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Nr. 1B6. 29. Jahrgang. 1. DeilM des Joiwüts" ßttlintt öollisliialt. Freitag, 14. Juni 1912. Stadtverordnetenversammlung. 20. Sitzung vom Donnerstag, den 13. Juni 1912. nachmit tags 5 Uhr. Vorsteher Michelet   eröffnet die Sitzung nach ü'/, Uhr. Die Versammlung ist nur sehr mäßig besucht. Eine weitere lange Reihe von Urlaubsanzeigen wird zur Kenntnis gebracht. Dem freihändigen Verkauf des Teilstücks von 1281 Quadratmeter an der Landsberger   und Landwehr« st r a ß e(Ecke Katharinenstratze) für 594 000 M. hat der eingesetzte Sonderausschutz zugestimmt. Berichterstatter ist der Stadtverordnete B r u n z l o w(A. L.>. Der Ausschutz hat sich mit acht gegen drei Stimmen für den Magistratsvorschlag entschieden; die Versammlung beschlietzt ohne Debatte in gleichem Sinne. Von den Stadtverordneten D o v e. Caffel, Cremer u. Gen. (A. L.) ist der Antrag eingebracht: .Den Magistrat um Auskunft darüber zu ersuchen, in welcher Lage sich das Projekt des sogenannten Wcsthafcns befindet, welcheHinderniffe insbesondere der endlichen Inangriffnahme der durch den Fortichrilt des Baues des Grotz-Schiffahrtsweges Berlin   Stettin   dringlich gewordenen Arbeiten zur Errichtung dieieS Hafens im Wege stehen.* Stadt». Dove: Schon 1905 haben wir dem Plane der Errichtung eines Westhafens im Prinzip zugestimmt; das Terrain des Johannis- stisls und das der Neuschateler Asphalt-Compagnie ist erworben worden. Es wurden dann Verhandlungen mit der Eisenbahn- direksion über de» Ankauf von dem Eisenbahnfiskus gehörigen Terrain und über die Gleisanschlüsse an die Hamburger und Lehrter Bahn gepflogen; diese Verhandlungen haben viele Stadien durchgemacht. sind anfangs glatt, später aber weniger erfreulich verlaufen. Das Ministerium hat verlangt, die Stadt müsse sich verpflichten, eine Gleisoerbindung herzustellen, auch für den Fall, dah das Terrain für die Aufnahme des zu erwartenden größeren Verkehrs nicht ausreichen sollte. Die städtischerseits angestellten Berechnungen über die Kosten- erhöhung führten zu neuen Anträgen an den Minister; das geschah vor iVa Jahren, und seitdem wissen wir nichts mehr von der Sache, sie ist praktisch nicht weiter vorwärts gekommen. Wo ist das Hindernis zu suchen? Darüber mutz öffentlich diskutiert werden; vielleicht gibt diese Diskussion der Sache einen neuen Anstoß. Im nächsten Frühjahr dürfte die neue Grotz- Schiffahrtsstraße bereits eröffnet werden. Die Stadt wird ja den Verkehr zunächst mit den vorhandenen Anlagen noch bewältigen können; kommen uns aber die Nachbarstädte mit ihren Hafenprojekten zuvor, so können wir in dieselbe Gefahr kommen. wie eS uns bei dem Osthofen   schon passiert ist. daß wir plötzlich unliebsamer Konkurrenz gegenüberstehen und als Wasserstadt be- einträchtigt werden. Hat uns doch bereits Nuhrort überholt, während Berlin   bisher als Binnenhafenstadt an erster Stelle ni Preußen stand! Oberbürgermeister Kirschner: Die Eisenbahnverwallung ver- langte ursprünglich neben dem Anschlüsse der Wasserstraße an die Eisenbahn beim Lehrter Bahnhof   noch einen zweiten An- schlutz weiter westlich bei Fürstenbrunn. Unsere Verkehrs- deputation hielt das für untunlich wegen der großen Eni- fernung und der dadurch entstehenden bedeutenden Mehrkosten, zumal uns für das zweite Projekt die Enteignung nicht zugestanden worden wäre. Das war im Dezember 1910. Die Eisenbahnbehörde hat uns darauf beschieden, daß sie von dem zweiten Anschluß Abstand nehmen wolle; sie verlangte aber nun von uns die Ausaibeitung eines neuen Projektes betreffend den Anschluß in Moabit  . Wir haben daS ausgearbeitet, es wurde aber im Januar 1912 ab- gelehnt und uns mitgeteilt, daß die Eisenbahnverwaltung nun- mehr ihrerseits ein neues Projekt ausarbeite. Bisher baden wir darüber näheres nicht«rfaheen können. Was den Erwerb von Terrains im Eigentum des FiskuS betrifft, so sollen diese hergegeben werden, aber nur tauschweise. Ueber die auszutauschenden Grundstücke ist eine Einigung erzielt worden; es handelt sich jetzt um die Aufstellung von Taxen, wozu beiderseits Sachverständige bestellt worden sind. Am 14. Mai ist eine gemein- schaftliche Taxe aufgestellt worden. Stadtv. Dove: Der Zweck des Antrages ist erreicht; wir haben Auskunft erhalten. Daß diese sehr erfreulich sei. kann ich freilich nicht behaupten.(Lebhaftes Sehr richtig I) In der Hoffnung, daß die Angelegenheit jetzt schleunigeren Fortgang nehme, ziehe ich den Antrag zurück. Für den seitens des ZentralvereiuS für Arbeitsnachweis in der Rückerstraße geplanten Neubau hat die Stadt bekanntlich der Landesversicherungsanstalt Berlin  Kleines feuilleron Aus den Nöten eines deutschen   Schriftstellers. Die Pfändung der Schriflstellerbibliothek. von der hier kürzlich berichtet wurde. läßt an ähnliche Heimsuchungen denken, die Detlev v. Liliencron  des öfteren begegneten.(Die Ironie des Zufalls will es, daß unter dem gepfändeten Handwerkszeug auch Liliencrons Werke waren. Der Arme ist also nach dem Tode so wenig vor der Pfändung sicher wie zu seinen Lebzeiten.) Liliencron   hat in feinemMäcen' dieses Elend selber geschildert, und als klassisches Kullurdokument mag feine Darstellung hier Platz finden: Daß ich hungern mutzte, habe ich immer ertragen. Ich sagte mir, daß nicht anders möglich sei in Deutschland  , ehe man sich als Schriftsteller durchgebissen hat; daß es vielen anderen auch so ergangen sei. Böse aber war es, daß die Gerichte mir bei den Pfändungen mein Handwerkszeug fortnahmen, meine Nach- schlagebücher und Lexika. Jedem Schuster, jedem Schneider im Vaterlande wird, bei Psändungen, das zum Leben Notwendigste ge- lassen durch das Gesetz. Der Dichter macht eine Ausnahme: es werden ihm die Hilfsbücher genommen. Als es anfing, mir besser zu gehen, konnte ich jahrelang nicht vorwärts kommen, weil nach jeder Rezension, nach jeder Kritik über Bücher von mir, mochten sie(die Kritiken) gut oder schlecht sein, die Gläubiger mit erneuter Wut und verstärktem Eifer über mich herfielen und mich peinigten. J-h zitterte wenn ich Be- urteilungen über meine Schriften las; ich wußte, daß mir wenige Tage darauf eine Klage überreicht würde.* Auch das wußte ich. daß die Menschen, die jetzt meiner Armut toegen nicht mit mir umgehen mochten, später prahlen würden: Ja, ia, den Hab ich genau gekannt, das war mein Duzbruder.* 'Als mein erstes Drama zum erstenmal aufgeführt wurde, hatte der Intendant die Liebenswürdigkeit, mich einzuladen. Ich mußte 'unter irgend einem Vorwande absagen: Ich hätte keine fünf Mark aufbringen können, geschweige denn die dreihundert Mark, die Fahrt und Aufenthalt mich gekostet hätten. Statt daß ich in der Loge des Intendanten saß, ging ich bei starkem Unwetter um 7 Uhr abends zu dem vor der Stadl wohnenden Gerichtsvollzieher, um mit diesem, der in dienstlichen Angelegenheiten mein täglicher Besuch war, etwas in Ordnung zu bringen. Ehe ich sein Haus erreichte. geriet ich in der Dunkelheit in eine Dornenhecke und zerriß mir Gesicht und Hände. Während im selben Augenblicke Hunderte von Menschen ihre Operngläser auf die Bühne richteten, wo mein Stück gcaeben wurde, arbeitete ich mich, aus Hunger und Schwäche kaum mehr leben könnend, mit Anstrengung aus den Dornen heraus. Blutend traf ich bei dem Exekutor ein. Diesem muß ich hier herz- liehen Dank aussprechen: er blieb stets freundlich, blieb immer ein Mensch. Als ich wegging von ihm. entlieh ich drei Mark. Er war der einzige, der mir seinerzeit Geld vorschoß: ein strenger Gerichtsvollzieher einem deutschen   Dichter! Mit den drei Mark wußte Gegenüber eine Z i n s g a r a n t i e bis zu 20 090 M. übernommen. !etzt wird beantragt, den Betrag auf 25 000 M. zu erhöhen, da das Reichsversickernngsamt die Genehmigung der Verwendung der Anstaltsgelder für den Bau von einer solche» Erhöhung abhängig gemacht hat. Die Versammlung stimmt zu. Der spezielle Entwurf und der mit 913 000 M. abschließende Kostenanschlag für den Bau der 8. höhereu Mädchenschule in der G r e i f s w a l d e r Str. 24/25(Wurstsches Vermächtnis) wird ohne Diskussion genehmigt. Dem 6. Internationalen Kongreß für Gynäkologie und Gehurtf Hilfe, der in diesem Jahre vom 9. 13. September in B e r l i n im Herrenhause tagt, soll in den Festräumen des Rathauses ein Empfang angeboten und durch eine gemischte Deputation vor- bereitet werden/ Der Kostenbetrag ist auf 12 000 M. veranschlagt. Die Versanimlung ist einverstanden und bewilligt die geforderte Summe. Die Entscheidung über die Antriebskraft für das neue Wasserwerk Wuhlheide war am 21. September 1911 ausgesetzt worden, da man sich über die Frage, ob Dieselmotoren oder elektrischer Betrieb, nicht einigen konnte. Nunmehr hat sich die Verwaltung nach gründlichem Studium dieser Frage für den elektrischen Betrieb entschieden, der auch eine Ermäßigung der Anlagckosten um 400 000 M. mit sich bringt. Die Gesamlkostensumme des Werks stellt sich danach auf 13900000 M. Der elektrische Strom soll von den B. E.-W. aus deren Zentralen Oberspree nnd Rummelsburg   bezogen werden. Die Z u st i m m u n g der Versammlung erfolgt ohne Diskussion. Oberbürgermeister Dr. K i r s ch n e r hat auf die Mitteilung des Gemeindebeschlusses vom 15. Mai, wonach ihm beim Ausscheiden aus dem Amte das Ehrenbürgerrecht verliehen und das volle Gehalt von 36 000 M. als jährliche Pension belassen wird, in dem bekannten Dankschreiben geantwortet. Die Versammlung nimmt davon Kenntnis. Das Bauprojekt für das Radialsystem XI der Kanalisation ist umgeändert worden, nachdem Weißensee, dessen Ge- markung ursprünglich teilweise diesem System angeschlossen werden sollte, sich eine eigene Kanalisation eingerichtet hat. Die Kosten des Entwässerungsprojckls für das Radialsystem XI vermindern sich dadurch von 19 200 000 auf 15 595 000 M. Für den schon Ende v. I. genehmiglen Entwurf des Um- und Erweiterungsbaue« der Pumpstation VIII in Ält-Moabit   läßt der Magistrat an die Versammlung einen neuen Entwurf gelangen, der anstatt der vorher zum Antrieb der Regenwasserpumpcn vorgesehenen Dieselmotoren Elektromotoren vor- schlägt, nachdem die B. E.-W. den Preis pro Kilowattstunde von 16 auf 11.25 Pf. herabgesetzt und den Rabatt beträchtlich erhöht haben. Der Kostenanschlag vermindert sich von 000000 auf 343 000 Mark.   Endlich werden 939 000 M. verlangt für die Erneuerung derjenigen Maschinen und Dampfkessel, welche auf der Pumpstation lV, Scharnhorststraße, schon seit 1873 im Betriebe und abgenutzi sind. Stadtv. Koblenzer  (Soz.) ergreift zu der Vorlage betreffend das Radialsystem XI das Wort, ist aber bei der im Saale   herrschenden andauernden großen Unruhe auf der Tribüne nur bruchstückweise zu verstehen. Er bemängell. daß die Herabsetzung der Kostensumme um 3�/z Millionen den latsächlichen Verhältnissen insoweit nicht ent» spreche, als daS ursprüngliche Projekt des Radialsystems XI und das fast gleich große Gebiet von Weißensee umfaßt habe; der Kostenanschlag hätte danach doch beträchtlicher heruntergehen müssen. Vielleicht sei auch der NotauSlaß zu groß oder vorher nicht groß genug pro- jektiert gewejeu...... Direktor Meier(in Vertretung des StadtbauratS Krause): Weißensee hatte ein Gebiet von 300, das Radialsystem XI. aber 420 Hekiar; das Verhältnis steht also 4.2: 3. Nun darf aber auch weiter nicht übersehen werden, daß die Summe von 19,2 Millionen nur das Plus miienihielt, was bei Vergrößerung der Leitungen auf Berliner   Gebiet entsteht. Allerdings ist der Notauslaß rechnungs- mäßig zu groß berechnet mit 23,2 Sekundenkubikmeter, während er jetzt nur 25,2 Sekundenkubikmeter zu bewältigen braucht. Wie not« wendig wir solche Reserven haben, zeigte sich erst noch im vorigen Jahre in der Greifswalder Straße anläßlich einer durch Gewitter hervorgerufenen Uebcrschwemmung. Die Vorlage wird angenommen, ebenso diejenige betr. die Pumpstation VIII. Für die Vorlage betr. die Puuipstation IV beantragt Stadtv. Dr. Levy II(A. L.) AuSschußberatung, um die aufgestellte Betrieskostenrechnung nochmals prüfen zu lassen. ich, was ich ausführen wollte: mich sinnlos betrinken. Ich, der ich nie oder selten über den Durst in den Krug sehe, ging an jenem Abend ins Wirtshaus und trank, bis ich bewußtlos wurde.* Frcderic Passy, einer der ganz Alten des französischen   Bourgeois- liberalismuS, ist am Mittwoch. 90 Jahre alt, gestorben. Schon in seiner Jugend war er ein beträchilichcs Stück hinter der errungenen wissenschaftlichen Erkenntnis des gesellschaftlichen Prozesses zurück. Als er 1857 sein erstes nationalökonomisches Buch veröffentlichte, hatte der französische   Sozialismus längst seine glänzenden Schlachten geschlagen, setzte Proudhon   seine leidenschaftliche Kritik des kapita- listiichen Staates fort, suchte daS Kaisertum die unbezwinglich empor- steigendejMacht des Proletariats durch sozialreformerische Konzessionen um revolutionäre Energie zu bringen. Passy aber war nicht weiter als bis zum Manchesterliberalismus mit seinen Illusionen Vom sozialen Frieden und friedlichen Völkerbund im Zeichen des Freihandels gekommen. Er blieb bei B a st i a t, seinem Lehrer, stehen. Und dabei ist er geblieben, in fünf und einhalb Jahrzehnten der ungeheuersten Umwälzungen. Er hat 1867 die internationale Friedensverciniguna und später in Gemeinschaft mit Randal Cremer  , der' einst der Internationale angehört hatte die inter  - parlamentarische Fricdensunion, in der es erst unlängst, beim AuS« brnch des tückisch-italienifchen Krieges so schön rgekracht hat, ge- gründet. Im übrigen war er ein kreuzbraver Mann, der redlich glaubte, daß die Töne aus der Münchhansenschen Trompete Zukunfts- mufik seien und eine bewunderungswürdig zähe Natur, die bis zum Schluß keine Abnahme der Kraft zum Reden und Schreiben erlitt. Theater. Deutsches Theater. Wedekind  « Gastspiel:, O a h a', die Satire der Satire. FürOaha*, das einzige in Berlin   noch nicht gespielte Stück des Wedekind» Zyklus, dürfte» sich auch die feurigsten Bewunderer des Dichters schwerlich erwärmen. Die An- griffe, die er hier gegen ihm früher nahestehende Kreise, den Gründer desSimplicissimus  " und einige der bekanntesten Mitarbeiter des Blattes richtet, machen den Eindruck geradezu pathologischer Ge- hässigkeit, und die peinliche Empfindung wird durch das künstlerische Unvermögen, über anekdotisch- grotesken Kleinkram zu irgendeiner anschaulich gegliederten Gestaltung vorzudringen, noch gesteigert. Während der ersten Hälfte des Abends erregte der Aplomb kari- katurischer Verzerrungen noch manche Heiterkeitsausbrüche, aber dann flaute bei der Wiederholung der Effekte, die der Autor durch immer abruptere, sinnlosere Seitensprünge noch zu überbieten sucht, die Stimmung ständig ab, um schließlich auf den Nullpunkt zu gelangen. Der verstorbene ,SinipIicissimus*-Verleger, der einst wegen eines staatsanwaltichaftlich inkriminierten, von ihm veröffentlichien Ge- dichtes mit dem Verfasser zusammen floh und dann durch die Ver- Mittelung seines Schwiegervaters, des alten Björnson heißt es, Be- gnadigung erhielt, wird in dem dramatischen Pamphlete als Typ heimtückisch-hinterhältigen AuSbeutertumS vermöbelt. Das ganze Man wolle hier bei den Dieselmotoren bleiben, deren Anlagelosten doch viel höher seien als diejenigen von Elektromotoren. Stadtv. Koblenzer tritt diesen Bedenken bei und schließt sich dem Antrage auf Ausschußberatung namens seiner Freunde an. Direktor Meier: Bei der Pumpstation IV liegen die Verhält- nisse ganz anders als bei der Pumpstation VIII. In der Schorn- Horststraße handelt es sich nur um jährlich 800 Betriebsstunden. Die mit aller Gründlichkeit angestellten Untersuchungen, denen vier ver- schiedene Projekte zugrunde lagen, haben uns dazu geführt, bei der Station IV die Dieselmotoren als das Richtige und Angemessene zu er- kennen. Den Ausschuß bitte ich, recht rasch zur Entscheidung zu kommen, damit das Plenum über die Sache noch vor den Ferien Be- schluß fassen kann und wir die Lieferungen ausschreiben können. Stadtv. Dr. Levy II beantragt Ernennung des Ausschusses durch den Vorstand. Es wird demgemäß beschlossen. Dem vom Vorstande sogleich ernannten Ausschuß gehören auch die sozialdemokratischen Stadtverordneten Koblenzer, Glocke. Fischer und Kerfin an. Schluß der öffentlichen Sitzung gegen 7 Uhr. Her MelterleSer in amtlicher Beleuchtung. In den Jahresberichten der kgl. preußischen Regierungs« und Gewerberäte ist in diesem Jahre u. a. die Frage behandelt: Wie ist für die Befriedigung des Lesebedürfnisses der gewerblichen Arbeiter gesorgt? Die Antworten darauf sind naturgemäß recht verschieden ausgefallen, neben knappen Auskünften im Sinne der obigen Frage finden sich recht interessante Beobachtungen über den Arbeiter als Leser. Was zunächst das Lefebedürfnis im allgemeinen anbetrifft, so machen sich verschiedene Differenzierungen bemerkbar. Zunächst geographische: im Osten ist das Lesebedürfnis geringer als im Westen.(Königsberg  :nur schwach entwickelt*. G u m- binnen und A l l e n st e i n:in den Städten größer als auf dem Lande", Marienwerder:an vielen Orte» wird sehr fleißig gelesen, an anderen über mangelndes Interesse geklagt*, Posen: «Bedürfnis nach guten Büchern läßt zu wünschen übrig.*) Für Posen wird aber weiter festgestellt, daß sich eine Besserung bemerkbar macht. Auch für L i e g n i tz wird berichtet, daß das Bildungs- und Lesebedürfnisganz erheblich gestiegen" sei. Bei der Berliner  Arbeiterschaft ist das Lesebedürfnisziemlich lebhaft" entwickelt. In Hannover   ist esvon Jahr zu Jahr gestiegen*. Im Bezirk Hildes heim trittdas Bestreben der arbeitenden Kreise nach Weiterbildung durch gute Bücher stark hervor". Dann differenziert sich das LesebedürsniS nach dem Alter: jüngere Leute lesen eher als erwachsene. Für Potsdam   und Erfurt  , sowie für die Kruppsche Bücherhalle in E s s e n wird das ausdrücklich festgestellt. Von Köln   wird dagegen berichtet, daß daS Lesebedürfnis hauptsächlich bei erwachsenen gelernten Arbeitern ent- wickelt sei. während jugendliche und ungelernte erwachsene Arbeiter weniger lesen und dabei unterhaltende Bücher bevorzugen. Auch nach den Geschlechtern machen sich Differenzierungen bemerkbar: die Arbeiterin liest weniger als der männliche Arbeiter. Die Gründe liegen auf der Hand.(Köln  :Erwachsene Ar- beiterinnen sind vielfach durch häusliche Pflichten nach der Arbeit in Anspruch genommen und verlieren dann wohl die Fähigkeit und Lust zum Lesen.") Berlin   berichtet, daß die Ar- beiterinnen sich weniger für politische Tagesfragen interessieren, fip bevorzugen UnterhaltungSlektüre.Sin lebhaftes Interesse haben'" auch viele Arbeiterinnen, oft in der ausgesprochenen Erwartung, da- durch ihre Männer vom Wirtshausbesuche abzuhalten." Im allgemeinen dürfte der Gewerberat von HildeSheim  das Lesebedürfnis zutreffend begutachten, wenn er sagt:Es wurde von der Bildungsstufe der Arbeiterschaft, der Intensität der geleisteten Arbeit und der Tätigkeit der Arbeiter nach Feierabend beeinflußt, und wuchs mit der Gelegenheit, dem Geschmack angepaßte Bücher zu entleihen.* Es hätte allerdings nicht übersehen werden dürfen, daß erfahrungSgemätz auch verkürzte Arbeitszeit das Lese- bedürfniö steigert. Die Gelegenheiten zur Befriedigung des LesebedürfnisseS sind in manchen Bezirken des Ostens(z. B. Danzig  ) und auf dem Lande (z. B. Magdeburg und Erfurt  ) vielfach ungenügend. Im übrigen wird in der Hauptsache über vorhandene Volksbibliotheken und *) Hier wie später bezieht sich der Ortsname ohne besondere Angabe auf den ganzen Regierungsbezirk. Streben dieses Herrn in dem Stücke geht dahin, die engagierten künstlerischen und literarischen Kräfte selbst eine Bande hirn­verrückter und skrupelloser Gesellen I nach Kräften zu prellen und der halbbankerotten Kasse durch die Reklame sensationeller Majestäts- beleidigungsprozesse aufzuhelfen. Im Übrigen figuriert er als hoff- nungslos beschränkter Kerl, und seine Idiotie hat sich, als er von seiner Auslandsflucht zurückkehrt. nur noch ungeheuerlicher potenziert. Er nötigt den Gehallsverbesserung verlangen- den Bouterweck, den einzigen braven Menschen in der ganzen Schar(Wedekind scheint sich selbst damit zu meinen), auf einen Sessel mit gebrochenem Sitz und amüsiert sich kindisch, wie der Harmlose hilflos strampelnd dort versinkt. Oder er er- muntert ganz naiv die ihm nachgereiste russische Maitresse, sich zu erschießen. Ein Schicksal, dem die Dame nur dadurch entgeht, daß sie sich auf denselben ominösen Sessel niederläßt und über dem Schreck des krachenden Zusammenbruchs den Selbstmordplan vergißt. Die geschröpften Mitarbeiter, an deren Stelle er einen taubstummen Schweizer   Trottel einen unvergleichlichen Meister des Witzes, wie er behauptet setzen will, erzwingen endlich seinen Rücktritt von der Leitung, und die importierte Schweizer   Leuchte, an die als Orakel appelliert wird, schreibt auf die vorgelegte Schiefertafel, sein boher Gönner könne künftig beim Journal die Funktionen eines Sitzredakteurs übernehmen. DaS ist die Schlnßpointe, zu der sich dieSatire der Satire" nach zweistündigen Bemühungen empor- schwingt! W e d e k i n d spielte den Popanz von Verleger gewandter, manierierender im Ausdruck als man bei seiner starren Art es sonst gewohnt ist. Die Mitarbeiter oder die vier Temperamente wurden, zum Teil nicht übel, von den Herren Paulsen, Lassen, Henrich, Dannegger dargestellt. Else B a s s e r m a n n gab der verrückten Russin pikante Erscheinung und Allüren. Höchst drollig wirkte W i n t e r st e i» in der die donnernde Rhetorik Björnson," persiflierenden kleinen Episodenrolle. dt. Humor und Satire. Gebet für den Papst! Dieses Wort, das oft geschrieben steht, wird auf andere Weise jetzt betont als bisher. Man spricht es aus:Geböt für den Papst!* Und das klingt ungewohnt. Meistens nämlich klingt es anders:Gäbet für den Papst!" So wird akzentuiert, wenn den Peterspfennig man erhebet, den man kräftiger als Gebete spürt. Doch gewiß ist das Gebät viel bill'ger als das gäbet, und ich zweifle nicht: jeder fromme Mann erfüllt weit will'ger die Gebets- alS wie die Gebepflicht. Franz