liegt hier die AnWindung eines verwerflichen Truckshstemsvor, um die Arbeitnehmer an die Stelle zu fesseln. DieBereinigung ist in Wahrheit keine Vereinigung zur Erhaltung undHebung des Mittelstandes, wie die»Nostocker Zeitung" meint, beider die Arbeitgeber erhebliche Opfer bringen, sondern eineBereinigung, die den Versuch macht, durch Trucksystem undJnausstchtstellen von Prämien den Arbeitslohn noch mehrzu senken, einer Erhöhung deS Arbeitslohnes, insbesondere derländlichen Arbeiter, entgegenzutreten und die Arbeiter möglichst aneine Stelle zu binden. Die Arbeiter ersehen aus dem.freiwilligen'Angebot bis zu 10 oder 25 M. jährlich dem Arbeitslohn zulegen zuwollen, falls die Arbeiter Rabattsparmarken in diesem Be-trage aufweisen können, datz die Arbeitgeber zugeben, daßsie um mindestens in dieser Höhe zu geringe Löhnezahlen. Die Zahlung des Lohnaufschlags von der Vorzeigung vonRabattsparmarken abhängig zu machen, ist eine dreiste Verhöhnungder guten Sitten. Der Arbeiter soll durch diese Abmachung an dieArbeitsstelle und an bestimmte Verkaufsstellen gebunden werden. Erwird diese Zumutung als das bewerten, was sie ist. Sie sollte dieArbeiter noch mehr als bisher veranlassen, den den MecklenburgischenJunkern so erhaßten„sozialdemokratischen Konsumvereinen" beizu-treten. Durch den Beitritt ersparen sie für ihren Haushalt weit mehrals der für den Schluß des Dienstjahres ihnen in Aussicht gestellteTeil der Kontroll- pardon der Rabatt-— Marken beträgt.Hungcrlöhne für Landarbeiter gerichtlich festgestellt.Im Reichstagswahlkreise Rothenburg-Hoyerswerda hattewährend der Wahl der später gewählte freikonservativeLandrat Dr. Hcgenscheid-Hoyerswerda im Wahlkampf ofterklärt:„Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert". Der Leiter derfreisinnigen Agitation, Redakteur Gustav Richter, bezeichnetediesen Ausspruch, soweit er als Wahlparole der Konservativengelten solle, als eitel Heüchelei, da gerade die Herren Ritter-gutsbesitzer, von denen der Herr Landrat auf den Schild er-hoben war, die schlechtesten, ja menschenunwürdige Löhnezahlten. Stundenlöhne von 20 bis zu 18 Pfennig seien beiihnen Regel. Ueber einen Rittergutsbesitzer sei ihm vonglaubwürdiger Seite versichert worden, daß er, aus Furcht,die Industrie der Umgebung könne ihm seine Arbeitskräfteentziehen, versucht habe, seine Arbeiter zum Abschluß eineslangfristigen Vertrages zu sogar 15 Pfennig Stundenlohnzu bewegen. Auf stürmische konservative Zwischenrufe wie„Schwindel",„Lüge".„Namen nennen!" und durch einenreaktionären Diskussionsredner veranlaßt, hatte er denNamen des betreffenden Rittergutsbesitzers, Generalleutnantz. D. von Altrock auf Zinpel preisgegeben. Die Folge wareine� Privatklage gegen den Redakteur, die der Staatsanwaltim öffentlichen Interesse übernahm!Das Amtsgericht Weis-wasser verurteilte am 24. Aprilunter zufälllger Mitwirkung zweier Amtsvorsteher alsSchöffen wegen öffentlicher Beleidigung zu Illv Mark Geld-strafe. Und das, wiewohl in der Beweisaufnahme von Altrockzwar darlegte, langfristige Verträge habe er nicht geschlossen,aber eidlich erklärte, die Stundenlöhne der Arbeiter betragen16, bei weiblichen Arbeitern sogar nur 1l) Pf.In der Berufungsinstanz am Sonnabend vor dem Land-gericht in Görlitz erklärte der Angeklagte, die nebensächlicheBemerkung wegen der Langfristigkeit der Verträge halte er»licht aufrecht, müsse aber seine Freisprechung beantragen.Das Gericht hob das Urteil des Schöffengerichts Weiß-wasser vom 24. April auf und sprach den Angeklagten frei.Formell habe sich der Angeklagte in keiner Weise vergangen.Ihm sei es auf die Sache, nicht auf die Person angekommen.Erst auf Drängen der Gegner habe or den Namen v. Altrockgenannt. Er mußte dies, um dem Vorwurf, er lüge, zu be-gegnen. Dies habe er aber auch getan in seiner Eigenschaftals Zugehöriger eines Wahlkomitees. Deshalb stehe ihm derß 133 zwiefach zur Seite. Inhaltlich sei im wesentlichen derWahrheitsbeweis erbracht, denn der Angeklagte habe Haupt-sächlich feststellen wollen, daß mit den Stundenlöhnen, wiesie Rittergutsbesitzer seines Wahlkreises zahlen, die Arbeiterhungern müßten._Verschleppungstaktik.In Nr. tl)1 deS..Vorwärts" hatten wird das eigenartige Ge-baren der Firma„Thanatesia" Max Kupfer, Fabrik für Sterbe-wasche und Trauerfuhrrequisiten, Michaelkirchstr. 24, dargestellt,welche einer Klage der Stickerin H. durch eine eigenartige Ver-fchleppungstaktik zu entgehen suchte. Zuerst hatte der Vertreterder Beklagten eingewandt, daß nicht Herr Max Kupfer, gegen densich die Klage richtete, der Inhaber des Geschäfts sei, sondern dessenEhefrau Gertrud Kupfer. Taraufhin klagte die Klägerin gegendie letztere. Nunmehr behauptete der Prozeßgegner, daß zur Zeitdes in Frage stehenden Arbeitsverhältnisses Frau Gertrud Kupfernoch nicht Inhaberin des Geschäfts gewesen sei, sondern damalsnoch Herr Max Kupfer. Die Klägerin wurde deshalb mit ihrerKlage gegen Gertrud Kupfer abgewiesen, nahm aber die noch nichtzurückgenommene Klage gegen Max Kupfer wieder auf. Die Sacheverfiel dann zweimaliger Vertagung, weil der Vertreter deS Beklagten mit Mangelhaftigkeit der von der Klägerin gelieferten Arbeitins Feld rückte. Darüber sollten im gestrigen Termin noch Zeugenvernommen werden. Dazu kam es aber nicht mehr, da eine vomBeklagten angegebene Zeugin zu spät zum Termin erschien, währendFrau Kupfer, welche von der Klägerin als Zeugin benannt wordenwar, ihre Aussage verweigerte.Das Gewerbegericht verurteilte die Beklagte, an die Klägerinden geforderten Restlohn von 27 M. zu zahlen.Um eine verhältnismäßig einfache Klage zu Ende zu bringen,mußte also infolge der Verschleppungstaktik das Gericht nicht wenigerals 7 Termine anberaumen.Gemcindesteuerzuschläge in Preußen.Die Zeitschrift deS preußischen statistischen Landesamts enthält«ine von Dr. Oskar Tetzlaff bearbeitete Aufstellung über dieSteuern und Schulden der preußischen Städte und größeren(überlOOOV Einwohner zählenden) Landgemeinden im RechnungSjahSd1910, sowie über die von ihnen im Rechnungsjahre 1911 erhobenenZuschläge zu den staatlich veranlagten direkten Steuern. Der sehrinteressanten umfangreichen Arbeit entnehmen wir folgende Datenüber die Zuschläge zur Staatscinkommensteuer.Ohne Zuschläge zur Staatseinkommensteuer kamen im Jahre1911 nur aus: Usedom. Sulmirschütz. Mixstadt. Naumburg i. Hessenund Niedenstein.25 Kleinstädte und eine größere Landgemeinde kamen mit Zu-schlagen unter 100 Proz. aus. Diese Gemeinden verteilen sich auffolgende Provinzen(die Zahlen in den Klammern geben die Höheder Zuschläge in Prozentsätzen zur Staatssteuer an):Brandenburg: Bärwalde i. Neum.(50). Reetz(90): Post»:Sutroschin lS5). Betsche(75), Sarne(95); Schlesien: Sprottau(85),abelschwerdt f50), Wünfchclburg(75); Sachsen: Wanzleben(90),Remberg(75), Gebesee(70), Schildau(90)- Thamsbrück(75); West-falen: Winterbcrg(50); Hessen-Naffau: Königstein a. Taunus(95),Wolfhagen lOO). Steinau a. Kinzig(80), Gudensberg(00). Nastätten(95). Neukirchen. Kr. Ziegenhain(90). Salmünster(38). Zierenberg(80), Felsberg(75), Schwarzenborn(75); Rheinprovinz: Linnich(96) und Godesberg(90 Proz.). Bei den posenschen Gemeinden isttaitilfmfi au beachten, daß neben der kommunalen Einkommen-steuer auch noch von best Schulsozietäten Zuschläge zur Staatsein-kommensteuer erhoben wurden.In 51 Städten und 7 größeren Landgemeinden betrugen dieGemeindezuschläge zur Staatseinkommensteuer 100 Proz. Zu dieserGruppe gehörten die Reichshauptftadt mit ihren Nachbarorten Char-lottenburg, Rixdorf, Schöneberg. Deutsch-WilmerSdorf, Lichtenberg,Steglitz, Friedenau. Treptow, Tempelhof. Zehlendorf und Marien-dorf, ferner die brandenburgischen Städte Templin, Woldenberg,Müncheberg sowie Biesenthal. Die Provinz Pommern war durchdie Städte Pollnow, Ratzebuhr, Neuwarp, desgleichen Posen durchGörchen und Ostrowo vertreten. Weiter gehörten zu der Gruppedie schlesischen Städte Bunzlau, Patschkau, Reinerz, Pitschen, Lieben-thal, desgleichen aus der Provinz Sachsen Egeln, Gräfenhainichen,Schmiedeberg» Schweinitz, Hadinersleben, aus Westfalen Brilon,Schmallenberg, Nieheim, Hallenberg und Obermarsberg. NächstBrandenburg lieferte die Provinz Hessen-Nassau die größte Anzahlvon Gemeinden zu dieser Gruppe, nämlich Wiesbaden, Eltville, Hos.heim, Hochheim, Treysa, Fritzlar, Kronberg, Hünfeld, Hessisch-Lichtenau, Westerburg, Wetter, Soden, Borken, Frankenau, Rosen-thal und Liebenau a. Diemel. Schließlich war auch die Rhcinpro-vinz vertreten und zwar durch die Städte Uerdringen, Brühl. JülichMünstereifel, Sankt Goar sowie durch die Landgemeinde Vilich.89 Gemeinden hatten mithin Zuschläge von nicht mehr als 100Prozent. Bei 209 Gemeinden schwankten die Zuschläge zwischen100 und 150 Proz. Ueber 150 bis einschließlich 200 Proz. derStaatseinkommensteuer erhoben nicht weniger als 545 Städte und30 größere Landgemeinden. Ueber den Prozentsatz von 200 Proz.gingen noch 402 Städte und 40 Landgemeinden hinaus. Bei 104Städten und 5 größeren Landgemeinden gingen die Zuschläge über250 Proz. hinaus. Heilsberg. Angerburg, Preutzisch-Holland, Niko-laiken, Liebstadt, Marienburg i. Westpr., Preutzisch-Stargard,Neuenburg i. Westpr., Neuteich und Nehden erhoben 300, Bischofs-bürg und Schwetz 305, Rössel, Briefen, Zempelbur�, Gra 310 Proz.In Tierschau und Schönebeck betrugen die Zuschläge 320, in Pill-kallen, Strasburg i. Westpr. und Lautenburg 325 Proz. Die höchstenZuschläge zeigten mit 330, 330, 340, 355, 305, 370, 390. 450 Proz.die Städte Märkisch-Friedland und Mewe(330), Bereut, Christ-bürg, Tolkemit, Pillau, S-tuhm und Gorzno. TaS westpreußischeStädtchen Gorzno hat den zweifelhaften Ruhm, die chöchsten Ein-kommensteuerzuschläge in Preußen zu erheben.Ueber 250 Proz. erhoben in der Provinz Brandenburg ziveiStädte: Rathenow(272) und Strasburg i. Uckerm.(300).Arbeiterinnenausbeutung.Nette Praktiken in der Art der Ausbeutung von weiblichen Ar-beiterinncn kamen in einer Schöffengerichtssitzung in Stolp i. P.zum Vorschein. Der Inhaber des Konfektionsgeschäfts Eisen-städt u. Co. hatte sich wegen Vergehen gegen die Gewerbeordnungzu verantworten. Es wurde festgestellt, daß Eiseustädt in der Zeitvom Mai bis September seine Putzmacherinnen über die gesetzlichvorgeschriebene Arbeitszeit beschäftigt hat, und zwar bis 11 Uhrnachts. Er hatte einen fensterlosen Raum zur Arbeitsstube ein-gerichtet, die elektrische Beleuchtung erhielt. Damit kein Un-berufener hinzukam, schloß er selbst die Arbeiterinnen in diesenRaum ein. Als die Direktrice ihn auf das Ungesetzliche aufmerksammachte, erklärte er, für alles aufzukommen. Die Ueberfwnden be-zahlte er nicht. Und das Urteil für die„gewinnbringende" Aus-beutungsweise? Rund 30 M: Geldstrafe! Das Geschäft bringtdoch waS ein!Gerichts-Leitung.Kinn ein Streikposten durch schnelles Laufen groben Unfugbegehen?Eine sonderbare Frage, deren Verneinung sich eigentlichvon selbst versteht. Und doch bedurfte es der Verhandlungdurch drei Instanzen, um die Freisprechung des Delinquentenzu erzielen. In der Fabrik von Schwerdtfeger in Berlinwurde im vergangenen Jahre gestreikt. Da sich öfter kleineGruppen vor der Fabrik bildeten, die nach Annahme der Be-Hörde auf Zusammenstöße Streikender mit Arbeitswilligenwarteten, so hatten die Beamten der Polizei Auftrag, dies zuverhindern. Eines Tages hatten sich zur Zeit des Fabrik-schlusses wieder eine Anzahl Leute dort eingefunden. Als dieersten Arbeitswilligen die Fabrik verließen, rannte Koppcr-mann, der ebenfalls vor dem einen Ausgange stand, schnellnach dem anderen Ausgange. Ein Polizeibeamter und vieleLeute folgten ihm schnell. Es sammelten sich etwa 300 Personen an, die die Polizei dann zerstreute. Koppermann er-hielt eine Anklage und wurde in zweiter Instanz wegengroben Unfugs verurteilt. Begründend führte das Ge-richt aus:Dem Angeklagten fei es nicht entgangen gewesen, daß sichGruppen ansammelten, um auf Zusammenstöße zu warten.Er habe sich sagen müssen, daß eine auffällige Handlungseinerseits, die zu dem Schluß führen könnte, er werbe anderebelästigen, zu einem Zusaminenlauf führen könnte und ge-eignet wäre, den äußern Bestand der öffentlichen Ordnungzu gefährden. Trotzdem habe er die nötige Vorsicht außeracht gelassen und sei sehr schnell nach dem hinteren Ausgangegelaufen, als die ersten Arbeiter aus der Fabrik gekommenseien. Der Erfolg sei gewesen, daß eine große Menschenmengesich in Trab setzte und hinterher lief. Zugegeben werdenmöge, daß ein Polizeibeamter durch fein Nachlaufen den Auf-laus noch vergrößerte.DaS Kammergericht hob dies absonderliche Urteil amFreitag auf und sprach den Angeklagten mit folgender Be-gründung frei: Das Landgericht stelle in der Sache nur fest,daß Angeklagter von einem Ausgange der Fabrik nach demanderen Ausgange hingeeilt sei und daß dem Voraneilendenaußer dem Polizeibeamten andere Leute sich angeschlossenhätten. Das Landgericht nehme nun groben Unfug an. weilAngeklagter einen derartigen Auflauf hätte voraussehenmüssen. Das Landgericht habe aber übersehen, daß zur An-nähme des groben Unfugs vor allen Dingen gehöre, daß ob-jektiv eine Handlung begangen werde, die sich als Ungebühr-lichkeit darstelle. Eine derartige Handlung sei aber nicht fest-gestellt. Da? Laufen, das den Auflauf herbeigeführt habe,könne als ungebührliche Handlung an sich, die gegen denäußeren Bestand der öffentlichen Ordnung gerichtet sei, nichtangesehen werden. Somit sei auf Freisprechung zu erkennen.Ein AdoptionSbureau.In die GeschäftSvraktiken der sogenannten„AdoptionSbureau»"gestattete eine Verhandlung sehr interessante und lehrreiche Ein-blicke, welche gestern vor der 7. Strafkammer des Landgerichts Ibegann. Angeklagt wegen Betruges in zahlreichen Fällen sind: derKaufmann Joseph Zwiener, der 24jährige Zeitungsverlcger RudolfNadeck und der Kaufmann Alois Zwiener. Mitangeklagt wegenBeihilfe sind ferner der Kaufmann Emil Hermenau und der Kauf-mann Werner Riiterbusch. Den Vorsitz im Gerichtshof führt Land-gerichtsdirektor Splcttstößer. Der Angeklagte Radeck, der- alsgpiriuiz rector des ganzen Unternehmens angesehen wird, betriebals 20jZhriger junger Mensch in Breslau ein kleines Zigarren-geschäft, welches ihm von.feiner Mutter eingerichtet worden war.Wie R. behauptet, habe er von einer Hebamme erfahren, daß sichdurch die Vermittelung von Pflegestellen für Kinder„diskreter" Ge-burt sehr viel Geld verdienen lasse.„Ein Arzt" in Stallupönenhabe sich auf diese Weise«in Vermögen verdient. Radeck gründeteim Jahre ISOL ig Breslgp einen.Adoption», und Pflegestellen-nachiveis". den er dann schon nach kurzer Zeit nach Berlin ver-legte und hier ein„AdoptionS- und PflegeftellennachweisbureauBerlin-Breslau" in der Potsdamer Straße 44 eröffnete. In diesestrat noch später der Angeklagte Joseph Zwiener als Angestellter ein.Letzterer machte sich Ende 1910 selbständig und eröffnete PrenzlauerAllee 2 ein AdoptionSbureau, in welches sein Bruder Alois Z. dannals helfende Kraft eintrat. Mitte des Jahres 1911 gründete Radeck,der sich deshalb Zeitungsverleger nennt, in Gemeinschaft mit demAngeklagten Alois Zwiener eine für Zimmervermieterinnen be-stimmte Zeitschrift mit dem Titel:„Der Zimmervermieter". DiesesUnternehmen reüssierte jedoch nicht, so daß beide Geld zusetzenmutzten. Wie die Anklage behauptet, sollen die Angeklagten Zwienerund Radeck, um ihre Verluste wieder aufzubringen, in ihrem Adop-tionsbureau folgende betrügerische Methode angewandt haben, umin den Besitz von Geld zu kommen: Sie erließen Inserate, in denensie ein Kind„vornehmer, diskreter Geburt" gegen eine einmaligeAbfindung von 4000 M. anboten. Auf dieses Inserat hin meldetensich zahlreiche Personen, wie Radeck angibt, über 000. Den Per-sonen, die sich gemeldet hatten, wurde dann von den Angeklagtenein Zirkular zugesandt, in welchem mitgeteilt wurde, daß die Zu-eignung des fraglichen Kindes von dem Ausfall der einzuziehendenAuskunft abhängig gemacht werden müsse. Die Auskunftsgebühren,die im voraus einzusenden seien, betrügen 0 M. Wie später fest-gestellt wurde, gingen mitunter an einem Tage bei den Angeklagten50 Postanweisungen und mehr ein, so daß diese damit ein ganzgutes Geschäft machten. Die Anklage behauptet nun, daß eS denAngeklagten lediglich auf die Erlangung dieser Auskunftsgebührenangekommen sei. Vielfach sollen die auSgebotenen Kinder auchüberhaupt nicht existiert haben.Dieses Geschäftsgebaren der Angeklagten wurde endlich imSeptember v. I., nachdem der„Vorwärts" auf dasselbe häufig hin-gewiesen hatte, infolge der Veröffentlichungen der früheren Stutt-gartcr Polizeiassistentin Henriette Arndt strafrechtlich geprüft.Vor Gericht hielt der Angeklagte Radeck einen Vortrag über dieZiele, die er sich bei Gründung des Adoptionsbureaus gesteckt habe.Er betonte, daß er von hohen sittlichen Motiven geleitet worden sei,um dem eigentlichen Kinderschacher ein Ende zu bereiten. Er habedie Kinder, die zum Teil von Dienstmädchen, Kammerzofen undvielfach auch von sehr hohen Persönlichkeiten stammten, vor demSchicksal bewahren wollen, in die Hände von gewissenlosen Zieh-müttern zu fallen, denen es nur auf die Abfiiiduug ankomme, wäh-rend die Kinder sebbst dann langsam verkommen.— Vom Land-gerichtbdirektor Splettstöster wurde darauf hingewiesen, daß diesesZiel ja sehr schöner und idealer Natur sei, wenn es in reeller Weiseverfolgt werde. Die Anklage behaupte doch aber nun, daß dies ge-rade nicht der Fall gewesen sei.— Bei der Vernehmung der An-geklagten kam u. a. zur Sprache, daß Radeck und Zwiener längereZeit mit einem einzigen Kinde operiert haben sollen. Dieses Kind,welches einem Fräulein R. gehörte, ist insofern zu einem„Kindder Firma" Zwiener u. Radeck gemacht worden, daß die Angeklagtensich durch die hierbei erlassenen Inserate eine glänzende Einnahme-quelle verschafften.— Aus welchen Motiven heraus mitunter Leuteein Kind„mit Abfindung" annehmen wollen, bewies ein an dieAngeklagten gerichteter Mahnbrief, in welchem ein Ehepaar in einerProvinzstadt um„Uebersendung" des Kindes und des Geldes baten,„damit sie endlich bauen könnten".— Da die Angeklagten jede be-trügerische Handlung bestreiten, ist von der Verteidigung auf dasZeugnis zahlreicher Zeugen zum Beweise dafür Bezug genommen,daß die beiden Zwiener und Radcck zahlreiche Kinder bei an-ständigen und ehrenwerten Leuten untergebracht haben.Das Urteil lautete gegen Joseph Zwiener auf 5 Monate Ge-fängnis, gegen Rudolf Radeck auf sechs Monate Gefängnis, gegenAlois Zwiener auf drei Monate Gefängnis. Diesen drei Ange-klagten wurde die ganze Strafe auf die erlittene Untersuchungshastangerechnet. Die Angeklagten Hermenau und Werner Rüterbufchwurden freigesprochen.Zum EntmündigungSprazeß Ehrenfried.Der Entmündigungsbeschluß gegen Rechtsanwalt Dr. Ehren,fried ist durch Urteil aufgehoben. Die 22. Zivilkammer des Land-gerichtS I hatte bekanntlich den gegen Rechtsanwalt Dr. Ehrenfriedvom Amtsgericht Berlin-Mitte erlassenen Entmündigungsbeschlußbereits drei Tage nach dessen Zustellung Ende Februar d. I. durcheinstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile außerKraft gesetzt, nachdem Rechtsanwalt Dr. Ehrenfried auch glaub-Haft gemacht hatte, daß die tatsächlichen und rechtlichen Voraus-setzungen einer Entmündigung fehlen. Auf die von Dr. Ehrenfriederhobene Anfechtungsklage hat die 22. Zivilkammer des Land-gerichtS I am gestrigen Tage den Entmündigungsbeschluß auch durchEndurteil aufgehoben. DaS Gericht ordnete gleichzeitig an, daßdie einstweilige Verfügung des Prozeßgerichts bis zur Rechtskraftdes Urteils in Kraft bleibt.Abgelehnter Anspruch auf Nachzahlung einer LehrergehaltSzulage.Durch das Preußische Gesetz vom 20. Mai 1909 ist eine Neu,regelung der Gehälter der Lehrer an den höheren staatlichen Schulenangeordnet, und zwar legt der§ 50 des Gesetzes den Gehalts-erhöhungen rückwirkende Kraft ab 1. April 1908 bei. Im Anschlußan dieses Gesetz haben die meisten Städte eine Erhöhung der G-v-hälter ihrer Lehrer an den städtischen höheren Schulen beschlossen,indessen ohne rückwirkende Kraft, so daß die Gehaltserhöhung erstab 1. April 1909 gezahlt wird. Die Lehrer glauben nun einenRechtsanspruch darauf zu haben, mit den staatlichen Lehrern gleich-gestellt zu werden. Es sind, wie bekannt, aus diesem Anlaß schonverschiedene Prozesse angestrengt worden; zwei derartige RechtS,streitigkeiten haben vor einiger Zeit auch das Reichsgericht be,fchäftigt und sind von diesem zugunsten der Lehrer entschiedenworden. Das Reichsgericht hat ausgesprochen, daß auS den Nm,ständen des Falle« eine stillschweigende Verpflichtung der Stadt«gemeinden zur Gleichstellung ihrer Lehrer mit den staatlichenLehrern auch dann gefolgert werden kann, wenn die AnstellungS»Urkunden darüber nichts ergeben. Eine solche stillschweigende Verpflichtung ist in dem Falle der Stettiner Gymnasiallehrer und indem Falle der Erfurter Mittelschullehrer aus den Willen»»erklärungen der städtischen Behörden festgestellt worden. Kürzlichlag dem Reichsgericht wiederum ein ähnlicher Rechtsstreit zur Eni,scheidung vor, der jedoch zuungunsten der beteiligten Lehrer endete.Der an einer städtischen höheren Schule angestellte OberlehrerG. klagt für sich und aus abgetretenen Rechten von vier Kollegengegen die Stadtgcmcinde Hannover auf Nachzahlung der GehaltS-erhöhung für das Jahr vom 1. April 1908 bis 1. April 1909. DasLandgericht Hannover und Oberlandesgericht Celle haben die Klageabgewiesen. Das Oberlandesgericht führt aus, daß sich auS denAnstellungSoedingungen der beteiligten fünf Oberlehrer nichts fürden Klageanspruch ergebe. Aber auch aus den sonstigen Umständendes Falles folgt nicht, daß den Lehrern ein Rechtsanspruch auf dieGehaltsnachzahlung zusteht. Die erfolgte Ausschreibung derStellen, allgemeine Erwägungen kommunaltechnischcr Natur unddie historische Entwickclung der fraglichen Verhältnisse in Hannoverlassen keine Schlüsse zugunsten des Klägers zu. Die gelegentlichenAeußerungen des Stadtdirektors und des StadtsyndikuS hält dasOberlandesgericht für unverbindliche Bemerkungen, die«inen Rechts-anspruch nicht begründen können.Das vom Kläger angerufene Reichsgericht hat die Revision amFreitag zurückgewiesen. �_Mus aller Alelt.Zum fernf lug Berlin- Wienfand am Sonntag früh in Johannisthal der Statt statt. Wiederumhatten sich Hunderttausende eingefunden, trotzdem der Start zuFenrflügen viel uninteressanter ist als ein Durchschnittstag einerFlugwoche. Obendrein verschuldete schon der dichte Nebel, der inden ersten Tagesstunden die Erdoberfläche verhüllte, einen sich trägeüber mehrere Stunden hinschleppenden Statt der wenigenFlieger, die wirklich ernstlich in den Wettbewerb«intraten.