler-schaft irritieren; auch werde die Parteikasse dieser Politik nicht ge-wachsen sein. Burgetz(Bradford) führte aus, das Uebel in derPartei sei, daß die Parlamentarier den Staatsmännern nachäfftenund vergäßen, daß sie Propagandisten seien.Das Amendement wurde mit 195 gegen 73 Stimmen ange-nommen.Unter den sonstigen Resolutionen, die zur Annahme gelangten,ist eine zu erwähnen, in der die deutsche Sozialdemokratie zu ihremgroßen Siege bei den letzten Reichstagswahlen beglückwünscht wird.Als Vorsitzender der Partei wird Genosse Anderson mit180 Stimmen gegen 112, die auf Genossen Lansbury fielen,wiedergewählt. Genosse Benson wird wieder Kassierer. AlsVorstandsmitglieder werden gewählt: Bruce G.sazier»Jowett, Lansbury und Genossin MaeArtHur.2. Genttalottsmmllmg der Sattler avd Portefemller.München, 1. Juni 1912.In der weiteren Beratung über die Anträge zum Statut wurdeein Antrag angenommen, wonach Beisitzer des Vorstandes und Aus-schusses ein Amt in der Ortsverwaltung nicht annehmen dürfen.Die Zahl der Mitglieder, auf die ein Delegierter zur General-Versammlung entfällt, wurde auf 300—350 erhöht. Auf eine über-schüssige Zahl von 175 Mitgliedern ist ein weiterer Delegierterzu wählen.— Auch beim Streikreglement wurden einigewichtige Aenderungen vorgenommen. Ein Antrag Leipzig(dervom Vorstand bekämpft wurde), wonach bei Abwehrstreiks die Zu-stimmung der Gauleiter genügt, wurde mit einer StimmeMehrheit angenommen. Beschloffen wurde, daß der Zentralvorstandkeine Bewegung eigenmächtig abbrechen darf. Die Entscheidungtreffen die Beteiligten.— Die Kündigung eines örtlichen Tarif-Vertrags darf nur erfolgen, wenn zwei Drittel der in der betreffen-den Versammlung anwesenden Mitglieder sich dafür erklären.—Sämtliche Anträge auf Anstellung von Beamten, Sitzverlegung vonGauverwaltungen wurden abgelehnt. Für einen Antrag Ham-bürg und München, den Zentralvorstand zu beauftragen, dieVerschmelzung mit anderen freien Lederarbeiterorgani-sationen herbeizuführen, stimmten nur 2 Delegierte.— Beschlossenwurde, das Vermögen des Verbandes bei der Großeinkaufsgesell-schaft anzulegen.— Das neue Statut tritt am 1. Oktober 1912 inKraft.Zum nächsten Punkt lUnsere sozialpolitischen Aufgabenbeleuchtete der Referent Busch- Leipzig ausführlich die Ge*fängnisarbeit und unterbreitete dem Verbandstag folgendeResolution:„1. Die vom 29. Mai bis f. Juni 1912 in München tagendeGeneralversammlung des Verbandes der Sattler und Porte-feuiller, welche von 00 Delegierten aus allen Teilen Deutschlandsbesucht ist, stellt fest, daß die Gefängnisarbeit auf Produkte un-seres Berufes einen immer größeren Umfang annimmt. Durchdieses werden viele Berufsangehörige in ihrer Existenz geschädigt.In den letzten Jahren haben eine Anzahl Sattler ihre Stellungdurch die Neueinführung von Gefängnisarbeit verloren. VieleFirmen, die Gefängnisarbeit anfertigen lassen, betreiben nach-weisbar eine Schmutzkonkurrenz, welche einerhebliches Niederdrücken der Warenpreisesowie der Arbeitslöhne zur Folge hat.Alle hier versammelten Delegierten, welche 15 000 Sattlerund Portefeuiller Deutschlands vertreten, richten an die V e r«bündeten Regierungen wie auch an die gesetz«gebenden Körperschaften die Bitte, die Gefängnis-arbeit auf Sattler- und Portefeuilleswaren einzuschränken. Durchdie Heimindustrie, Frauenarbeit und Lehrlingszüchterei wirdbereits der Sattler- und Portefeuillerberuf schwer in Mitleiden-schaft gezogen, welches durch die Gefängnisarbeit erheblich vcr-schlimmert wird. Die Anwesenden ersuchen des«halb, daß zu den Beratungen, welche die Rc«gierungen über die Gefängnisarbeit mit Ver-tretern der einzelnen Stände abhalten, auchArbeitervertreter mit hinzugezogen werden.2. Die Generalversammlung ersucht die Vertreter dersozialdemokratischen Partei im Reichstage und inden Landtagen der einzelnen Bundesstaaten, sich dieser Sache an-zunehmen und bei Gelegenheit zu vertreten. Sie beauftragtden Zentralvorstand, Material zur Verfügung zu halten, umdieses zu gegebener Zeit den Fraktionen zur Verfügung zustellen.3. Die Generalversammlung beauftragt den Zentralvorstand,sich mit der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlandsin Verbindung zu setzen, um ein gemeinsames Vorgehen aller vonder Gefängnisarbeit betroffenen Berufe in die Wege zu leiten,Des weiteren ersucht sie, daß alle Vertreter unseres Verbau-des in den örtlichen Kartellen beantragen, daß die Frageder Gefängnisarbeit auf die Tagesordnung gesetzt wird undVeranstaltungen getroffen werden, wodurch die Oeffentlichkeitim weitesten Maße auf die Nachteile der Gefängnisarbeit fürdie Industrie und die Arbeiter aufmerksam gemacht wird.4. Der Vorstand wird ferner beauftragt, mit den Unter«nchmerorganisationen unseres Berufes in Verbindung zu treten,um auch diese zu veranlassen, in dieser Angelegenheit Schritte zuunternehmen.", Die Resolution wurde einstimmig angenomMy�Hieraus referierte W ei nschild- Berlin überDas neue Heimarbeitsgesetz.Der Referent unterzog die einzelnen Bestimmungen einer scharfenKritik und kam zu dem Schluß, daß das Gesetz den Heimarbeiternkeine Vorteile, sondern eher Nachteile bringt. Nur eine starkeOrganisation sei in der Lage, die Auswüchse der Heimarbeit zuunterbinden. Redner empfiehlt, Material über die Arbeitsver-Hältnisse in der Lederindustrie zu sammeln und dem Bundesratund den Gewerbeaufsichtsbehörden als Denkschrift zu unterbreiten.mit der Maßgabe, für die Heimarbeits- und Zwischenmeisterbctriebeder Portefeuillesindustrie Anregungen zu treffen, die den hygic-Nischen Ansprüchen genügen,(Beifall.)Zum nächsten Punkt?Die geplante gewerkschaftlich-genossenschaftliche Volks,Versicherung,referiert kurz Verbandsvorsitzendcr Blum-Berlin. Zu diesetflPunkte faßte der Verbandstag einstimmig folgende Resolution:Der zweite ordentliche Verbandstag der Sattler und Port»feuiller erkennt die Gründung einer gewerkschaftlich-genossen-schaftlichen Volksversichcrungsgesellschaft als eine wirtschaftlicheandere Städte solche Orchester besitzen, und wie beispielsweisedas hiesige königliche Opernhaus sein Orchester besitzt, das dannab und zu eigene Konzerte gibt. Die Philharmoniker sind einefreie Genossenschaft, ein Verein, wie jeglicher andere, der in eigenerRegie arbeitet und seinen eigenen Borsitzenden hat; auf dessenSchultern ruht natürlich die Hauptlast und nun auch das Haupt-verdienst der Siege, die unsere-.ünstlerschar erficht.- Die Herrensind ungefähr 70 an der Zahl; wenn wir recht berichtet sind, sollenjedesmal 55 Musiker mitwirken und eS soll sck eingerichtet sein, daßin regelmäßiger Reihe die Mitglieder ihren Urlaub bekommen. Tat-sächlich erscheinen die Herren in etwas größerer Anzahl, ungefähr00 Mann, darunter 10 erste, 8 zweite Geigen, 0 Bratschen, 5 Celliund 5 Bässe. Der Friedrichshainer Saal ist im Verhältnis zu seinerGröße gut akustisch, was ich mir auch durch einen Begleiter be-stätigen ließ, der die Güte hatte, im Saale„spazieren zu hören".Wären die Verhältnisse noch günstiger, so könnte man mit demWunsche einer Verstärkung der Streicher kommen.Das gesamte Unternehmen ist von vornherein auf eine er-zieherische Bedeutung eingerichtet. Wahrscheinlich gab es bei denVorbereitungen mancherlei Leid dadurch, daß von der einen Seiteeine allzu„gelehrte", von der anderen eine allzu„unterhaltliche"Musik befürchtet wurde. Dem aufgestellten Ideal wird nun nicht nurdurch die von uns bereits erwähnten Verhältnisse und Einrichtungen,sondern auch durch die Zusammenstellung der Programme ent-sprachen. Und es dürste wohl auch viel Einkocht und Zufriedenheitherrschen, daß auf diesem Wege wirklich erzieherisch vorgegangenwird.Wohl nur wenige werden über diese Dinge so denken, wie derBerichterstatter es schon mehrmals ausgesprochen hat. Nach seinerunverbindlichen Meinung haben solche Vorführungen für musikalischUnerfahrene nicht genug Bedeutung, wenn nicht„Erklärungen" dazu-gegeben werden. Müssen wir nun davon vorläufig schon deshalbablehen, weil diese Konzerte mit verschiedenem Programm zu raschaufeinander folgen, so bleibt doch noch die Frage nach der Auswahlder Stücke. Die radikalste Ansicht verwirft die Herübernahme samt-sicher Bestandteile musikdramn tischer Werke in den Konzertsaal, seien eSauch noch so„abgeschlossene" Ouvertüren.(Anders die sogenanntenKonzertouvertüren, wie namentlich von Mendelssohn, die gerade fürsolche Konzerte außerordentlich zu empfehlen sind.) Außerdem sollteniemals aus einem Konzertstück etwas herausgerissen oder irgendwieverändert werden. Kurz: lediglich Aufführung von Werken, die fürden Konzertsaal geschrieben sind, und genau so wie sie geschriebensind! Vermittelnde Ansichten gestatten dies und das, verwerfen dasund jenes. So kann es schon beim zweiten Konzert, das am Mittwochin der Bockbrauerei stattfinden wird,«nfichtsverschiedenheiten geben,wenn auf die große Leonorenouvertüre Beethowens das Larghettoaus Mozarts Klarinettquintett und am Schluß der Einzug der Götterin Walhall aus Rheingold folgen soll. Indessen begnügen wir unsdamit, nur noch kurz zu erwähnen, daß im dritten Konzert(Sonn-abend, Königstadt) unter anderem ein besonders schöner Smetanakommen wird, im vierten Konzert(12. Juni. Konkordia) u. a.Tschaikowski und Berlioz, im fünften(15. Juni, Germania) u. a.ein selten zu hörender Volksmann.kleines Feuilleton.Junimeteore. Der Monat Juni weist eine ziemlich große Zahlvon Metcorschwärmen auf. steht aber hinsichtlich ihrer Bedeutungsogar hinter den übrigen Monaten des ersten Halbjahrs zurück,das als Ganzes wiederum von dem zweiten Halbjahr im Durchschnittweit überkoffen wird. In. der ersten Juniwoche braucht man über«Haupt kaum nach Sternschnuppen auszuschauen, da das ersteMaximum ihres AufKetenS erst zwischen dem 7. und 8. Juni erfolgt.Dann folgt ein zweites am 11. Juni, ein drittes am 15. Juni.All diese Schwärme aber sind nicht dicht genug, um ein außergewöhn-liches Schauspiel erwarten zu lassen. Man teilt jetzt, nachdemdie Erforschung der Meteorschwärme, die früher sehr vernach-lässigt gewesen ist, eine größere Vollkommenheit erreicht hat,auch diese Himmelskörper oder vielmehr Gruppen solcher inGrößenklassen ein, ähnlich denen, durch die man die Helligkeit derFixsterne unterscheidet. So wird beispielsweise ein Meteor-schwärm, der schon am 3. und 4. Juni die Erdatmosphäreschneidet der 24. Größenklasse zugeteilt, ein Merkmal seineraußerordentlich geringfügigen Bedeutung. Der bereits er-wähnte Schwärm vom 7. Juni wird immerhin als von3. Größe bezeichnet. Der kräftigste Schwärm dieses Monatsüberhaupt ist der vom 15. Juni, der noch zwei weitere Maximaam 17. Juni erfährt, nämlich von etwa 2. Größenklasse.Was sonst noch vorkommt, ist kaum nennenswert, und man wirdüberhaupt bis zum Juli und August warten müssen, ehe manmit besserem Erfolg nach Sternschnuppen aussehen kann. UebrigenShat der deutsche Astronom Kuno Hoffmeister in den„AstronomischenNachrichten" eine neue Untersuchung über den vermuteten Zusammen-hang des im Mai austretenden Meteorschwarmes aus dem Stern-bilde des Wassermanns(Aquariden) und dem in der Auflösung be-griffenen Halleyschen Kometen angestellt. Er hat die Beobachtungender letzten Jahre sorgfältig geprüft und mit denen deS Kometenverglichen und der Schluß lautet dahin, daß an einer engen Be«Ziehung zwischen den Meteoren und diesem Kometen kaum noch einZweifel bestehen kann.Das Handwerkszeug deS Schriftstellers. Ein Parteigenosseschreibt uns: Zu der Notiz in Nr. 125 möchte ich Ihnen das Gegen«stück mitteilen. Ich wurde im Jahre 1907/08 in Rostock i. M.vom Gerichtsvollzieher ausgepfändet, d. h. es kam nicht so weit,weil daS Landgericht die Handlung des Gerichtsvollziehers auf Grundmeiner Beschwerde nicht bis zu Ende kommen ließ. Der Gerichts-Vollzieher erklärte zwar selbst, daß er mir die eigene Bibliothekwegen meines Redakteurberufes nicht pfänden könne, dadie Bücher(darunter ebenfalls eine ganze Anzahl Klassiker) für michunentbehrlich seien bei Ausübung meines Berufs. Daraufhinpfändete der Mann aber allerhand andere Gegenstände, die er inder Behausung vorfand. Auch diese(Uhren, Möbel usw.) gab dasGericht frei, weil ich deren Unentbehrlichkeit in meinem HausstanddeS näheren begründete.