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bom Standpunkt der allgemeinen Gewerkschaftsbewegung ansehen, dann komme man zu einem anderen Urteil. Das Tun und Lassen der Generalkommission werde durch die Beschlüsse der Gewerkschafts- kongresse bestimmt. Es sei unmöglich, den Gemeindearbeitern gegen. über eine andere Haltung einzunehmen. Die Grundlage der Ge- werkschaften ist die Berufs- und in weiterem Verfolg die Industrie- organisation. An deren Stelle wollen nun die Gemeindearbeiter die Betriebsorganisation setzen. Mag sein, daß für die Gemeinde- arbeiter eine Betriebsorganisation vielleicht besser wäre; so lange aber de Beschlüsse der Gewerkschaftskongresse zu Recht bestehen, müssen sie respektiert werden. Heckmann habe ganz richtig gesagt, man dürfe die Forderung der Betriebsorganisation nicht für die allgemeine Gewerkschaftsbewegung aufstellen. Wenn sich der Ver- bandstag aus diesen Standpunkt stelle, werde die Sache einfacher. Die Beschlüsse der Gewerkschaftskongresse müssen natürlich hochgehal- ten werden, doch wäre der Weg der Verständigung beschritten. Die Frage müsse in Zukunft viel kühler betrachtet und behandelt werden. Das Rekrutierungsgebiet für den Gemeinde- und Staatsarbeiter- verband sei immer noch sehr groß und man brauche nicht auf andere Berufe überzugreifen. In seinem Schlußwort ging der Verbandsvorsitzende M o h s auf die gegen ihn gerichteten Angriffe ausführlich ein. In der Grenzstreitigkeitsfrage sei den Vorständen der übrigen Gewerk- schaften der Standpunkt der Gemeindearbeiter genau bekannt,; der Vorstand könne in den Vorstandskonferenzen nicht anders auftreten. Das beste sei, auf gütlichem Wege sich mit den anderen Gewerk- schaften zu verständigen. Daß die Straßenbahner den Transport- arbeitern überlassen wurden, damit müsse man sich abfinden. Da- gegen lasse sich der Gemeindearbeitcrverband die Depot- und Streckenarbeiter nicht nehmen. Gegenüber den übrigen Angriffen betonte Mohs, er sei immer mit Arbeiten stark überhäuft gewesen und habe viele Vertretungen im Jahre 1910 12 Wochen lang übernehmen müssen. Die Arbeiten im Verbandsbureau werden durch den starken Wechsel der Hilfskräfte beeinträchtigt; es müssen fortwährend neue Hilfskräfte ausgebildet werden. Die Anstellung eines Sekretärs sei dringend nötig. Mohs meint, die Arbeit sei ihm durch das Verhalten der übrigen Vorstandsmitglieder sehr er- ischwert worden; man habe ihm das Leben sauer gemacht. Die Verhältnisse im Verbandsbureau müssen anders werden, ob nun der Vorsitzende Wutzkh oder Mohs heiße!(Starker Beifall.) .. Angenommen wurden folgende Anträge: / 1. Bei Anstellung von Beamten sind in erster Linie Mit- glieder unserer Organisation zu berücksichtigen. Erst wenn sich keine geeigneten Mitglieder unserer Organisation um die Stellen bewerben, kann der Verbandsvorstand Bewerber aus anderen Organisationen berücksichtigen. 2. Die alljährlichen Geschäftsberichte des Verbandsvorstandes find so zeitig herauszugeben, daß sie spätestens am 30. Juni dos darauffolgenden Jahres in Händen der Filialleitungen sich be- finden. 3. Der Verbandsvorstand wird beauftragt, jedes Jahr einen Kollegen zum Besuch der Parteischule zu delegieren. Die Kosten trägt die Hauptkasse. 4. Der Verbandstag wolle beschließen, die zwischen dem 6. und ö. Verbandstage innerhalb der Filialen verloren gegangenen Beitragsmarken auf das Konto der Hauptkasse zu übernehmen. 5. Die Organisierung sämtlicher Arbeiter der militärischen Betriebe ohne Unterschied des etwaigen Berufes erfolgt zweck- mäßigerweise durch den Verband der Gemeinde- und Staats- arbeiter. Es liegt das nicht nur im Interesse der Militärarbeiter selbst, sondern es wird damit auch der bisherigen endlosen Zer- splitterung und Vergeudung an Zeit und Geld ein Ende gesetzt. Der Verbandsvorstand wird beauftragt, dieserhalb mit der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands in Verbin- dung zu treten. Zustimmung findet auch ein vom Vorstand vorgelegtes Wahl- reglement. Mit 43 gegen 34 Stimmen wurde beschlossen, den Sitz des Ausschusses von Hamburg nach Süddeutschland zu verlege ni Dem Vorstand wurde eine Reihe von Anträgen, die Ausgestaltung des Verbandsorgans betreffend, zur Berücksichtigung «überwiesen. Hierauf referierte Maroke- Frankfurt in kurzen Zügen über die Frage der Organisierung des etatsmäßigen Personals. Der Verbandstag stimmte folgender, von einer Kommission auSgear- beiteten Resolution einmütig zu. Sie lautet: Das Bestreben der Stadtverwaltungen geht in immer stär- kerem Maße dahin, einen Teil der Arbeiter zu Beamten zu machen oder in beamtenähnliche Stellungen zu bringen, um sie dadurch von den organisierten Arbeitern zu trennen und ihren besonderen Zwecken dienstbar zu machen. Der Verbandstag ist sich dessen bewußt, daß die Interessen aller dieser Angestellten am besten durch den Verband der Ge- meinde- und Staatsarbeiter wahrgenommen werden, da ihre Dienstverhältnisse in engster Verbindung mit denen der Arbeiter stehen und die durch die Organisation erreichten Verbesserungen der Arbeiterverhältnisse auch auf die ihrigen einwirkt. Der Verbandstag betont ausdrücklich die Zuständigkeit unserer Organisation für diese Kategorien und fordert daher alle sich in solchen Stellungen befindlichen Kollegen auf, ihre Interessen durch die Mitgliedschaft beim Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter wahrzunehmen." Donnerstag findet keine Sitzung statt. Ztsatverontoeteit-Veilsminliing. IS. Sitzung bom Donnerstag, den 6. Juni 1912, nachmittags SUHr. Vorsteher-Stellvertreter Cassel eröffnet die Sitzung nach 5K- Uhr. Die Abteilungen haben vier Ausschüsse gewählt. In dem Aus- schuß für d'e Vorberatung des Ortsstatuts über die Anstellung und die Befugnisse von Direktoren in der Verwaltung der Stadt Berlin ist die sozialdemokratische Fraktion durch die Stadtvv. Grunwald, Hei mann, Dr. Wehl und Woldersky, in demjenigen für die Vorlage wegen provisorischen Anschlustcs des westlichen Tempclhofer Feldes an die Berliner Kanalisation durch Drescher, Kerfin. Koblenzer , Mars und P f a n n k u ch vertreten. Vor Eintritt in die Tagesordnung spricht der Vorsteher- Stellvertreter Cassel den Dank der nach Wien entsandten Mit- glieder der Versammlung für denüberaus glänzenden, lkbens- würdigen, freundschaftlichen und herzlichen" Empfang, den die Besucher dort gefunden haben, aus. Man habe volle Veranlassung gehabt, die Schönheit der Stadt Wien zu bewundern und das Vor- handensein vorbildlicher städtischer Einrichtungen zu konstatieren; insbesondere habe man den schönen Wald- und Wiesengürtel bewundert, der Wien umgibt, und der nicht bloß Eigentum der Stadt sei. sondern auch in ihrem Weichbilde liege und der Verwaltung und der Bevölkerung zurvoklenfreienVer- f ü g u n g stehe. Unter dem Beifall der Versammlung schlägt der Vorsteher die Abfindung eines Danktelegramms an den Wiener Gemeinderat vor. Hierauf begrüßt der Vorsteher-Stellvertreter die auf der Tribüne des Sitzungssaales erschienenen Vertreter der schwedischen Städte Stockholm , Göteborg und Malmö im Namen der Versammlung und heißt sie unter lebhaftem Beifall willkommen. Tie Versammlung hat sich zu Ehren der Gäste von den Plätzen erhoben. Die Wahl des Beigeordneten B e r n d t- Mainz zum besoldeten Berliner Stadtrat ist vom Oberpräsidenten bestätigt worden. Mit der Gemeinde Treptow hat der Magistrat einen Vertrag vereinbart, der die Leistung von Anliegerbeiträgen in Höhe von 259 702 M. zu den Kosten der Pflasterung usw. von Teilen der Parkstratze, Treptower Chaussee und Bouchestratze und die gegenseitige Verpflichtung zur Aufnahme von Schülern in die beiderseitigen höheren Lehranstalten ohne erhöhte Sätze stipuliert. Stadtv. Zylicz(A. L.) bemängelt, daß Berlin auf Kosten der Steuerzahler den bessersituierten Treptowern mit dem Verzicht auf die Erhöhung der Schulgelder ein Geschenk von 5000 M. und mehr machen soll, und beantragt, diesen Teil der Vorlage ab- z u l e h r. r n. Von dem Stadtrat N a m s l a u sowie von den Stadtvv. Sachs(A. L.) und R o s e n o w(N. L.) wird diesem Antrage lebhaft widersprochen; es zeigt sich, daß Herr Zylicz mit dieserKleinigkeitskrämerei" in der Versammlung allein steht. Die Vorlage wird angenommen. Für die städtische Desinfektionsanstalt I wird für 1912 über den Etat hinaus eine Mehrbewilligung von 23 744 M. gefordert. Stadtv. Koblenzer (Soz.): Wir werden selbstverständlich f ü r die Bewilligung dieses Nachtrages stimmen, denn die Des- infektionsanstalt muß möglichst gut ausgebaut werden. Wir freuen uns insbesondere, daß die Desinfektoren den Straßen- reinigern in bezug auf Lohn gleichgestellt werden, und damit einem großen Mißstande endlich Abhilfe werden soll. Zu tadeln ist, daß die Verwaltung bei den Desinfektionen der Schulen öfter zu sparsam vorgeht; gegen die Verlegung der betr. Arbeiten auf den Sonntag haben wir auch Bedenken. Der Magistrat sollte erwägen, ob nicht auch dieser Zweig der Ver- waliung einer Deputation angegliedert werden kann; zurzeit untersteht er einfach einem Dezernenten. Die Summe wird bewilligt. Der Neubau des Stadthauses, für den 0 973 800 M. bewilligt waren, hat 390 790 M. Mehrkosten verursacht. Die Neubauten der Gemeindedoppel schulen an der Gotzler- und an der Scherenberg st ratze haben gegenüber dem Anschlag von 988 300 M. und 709 000 M. Mehrkosten von 30 000 bezw. 4000 M. ergeben. Bei der Einrichtung des städtischen Grundstücks am Stralauer Platz zu einem städtischen Kohlenplatz ist eine Ueberschreitung der Anschlagssumme von 295 000 M. um 57 550 M. zu erwarten. Für diese Anschlagsüberschreitungen sucht der Magi- strat die Zustimmung der Versammlung nach, indem er gleichzeitig mitteilt, daß bei 12 anderen städtischen Bauten sich Minderkosten im Gesamtbetrage von 054 527 M. ergeben haben. Auf Vorschlag des Stadtv. Cremer(A. L.), dem Stadtv. Gold- schmidt(N. L.) beitritt, wird die Vorlage einem Ausschussevon 15 Mitgliedern überwiesen. Für im Oktober d. I. abzuhaltende Seefischkochkurfi soll ein Beitrag von 800 M. bewilligt werden. Die Kurse werden auf Anregung des Deutschen Seefischereivereins veranstaltet und sollen in 0 Schulküchen, je zwei hintereinander, für Mütter der Gemeindeschulkinder abgehalten werden. Die Fische für die Kurse stellt der Verein unentgeltlich zur Verfügung. Nachdem Stadtschulrat Fischer noch hervorgehoben hat, daß in Aussicht genommen ist, die sämtlichen Mädchen der ersten Klassen der betreffenden Schulen an den Kursen teilnehmen zu lassen, wird der Betrag bewilligt. Zur Gewährung eines Ehrenpreises für die A u s s ch e i- dungswettkämpfe der deutschen Schwimmer zu den Olympischen Spielen in Stockholm beantragt der Magi- strat die Gewährung von 1000 M. Der Deutsche Schwimmerverband hat diese Wettkämpfe am 2. Juni cr. im Seebad Mariendorf abgehalten. Die Vorlage datiert vom 31. Mai. Stadtv. Rosenfrld(Soz.): Wiederholt ist getadelt worden, daß Vorlagen des Magistrats s e h r stpä t an dre Versammlung gebracht werden. Die heutige Vorlage kommt sogar zu spät. Es sollen hier Mittel bewilligt werden für einen Zweck, der bereits erfüllt worden ist; das Wettschwimmen hat schon am 2. Juni stattgefunden. Wir wünschen denn doch Aufllärung darüber, wie es möglich ist, daß eine derartige Vorlage erst an uns kommt, wo das Geld schon ausgegeben sein soll. Es liegt hier eine gewisse Nichtachtung der Versammlung gegenüber vor, wogegen wir P r o t e st erheben müssen. Stadtrat Namslau : Das Geld ist bewilligt, vorbehaltlich der Zustimmung der Versammlung. Weshalb die Vorlage so spät kommt, kann ich nicht sagen. Die Sache pressiert, weil die Spiele schon im Juni stattfinden. Eine Mißachtung der Versammlung hat dem Magistrat ferngelegen. Stadtv. Dr. Rosenfeld: Diese Erklärung kann ich nicht als ausreichend ansehen. Mindestens hätte der jetzt erwähnt« Vor- behalt in der Vorlage zum Ausdruck gebracht werden müssen. Ich beharre dabei, daß hier unsere Rechte verletzt worden sind. Die Bewilligung wird ausgesprochen. Das st ä d t i s ch e Grundstück Seestraße 19(jetzt 49), 2102 Quadratmeter, soll für 152 421 M., d. h. für 70,50 pro Quadrat­meter an den Moonschen Blindenverein zur Errichtung eineS Blindenheims mit Versammlungs-, Lese- und Musiksaal verkauft werden. Stadtv. Psannkuch(Soz.): Gegen die Veräußerung haben wir ebenso wenig wie gegen den Verkaufspreis etwas einzuwenden. Der Magistrat hat bei diesem Vertrage alle die Vorsichtsmaßregeln getroffen, die wir sonst manchmal bei ihm vermissen. So ist auch der Rückfall des Grundstücks an die Stadt zu demselben Preise vor- gesehen, wenn es seinem Zwecke nicht mehr dienen sollte. Es fehlt aber eine Bestimumng darüber, daß dieser Vorbehalt auch g r u n d- b u ch l i ch gesichert wird. Stadtrat Rast: Es ist das hier vielleicht nur übersehen war- den. Meines Wissens wird immer so verfahren, wie der Borredner anregt. Die Versammlung nimmt die Vorlage an. Die Vorlage betreffend: 1. Tie Festsetzung eines BcbaunngSplancS für das Stadtgebiet zu beiden Seiten der Müllerstraße, 2) zwischen der O t a v i st r a ß e und der Gemarkungsgrenze gegen die königliche Forst Tegel (Block III und IV), d) zwischen der L 0 n d 0 n e r S t r a ß e(nordöstlich der Müller- straße und der Gemarkungsgrenze gegen Reinickendorf (Block II); 2. den Abschluß von Verträgen mit der Terrainaktiengesellschaft Müllerstraße und der Bodenaktiengefillschaft Berlin-Nord, wird auf Antrag des Stadtv. Bcrghoff(Fr. Fr.) einem Ausschuß von 15 M i t g l i c d e r n ü b e r w i e s e n, der vorn Vorstande sofort er­nannt wird, und dem auch die sozialdemokratischen Stadtvv. Leid, Ewald, Gottsried Schulz und Woldersky angehören. Auch die Vorlage betreffend den Erwerb von Straßen- l a n d von dem Grundstück A l e x a n d e r st r. 25 wird ohne Debatte angenommen. Schluß der öffentlichen Sitzung%7 Uhr. Hiis der Partei. Landcsparteitage. Der L a n d e s p a r t e i t a g der S 0 z». 0 e m okra ti e Bayerns findet am 3., 4. und 5. August in Landshut statt. Die vorläufige Tagesordnung enthält außer den Vorstands» und OrganisationSberichIen u. dergl. folgende Punkte: Parlamentarischer Bericht der Landtagsfraktion. a) Allgemeine Politik. Berichterstatter: Adolf Müller. b> Steuerpolitik. Berichterstatter: Dr. v. Haller. 0) Sozialpolitik. Berichterstatter: Konrad Dorn. Gemeindewahlprogramm. Berichterstatter: M. Segitz und Dr, A. Südekum. Heimatrecht oder UnterstützungSwohnfitz. Lertchterstatter: Ed. S ch m i d. Der Vollzug der Reichsversicherungsordnung in Bayern . Berichterstatter: I. Timm. Die Sozialdemokratie Hessens hält ihre Landes» konferenz am 31. August und 1. September in Erbach i. O. �ab. Außer den Berichten ist ein Referat des Genossen B u s 0 l d über die Reichs- und Landtagswahlen und ein solches des Genossen Ulrich über den Parteitag in Chemnitz vorgesehen. pollreilickes. OerichtUches uft». Wie unsere Gegner veflraft werden. Der Vorsitzende deS sozialdemokratischen KreiSvereinS Reckling» hausen, Genosse Töneböhn, sollte nach einem BersammlungSbericht des dortigen Zentrumsorgans behauptet haben, ein Gendarm habe eine 70 jährige Frau mit dem Karabinerkolben traktiert. Töneböhn schickte dem Blatt eine Berichtigung, an die die Redaktion die Be» merkung knüpfte, daß ihre Darstellung der Wahrheit entspreche. An» schließend hieran sprach das Blatt sogar von lügnerischer Gefolgschaft, die sich erdreiste, feststehende Tatsachen abzu- streiten. Als gegen den Redakteur Privatklage erhoben wurde, siel dieser mit dem angebotenen Wahrheitsbeweis glatt ab. DaS Ge- richt hielt aber nur eine Geldstrafe von 25 M. angebracht. Ein anderes Beispiel: Als während der Reichstagswahl die Schaukästen des.Bochumer Volksblatt" wiederholt demoliert wurden, gelang es, einen erwachsenen Sprößling gut situierter Bürgersleute dabei zu ertappen. Urteil: Drei Mark Geldstrafe. £Iiis Industrie und Kandel . Ein Riesenunternehmen. Schon mit der Kapitalerhöhung auf 100 Million«! Mark war die De u tsch-Lu x e mb urg i sche Bergwerks- gefellfchaft in die Reihe der deutschen Montanriesen ein- gerückt, mit der neuen Kapitalserhöhung auf 130 Millionen Mark ist der Riese wieder um Haupteslänge gewachsen. Ob dieses schnelle Wachstum seiner Gesurtdheit zuträglich sein wird, muß die Zu- kunft lehren. Entstanden ist der Riese jedenfalls aus einem kranken Keim, der in der ersten Zeit mühsam herangezüchtet wurde, um dessen Weiterleben man ernstlich besorgt war. Ende der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts entstand aus der Fusion der Differ- dinger Hochofen-Aktien-Gesellschaft in Differdingen (Großherzog- tum Luxemburg ) und der Aktien-Gesellschaft Zeche Tannenbaum in Bochum die Aktien-Gesellschaft für Eisen- und Kohlenindustrie Differdingen-Dannenbaum. Die Gesellschaft, deren Sitz im Aus- lande lag, mußte die für auslandische Unternehmungen von unserer Rcichsgewerbeordnung vorgeschriebene Geschäftsbetriebserlaubnis erst nachsuchen und erhielt sie am 0. März 1900. Die Aktien wurden zum Handel an der Berliner Börse zugelassen, aber die Börse er- lebte nicht viel Freude daran, die Gesellschaft wurde vielmehr eine ganze Zeitlang ihr Schmerzenskind. Es wurde eine Sanierung vorgenommen, die sich aber als unzureichend erwies und der bald darauf eine neue Sanierung erfolgte. Aber das Unternehmen konnte sich nicht halten und mußte unter erheblichen Verlusten der Aktionäre und Gläubiger in Liquidation treten. Am 15. Juni 1901 wurde die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-Mtien- Gesellschaft mit dem Sitz in Bochum errichtet. DaS Kapital betrug bei der Gründung 1 000 000 M. Am 18. Juli 1901 schloß die neue Gesellschaft ein Uebernahmeabkommen mit der in der Auflösung be- griffenLN Aktien-Gesellschaft für Eisen- und Kohlen-Jndustrie Differdingen -Dannenbaum. Am 19. Dezember desselben JahreS 'chon wurde das Kavital der Deutsch -Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-Aktien-Gesellschast zwecks Uebernahme des verkrachten Unternehmens um rund 24 Millionen Mark erhöht. Aber trotz der erheblichen Mittel hqtte auch die neue Gesellschaft kein Glück. Die GeueÄlversammlung vom 30. September 1904 mußte die Zusam- menlegung der Aktien im Verhältnis von 2:1 genehmigen. Zugleich wurde die Fusion mit der Bergbau-Aktien-Gcsellschaft Friedlicher Nachbar zu Linden a. Ruhr und die Erhöhung des Kapitals auf 20 Millionen Mark beschlossen. Von da an nimmt die Erweite- rungSpolitik der Deutsch -Luremburgischen Bergwerks- und Hütten- Aktien-Gesellschast riesige Geschwindigkeit an. Am 18. November 1905 wurde das Kapital auf 24 Mill. Mark erhöht, und zwar zum Zweck des Zusammenschlusses mit der Aktiengesellschaft Bergwerksverein FriedrichMilhelms-Hütte zu Mülheim a. Ruhr und zur Erwerbung der sämtlichen europäischen Grey-Patente. Diese Grey-Patente haben bekanntlich dem StahlwerkSverbande bei den kürzlich be» endeten Erneuerungsverhandlungen viel zu schaffen gemacht. Am 3. Oktober 1908 erfolgte schon wieder eine ssirpitalSerhöhunK und zwar diesmal gleich um 18 Millionen Mark zwecks Uebernahme der Aktien-Gesellschaft Dortmunder Steinkohlenbergwerk Louise Tief- bau zu Barop . Genau ein Jahr darauf wurde das Kapital auf 50 Millionen Mark erhöht und ungefähr ein halbes Fahr danach auf 03,5 Millionen Mark. Von dieser letzten Kapitalserhöhung dienten 3,5 Millionen Mark zum Aufschluß des umfangreichen Erz- bcsitzes der Gesellschaft und 10 Millionen Mark zum Erwerb des gleichen Nominalbetrages Aktien der Saar - und Moselgesellschaft. Während bisher die Deutsch -Luxemburgische Bergwerks-Gesellschaft hauptsächlich ihren Besitz im Ruhrbezirk ausgedehnt hatte, erwarb sie mit den Aktien der Saar- und Mosel-Bergwerks-Gesellschaft in Karlingen bestimmenden Einfluß auf die westlichste Kokskohle er- zeugende Kohlenzeche und sicherte damit dem Diffirdinger Werk eine ichr wesentliche Frachtersparnis. Ganz kurze Zeit danach tat die Gesellschaft einen neuen großen Schritt in ihrer EntWickelung zum Montan-Trust. Sie gliederte sich die Union , Aktien-Gesellschaft für Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie in Dortmund , an und fitzte zwecks Durchführung der Fusion das Kapital um 30,5 Millionen Mark auf 100 Millionen Mark herauf. Man fragte sich damals ängstlich, was eigentlich die Deutsch -Luxemburgische Bergwerks- gesellschast, die doch in Westfalen kaum genügend Kohle für ihren eigenen.Bedarf habe, mit einem großen Hüttenwerke wolle, das ganz außer Verbindung zu dem Diffirdinger Werke steht. Man wollte zunächst wissen, daß der Zusammenschluß mft der Dort- munder Union seinen Grund in privaten Vorteilen einzelner hätte. Maßgebend für den Zusammenschluß war jedoch wohl die Tatfache, daß die Diffirdinger Eisenwerke wohl für den Export nach Frank- reich, Belgien und übers Meer in Betracht kamen, der Konkurrenz der rheinisch-westfälischen Werke in Mittel- und Ostdeutschland je- doch nicht gewachsen waren. Dem Kohlenmangel in Westfalen suchte man nun durch die Aufnahme der Zechen Tremonia und Kaiser Friedrich abzuhelfen. Da man mit der Saar - und Mjofil-Gefill- schaft eine breite Kohlenbasis im Westen erlangt hatte, konnte in diesem Gebiete des Unternehmens an eine Ausdehnung der Eisen- Produktion gedacht werden, die durch Einbeziehung der Hochofen- und Stahlwrke Rümelingen und St. Ingbert in den Deutsch -Luxem- burgcr Konzern vorgenommen wurde. Dieser riesige Besitz mußte nun betriebs- und verwaltungstechnisch ausgebaut und umgeändert werden. Der geistige Leiter, Hugo Stinnes , ging mit Eifer an diese Aufgabe. Das Ziel aller dieser Maßnahmen war. die Produktionen an den einzelnen Orten möglichst zu vereinheitlichen. Differdingen wurde der Schwerpunkt der Trägerfabrikation, Dort- mund der Mittelpunkt der Eisenbahnmaterialhersb-vung. Dabei war die treibende Kraft stets das Bestreben, die Gestehungskosten durch Frachtcrfparnisse und technische Vervollkommnungen herabzu- setzen. Wie sehr dieser Gedanke StinneS beherrschte, geht auS seinem Plane hervor, die untere Ruhr für seine Schiffe befahrbar zu machen, um für sein großes Mülheimer Gießereiwerk eine direkte Wasserverbindung zu haben. Es heißt, daß das Bauprogramm jetzt einigermaßen abgeschlossen sei. aber man muß sich darauf gefaßt machen, daß Stinnes noch erhebliche neue Ausdehnungen vornehmen wird. Dabei kommt nicht nur die Eisenproduktion mit Hilfe zahl- reicher Kohlengruben in Betracht, sondern Stinnes will auch an- scheinend im Kohlenhandel eine bedeutende und maßgebende Macht werden. Dieses Bestreben hat sich ja schon an einer Reihe von Plätzen, in Berlin , Königsberg, Riga und Petersburg fühlbar ge» macht,