Einzelbild herunterladen
 

GewerbfcbaftUtbca. DU GewcrfefcbaftöhartcUc im Jahve ipn. Eine kraftvolle Aufwärtsbewegung und ständig sich vermehrende Machtentfaltung der deutschen Gewerkschaften kommt wieder in den Ergebnissen der soeben von der Generalkommission herausgegebenen Jahresstatistik der deutschen Gewerkschaftskartelle zum Ausdruck. Bringt sie auch nur einen Teil der gewerkschaftlichen Wirksamkeit zur Darstellung, so Iaht diese doch schon die auch im Jahre 1911 ein- getretene günstige Eutwickelung der freien Gewerkschaften erkennen. ES kann schon heute aus den Ergebnissen der sichere Schlug gezogen werden, daß die Hentralverbände innerhalb des Jahres 1911 mindestens eine Viertel Million neuer Streiter ge- Wonnen haben. Auch eine weitere Vermehrung der Kartelle ist eingetreten. Und diese Erscheinung ist deshalb so erfreulich, weil sie Zeugnis ablegt von der Ausdehnungsfähigkeit der freien Ge- werkschaften, die ihre Vorposten immer weiter auf das Land hinausschieben und sich bemühen, die errungenen Post- tionen durch örtlichen Zusammenschluß der Zweigvereine zu festigen ES bestanden am Schlüsse des Berichtsjahres 797 Kartelle, 1910 betrug ihre Zahl 684. An der Statistik beteiligten sich 691 Kartelle, an die 9261 Gewerkschaften mit 2 160 728 Mitgliedern angeschlossen sind. Es ist eine Vermehrung von 268 247 Mitgliedern eingetreten. Mehr als 23 000 Mitglieder haben die Kartelle: Berlin (296 8l2), Bremen (30 333), Breslau (30 476), Chemnitz (40 083), Köln (26 711), Dresden (83 911), Frankfurt a. M.(40 890), Hamburg (130 383), Hannover (38 664), Leipzig (72 367), Magdeburg (38 063), München (68 736), Nürnberg <36 313), Stuttgart (42 813). Köln ist zu diesen Kartellen neu hinzugekommen, 1910 zählte es 22 201 Mitglieder. Ist die Tätigkeit der Kartelle auch örtlich begrenzt, so haben sie doch auf ihrem Gebiete eine reiche Fülle von Arbeit zu leisten. Ihre Haupttätigkeit ist die Betreibung der Agitation. 2324 allgemeine und 1107 Versammlungen für einzelne Berufe wurden von ihnen ab- gehalten. Von 41 Kartellen wurden eigene Versammlungsräume nuterhalten. 82 Kartelle haben Arbeiterinnen-AgitationSkommissionen oder weibliche Vertrauenspersonen. Die Bildungsbestrebungen der Arbeiter erfahren durch die Kar- telle eine x-ite Förderung. Im Berichtsjahre hatten 347 Kartelle (1910: 496; gemeinsame Bibliotheken und 87 Kartelle(1910: 71) Lesezimmer. BildungSausschüsse bestehen in 362 Orten(1910: 292) und die Zahl der Jugendkomunssionen beträgt 346(1910: 293). Erwähnenswert ist ferner noch die Tätigkeit der Kartelle zur Durch- sührung der Arbeiterschutzbestinunungen. Es bestanden 1911 zu diesem Zwecke: 133 Beschwerdelommnsionen für Gewerbeinspeltions- fachen und 233 Bauarbeitcrschutzkommissionen. An 46 Orten werden Kommissionen zur Beseitigung des Kost- und Logiswesens beim Arbeitgeber unterhalten. Gewerkschaftshäuser bestehen 67(1910 33). Im Bericht der Generalkommission wird wieder davor gewarnt, ohne die not- wendigen Unterlagen und mit ungenügenden Mitteln an solche Gründungen heranzugehen; sie entwickelten sich häufig zu wahren Schmerzenskindern. Dem Herbergswesen wenden die Kartelle erfreulicherweise be- sondere Aufmerksamkeit zu. Herbergen in eigener Regie unterhalten 31 Kartelle, in 322 Orten haben die Kartelle mit Herbergswirten besondere Abmachungen getroffen und haben sie sich das Recht der Kontrolle gesichert. An 102 Orten bestehen Arbeitersekretariate und an 198 Orten Rechtsauskunftsstellen, 18 Kartelle besitzen Bureaus mit Angestellten. Angaben über Einnahmen und Ausgaben liegen von 673 Kartellen vor, diese hatten eine Einnahme von 1 797 248 M. und eine Ausgabe von 1600 433 M. Für Streiks wurden 283 833 M. gesammelt und L09 046 M. verausgabt. Bon den Kartellen der g e g n er is ch e n G e w e rk- s ch a f t e n liegen absolut zuverlässige Angaben nicht vor. Das christliche Zentralblatt gab 230 Kartelle an. Nach den Angaben der Kartellfunktionäre der freien Gewerkschaften bestanden in 171 Orten christliche Ortsverbände und in 173 Orten solche der Hirsch- Dunckerschen Gewerkschaften. In 32 Orten befinden sich Hirsch- Dunckersche Arbeitersekretariate oder Rechtsauskunftsbureaus, und in 122 Orten bestehen christliche Sekretariate oder Volksbureaus. Auch in dieser Gegenüberstellung kommt das tatkräftige Wirken der Kartelle unserer Gewerkschaften für die wirtschaftliche und geistige' Hebung der Arbeiter anschaulich zum Ausdrun. Neben den Zentral- verbänden erfüllen sie die ihnen verbleibenden Pflichten in stets zu- nehmendem, regem Maße zum Schutze unserer Gewerkschaftsmitglieder und zum Trutze unserer zahlreichen Feinde. ßerltn und Umgegend. Die Eisenkonstruktionsarbeiter hatten am 28. April Forde- rungen auf Verbesserung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse be- schloffen, die den Unternehmern mit dem Ersuchen um Verhand- lungen eingereicht worden sind. Infolgedessen haben Vertreter der Unternehmer und des Metallarbeiterverbandes in zwei Sitzungen miteinander verhandelt, aber ein endgültiges Ergebnis ist noch nicht erzielt worden. Die Unternehmer haben zwar in einigen Punkten ein gewisses Entgegenkommen gezeigt, aber hinsichtlich der Haupt- fotderungen: Verkürzung der Arbeitszeit und Aufbesserung der Löhne haben sie bisher keine Zugeständnisse gemacht. Die Verhand- lungen sind jedoch noch nicht beendet, sondern sie sollen am nächsten Mittwoch, auch hinsichtlich der noch strittigen Punkte, fortgesetzt werden. Die Verhandlungskommission hat sich dahin geeinigt, daß bis zur endgültigen Erledigung der Verhandlungen von keiner Seite etwas gegen die andere Seite unternommen wird. In einer sehr stark besuchten Versammlung, die am Sonntag den großen Saal der Brauerei Friedrichshain füllte, machte Maus als Vertreter des Metallarbeiterveobandes von diesem Stande der Angelegenheit Mitteilung und empfahl, der Vereinbarung gemäß, den völligen Abschluß der Verhandlungen abzuwarten. Die Versammlung war sehr ungehalten darüber, daß die Bewegung noch nicht weiter ge- diehen ist. In der Diskussion wurde unter großem Beifall aus- geführt: Nachdem die Unternehmer erklärt hatten, sie könnten eine Verkürzung der Arbeitszeit nicht bewilligen, hätten die Arbeiterver- tretcr sofort die Verhandlungen abbrechen sollen. Die Arbeiter seien -entschlossen zum Kampf und würden sich nicht mit nebensächlichen Zugeständnissen abspeisen lassen, wenn ihnen nicht in der Haupt- fache: Verkürzung der Arbeitszeit und Erhöhung des Mindestlohnes bzw. Einstellungslohnes, ein befriedigendes Entgegenkommen ge- zeigt werde. An diesen Forderungen müsse die Kommisswn un- bedingt festhalten. Es wurde verlangt, daß am Donnerstag wieder eine Versammlung abgehalten werde, die zu dem Ergebnis der am Mittwoch zu führenden Verhandlungen Stellung nehmen und er- forderlichen Falles den sofortigen Streik zu beschließen habe. Die Redner, welche dieses Verlangen stellten, fanden ungeteilten Bei- fall. Schließlich wurde die folgende Resolution einstimmig ange- nommen: Die Versammlung der in den Eisenkonstruktionsbetrieben beschäftigen Arbeiter erwartet von den weiteren Verhandlungen mit den�rbeitgebern. daß die letzteren die Verkürzung der Ar- bcitszeit belvilligen. da es nach Meinung der Versammlung nur unter diesen Umständen zu einer Einigung kommen kann. Ferner erwarten die Versammelten, daß die Einstellungslöhne erhöht werden, und zwar sollen sie betragen: ftir gelernte Arbeiter 30 Pf, für ungelernte Arbeiter 45 Pf. pro Stunde." Der Antrag, am Donnerstag wieder eine neue Versammlung abzuhalten, tourde der Kommission überwiesen. Der früher gefaßte Beschlutz, bis zur Beendigung der Lohn- bewegung keine Ueberstunden zu machen, wurde aufs neue be- stätigt. Den Anlaß dazu bot das Vorgehen der Firma B e l t e u n d Sck'iieevogel, welche jetzt verlangt, daß die Arbeiter lieber- stunden machen oder, wenn dies verweigert wird, in Wcchselschichten arbeiten. Es wurde ausdrücklich erklärt, daß auch bei Belte und Schneevogel die Ueberstunden zu verweigern sind, selbst wenn des- wegen Wechselschichten eingeführt werden sollten._ Differenzen in der Wäschebranche Groß-Berlins . Die organisierten Wäschearbeiter und-arbeiterinnen Berlins und Umgegend erhoben in einer gut besuchten Versammlung am Freitag voriger Woche Protest wegen Nichterfüllung des Tarifver- träges seitens der Wäschefabrikanten. Der Bevollmächtigte Eue führte aus, der im Jahre 1911 abgeschlossene Tarifvertrag werde in einigen wesentlichen Punkten nicht erfüllt. Eine Regelung der Lchrlingsfrage, die vertraglich bis 1. April 1912 vorgesehen sei. ist seitens der Wäschefabrikanten unter nicht stichhaltigen Gründen abgelehnt worden. Die noch ausstehende Einlieferung der am Jahresschluß 1911 gezahlten Wochenlöhne ist nicht erfolgt. Nach lebhafter Aussprache wurde der Beschluß gefaßt, das Einigungs- amt des Gewerbegerichts als Schiedsgericht anzurufen. Mehrere strittige Fälle bei einzelnen Firmen sollen durch die beiderseitigen Organisationsvorsitzenden auf gütlichem Wege erledigt werden. Ge- lingt dies nicht, so sollen sie gleichfalls dem Gewerbegericht als Schiedsgericht überwiesen werden. Gleichzeitig sind Lohndifseren- zen in der Schnittmusterabteilung derBerliner Morgenpost ", Ullstein u. Co, ausgebrochen. Sämtliche dort noch arbeitenden 6 Maschinenzuschneider haben zum 15. Juni ihre Kündigung ein- gereicht. Der Betrieb gilt als gesperrt für alle Zuschneider. Zum Fleischerboykott in Neukölln . Der Ausschutz, der mit den Fleischermeistern, welche nicht be- willigt haben, einen Tarifvertrag abgeschloffen haben will, ist den Neuköllner Fleischergesellen völlig unbekannt. Die übergroße Mehr- zahl derselben gehört zum Verband der Fleischer und weist es entschieden zurück, daß sich irgendein Ausschuß in ihrem Namen an das kaufende Publikum wendet. Das ganze Täuschungsmanöver ist offenbar vom Jnnungsvorstand und einigen Gelben ausgeheckt worden und das Königliche Polizeipräsidium hat seinen Segen dazu gegeben. An dem kauseniden Publikum, besonders an den Frauen, liegt es nun, dafür zu sorgen, daß den nichtbewilligenden Fleischermeistern mit samt demAusschutz" dieses Manöver miß- glückt. Jeder Arbeiter, jede Arbeiterfrau mutz weitgehendste Soli- darität üben! Der Fleischermeister C. Rüssel, Hermannstr. 64, der sich ebenfalls weigert, den Tarif zu unterschreiben, bringt es sogar fertig, Fleischergesellen, die keine Boykottzettel berteilt haben, zu denunzieren und deren Verhaftung zu verlangen. In der Gastwirtschaft Kottbuser Damm 23 werden nach wie vor Wurstwaren aus einem boykottierten Geschäft in Neukölln be- zogen, obgleich der Inhaber schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden ist. Wir richten nochmals an das Publikum die Bitte, ihre Fleisch- und Wurstwaren nur in den imVorwärts" veröffentlichten Ge- schäften zu kaufen. Zentralverband der Fleischer, Berlin , Elisabethstr. 11, Teleph. Königstadt 3024. Deutfches Reich. Ausländische Arbeitswillige als Revolverhelden! In Köln streiken an mehreren Forts die Erdarbeiter, weil der Unternehmer Besser die Zahlung tariflicher Löhne verweigert. Der Unternehmer sucht Ersatz durch Heranziehung von Kroaten , Slavoniern, Galiziern und Italienern. Eine Anzahl Ausländer kampiert auf einem der Forts in Baracken. Als dieser Tage zwei Streikende zwei der ausländischen Arbeitswilligen baten, einmal herauszukommen, um sich über die Verhältnisse und den Grund des Streiks aufklären zu lasten, zog einer der Arbeitswilligen einen Revolver und schoß ohne jede Veranlassung auf die Streikenden, glücklicherweise ohne jemand zu treffen. Was wäre geschehen, wenn die in Lebensgefahr schwebenden Streikenden in der gleichenSprache" zu ihrer Verteidigung geantwortet hätten I In Preutzen-Deutschland führen die Unternehmer fiskalische Ar- beiten aus, zu deren Kosten die Arbeiter als Steuerzahler in nicht geringem Matze mit beitragen müssen. Sind die Arbeiter gezwungen, um eine anständige Bezahlung ihrer schweren Arbeit herbeizuführen, zum letzten Mittel zu greifen und die Arbeit niederzulegen, dann darf dasnationale" Unternehmertum mit staatlicher Erlaubnis aus halbwilden Gebieten Lohndrücker herbeiholen, die unzweifelhaft eine Gefahr in sozialer, kultureller und krimineller Beziehung bilden. Im Kölner Gebiet haben seinerzeit kroatische Lohndrücker zwei alte Bauersleute überfallen, beraubt und in bestialischer Weise ermordet (Durbuscher Mordprozeß). Und andere Schandtaten allerlei Art sind auf Konto der kulturell tiefstehenden Eingewanderten zu setzen. Solche Elemente werden(mit behördlicher Genehmigung?) bei Lohn- kämpfen mit Revolvern und sonstigen Mordwerkzeugen ausgerüstet und auf die organisierten Arbeiter losgelassen. Für die Folgen, die sich aus solchen Verhältnissen ergeben, sind nicht diese ungebildeten Arbeitswilligen, sondern ihre Begünstiger verantwortlich zu machen, die diese Arbeitswilligen ins Land hereinholen, um sie gegen die um menschenwürdige Daseinsbedingungen ringenden Arbeiter ins Feld zu führen._ Warnung vor Zuzug! Dooenbach, 10. Juni. (Privattelegramm desVorwärts".) In den Bergmannwerken zu Bodenbach ist ein Streik ausgebrochen- Zuzug ist fernzuhalten._ Beendete Aussperrung in der Fürther Spiegelindustrie. Bekanntlich hatten die Glasarbeiter, die Metallarbeiter und Holzarbeiter bei der Firma Offenbacher in Fürth (Bayern ) Forde- rungen gestellt, und als diese nicht bewilligt ivurden, stellten die ge- samten Arbeiter des Betriebes die Arbeit ein. Die Industriellen hatten nichts Eiligeres zu tun. als eine Unternehmerorganisation zu gründen, die sofort beschloß, eine Aussperrung vorzunehmen. Da sich die Verhandlungen zerschlugen, wurden am 30. Mai die Arbeiter fast aller Betriebe in Fürth ausgesperrt. Die dann erneut auf- genommenen Verhandlungen führten zu einer Einigung und für die Arbeiter zu einem befriedigenden Resultat. Die Glasarbeiter der Firma Offenbacher erreichten eine Lohnerhöhung von 10 Proz. Auch für die Holzai bester und Metallarbeiter wurden in fast allen Be- trieben wesentliche Zugeständnisse erreicht. Die Arbeitszeit wurde schon am 1. April 1912 von 56 auf 53 Stunden herabgesetzt. Die Industriellen erklärten daher jetzt, daß von einer weiteren Ver- kürzung der Arbeitszeit zurzeit nicht die Rede sein könne. Erreicht wurde aber doch, daß am 1. Juli 1913 die 54slündige Arbeitszeit eingeführt wird. Die Arbeiter gehen aus diesem Kampf mit einem annehmbaren Resultat hervor. Die Aufnahme der Arbeit erfolgte am 10. Juni. _ HuoUnd. Unter den Matrose» und Dockarbeitern Antwerpens macht sich eine Streikbewegung bemerkbar. Es heißt, daß ein Generalstreik bevorstehe, dieser soll jedoch keinen politischen Hintergrund besitzen. Die Decker verlangen eine Lohnerhöhung, während die Matrosen die Anerkennung ihres Syndikates verlangen. Auf 4 Dampfern wei- gerten sich die Matrosen einschreiben zu lasten. Man hofft jedoch, daß dieser Streik in einigen Tagen beigelegt sein wird. Seemannsstreik in Frankreich . In dem Augenblick, als der OzeandampferFrance " nach New Jork abfahren wollte, forderten 550 Heizer, Kohlenträger und Ma- trafen eine Lohnerhöhung um 30 Frank monatlich für Heizer und 20 Frank für Kohlenträger und Matrosen. Als ihre Forderung ab- gelehnt wurde, gingen alle an Land, so daß die Abfahrt derFrance " verschoben werden mutzte. Ungefähr 1000 organisierte Seeleute haben sich mit den Maschinisten, Heizern und Kohlenträgern des OzeandampfersFrance " solidarisch erklärt. Es ist nicht ausge- schloffen, daß sich aus der Affäre ein allgemewier SeeMNnsstrelk entwickelt._ Streik der norwegischen Schiffsmaschinisten. In der Nacht vom Freitag auf Sonnabend ist im Schiffahris- Wesen Norwegens ein Streik ausgebrochen, der außerordentlich lähmend auf das Wirtschaftsleben einwirkt und auch den Touristen- berkehr aufs schwerste schädigen mutz. Es sind über 600 Maschi- nisten, die die Arbeit niedergelegt hoben oder in den Streik treten werden, sobald ihr Schiff den Heimathafen erreicht hat. Der Streik erstreckt sich auf 423 Fracht- und Passagierdampfer der regelmäßigen Küsten- und Seeschiffahrt. Die Maschinisten haben, ehe sie sich zur Arbeitsniederlegung entschlossen, alles aufgeboten, um auf güt- lichem Wege zu der notwendigen Verbesserung ihrer Lohn- und Arbeitsbedingungen zu gelangen, aber die langwierigen Verhand- lungen mit den Reedern und Schiffahrtskapitalisten führten zu keinem annehmbaren Ergebnis. Die norwegische Regierung hat» statt energisch und als unparteiischer Vermittler für eine Einigung der Parteien zu sorgen, 12 der vom Streik betroffenen Dampfer leihweise übernommen, um unter militärischem Kommando auf be- stimmten Routen den Verkehr aufrecht zu erhalten, und zwar mit Hilfe von Maschinisten der Kriegsmarine. Die Marinemaschinisten» die auch dem Maschinistenverband angehören, weigern sich, ihren streikenden Kollegen in den Rücken zu fallen, selbst auf die Gefahr, vor die Kriegsgerichte gestellt zu werden. Der Maschinistenverband ist jedoch nach gründlicher Prüfung der Sachlage zu der Ueber- zeugung gekommen, daß keine Einwendung gegen die Aufrecht- erhaltung der betreffenden Routen erhoben werden soll, sofern die Veranstaltungen nicht direkt in den Konflikt eingreifen oder zur Verlängerung des Kampfes dienen, und datz demgemäß die Marine- Maschinisten nicht als Streikbrecher zu betrachten sind, solange sie ausschließlich für Rechnung des Staates und unter militärischem Kommando tätig sind._ Hus der frauenbewegung, Arbeiterinnenschutz und Polizeipraktiken. Wie leicht unter Umständen Interessen von Arbeiterinnen preis- gegeben werden aus Rücksicht auf das Wohlbefinden bessergestellter Kreise, zeigt folgender Vorgang, der sich nach dem Bericht des Ge- wevbeinspektors für Köslin in seinem Bezirk ereignet hat: In Stolpmünde -bestehen Fischräuchereien. Diesen war in Rück- ficht auf das Seebad durch Polizeiverfügung das Räuchern am Tage verboten worden. Da nach einer Bekanntmachung des Reichs- kanzlers vom 1. Januar 1910 ab die Beschäftigung von Arbeite- rinnen der Fischräuchereien auch nachts dann erlaubt ist, wenn es sich um das Räuchern von Seefischen handelt, die von den Fischern aus ihren Booten direkt an die Räuchereien geliefert werden, in diesen Betrieben aber meist Arbeiterinnen beschäftigt werden, so waren diese eben jetzt zur Nachtarbeit verurteilt. Was kümmert der hochwohllöblichen Polizei die Gesundheit der Arbeiterinnen, wenn nur durch Nachtarbeit die Belästigung der Besucher des Seebades durch Rauch während der Tagesstunden be- seitigt werden konnte. Diese muß übrigens nicht besonders groß gewesen sein, denn die Gewerbeinspektion, welche die Aufhebung der Verordnung veranlaßte, hielt die geringe Rauchbelästigung nicht für ausreichend, um eine derartige Verfügung genügend zu be- gründen und außerdem eine solche Vermehrung der Frauennacht- arbeit durch behördlichen Zwang nicht für wünschenswert. Unge- setzlich ist sie aber nicht. Abgesehen nun von der wenig rücksichtsvollen Art. in der hier durch die Polizei Interessen von Arbeiterinnen preisgegeben wurden, zeigt der Vorgang aber auch in aller Deutlichkeit, wie lückenhaft die Arbeiterinnenschutzgesetzgebung ist. Was mühsam der Regierung an Schutzbestimmungen abgerungen wurde, wird durch Ausnahmebestimmungen wieder illusorisch gemacht. Der besondere Erlaß für Fischkonservenfabriken hebt den gesetz- lichen Maximalarbeitstag für erwachsene Arbeiterinnen und das Verbot der Nachtarbeit, Vorschriften, die seit 1891 bestehen, nahezu vollständig wieder auf. Und wer kontrolliert denn, ob auch wirk- lich alle Vorbedingungen für die zulässigen Ausnahmen erfüllt sind und wer sorgt dafür, datz der noch übrigbleibende minimale Schutz auch wirklich zur Anwendung kommt? Bis jetzt sind gesetzliche Garantien hierfür noch nicht geschaffen. Wohl wird auf Weltausstellungen und bei sonstigen Gelegen- Helten der deutsche Avbeiterschutz als mustergültig hingestellt und werden seine Wirkungen in allen Tonarten gepriesen. Die Arbeiter- schaft aber kennt seine Lücken und weiß, daß ihr allein unter den gegebenen Verhältnissen die praktische Durchführung der papiernen Bestimmungen überlassen bleibt. letzte Nachrichten. Die Wöllersdorfcr Pulverexplosion vor dem Parlament. Wien , 10. Juni. (W. T. B.) Der Minister für Lanidesvertei» digung erstattete Bericht über die Pulverexplosion am 7. und 9. d. M. und sicherte rascheste und strengste Untersuchung zu» deren Ergebnisse er mit rückhaltloser Offenheit dem Hause miitteilen werde. Alle in der Oeffentlichkeit über die Ursache der Explosionen angestellten Vermutungen seien vorläufig mehr oder weniger wahrscheinliche Hypothesen. Bei der Explosion, die am 9. Juni erfolgte, lägen Anzeichen eines verbrecherischen An- schlages vor. Für die Familien der Verunglückten werde in aus» reichendem Matze gesorgt werden. Fernflug Berlin Wien . Wien , 10. Juni. (P. C. ) Oberleutnant B l a s ch k«"-ist mit seinem Passagier wohlbehalten bei Gänserndorf gelandet. Der Flieger war infolge der Dunkelheit gezwungen, um 8 Uhr 55 Min. eine Notlandung vorzunehmen. Sein Apparat sowie er und sein Passagier sind wohlbehalten angekommen. Die Landungsstelle be- findet sich 20 Kilometer vom Ziel entfernt. Der neue englische Kriegsminister. London , 10. Juni. (W. T. B.) Der ParlamentS-Untersekretär im Kriegsamt, Oberst S c e l y, wird der Nachfolger Lord H a l d a n e S werden. Die englischen Reeder gegen die Regierunge London , 10. Juni. (W. T. B.) Bei der heute nachmittag stalt- gehabten Konferenz haben die Reeder die Vorschläge der Regierung zurückgewiesen. Für morgen wird die Proklamation des Generalstreiks der Transportarbeiter erwartet. Die Unruhen auf Kuba . Washington, 10. Juni. (W. T. B.) Der KreuzerWashington" und daS SchlachtschiffRhode Island " sind heute früh nach Havanna abgegangen. Jedes Schiff hat neben der regulären Mannschaft von 55 Seesoldaten noch 125 Mann an Bord, die nur im Notfalle in Havanna gelandet werden sollen; für diesen Fall stehen auch die Matrosen der beiden Schiffe zur Verfügung. Der A-dmiiral Osterhaus, der Befehlshaber der Atlantischen Flotte, ist an Bord derWashington". Durch ungenügende Bausicherung in den Tod, Köln , 10. Juni. (W. T. B.) Heute nachmittag stürzte das Bau- gerüst eines Neubaues am ReichKplatz in Köln-Deutz ein. Ein Zimmergcselle wurde getötet, ein Arbeiter ist schwer und ein zweiter leichtverletzt worden» Berantw. Redakteur: Albert Wachs. Berlin . Inseratenteil verantw.: Th. Glocke. Berlin . Druck u.Verlag: Vorwärts Buchdr.u. VerlagSanstatt glagl Singer Je Co., Berlin S�V. Hierzu Z Beilagen u. UnterhaltungSbl.