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werben der Freikonservatiden um die sozial- demokratischen Stimmen zugunsten des von allen bürger- lichen Parteien, einschließlich der Freisinnigen, unterstützten Zucht- Hausschwärmers v. H a l e m war das Wesentliche unseres Artikels, den wir in vollem Umfange aufrecht erhalten. Tas schleswig-holsteinische Kommunalwahlrecht. Das schleswig-holsteinische Bürgertum ist in arger Verlegenheit. Es fürchtet auf der einen Seite das Wachsen des sozialdemokratischen Einflusses unter dem zwar durch einen Zensus begrenzten, aber doch sonst für alle Wahlberechtigten gleichen Wahlrecht, scheut sich aber auf der andern Seite vor der Empfehlung der Dreiklassenkommunal- wähl, weil es dadurch zwischen Plutokratie und Arbeiterschaft erst recht in eine bedrängte Lage kommen und außerdem die direkte Wahl der Magistrotsmitglieder(bis zum ersten Bürgermeister hinauf) durch die Wähler preisgeben müßte. Dazu kommt noch, daß dem Bürgertum in den kleinen Städten die sozialdemokratische Gefahr weit weniger auf den Nägeln brennt als dem Bürgertum der beiden Großstädte Kiel und Altona , was natürlich eine verschiedene Be- urteilung der Wahlrechtsfrage in Groß- und Kleinstadt bedingt. In den Bürgervereinen verschwindet denn auch die Frage der Aenderung des Wahlrechts der schleswig-holsteinischen Städtcordnung nicht mehr von der Tagesordnung. Auch der Verbandstag der schleSwig- holsteinischen Bürgervereine, der am Sonnabend und Sonntag in Glückstadt tagte, beschäftigte sich mit dieser Frage. Der Vorsitzende des Verbandes schleswig -holsteinischerHauSbesitzer, Herr K ö st e r- Altona, dem man zu der Versammlung zugezogen und das Referat übertragen hatte, machte folgenden urreaktionären Vorschlag: Heraufsetzung des WahlrechtsalterS jetzt 22 Jahre auf 25 Jahre und der OrtSangehörigkeitsdauer jetzt 1 Jahr auf 2 Jahre. Aufhebung des Wahlzensus, aber Einführung der Dreiklassenwahl, und zwar soll die erste Klasse die Wähler mit einem Einkommen von 3500 M. und darüber, die zweite Klasse die Wähler von einem Einkommen von 30003500 M. und die dritte Klasse alle Wähler mit einem Einkommen unter 3000 M. umfassen. Die erste Klasse soll drei Zwölftel, die zweite fünf Zwölftel und die dritte vier Zwölftel der Mandate erhalten. Innerhalb der einzelnen Klassen soll Verhältniswahl stattfinden. Das Wahlrecht soll direkt und geheim sein. Die besoldeten Magistratsniitglieder sollen durch dir Stadtverordneten, die unbesoldeten durch die wahlberechtigte Bürgerschaft gewählt werden. So sehr auch die Köftersche Klasseneinteilung auf die Erhaltnng der Macht deS mittleren und Kleinbürgertums zugeschnitten ist, dem Verbandstag graute doch davor, sie zu den seinen zu machen. Die schleswig-holsteinische Städteordnung, aus die das liberale Bürgertum bisher immer noch so stolz war. würde auch mit der Verwirklichung der Kösterschen Vorschläge vollständig über den Haufen geworfen werden. Der Verbandstag beschloß eine Resolution, die zum AuS- druck bringt, daß er an der schleswig-holsteinischen Städteordnung vom 14. April 1863 festhält. Doch habe dieses 43 Jahre alte Gesetz Schwächen und Mängel. Als geeignete Aenderung seien zn empfehlen die Einführung der geheimen Stimmabgabe das geht gegen den angeblichen sozialdemokratischen Terrorismus bei der öffentlichen Wahl und der Stichwahlen. Hinaufsetzung des WahlrechtsalterS von 22 aus 25 Jahre und der OrtSangehörigkeitsdauer von einem Jahre aus zwei Jahre. Damit glaubt das Bürgertum vorläufig den sozialdemokratischen Ansturm noch abwehren zu können. Unter demliberalen" Neichsvercinsgesetz. Als der Genosse Scheidemaun in der Sitzung des Reichstages vom 17. Mai die kaiserliche Drohung, Elsaß-Lothringen in Preußen einzuverleiben, mit der Versetzung in die unterste Stufe der Reichs- zugehörigkei: verglich, heuchelten die Junker und ihre freiwilligen und unfreiwilligen Helfershelfer große Entrüstung. Inzwischen bemühe» sich tagtäglich preußische Behörden, den Beweis dafür zu erbringen, daß in Preußen zum mindesten die Arbeiter als Staatsbürger niederer Sorte angesehen und behandelt werden. Ein klassisches Beispiel dafür komint aus dem Machtbereich des Landrats und preußischen freikonservatiden Landtagsabgeordneten Brütt aus dem Kreise Rends- bürg. Der RendSburger Arbeiter- Nadfahrerverein.Bruderbund' hatte die Absicht, am Sonntag, den 3. Juni, in einem Lokale der benachbarten Gemeinde Büdelsdorf ein Konzert und Volksbelustigungen abzuhalten. Dieser Veranstaltung sollte eine Korsofahrt von RendS- bürg nach Büdelsdorf vorausgehen. Die Nendsburger Polizeibehörde erleilte die Erlaubnis für die Korsofabrt. Der ÄmtSvorsteher für den Amtsbezirk Büdelsdorf. ein Herr Tödt, verbot aber die Weiter- führung der Korsofahrt im Polizeibezirk Büdelsdorf , und er verbot auch die Veranstaltung des Konzerts. Eine Begründung der Verbote liegt uns nicht vor, aber man kann sie wohl au? der Antwort entnehmen, die der Landrat Brütt auf die eingelegte Beschwerde erteilte. Sie lautet: Auf die Eingabe vom gestrigen eröffne ich Ihnen, daß ich den Bescheid des Herrn AnitSvorstehers voin 3. Juni, nach welchem die Erlaubnis für eine a», Sonntag, den 9. d. M. zu veranstaltende Korsofahrt des Arbeitcr-SiadfahrervereinS.Bruderbund' versagt ist. als b e g r ü n d e t a n e r k e n n e n in u ß. Ich verweise auf daS Erkenntnis deS OberverwaltungsgcrichtS vom 4. April 1302 . Pr.-Verw.-Bl. Bd. 24 S. 232 und Kunze-Kauz S. 757 Bd. 27 S. 485. Ebenso liegt kein Grund vor, den Herrn ÄmtSvorsteher an- zuweisen daß er daS Konzert in dem Lokal von Schmook, dessen Beginn für Sonntag, den 3. Juni d. I., auf 4 Uhr angesetzt ist, gestattet Der Platz, wo die Fahnenweihe des BüdelSdorferKriegervereinSabgehaltenwird. liegt dcmLokalvon Schmook so nahe, daß durch ein Konzert bei Schmook die Fahnenweihe in e r h e b l i ch e m M a ß e g e st ö r t w ü r d e. Brütt. Nachträglich hat auch die Polizeibehörde m Rendsburg d,e schon erteilte Erlaubnis für die Korsosahrt wieder zurückgezogen, aller Wahrscheinlichkeit nach auf Betreiben deS Landrats hin. Weil der Kriegerverein ein Vergnügen abhielt, deshalb dürfen an demselben Tage Arbeitervereine mchl auch->" Vergnügen abhalten. Das ist der nackte Grund der Verbote Schliinmer kann die Einschätzung der Arbeiter als Staatsbürqer minderen Rechtes nicht vordcmonstriert werden. Dem Herrn Landrat und preußischen.Volksvertreter' ivird klargemacht werden müssen daß daS ReichsvereinSgesctz auch für daS Königreich Brütt Gültigkeit hat. l)ie SmgmlTc in Ungarn . Budapest . 11. Juni. (Privattclegramm.) Im Land? lodert die Empörung des Volkes über den Staatsstreich Tiszas und über die Gewaltherrfchaft der Re- gierung hell auf. Die Arbeiter und ein Teil des Bürgertums machen gemeinsame Sache. Aus Grostwardern wird der Generalstreik gemeldet. Montag abend zogen große Volksmassen vor Tiszas Haus und demolierten sämtliche Fensterscheiben. Dann zog die Menge nach dein Komitatshaus, nach dem Gerichts- gebäude und nach dem Hause der nationalen Partei, um dort die Empörung zum Ausdruck zu bringen. Schließlich kam es zu heftigen Z u s a m m e n st ö ß e n mit der Polizei, die sich aber vor der Menge zurückziehen mußte. Bald erschien ein Bataillon Infanterie im Sturmschritt und eine Eskadron Husaren. Gegen 11 Uhr nachts war die Ruhe wieder hergestellt. Das Militär hält die Straßen und die Hauptplätze der Stadt besetzt. Eine Anzahl Verhaftungen wurde vorgenommen. In Debreczin , einer Stai>t von 80 OCK) Einwohnern, kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Militär und der Volksmenge. Es gab viele Verwundete. Sämtliche Geschäfte sind geschlossen. Der Verkehr stockt völlig. Zwei Straßen- bahnwagen wurden demoliert. Auch am Bischofssitz K a s ch a u, ferner in Gollnow und Klausenburg ist die Revolution im Gange. Ueberall stehen sich die Volksmassen und die bewaffnete Macht gegenüber. In Kaschau gab es eine Anzahl Verwundete. Für Dienstag abend sind große Demonstra- tionen in vielen Städten geplant. Nach einer Meldung aus Wien soll auch Militär aus Oesterreich nach Ungarn ab- gehen. Die Parteileitung hat sofort nach allen Rich- tungen Delegierte entsandt, die sich mit den Ar- beitermassen verständigen sollen. Vormittag versammelten sich die oppositionellen Abgeordneten in ihrem gemeinsamen Versammlungs- lokal, wo Graf A p p o n y i in einer Rede flammenden Protest gegen das Vorgehen des Grafen Tisza und gegen die Aus- Weisung der oppositionellen Abgeordneten aus dem Reichstage erhob. Tann begaben sich die Abgeordneten nach dem Par- lamentsgebäude, wurden aber von dem dreifachen Kordon von Militär zu Pferde und zu Fuß abgewiesen. Die ausgeschlossenen Abgeordneten begaben sich dann zum Klub- lokale der Volkspartei. Unterwegs hatte sich eine Menschen- menge angeschlossen, die sortpährend in den Ruf ausbrach: Abzug Tisza!" Es wurde das Kossuthlied gesungen. Plötz- lich an einer Straßenbiegung sprengte berittene Polizei und Gendarmerie herbei und ritt in die Menge. Es entstand eine furchtbare Panik. Zahlreiche Personen wurden um- geritten. Die Menge wurde in drei Gruppen auseinander- getrieben. Auch heute wurde unser Parteiblatt konfisziert, teils, um das Blatt zugrunde zu richten, teils um zu verhindern, daß die Massen über die Vorgänge und über die Anordnungen der Partei unterrichtet werden. Die Bewegung gegen die Reaktion nimmt im ganzen Lande zu. Im Reichstage herrschte Stelle, da die Opposition fehlte. Nachdem die neue Hausordnung angenommen war, vertagte sich das Haus bis 18. Juni. Tas Oberhaus wird am Sonnabend über die Militär- Vorlage verhandeln. Zu dieser Sitzung rüstet sich die Opposi- tion. Wenn dieses Gesetz vom Oberhaus angenommen ist, wird es an den Reichstag zurückgehen, wo es am kommenden Dienstag zur Beratung stehen wird. Der Präsident des Reichstages, Graf Tisza, ist mit dem 2. Vizepräsidenten zur Audienz nach Wien beordert. Der Bahnhof war nachmittag von Militär und Gendarmen voll- ständig abgesperrt. So zieht das Reichstagspräsidium unter dem Schutze der Bajonette nach Wien . Der Streik im Londoner Daten. London , 11. Juni, lieber den Beschluß der Arbeitgeber des Transportgcwcrbcs, die Vorschläge der Regierung abzu- lehnen, wird im einzelnen gemeldet: Die Arbeitgeber er- kannten an. daß die Hinterlegung einer beträchtlichen Summe seitens der Arbeiterorganisationen bessere Garantien schaffen würde, glaubten aber nicht, daß der Plan der Regierung zu dem beabsichtigten Ziele führen würde. Die Organisation der Arbeitgeber im Transportgewerbe erscheine ihnen undurch- führbar, und gegen Ursachen, wie sie dem gegenwärtigen Streik zugrunde lägen, seien im Regierungsplane keine Vorkehrungen getroffen. Ferner würden, wenn der Plan Gesetz würde, die ausländischen Reeder nicht davon betroffen werden, so daß die englischen Reeder sich gegen sie im Nachteil befinden würden. Auch sei in dem Plane keine Vertretung der nicht- organisierten Arbeiter vorgesehen. Eine dauernde Regelung der koniplizierten Arbeitsverhältnisse im Londoner Hasen sei nur nach erschöpfender Diskussion zu erreichen. Nach Ansicht der Arbeitgeber dürfte diese Diskussion erst nach Wiederaus- nähme der Arbeit beginnen. Auch die Londoner Hafen- behörde hat die Vorschläge der Regierung abgelehnt. Der Streik sei durchaus nicht gerechtfertigt, und die Behörde ziehe es vor, den Dingen ihren Laus zu lassen und es der Negierung zu überlassen, die Schritte zu tun, die sie für geeignet halte. Falls der National streik der Transport- a r b e i t e r vollständig durchgeführt wird, werden gegen 300 000 Mann an dem Streik teilnehmen. Vorläufig ist nicht zu übersehen, wie weit der Streikbeschluß Anerkennung finden wird. Eine Erklärung der Regierung. London , 11. Juni. (Unterhaus.) Auf eine Anfrage wegen der Streiklage erklärte Premierminister A s q u i t h, die Regierung habe während der letzten zehn Tage jeden Ver- such gemacht, den unglücklichen Streit zu einer befriedigenden Lösung zu bringen. Tie Vorschläge der Regierung seien aber von beiden Seiten nicht für annehmbar befunden worden. RamsayMacdonald fragte, ob die Regierung noch auf dem Standpunkt stehe, den beiden Parteien ihre guten Dienste anzubieten. Asquith bejahte die Anfrage. Schweiz . Ein Kriegsminister für Gehorsamsverweigerung! Bern , 10. Juni. (Eig. Ber.) Kriegsminister scheinen in der Regel Anhänger der strikten, widerspruchslosen Unter- ordnung, des Kadavergehorsams zu sein. Eine Ausnahme macht der Vorsteher des schweizerischen Militärdeparte- mentes. Es hatten sich in der letzten Zeit besonders krasse Fälle roher S o l d a t e n mi ß h a n d l u n g e n ereignet. Das üblicheSchlauchen " genügte den militärischen Vorgesetzten nicht mehr, sie sannen auf andere Mittel. Auf offener Straße mußte sich eine ganze Kompagnie bis aufs Hemd ausziehen und in diesem Kostüm crerzieren. Ein anderer Offizier er- teilte einem Subalternen den Auftrag, eineu etwas lang- sam arbeitenden, beschränkten Rekruten zu verprügeln. Der Befehl wurde prompt ausgeführt. Drei Mann sind nachts an das Bett des Rekruten kominandiert worden, Bajo- nettriemen sausten auf den armen Teufel nieder und nachher wurde dem Vorgesetzten die Ausfübr».ng des Befehls vor­schriftsgemäß gemeldet. Der Fall war für Schweizer Ver- Hältnisse so ungeheuerlich, daß unter dem Eindruck der öffent- lichen Meinung das Kriegsgericht als zuständige Behörde ein- greifen mußte. Die Bestrafung war indes eine außerordent- lich gelinde, das Kriegsgericht erwies sich als ein Klassen- gericht. Der Offizier erhielt zehn Tage Gefängnis, der Sub- alterne wurde vollständig freigesprochen, da er wie es in den Motiven des Urteils heißtnur den Befehl seines Vor- gesetzten ausgeführt habe und dazu auf Grund der Militär- gesetze verpflichtet gewesen sei." Also die offene Prokla- mierung des Kadavergehorsams! Selbstverständlich erfuhr das Urteil allgemein harte Anfechtung und den Klassenrichtern im buntscheckigen Gewände wurden nicht gerade angenehme Dinge ins Gesicht gesagt. Dieser Fall hat nun auch den Nationalrat beschäftigt. Gelegentlich der Behandlung einer Motion, die die Schaffung fester Garantien gegen die Ueberhandnahme der Soldaten- schindereien forderte, ist das Urteil von sozialdemokratischer Seite scharf gegeißelt und verlangt worden, daß die Soldaten, wenn ihnen neuerdings zugemutet werden sollte, sich als Werk- zeuge zur Ausübung von Soldatenmißhandlungen gebrauchen zu lassen, den Gehorsam zu verweigern hätten. Der Vorsteher des schweizerischen Militärde- partements, Bundesrat Hoffmann, stellte sich auf den gleichen Standpunkt. Er erklärte, daß er mit den Motionären insofern einig gehe, als Soldatenmißhand- lungen geahndet und die fehlbaren Offiziere so bestraft wer- den müßten, daß man selbst vor den härtesten Maßnahmen nicht zurückschrecken dürfe. Den Beschönigungsversuchen sei scharf entgegenzutreten. Der Redner sagte ferner, er stehe nicht auf dem Boden des blinden Gehorsams, Soldaten, denen von ihren Vorgesetzten zugemutet werde, Schindereienzu begehen, hättendiese Befehle nicht auszuführen und einfach den Gehorsam zu verweigern. Das war vom Stand- Punkt eines Kriegsministers aus sicher mutig gesprochen- Selbstverständlich werden deswegen die Soldatenschindereien, die ja lediglich den Ausfluß der Klassengegensätze bilden, nicht verschwinden. Aber es ist immerhin wertvoll, daß von höch- ster militärischer Stelle aus das Recht der Gehorsamsver- Weigerung den Soldaten ausdrücklich zuerkannt wurde. Die Sozialdemokratie wird dafür sorgen, daß die Soldaten Kennt- nis davon erhalten und von diesem Rechte gegeberMfaIs Gebrauch machen. Frankreich . Das Gesamtergebnis der Gemeinderatswahle» deS Seine- Departements. Paris , 10. Juni. (Eig. Ber.) Die gestrigen Stichwahlen für den Generalrat des Seine-Dcpartements haben der Partei einen unerwarteten Erfolg gebracht. Nicht nur wurde das eine in der Stichwahl zu verteidigende Mandat behauptet, sondern noch drei dazu gewonnen, so daß die Partei jetzt sieben von den 22 Mandaten inne hat gegen drei im vorigen Generalrat. Die Verlusttragenden sind die Radikalen und dieunabhängigen' Sozialisten, welche nun« mehr ganz ausgeschaltet sind. Sie verlieren auch die Vorstadt I v r y, wo die Tage der Bürgermeister« und Deputiertenschaft deS Radikaldemagogen C o u t a n t wohl gezählt sind. Die Sozialisten danken ihre Siege zum Teil der Wahlhilfe der Proporzanhänger und der gemäßigten Parteien. Italien . Der Exminister Nasi wieder wählbar. Rom , den 3. Juni. (Eig. Ber.) Am 5. Juni d. I. ist die Zeit abgelaufen, während der über den früheren Unterrichtsminister Nasi auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt war. Bekanntlich wurde Nasi wegen Unterschlagung im Amt von dem Senat als oberstem Gerichtshof zu 11 Monaten und 20 Tagen Gefängnis und zu 4 Jahren 2 Monaten Ehrverlust verurteilt. Trotzdem er nicht wählbar war, hat sein Wahlkreis Trapani ihn die ganze Zeit über unentwegt weiter gewählt, wobei jede Wahl annulliert werden mußte. Auch heute ist der Wahlkreis vakant. Freilich spricht daS neue Wahlgesetz das akive und passive Wahlrecht denen ab. die wegen Betruges verurteilt sind, aber es ist in hohem Maße zweifelt Haft, ob Nasis Verbrechen als Betrug im Sinne des Wahlgesetzes aufzufassen ist. Der Exminister dürfte demnächst seinen alten Platze in der Kammer wieder einnehmen. Wieder zweiKomplizen" D'AlbaS in Freiheit. Rom , den 8. Juni. (Gig. Ber.) Um die Blamage nicht allzu groß zu machen, setzt das Gericht die unschuldig der Mitschuld an einem Komplott gegen den König verdächtigten Personen erst all- mählich in Freiheit. Mit dem Rechtsanwalt Di B l a s i o und dem Setzer B o s c o l o hat man den Anfang gemacht. Am 7. d. M. wurde auch der Anarchist Z a v a t t e r o entlassen, und dem- nächst kommt die Reihe an den Rumänen Tacit, der sich seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft befindet. Es konnte ihm absolut nichts nachgewiesen werden, was den Behörden Grund ge. nug ist, ihn aus Italien auszuweisen. Nach den während der Unten- suchungshaft genossenen Freuden dürste! dem Mgnjne der Abschied nicht allzu schwer werden... England. Die Begnadigung der Miß Malecka. Der»Daily Chronicle' meldet, daß Miß Malecka, die englische Staatsbürgerin polnischer Herkunst, die wegen ihrer Beziehungen zur polnischen sozialistischen Partei von einem Warschauer Gericht zu vier Jahren Zuchthaus und darauf folgender Verbannung nach Sibirien verurteilt wurde, vom Zaren begnadigt worden ist. Sie wird sofort in Freiheit gesetzt werden und hat Rußland zu verlassen. Die freiheitlich denkenden Kreise in England und vor allem die eng« lische Arbeiterschaft haben allen Grund, mit Genugtuung auf diesen Ausgang der Angelegenheit zu blicken. Leicht war es nicht, diese» Opfer den Krallen des russischen Zarismus zu entreißen. Monate« lang mußte die Agitation lebendig gehalten werden, in Tausenden von Versammlungen wurden entrüstete Proteste erhoben, im Parla- ment selber ließ eine kleine Gruppe von Abgeordneten die An. gelegenheit nicht von der Tagesordnung verschwinden. Sir Edward Greh hatte eine heiße Zeit durchzumachen, und er mochte wohl ein« sehen, daß die öffentliche Meinung Englands, die seiner russischen Politik ohnehin schon mit großem und stetig wachsendem Mißtrauen zusieht, sich diese entehrende Liebedienerei gegen den Zarismus doch nicht ruhig gefallen lassen würde. Er sah sich deshalb genötigt, einen entsprechenden Druck auf die Zarenregierung auszuüben und dieser hat natürlich auch gefruchtet. Mrokko. Mnlay Hafid und der Protektoratsvertrag. Paris , 11. Juni. Der Deputierte Long, der bereits Bericht- erstatter über das deutsch -französische Abkommen vom 4. November 1311 war, wird heute dem Kammerausschutz für auswärtige An- gelegenheiten seinen Bericht über den mit Mulah Hafid abge- schloffene» Protektoratsvertrag vorlegen. Long gibt in dem Bericht unter anderem mehrere von Mulay Hafid herrührende Schriftstücke wieder. In einem dieser Schriftstücke weist der<?Wstan auf das 13 Jahrhunderte alte Ansehen Maroklos hin. Das Land habe niemals einer dritten Macht als Kolonie angehört und sei seit vier Jahr- Hunderten im Besitze seiner Familie. Marokko lönne demzufolge nicht mit einer von einem fremden Staate verwalteten Kolonie ver- glichen werden. Die französische Regierung möge dem marokkanischen Reche sein Prestige wahren. Weiter bemüht sich der Sultan , die Zukunft seiner Frauen sicher zu stellen. In einem vom 12. Novem- ber 1311 datierten, an den damaligen Minister deS Aeußern de SelveS gerichteten Schreiben gibt der Sultan in schwungvollen Worten dem Wunsche Ausdruck, Paris sowie die andern großen Städte Frankreich » zu besuchen.