die Arbeitszeit bedarf noch einer weiteren Regelung. Währendzu», Beispiel die Maschinisten und Heizer in der Gasmistalldie achtstündige Arbeitszeit bereits haben, arbeite» dieselbenBerussgruppen im Krankenhaus und in der Pumpstation nochV Stunden. Eine Gleichstellung ist schon längst versprochen, bis jetztaber noch nicht durchgeführt worden. Vom Pflege- und Hauspersonalim Krankenhans wird noch eine 14 ständige Dienstbercitschaft ge-fordert, und auch die OmnibnSangestellten haben noch eine 13stündigeArbeitszeit, wozu noch häufig Ileberstunden kommen.Um zu dieser bevorstehenden Neuregelung der Lohnverhältnisseder städtischen Arbeiter und Angestellten Stellung zu nehmen, hatteder Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter zu Mittwochabendeine Versammlung nach den„Biirgersälen* einberufen. In dervorigen Woche hatte sich schon eine' Vertrauensniännerversammlungmit dieser Fr?ze beschäftigt, welche sich über die Art des Vorgehenseinigte. Danach sollen dem Magistrat die Wünsche der gesamtenstädtischen Arbeiter und Angestellten unterbreitet sowie die Forderungaufgestellt werden, einen Lohnvcrtrag auf der Basis der Tarif-Verträge abzuschlieben. Die allgemeine Versammlung erklärte sichnach einem eingehenden Referat des Genossen P o l e n s k e mit denVorschlägen der Vertraucnsmännerversammlung einverstanden undnahm darauf folgende Resolution einstimmig an:.Die am S. Juni 1912 in den„Burgersälen", Bergstr. 147, der-sammelten Handwerker. Arbeiter, Arbeiterinnen und Augestellten derstädtischen Betriebe Neuköllns beauftragen den Verband der Gemeindeund Staatsarbciter, zur bevorstehenden Neuregelung der Lohn- undArbeitsverhältnisse die nachstehenden Anträge zu stellen:Die Neuregelung der Arbeitsbedingungen erfolgt aus der Grunbläge eines zwischen der Stadtverwaltung und dem Verbände der Ge-meinde- und Staatsarbeiter abzuschließenden Tarifvertrages.Dieser Tarif soll enthalten:I.Entlohnung, a) Einführung von Wochenlöhnen an Stelleder bisherigen Stunden- und Tagelöhne. Aufbesserung der Löhneum inindestens 2 M. pro Woche.'b> Bezahlung der Ucberstunden mit 26 Proz., der Sonntags-und Nachtarbeit mit 69 Proz. Aufschlag.2. Arbeitszeit, a) Die achtstündige Schicht für alle kon-tinuierlichen Betriebe.dj Die neunstündige Arbeitszeit für alle übrigen Betriebeexklusive des Omnibnsbetriebes und des Pflege- und Hausperfonalsdes Krankenhauses.c) Die zwölsstündige Arbeitszeit für den Omnibusbetrieb unddas Pflege- und Hauspersonal des Krankenhauses.Wilmersdorf-Halensee.AuS der Stadtvemduetenversammlung. Von den 18 Gegenständen, mit denen die Stadtverordnetenversammlung sich in ihrerSitzung vom Mittwoch zu beschäftigen hatte, wurden die meisten imGeschwindschritt erledigt. Selbst die doch immerhin belangreicheMagistratsvorlage, die für Schulhäuser und andere städtische Bautendie Ausnahme einer Anleihe von 26 Millionen Markempfahl. löste nur eine kurze Debatte aus. Vonsozialdemokratischer Seite wurde auf ein vonder Stadt Wiesbaden eingeführtes Verfahren hingewiesen,das nicht die sonst übliche ratenweise, sondern eine einmalige Tilgungder Anleiheschuld vorsieht und dadurch eine günstigere Aufnahme derSchuldverschreibungen bewirken soll. Nachdem einige Redner diegegen das Wiesbadener Verfahren erhobenen Bedenken hervorgekehrthatten, fand die vom Finanzausschuß in verschiedenen Stücken ab-geänderte Magistratsvorlage Annahme.Ebenso stimmte die Versammlung einer Magistratsvorlage zu,die die Uebernahme des bisher vom Gemeinnützigen Verein geleitetenArbeitsnachweises in städtische Verwaltung bezweckt. Bei diesemGegenstande wurde von sozialdemokratischer Seite betont, daß es ander Zeit sei, den bis jetzt nur für weibliches Dienstpersonal in Be-trachl kommenden Arbeitsnachweis nach Schöneberger Muster weiterauszubauen. Wie wir schon mitgeteilt haben, wird der im HauseGasteiner Str. 11 befindliche Nachweis im Hause Trautenaustr. leine Filiale erhalten.Eine Auseinandersetzung gab eS bei der Erörterung der MagistratsVorlage, wonach für eine Müllverladestelle und ein Armenhaus von der durch Herrn Haberland vertretenen offenen Handels-gesellschaft B. Gutmann in Dresden ein an der Forckendeckstraßebelegenes Grundstück gekauft werden soll. Während einige Fachleuteden vereinbarten Preis von 316 194 M. für das 309,37 Quadrat»ruten große Grundstück als viel zu hoch bezeichneten, beklagteStadtverordneter Dr. Heinitz sich darüber, daß geradedie Gegend am Bahnhof Schmargendorf, in der doch alsZierde der Stadt das Amtsgericht errichtet werden solle, aucheinige öffentliche Gebäude von zweifelhafter Güte erhaltenwerde. Ihm trat der Genoffe Schröder mit dem Bedeuten ent-gegen, daß nach seinen als Redakteur gemachten Erfahrungen einGerichtsgebäude oft auch bei anständigen Menschen nicht geradeanheimelnde Empfindungen auslöse. Von diesem Gesichtspunktaus betrachtet seien die Gefühle, die der Anblick eines Armen-Hauses wecke, immerhin dem Allgemeininteresse dienlicher; unddaher brauche man sich auch nicht auf alle Fälle der von HerrnDr. Heinitz ausgesprochenen Genugtuung über die MagistratSvorkageanzuschließen, die das Armenhaus als Hintergebäude errichten undeS so dem Anblick der Straßenpassanten entziehen will. Auch dieseBorlage fand schließlich Annahme.Eine weitere Magistratsvorlage, die das Ausscheiden der�Stadt-gemeinde Wilmersdorf aus der Brandenburgischen Beamten-,Witwen- und Waisenversorgungsanstalt und die Gründung eine?eigenen Fonds für die Witwen- und Waisenversorgung zum Zielhatte, wurde dem Finanzausschuß überwiesen.Hierauf sollte eine Angelegenheit zur Beratung kommen, die inder Oeffentlichkeit die Gemüter lebhaft bewegt hat. Das von derRegierung an die Stadt verkaufte Grundstück des Joachimsthal-schen Gymnasiums enthält einen großen Schulgarten, den derMagistrat zum Teil der Bebauung überantworten will, während dieBevölkerung ihn ganz als Park erhalten sehen möchte. EineAussprache über diese Angelegenheit war dringend notwendig.aber die maßgebende konservative Fraktion hatte es ander» be-schlössen. Der fortschrittliche Stadtverordnete Cohn trat in kurzenWorten für Erhaltung des Parkes ein, und der StadtbauratHerrnring suchte den Magistrat von dem Verdachtezu reinigen, daß er nicht aus Förderung der Kultur bedachtsei. Dann erhob sich der Stadtverordnete D r ö s e alsVorsitzender der großen Fraktion� um die Minderheit mit der Er-klärung zu überraschen, daß ein Schlußantrag gestellt werde. Gen.Schröder wandte sich mit Schärfe gegen diese in Wilmersdorf öfterangewandte Vergewaltigung der Minderheit: er hob hervor, daß dieMehrheit mit dem von ihr beliebten Verfahren sich selbst einenBärendienst leiste, weil die Unterdrückung der Aussprachedie Stadt Wilmersdorf in ein außerordentlich ungünstiges Lichtstelle. Aber der Beschluß der Konservativen wurde unter dem ein-dringlichen Protest der Opposition mit knapper Mehrheit durchgeführt.Die einzige Genugtuung, die sich die Minderheit verschaffen konnte,bestand darin, daß sie durch den Demokraten Moll gegen diezweite Lesung der Vorlage Einspruch erhob. Dadurch wurde er-reicht, daß die Parkangelegenheit in der nächsten Sitzung nocheinmal beraten werden muß.wurde mitschloffen.Lankwitz.begeisterten Hochrufen auf die Sozialdemokratie ge-Boxhagen- Rummelsburg.In einer imposanten von etwa 2999 Personen besuchten Volks-Versammlung im Garten des„Cafo Bellevue" referierte am Dienstag Genosse Dr. B r e i t s ch e i d über da? Thema:.Ich bin einPreuße". Nach einem historischen Rückblick über die Vergangenheitder Hohenzollern und des preußischen Junkertums geißelte derReferent an Hand der letzten Ereignisse die skandalösen ZuständePreußens. Der WahlrechtSkampf müsse mit größerer Verve als bishergeführt werden. Nach dem mit lebhaftem Beifall aufgenommenenBortrag entspann sich eine Diskussion, in der u. a. auch die Ereignissein Budapest besprochen wurden. Allgemein wurde die Meinung zumAusdruck gebracht, daß es die Pflicht der Arbeiterschaft sei. sich aufgrößere entscheidende Kämpfe vorzubereiten. Die VersammlungKinderspiele. Am nächsten Sonntag veranstaltet der BildungS-auSschuß Kinderspiele auf unserem Platz, Ecke Mühlen- und Luther-straße. Beginn 3 Uhr. Bei Regenwetter finden die Spiele beiSchulz. Mühlenstraße, statt.Weiftensee.Schöffe Rathmann spürt zurzeit, daß er amtSmüde wird. ZumI._ Juli will er sein Schöffeiiamt niederlegen, das erst im Februarnächsten JahreS abläuft. Die Ausfichten auf eine Wiederwahl, sindnicht die besten, daher der vorzeitige Entschluß. Sein Name wirdbekannt bleiben, weil er sich seinerzeit weigerte, eine erhaltene Pro-Vision von 2369 M. herauszugeben, welche in seine Tasche floß, alsdie Gemeinde ein Friedhofsgelände in Wartenberg kaufte. Damatssollte er aus Beschluß der Gemeindeverwaltung sein Amt nieder-legen; aber der Landrat empfahl ihm zu bleiben. Als Direktor desBanvereiits und Agent von Länderverkäufen sollte es sein Berufsein, Provisionen einzustecken, auch wenn er als Gemeiiideschöffeseiner eigenen Gemeinde Land vermittelte. Die Begriffe sind ebenverschieden. Seinen Posten als Brandinspektor legt er nicht nieder,trotz seines hohen Alters.Herzfelde.Ein schwerer Betriebsunfall hat sich am Dienstag abend auf derim Bau befindlichen Kalksandsteinfabrik am Stienitzsee zugetragen.Dem Arbeiter Kiele aus der Stransberger Straße Hierselbst fiel einFlaschenzug, der zum Transport eines Kessels in das Gebäude benutztwurde, auf den Schädel, wodurch ihm schwere Verletzungen zugefügtwurden. Er brach blutüberströmt zusammen und mußte sofort nachdem Rüdersdorfer Krankenhause gebracht werden. An den, Aufkommendes Bedauernswerten, der übrigens ein sehr eifriger Parteigenosseist, wird ernstlich gezweifelt.Spandan.Die zum Mittwoch abend nach der Brauerei Pichelsdorf ein-berufene Bolksversammlnng war trotz des herrlichen Wetters so starkbesucht, daß der große Saal der Brauerei nicht im entferntesten alle An-wesenden fassen konnte, so daß sämtliche Borhallen überfüllt waren undein Teil der BersainmlungSbesucher im Garten Platz nehmen mußten.Jin Saale selbst herrschte eine solche Schwüle, daß die Samariter«Hilfe mehrmals in Anspruch genommen wurde. Es mögen wohl an3599 Personen, darunter ein Drittel Frauen, anwesend gewesen sein.Landtagsabgeordneter Adolf Hoffmann referierte über dasThema:.Der Mißbrauch der Religion zu politischen und Wirtschaft-lichen Zwecken". In dem mit großem Beifall aufgenommenen Vor-trage brachte der Referent durch zahlreiche Beispiele den Beweis,daß die herrschenden Klassen die Religion zum Zwecke der Ausbeutung der großen Masse der Bevölkerung und zum Eigennutz miß-brauchen. Zum Schlüsse ermahnte der Referent insbesondere dieanwesenden Frauen und Mütter, die Kinder im Sinne der prole-tarischen Bewegung zu erziehen und forderte alle, die mit derKirche gebrochen haben, auf, sich der Freireligiösen Gemeinde anzu-'chließen._ßericbtö- Zeitung.»Georg Wertheim. Eine öffentliche Anklage."Ein umfangreicher Prozeß wegen versuchter Erpressung undBeleidigung begann gestern vor der 3. Strafkammer des Land-gerichts II. Angeklagt war der Kaufmann Otto Gerson, jetzt inHamburg wohnhaft..Der Anklage liegt im einzelnen folgendes zugrunde: Der An-geklagte war vor mehreren Jahren Angestellter der Firma A. Wert-heim. Da es ihm gelungen war, das besondere Vertrauen desKaufmanns Georg Mertheim zu erringen, wurde ihm von diesemein besonderer Vertrauensposten zugeteilt. Dieser bestand darin,daß er während des Baues des Warenhauses in der Leipziger Straßedie Bestellungen bei den Lieferanten zu machen und dann mitdiesen abzurechnen hatte. Wie sich später herausstellte, mißbrauchteder Angeklagte diese Vertrauensstellung. Er ließ sich, nach seinemeigenen Zugeständnis, von mehreren Lieferanten Provisionen fürdie Zuerteilung von Aufträgen in Höhe von vielen tausend Markzahlen. Trotzdem eS sich herausstellte, daß hierbei auch verschiedenefingierte Rechnungen und auch nachträglich erhöhte Rechnungeneine Rolle spielten, wurde von den Brüdern Wertheim mit Rücksichtauf die Familie des Angeklagten kein Strafantrag gestellt. Er wurdesofort entlassen, nachdem er sich verpflichtet hatte, wenigstens einenTeil der Beträge, um die er die Firma Wertheim geschädigt hatte,zurückzuzahlen. Der Angeklagte erklärte sich dem Justizrat Dr.Meschelsohn gegenüber bereit, an die Firma Wertheim sein Kontovon zirka 26 999 M. von der Deutschen Bank herauszahlen zu lassen.Dies geschah dann auch bald darauf. Längere Zeit darauf richteteder Angeklagte an Georg Wertheim einen Brief, in welchem er seineaugenblicklich« schlechte materielle Lage schilderte und mitteilte,daß er nicht einmal das Geld für eine Augenoperation seines Kindeshabe. Die Firma Wertheim ließ sich auch dazu herhei, die Ope-rationskosten in Höhe von etwa 469 M. zu bezahlen, während weiter-gehende Ansprüche zurückgewiesen wurden. Diesen Akt der reinenLiheralität soll der Angeklagte, wie die Anklage behauptet, späterdurch schnöden Undank belohnt haben. Er trat plötzlich mit der Be-hauptung hervor, daß jene seinerzeit an die Firma Wertheim ge-zahlten Summen seine Ersparnisse gewesen seien, die mit denProvisionen nicht das geringste zu tun haben. Sein Verlangen, dieganze Summe wieder herauszugeben, wurde mit aller Entschieden-heit zurückgewiesen. In mehreren Briefen drohte er dann mit„Enthüllungen" über gewisse Vorgänge bei der Firma Wertheim.Diese Drohungen verdichteten sich schließlich zu einer in Genua ge-druckten Broschüre mit dem Titel„Georg Wrrtheim. Eine öffent-liche Anklage". In dieser Broschüre behauptete er bunt durchein-ander alles mögliche. Er warf der Firma u. a. Zolldefraudationen,Bestechungen von Zollbeamten und Beamten der Baupolizei usw.vor. Diese Verdächtigungen, die sich sämtlich als unrichtig heraus-stellten, veranlasste die betreffenden Behörden, Strafantrag gegenden Angeklagten wegen Beleidigung zu stellen. Diese Strafanträgewurden später jedoch zurückgenommen, nachdem der Angeklagte er-klärt hatte, daß er jene Beschuldigungen nach keiner Richtung hinaufrechterhalten könne. Von der sehr umfangreichen Anklage bliebendann nur noch zwei Fälle der versuchten Erpressung und eine Be-leidigung des Justizrats Dr. Meschelsohn übrig. Bezüglich derletzteren hat der Angeklagte inzwischen die Erklärung abgegeben,daß er sich von der Unrichtigkeit überzeugt habe und die Vorwürfemit dem Ausdrucke des Bedauerns zurücknehme.In der gestrigen Verhandlung erklärte Justizrat Dr. Meschel-söhn in seiner Eigenschaft als Nebenkläger, daß er trotz jener ent-schuldigenden Erklärung des Angeklagten sich noch nicht entschließenkönne, den Strafantrag zurückzunehmen, sondern daß er erst dievöllige Klarstellung in der Verhandlung selbst abwarten wolle.—Für die Verhandlung, die im Schwurgerichtssaal deS Landgerichts IIstattfindet, sind vorläufig drei Sitzungstage in Aussicht genommen.— Wir werden das Ergebnis mitteilen.Eine wohltätige Diebin.An die Legende vom heiligen Crispin, der bekanntlich Ledergestohlen haben soll, um den Armen Stiefel daraus zu machen, er-innert die Handlungsweise der Frau Marie Rcumann, die sich unterder Anklage des Diebstahls vor dem Schöffengericht Berlin-Schöne-berg zu verantworten hatte. Die Angeklagte wurde am 6. Aprild. I. von einem Polizcibeamten sestgenoinmen, der beobachtet hatte,wie sie ein Stück Fleisch von der Auslage eines Schlächters cntwen-dete. Auf der Polizeiwache gab die Angeklagte an. daß sie dasFleisch nicht für sich selbst, sondern für eine arme Frau haben wollte,deren Mann erkrankt war und die mit ihren Kindern hungernNuhte. Kine Nachfrage ergab, daß hie Angeklagte, die jelbst jgärmlichen Verhältnissen leb?, tatsächlich jener Frau Eiesserholt einStück Fleisch geschenkt hatte, damit diese ihrem kranken Manneeine kräftigende Suppe kochen konnte.— Da die Angeklagte bishervöllig unbescholten ist, erkannte das Gericht auf die niedrigste gesetz-lich zulässige Strafe von 1 Tag Gefängnis. Der Angeklagten wurdejedoch von dem Vorsitzenden, Amtsgerichtsrat Bennewitz, mitgeteilt,daß das Gericht beschlossen habe, sie der sogenannten bedingten Bc-gnadigung zu empfehlen, so daß die Angeklagte bei guter Führungdie Strafe nicht zu verbüßen braucht.Grenzen des polizeilichen Berfügungsrechts.An die Terraingesellschaft Maraunenhof, welche einen Bauplajfin Königsberg i. Pr. für Lustbarkeitszwecke(Karussells, Schaukeln.Schieß- und Würfelbuden usw.) verpachtet, war eine polizeiliche Ver-fügung ergangen, durch welche der Gesellschaft untersagt wurde,dort weiter solche Lustbarkeiten veranstalten zu lassen. Zur Be-gründung wurde ausgeführt: Die Besucher dieser Veranstaltungensetzten sich zum Teil aus Strolchen im jugendlichen Alter und ausliederlichen Frauenzimmern zusammen. Es komme fast jedenAbend in der Nähe zu schlimmen Ausschreitungen, namentlich nachSchluß der Vorstellungen usw. sei die Benutzung der Lutherstratzefür Frauen so gut wie ausgeschlossen, da sie sonst Belästigungenzu erwarten hätten.Springer, einer der beteiligten Schausteller, erhob nach ver-geblichen Beschwerden Klage beim Oberverwaltungsgcricht. DasOberverwaltungsgericht setzte am Montag die Verfügung der Polizeimit folgender Begründung außer Kraft: Aus der Verfügung gehehervor, daß sie erlassen sei, weil sich Unzuträglichkeiten nicht ausden Schaustellungen selber, sondern aus den Ansammlungen desPublikums ergäben, welches durch die Schaustellungen angelocktwürde. In einem solchen Falle könne die Polizei nur gegen dasPublikum einschreiten, das die Unzuträglichkeiten herbeiführe.Gegen die Veranstaltungen(Schaustellungen, Schaukeln, Würfel-buden usw.) könnte die Polizei nur einschreiten, wenn diese Ver-anstaltungen selbst und unmittelbar polizeiwidrige Zustände aufder Straße herbeiführten. Das würde zum Beispiel dann der Fallsein, wenn der Betrieb einer Schaukel der Straße so nahe gerücktsei, daß dadurch das Scheuen von Pferden und somit Störungender Sicherheit auf der Straße herbeigeführt werden könnten.Kus aller Melt.Pommerrcbe GciftcebUtze.Einige pommersche Großgrundbesitzer haben in vereinter Geistes»anstrengung einen verflucht gescheiten Gedanken geboren. ES handeltsich um nichts weniger, als um die endgültige Vernichtungder proletarischen Organisationen. DaS ist schondes Schweißes der Edlen wert und so hat denn einer der Denker,das Mitglied des Herrenhauses, Herr v. Hertzberg- Lottin, denseltenen Gedankenblitz fein säuberlich zu Papier gebracht und dergeistesverwandten.Deutschen Tageszeitung" übermittelt. Dort er«blickt denn auch das Wunderwerk pommerscher Junkerschläue unterdem Titel:.Gegen die Sozialdemokratie l' das Licht der Oeffent-lichkeit.Da wird der staunenden Mitwelt verkündet, daß. wenn nichtbald die bürgerliche Gesellschaft— Juden haben freflich keinen Zu»tritt— gegen den sozialdemokratischen Terrorismus zur Selbst-Hilfe greife, wir mit Riefenschritten der Revolutionentgegengehen. Die preußische Fahne müsse aus-gerollt werden und unter dem Schlachtruf:.Monarchie.Autorität und Christentum' der Kampf gegen die roteRotte bis zum endgültigen Siege durchgeführt werden. Die Feindedes Terrorismus und Anhänger des EhristentumS einwickeln weiterfolgende Idee:ES sind nun ja alle möglichen Vereine gegründet, um dieJugend der Sozialdemolratie zu entreißen— das sind aber dochnur Wechsel auf eine ferne Zukunft, welche vielleicht einmaleingelöst werden. M. E. muß der Feind direkt angegriffenwerden, und zwar an seiner empfindlichsten Stelle, der sozial-demokratischen Organisation. Dieser Organisatton müssen solcheder bürgerlichen Gesellschaft entgegengesetzt werden, welchen diedoppelte Aufgabe zufällt, erstens die außerhalb der fozialdemo-kratischen Organisation stehenden Arbeiter vor dem fozialdemo-kratischen Terrorismus zu schützen, und zweitens die sozialdemo-kratisch organisierten Arbeiter allmählich ganz von denArbeitsstätten staatserhallender Betriebeauszuschalten. Der Anfang zu solcher Organisatton ist inPommern durch einen Auftuf einiger Grundbesitzer zur BildungeineS Verbandes pommerich e�r Bauherrn gemachtworden. Die Mtglieder sollen nur solche Bauunternehmer be-schäftigen, welche sich verpflichten, ihre Bauten ausführen zu lassendurch nicht sozialdemokratisch organisierteArbeiter. ES wird auch beabsichtigt, gleichzeitig damit Vor-kehrungen für das materielle Wohlder Bauarbeiterzu treffen. Der Verband soll in nächster Zeit ins Leben gerufenwerden.DaS Ei de« Kolumbus hat nur einen Fehler— eS ist einW i n d e i I Denn bei Ausschaltung der sozialdemokratisch gesinntenArbeiter au» dem modernen Wirtschaftsleben könnte eS leicht passieren,daß die wohledlen Herren eines elendigen Hungertodessterben müßten. Aber vielleicht ist beabsichtigt, eine Genossenschaftzur gegenseitigen Hilfe bei BauauSsührungen auf pommerschenGütern zu gründen: Herr v. Böhlendorff« Kölpin mauert,Herr v. H e r tz b e r g- Lottin trägt den Kalk. Als Polier wäreHerr Dr. O e r t e l zu empfehlen, der dann durch feine strengeZucht dafür sorgt, daß seine Gesellen in den Ausstand treten.Schiffskatastrophen.Nach einer Kollision mit dem Dampfer„Jngermanland"sank gestern morgen an der norwegischen Küste bei Sunds»Dall der Bugsierdampfer„Styrbjörn". Bon den 11 Mannder Besatzung des Schiffes konnten nur der Kapitän undzwei Mann gerettet werden.Wie aus Brest gemeldet wird, herrscht an der ganzenNordwestküste von Frankreich ein furchtbarer Sturm.der bereits mehrfach zu Unglücksfällen geführt hat. So istder Schlepper„Flavie" mit Mann und Maus unter-gegangen. Bis jetzt konnten die Leichen der Mannschaftnoch nicht geborgen werden. Man nimmt an, daß die Be-satznng aus acht Mann bestanden hat. Auch das Fischer-boot„St. Anne", das aus Quimper ausgelaufen war, ist mitseiner aus vier Mann bestehenden Besatzung unter-gegangen. Ferner ist noch ein kleiner Dampfer un-bekannten Namens in der Nähe von Brest gescheitert. Manglaubt, daß es sich um einen spanischen Dampferhandelt. Mehrere Leichen sind bereits ans Ufer gespültworden.__Die Durchführung altpreustischer Sparsamkeit.Im August dieses Jahres besucht Wilhelm II. die StadtMerseburg. Die dazu notwendigen Vorbereitungen machen sichschon jetzt bemerkbar. Wir lesen darüber in einer MersebnrgerZeitung folgende Notiz: Während der Dauer der Anwesenheit Sr.Maj. des Kaisers in Merseburg Ende August d. I. ist die Unter-bringnng von etwa hundert Dienern erforderlich, für diedie EinyiiartiernngSdepiitation geeignete Privatquartiere in derRahe des Äönigl. Schlosses sucht.Die geringe Anzahl von Dienern ergibt sich aus den verteuertenLebensverhältnissen, die auch das Kaiserl. Hofmarschallamt zwingen,sich in den engsten Grenzen zu halten.