flusblitke auf die amerikauiicheu BerbHwaklcn. New dort, den 10. Jnni.(©ig. Ber.) Wenn diese Zeilen den Leser erreichen, wird der NominationS- konvent der repudlikamschen Partei zn/ C h i c a g o eröffnet worden sein, und in Baltimore wird man sich am Vorabend der Eröffnung des gleichen groyen Spektakels der demokratischen Partei befinden. Gröheren Spektakel im ganzen vulgären Sinn des Worts wird eS ohne Frage in der historischen Konventshalle zu Chicago geben, wo Präsident Roosevelt vor Viev Jahren so leichtes Spiel hatte, seiner Partei und damit der Nation seinen Mann, William Howavd Taft, aufzuzwingen, und wo derselbe Roosevelt jetzt seine Rauh- reiterscharen auf den alten Freund losläßt, mm' sich an seiner Stelle wieder in den Sattel zu schwingen. Die cchtamerikänische Sensa» tion des Roosevclt-Tast-DuellS hält das ganze waschechte Amerika in atemloser Spannung, siast wie eine Preisboxerei zwischen Jessries und Johnson oder wie ein„Kontest" zwischen zwei Base- ball-Teamk. Ob aber die Chicagoer Geschehnisse wirklich für die politischen Geschicke des Landes in den nächsten vier Jahren maß- gebend sein werden, ist eine andere Frage, da die Zerfahrenheit und die Reihe der unsicheren Faktoren» die diesmal mitspielen werden, größer sind als je vorher. Der demokratische Sieg bei den Kongveßwahlen im Jahre 1910 und der Sturz so mancher republi- kanischen Hochburgen bei den gleichen einzelstaatlichen Wahlen lassen eher ein„demokratisches Jahr" erwarten� zumal bei dem zer- rüttenden Familienzwist und dem Roosevelt -Krach im republika- nischen Hause. Die vorherrschende Empfindung ist aber, daß im Falle der Nomination RooseveltS durch die Republikaner auch der Sieg im Herbste dem Rauhreiteroberst gehören wird. Zum ersten Male in der politischen Geschichte Amerikas wird ein beträchtliches Element der Delegierten aus den Nominal ionS -Konventen sein Mandat direkten Volkswahlen— den sogenannten P vi marieS oder Vorwahlen— verdanken», und in fast allen» Staaten, in» denen die republikanischen Papstmacher durch Urabstimmung instruiert wur- den. zeigte sich daß die Popularität Theodore RooseveltS noch un- gebrochen ist. Sogar die politisch so wichtigen und der Taft- Administration als sicher geltenden Staaten Pennfhlvanien und Ohio fielen, trotz der bisher dort allmächtigen republikanischen ..Parteimaschine", von Taft ab und erklärten sich für Roosevelt , der den unaufgeklärten Massen als die Verkörperung jener radikalen und auf weitere Demokratisierung Amerikas gerichteten Strömung gilt, auf die auch die Ausbreitung des Vorwahlsystems zurück- zuführen ist. Und es kann den Roosevelt -Managern zugegeben werden, daß eine abevmalige Kandidatur ihres Idols, selbst wenn die Administration und das konservative Parteielement sich offen gegen sie wenden würden, auch einen mehr oder weniger großen Teil der demokratischen Wähler ins vepublikanische Lager hinüber- ziehen würde, denn un fraglich existiert die Popularität Teddys auch in dem psychologisch gleichgearteten Teile der demokratisch gesinnten Bevölkerung» worübev schon die Aufnahme RooseveltS gelegentlich seiner Agitationsreisen im altdemokratischen Süden Auskunft gab. Die demokratische Partei, in derem Schöße es zurzeit trotz eines auch nicht allzuknoppen Wettbewerbs von Möchte-gern-Kandidaten vergleichsweise ruhig hergeht, muß denn auch auf die Roosevelt - Gefahr, die einzige, die sie m fürchten hat, die größte Rücksicht nehmen und darf es keinesfalls wagen, wieder einen Reaktionär, wie Parker, aufzustellen, dessen Nominierung im Jahre 1904 die schlimmste, jemals erlebte Niederlage der Demokraten zur Folge hatte, von deren Wählern sich damalS mindchtens eine Million der Abstimmung enthielt, während die republikanischen Stimmren zu- nahmen und das sozialistische Votum sich verdreifachte. Der dritten Nominierung des populären demokratischen Führers Bvyan— dem eigentlich Roosevelt seinen politischen Donnerkeil gestohlen hat — stehen seine Niederlagen von 1806 und 1900 im Wege, und außer- dem natürlich die Konservativen seiner Partei, die schon 1904, als eine Bryan-Kandidatur aus Grund» einer fortschrittlichen„Plattform" sehr aussichtsvolll gewesen wäre, seine Nominierung hinter- tiicoen haben. Brhan scheint auch diesmal nicht gewillt, zu „laufen", wie der charakteristische amerikanische Ausdruck lautet, aber sein Einfluß hat es vermocht, wenigstens den bureaukvatifch- honetten Reaktionär Harmon, den Gouverneur von Ohio , der bis vor kurzem noch der unangefochtene demokratische Thronen» Wärter schien, vollkommen schachmatt zu setzen. Die einzigen ernst- lichen Rivalen werden aus dem Konvent zu Baltimore der politisch ziemlich farblose, aber von dem vielfachen ZeitungSbesitzer und Multimillionär Hearst. dem„gelben" Erzdemagogen, protegierte Champ Clark und Woodrow Wilson sein— der eine der Präsident des Abgeordnetenhauses in Washington , der weiteren Kreisen erst durch seine AnnexionSpauke gegen Kanada bekannt geworden ist, der andere der Gouverneur von New Jersey und vor- malige Präsident der» Princeton-Universität, der sich während seiner Eampagne von einem stockreaktionären Einwanderer-Hasser und Arbeiterfeind zu einem Mann nach dem Herzen BrhanS gewandelt hat und jetzt den Moses des Radikalismus spielt. Im Gegensatz zu dem republikanischen Konvent, wo einfache Mehrheit entscheidet, ncminieren die Demokraten in Baltimore ihren Bannerträger durch Zweidrittelmehrheit, die wahrscheinlich weder Clark noch Wilson erklimmen wird. Die Möglichkeit besteht, daß in diesem Falle Gahnor, ein politischer Freund TryanS und Wilsons und als „beattentätertev" Bürgermeister von New Dork ziemlich volkStüm- lich geworden, der Kompromißkandidat! der Konvention sein wird. Ist so die Lage schon außerordentlich kompliziert, so werden diesmal Prophezeiungen über den Ausgang der LLahien selber noch durch die„dritte Partei", die Sozialisten, erschwert. Unsere Partei- genossen haben, wie mau weiß, in JndianopoliS D e b S und Seidel, den einen für die Präsidentschaft, den anderen für das Amt des Vizepräsidenten, nominiert, und wenn auch ein sozialisti- scher Sieg leider noch �wahrscheinlich ist, so erwarten doch selbst unsere Feinde, daß die Sozialisten im Herbste eine Stärke ent- wickeln werden, die vielleicht die schönsten bürgerlichen Kalkulationen über den Hausen werfen. ».» Chicago, 18. Juni. Heute ist hiev der republikanische Nationalkonvent eröffnet worden. Gouverneur Hadley- Missouri beantragte sofort nach der Eröffnung die vom National- komitee vorbereitete Liste zu ändern, da achtzig au-f Taft ver- pflichtete Delegierte auf unehrliche Weise gewählt seien. Wenn der Konvent, so schloß Hadley, von einer Gruppe von Leuten kontrolliert werden kann, dann haben wir nicht die Herrschast einer politischen Partei, sondern eine politische Oligarchie. Der Antrag rief eine sehr heftige Debatte hervor, die von» Lärmen, Zischen und Zwischen- rufen wie Diebe, Räuber, die auf das Nationalkomitee gemünzt waren, unterbrochen wurde. Der Vorsitzende des Nationalkomitees Rosewater erklärte, der Antrag falle außerhalb der Tagesordnung, da der Konvent noch nicht organisiert» sei. und nominierte dann Elihu Root zum vorläufigen Vorsitzenden. Die Anhänger Roose- veltS nominierten dagegen den.Gouverneur McGovern. Wieder folgten große Lärmszenen. Chicago, 18. Juni. Nachdem eine große Zahl von Delegierten die Wahl R o o i s oder McGovernS unterstützt hatte, wurde Root mit SS8 Stimmen zum temporären Borsitzenden deS Nasip.ngl- ifiSfifiU* gMM. WcGobttv»Mt M StiMMv!. Sei' Krieg. Die Jtaliener-Ausweisungen. Konstantinopel » 18. Juni. Heute früh hat der Gouverneur von Pera dem deutschen Konsulat mitgeteilt, morgen würden die noch hier weilenden Italiener, soweit sie nicht von dem AuS- Weisungsbefehl ausgenommen seien, verhaftet und als Kriegsgefangene behandelt werden. Infolge bestimmter Vorstellungen wurde entschieden, die Italiener würden verhaftet und nach dem deutschen Konsulat geschafft werden. Das deutsche Konsulat will sie in das italienische Hospital schicken, wo sie bleiben werden, bis ein Schiff gefunden ist, auf dem sie abreisen können. AuS der Konftantinopeler Gegend sind fast alle italienischen Ar- bester abgereist; nur ungefähr hundert bleiben zurück. Konstantinopel » 18. Juni. Der von einen italienischen Wohl- tätigkeitsverein gemietete deutsche Dampfer„Ella" ist heute, am letzten Tage der für die Abreise der Italiener festgesetzten Frist, mit zahlreichen italienischen Familien an Bord, im ganzen unge- fähr 300 Personen, von hier abgegangen. Seit Beginn des Krieges haben 8170 Italiener Konstantinopel verlassen; mehr als 2000, die von dem Ausweisungsbefehl ausgenommen worden sind, bleiben noch hier. Das italienische Waisenhaus in Pera ist geschlossen, das italienische Hospital bleibt geöffnet. Der Aufstand in Albanien . Saloniki» 18. Juni. Trotz der anscheinend fortschreitenden Beruhigung in Nordkossowo haben mehrere Arnautenführer mit ihren Anhängern die Waffen noch nicht niedergelegt; doch dürften sie nicht in der Lage sein, neuen Widerstand zu entfachen, falls nicht weitere Stämme ihre Partei ergreifen. Uberall stehen Truppen von beträchtlicher Stärke. Fadil Pascha fährt fort. Maß- nahmen zu ergreifen, um die Konzentrierung der Arnauten zu verhindern. politische Geberficbt. Berlin , den 19. Juni 1912. Sport und Politik. ES ist kennzeichnend, daß wichtige politische Kund- gebungen„allerhöchster" Persönlichkeiten sich nicht dort er» eignen, wo Vertretungen der großen Masse des deut- schen Volkes tagen, wo e r n st e Fragen des sozialen und politischen Lebens erörtert werden: nicht auf proletarischen Kongressen, sondern dort, wo sich eine winzige Anzahl sportlich intereissierter Kapital ilsten zu- sammengefunden haben. So wird es die künftige Geschichts- schreibung mit Kopfschütteln registrieren, daß das so delikate und schwierige Problem der Rüstungs- und Kolonialpolitik in einer kaiserlichen Ansprache behandelt wurde, die gehalten wurde— bei der Segelwettfahrt des Norddeut- schen Regattavereins in Hamburg ! Freilich, daß Wilhelm II. sich zu einer Flotten- und weltpolitischen Kundgebung animiert fühlte, ist letzten Endes die Schuld des Hamburger Bürgermeisters Dr. Burchard» der, als Vertreter des Handels- und Reederkapitals, in seiner Begrüßungsrede skrupellos die wichtigsten Fragen der internationalen Politik anschnitt. Der Hamburger Bürgermeister meinte, daß Deutschland (das deutsche Bankkapital, die deutschen Pfeffersäcke und die deutschen Reeder)„Freiheit des Wettbewerbs auf dem Lande, auf dem Wasser und in den Lüften" fordere. Damit war natürlich nicht der friedliche Wettbewerb auf den Gebieten des Handels und der Industrie gemeint, sondern der militaristische, m a r i n i st i s ch e und av i a t i sch e Wettbewerb zu Kriegszwecken! Und schließlich leistete sich der Vertreter der Hamburger Geldsäcke den Ausspruch:„Heute sind alle Deutsche in ge- wissem Sinne Seedeutsche: denn alle sind meeresfroh und flottenfroh und froh des deutschen Kolonialbesitzes." Das wagte der Hamburgische Bürgermeister auszu- sprechen, trotzdem alle drei Hamburger Wahl- kreise mit kolossaler Mehrheit von der Scszialdemokratte erobert worden sind, trotzdem also selbst für Hamburg feststeht, daß die übergroße Mehrheit der Bevölkerung vom modernen Imperialismus, dem tollhäuslerischen internationalen weltpolitischen Taumel nichts wissen will! Aber freilich, der Vertreter des Ham- burgischen Geldsacks erachtete die Stimmung der breiten Volksmassen für absolut nebensächlich! Wenn schon ein hanseatischer Bürgermeister einer solch totalen Ver- kennung des Volkswillens fähig ist, braucht man sich wahr- haftig nicht mehr darüber zu wundern, wenn eine Persön- lichkeit, die durch ganz andere Schranken von dem wirklichen Volksleben und Volksempfinden getrennt ist als ein Bürger- meister, nämlich der preußische König und deutsche Kaiser, erst recht zwischen den Wünschen und Interessen des Ka- p i t a l s und dem der ausgebeuteten Volksmehrheit keinen Unterschied zu machen weiß! Wilhelm II. kam wieder einmal auf die Hansa zu sprechen, deren schließlichen Zusammenbruch er(in geschicht- lich recht primitiver Auffassung) darauf zurückführte, daß „des Reiches Schutz" nicht hinter ihr gestanden habe. Aber der historische Teil der kaiserlichen Rede war minder wichtig, als der Teil, der sich auf die Gegenwart bezog. Da war es interessant, daß Wilhelm II. die weltpolitische Rede des Hamburger Bürgermeisters offenbar als eine Anreizung zu weltpolitischen Abenteuern betrachtete. Ent- gegnete er doch, daß zwar„hinter dem deutschen Kaufmann des Reiches Schutz stehen müsse", daß aber„die deutsche Flagge in Ehren wehen, d. h. nicht leichtsinnig im Winde entfaltet werden dürf e". Nicht leichtsinnig dürfe sie aufgepflanzt werden, wenn man nicht sicher sei, sie verteidigen zu können. «Sie werden es verstehen, warum» ich Zurückhaltung geübt, habe in der Ausbreitung der deutschen Flagge, wo sie vielleicht von manchem gewünscht und ersehnt war. Ich habe mich von einem alten hanseatischen Grundsatz leiten lassen, und der steht in markigen Lettern am Rathaus zu Lübeck :„Das Fähnlein ist leicht an die Stange gebunden, aber es kostet viel, es mit Ehren wieder herunter zu holen." Nun, meine Herren, ich glaube das wohl vindizieren zu können, daß bisher der Ehre unserer Flagge noch niemand zu nahe getreten ist, solange wie ich regiere. Dafür kann ich mich einsetzen, und dafür kann ich stehen: da, wo Sie vorangehen, da wird meine Flagge Ihnen folgem" Daß Wilhelm II. den ernstlichen und ehrlichen Wunsch hegt, den internationalen Frieden zu wahren, braucht nicht bezweifelt zu werden. Um so verhängnisvoller aber ist es. daß er sich bei unserem heutigen System in die Lage versetzt fühlt, von weltpolitischen und Flotten- treibern aller Art, den Vertretern beute» hungrig.er vnd abenteuerlustigen Kapita« listenschichten immer weiter vorwärts ge- trieben zu sehen! Ist es doch höchst eigenartig, daß Wilhelm II. der selbst vor zwanzig Jahren die Losung der Weltpolitik und des Flottenrüstens ausgegeben hat. heute genötigt ist. sich gegen weltpolitische Treibereien selbst in Festreden bei Sportveranstaltungen verwahren zu müssen! �.• e l- Damit der deutsche Kaper nicht ein Opfer ernsertr» ger Information, einseitiger Aufputschungsversuche wird, ist es um so notwendiger, daß die Masse des Volkes, das klassenbewußte Proletariat, immer wieder semni Willen zum internationalen Frieden und seiner Gegnerschaft gegen den imperialistischen Wahnsinn in der unzweideutigsten Weise bekundet!_ Ein päpstliches Schweigegebot. Die„Märkische Volkszeitung" veröffentlicht unter der fetten Ueberschrift„EinWunschdesHeiligen Vaters! Der Streit über die Gewerkschafts. fragesollaufhören!" folgende Kundgebung der päpstlichen Nuntiatur in München : „Da die verdrießliche und schädliche Polemik bezüglich der Arbeiterorganisationen in Teutschland fortdauert, ist es der leb- hafteste Wunsch des Heiligen Vaters, daß beide Teile jede Er» örterung, insbesondere in der Presse, einstellen und es dem Hei» ligen Stuhle überlassen, diese wichtige Frage im Einverständnis mit den Bischöfen zu prüfen und dann angemessene VerhaltungS- maßregeln zu geben. Der Heilige Vater setzt das vollste Ver» trauen in die Ergebenheit der Söhne der Kirche in Deutschland , daß sie diesem seinem Wunsche nachkommen»." Die„Märkische Volkszeitung" begrüßt diese Kund- gebung,„deren Befolgung seitens der katholischen Presse außer jedem Zweifel" stehe. Aber auch die JS e r- mani a". die sich lebhast gegen den Vorwurf der„Kölnischen Volkszeitung" verwahrt, das Organ der Berliner Richtung. der katholischen Fachvereine, zu sein, erklärt, daß sie„in vollem Maße mit dieser neuerlichen Kundgebung des Heiligen Vaters durchaus zufrieden sein" könne. Denn sie halte es durchaus mit der Erklärung des Präsidenten des letzten Mainzer Katholikentages:„HeiligerVater.wennDu siehst, daß wir in die Irre gehen, dann rufe uns zurück, denn wir sind treue Katholiken und b l e i- b e n es." Ob auch die Organe der Kölner Richtung sich ohne Murren dem Schweigegebot fügen werden, bleibt abzuwarten. Ist es doch in der Tat eine ungeheuerliche Zu» m u t u n g, in einer Frage, die die politischen Interessen der breitesten Zentrumswählerkreise aufs tiefste berührt, auf jede weitere Diskussion, jede fernere Geltendmachung ihres Stand- Punktes zu verzichten und dem„Heiligen Vater" nebst seinen Bischöfen es völlig überlassen zu sollen, welchen Entscheid s i e zu fällen für angemessen erachten! Es ist das nichts anderes, als die Uebertragung deS Kadavergehorsams, des beschränkten Unter, tan e n v e r st Uli de s auf das Gebiet der Partei» Politik!_ Angst vor der Erbschaftssteuer. ES wurde kürzlich berichtet, daß im ReichSschatzamt die Vor» arbeiten für die neuen direkten Reichssteuern schon ziemlich weit vorgeschritten seien, und daß aller Voraussicht nach der SwatS- ekrelär deS Schatzamtes im kommenden Herbst schon dem Reichstage »eine Vorschläge zu unterbreiten gedenke. Diese Eile ist dm Blau- schwarzen außerordentlich unangenehm. Die Wehrvorlagen sind vorerst mal gedeckt, und man hatte gehofft, sich mit der Spiegel » fechterei des Erzberger-Bassennannschen Antrages aus der Schlinge ziehen und die Besitzenden vor der Heranziehung zu den HeereSlastcn retten zu können. Nun hat aber das sächsische Regierungsorgan, die.Leipziger Zeitung", unangenehme Andeutungen gemacht, die dahin gingen, die Erbschaftssteuer sei schließlich nicht zu um- gehen, und man tue am klügsten, wenn man sich endlich mit ihr abfände.— Die„Kreuz-Zeitung " lief gleich in einem Leit- artikel Sturm gegen solche ketzerischen Ansichten und wehrt sich noch wie vor mit Händen und Füßen gegen eine Steuer, die allerdings die bedenkliche Eigenschaft hat, daß sie Steuerdrückebergereien nicht günstig ist.« Jetzt kommt nun die„Germania " dem Junkerorgan zu Hilfe und schreibt in ihrer Nummer vom 18. Juni: „Wenn der Bundesrat und der Reichskanzler nicht von allen guten Geistern verlassen sind, dann legen sie gerade die Kindes» erbschaftSsteuer nicht vor und zwar aus politischen und taktischen Gründen. Die letzteren sind sehr einfach: es ist im höchsten Grade zweifelhaft, ob eine solche Vorlage eine Mehrheil er» hält. Man kann sich kaum ein und dieselbe KindeS« erbschaftSsteuer denken, für welche Frhr. v. G a m p und L e d e- b o u r stimmen werden. Selbst wenn man damit rechnet, daß sich die Mehrheit für den Gedanken der Kindeserbschaftssteuer ergibt, so ist dies noch lange keine Mehrheit für einen bestimmten Gesetzentwurf, der solche Einzelheiten enthalten kann, daß er in der Schlutzabsiimmuiig doch keine Mehrheit hat, oder daß der Bundesrat ihn nicht annimmt. Eine Steueraktion, die von Anfang an damit rechnet, daß sie letzten Endes auf zwei oder vier Augen im Reichstage gestellt ist, hat keinen Erfolg zu erwarten. So aber dürfte die Sache derzeit liegen. Politisch würde eine solche Vorlage den schärfsten Kampf unter den bürgerlichen Parteien hervorrufen, zur Freude der Sozialdemokratie, wie der Reichs» kanzler sehr zutreffend im Reichstage bemerkt hatte. Die ganze Sammlung der bürgerlichen Parteien würde auf Jahre hinaus unterbunden und der Kampf aller gegen alle als oberste Regierungsweisheit angesehen. Ein Kanzler, der an die Zukunft des Reiches denkt, kann nicht den ersten Stein zu einem solche» Kampfe werfen, zu einem Kampfe, bei dem über 50 Proz. seiner Mitstreiter die 110 Sozialdemokraten werden müßten, wenn er auch nur eine geringe Aussicht auf Erfolg haben soll. Kein Reichskanzler aber kann so ver- messentlich handeln, daß er mit Scheidemann und Ledebour den Kampf gegen bürgerliche Parteien in einer politischen Frage zu führen entschlossen ist. Dies wäre einfach Wahnsinn und Selbstmord, wenn auch das.Verl . Tagebl." davon entzückt sein würde. Die Frage der Erbschaftssteuer ist durch den Fürsten Bülow eine politische Frage geworden; man kann diese Entwicklung bedauern, aber mit der Tatsache muß man rechnen. ES ist dies eine der schlimmsten Erbschaften deS früheren Regimes. Solche Dinge werden nicht durch Ueberwindung aus der Welt geschafft; Es gibt eben auch in der Politik heißes Eisen, das der lluge Mann liegen läßt." Herr Bethmann Hollweg wird sich vermutlich beeilen, diesem in halb bittender, halb drohender Form gegebenen Befehl �cx ultra» montanen Führer des schwarzblauen Blockes nachzukommen. Hat er in der Deckungsfrage insoweit A gesagt, daß er die Erzbergersche Rechnung über die Mehrerträgnisse der Reichseinnahmen akzeptierte und auf die Erschließung neuer Einnahmen in Verbindung mit der Wchrvorlage selbst verzichtete, so wird er jetzt auch B sagen und auf die Erbschaftssteuer ganz verzichten muffen. Die Klerikalen wissen ja auch, was sie an Bethmann haben: er ist nicht der Mann, der den Schwarzblauen Z>ctz zu bieten vermöchte.
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