Verfassung selbst erfordere eZ, daß ein Abgeordneter den Vorwurfdes Verfassungsbruches ausspricht, wenn er hierzu Anlaß zuhaben glaubt. Es sei unzulässig, dieses Recht des Abgeordnetendurch die Geschäftsordnung aufzuheben.Genosse S ü tz h e i m erinnerte daran, daß der vom Kultus-minister verbotene Guttemplerorden vom' Kaiser empfohlen wordensei; man solle doch„Onkel Hertling" veranlassen, nun den Kaiserdeshalb abzusetzen.Der geistige Tiefstand des Zentrums offenbarte sich am Schlußder Sitzung. Man ließ einen Zentrumsbürgermeister reden, dersolchen Unsinn schwatzte, daß die Linke% Stunden lang hinterjeden Satz des Redners eine Reihe fröhlicher Bemerkungen ein»flocht; das Haus wurde unablässig von Explosionen des Gelächterserschüttert.Wie Streikprozesfe zustande kommen.Vor der zweiten Strafkammer in Duisburg hatte sich derBohrhauer I. zu verantworten. Die Anklage warf ihm vor, diearbeitswilligen Bergleute Johann und Fritz Stuhlsatz und NikolausMichels durch Aeußerungen wie„Halunken",„Spitzbuben" belei-digt zu haben. Der Angeklagte gab zu, die ihm zur Last gelegtenAeußerungen getan zu haben. Die Zeugenvernehmung führte zudem überraschenden Ergebnis, daß die drei Beleidigten ihr g r o-ßes Erstaunen zum Ausdruck brachten, als ihnen vomGerichtsvorsitzenden schwarz aus weiß klar gemacht wurde, sie hättengegen den Angeklagten Strafantrag gestellt. Der Zeuge NikolausMichels sagte aus, daß der vernehmende Beamte auf der Polizei-stube zu ihm gesagt hatte, als er ihn aufforderte, seinen Namenunter das vorgelegte Schriftstück zu setzen:„Der Erste Staats-anwalt verlangt, daß unterschrieben wird". Dabeiwurde festgestellt, daß das dem Zeugen zur Unterschrift vorgelegteSchriftstück ihm nicht einmal vorgelesen worden war. DasT o l l st e ergab sich aber erst bei der Vernehmung deS ZeugenFritz Stuhlsatz. Er konnte sich zuerst auch nicht erklaren, wie erdenn zu einem solchen Strafantrag gekommen sein konnte. Desweiteren ergab sich in diesem Falle, daß der Zeuge erst15 Jahre alt und deshalb zur Stellung eines solchen Straf-antrages gar nicht fähig war. Mit dem Antrage deS dritten Zeugenverhielt es sich ebenso, wie mit der des ersten Zeugen. Das G e-richt erklärte sämtliche drei Strafanträge für un-gültig. Die Anklageschrift des Staatsanwalts wurde gleich-zeitig vom Gericht als unrichtig bezeichnet, da es eine Ideal.konkurrenz des Z 153 der Reichsaewerbcordnung und deS§ 185des Strafgesetzbuches nicht gebe. Das Verfahren gegen den Streik-sünder wurde eingestellt. Dieser Prozeßkrampf, der nicht verein-zeit dasteht, beleuchtet blitzartig das heiße Bemühen der Polizei,dem Unternehmertum unter allen Umständen zu Diensten zu sein.Unsere Zukunft liegt in der Luft!Unsere Prophezeiung, daß die derzeitige Losung, unsere Zu-kunft liege auf dem Wasser, gar bald in die neue Losung,„unsereZukunft liegt in der Luft", verwandelt werden würde, beginnt sichrasch zu bestätigen. Bekanntlich hat ja auch Wilhelm II., der an-gcblich eine Zeit lang der Flugmaschine recht skeptisch gegenüber-stand, jüngst dem Flieger Hirth gegenüber versichert, daß auchihm die Eutwickclung der Militäraviatik sehr am Herzen liege.Wie die militaristischen Treiber sich den Ausbau der Militärfliegercivorstellen, beweist ein Artikel in der neuesten Nummer der„Berliner Neuesten Nachrichten", in dem gefordertwird, daß, wie jede Division, der kleinste selbständige Truppen-verband, seine Divis ionskavallerie habe, sie in Zukunftauch ihre F l i e g era b t e i l un g haben müsse. Freilich:„dazugehört Geld, viel Geld". Und dann wird das Kaiserwortipr Sinne des LnflmilitariSmuS variiert:„Ohne allzu großen Optimismus kann man getrost d a Sa i s e r w o r t von der Flotte auf die A r m e e übertragen� und sagen, daß der Luft die Zukunft gehört, denn'dieLufterrungenschaften der letzten Jahre haben bereits erheblicheVeränderungen der Ansichten bervorgerufen und werden eS in Zu-kunft noch viel mehr tun."So ivird uns also allen Ernstes versichert, daß Deutschlandsmilitärische Zukunft in der Luft liegt! Und sicherlich wird es auchnicht allzu lange dauern, bis die Forderungen für die Luftflotte sichneben denen für die Marine sehen lassen können!Der Zwist im«ationalliberalen Lager.Die Fuhrmänner und Friedberger deS bunten Parteiragouts.das man nationalliberale Partei nennt, fühlen sich durch denöffentlichen Protest einer Anzahl hervorragender national»liveraler Politiker gegen die Gründung deS AltnationalliberalenReichsverbar.des sehr verschnupft und fertigen deshalb die Pro-n._________.I. f. Rousseau.Von Dr. I. Axelrod.Jean JacqueS Rousseau gehört zu jenen Persönlichkeiten, dereniiefeindringende Wirkung in der menschlichen Geschichte eher auSden Widersprüchen als aus der Harmonie ihrer Seele entspringt.Die zwei Seelen in der Brust, die nicht immer ein Merkmal aus-erlesener Naturen sind, kennzeichnen nicht nur seinen Lebenslauf.sondern ebenso seine Weltanschauung, sein Denken und Trachten.Große Sensibilität und ein scharfer, alles durchdringender Ver-stand, eine außergewöhnliche Phantasie, die an Schwärmerei grenztund ein tiefer Blick für das praktische Leben, Mißtrauen gegenüberder kulturellen EntWickelung und den Menschen selbst und einunbegrenzter Glaube an Menschengröße und Edelmut waren seinerSeele eigen. Die trübe, freudlose Kindheit, die von ungewöhnlichenSchicksalen durchdrungene Jugend hat in Rousseau jene besondereEmpfindlichkeit hervorgerufen, die ihm den seelischen Verkehr mitden Menschen erschwerte. Er hatte in seinem persönlichen Lebendie Einsamkeit erfahren, die grausame Gleichgültigkeit der mensch-lichen Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen. Sein trauriges per-sönliches Schicksal lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Unglück-lichen und Enterbten. Unerschrocken zerstörte er die schöne Hülle,mit welcher der nackte Egoismus der Herrschenden verschleiert ist.Er suchte den Stolz der Menschheit an den Errungenschaften der5lultur zunichte zu machen, indem er den WildhcitSzustand derMenschen für vollkommener erklärte. Rousseau stellte die Behaup-tung auf, daß die bürgerliche Gesellschaft mehr Laster als Tugendenaufweise, daß ihre Laster nachteiliger als ihre Tugenden vorteil-Haft seien, ihre Fortschritte in Kenntnissen und Kunst nicht auS-reichen, um für die Leiden, die der Einzelne erduldet, einen Ersatzzu schaffen; die Gesellschaft setzt das Individuum mehr dem Un-recht aus, als sie es schützt; sie gibt leine Entschädigung für denVerlust der Freiheit, die der Mensch erleidet.Es war eine Anklage auf die Gebrechen der Kulturgesellschast,die durch ihre Aufrichtigkeit und Uncrschrockcnheit ihre Wirkungnicht verfehlen konnte. In den„Bekenntnissen" stellt Rousseau diegeheimen Wünsche und die wirklichen Fehltritte der Krilturmcnschenbloß. Dieses unsterbliche Werk erreicht sein Ziel vor allem dadurch,daß der Autor durch die Schilderung seiner eigenen Person dieVerdorbenheit der Welt und des Menschen anklagt. Wie Dante dieOualen der Sünder, so veranschaulicht Rousseau die inneren seeli-sehen Leiden, die aus den Vergehen gegen die Stimme der Natur,gegen daS Gewissen entspringen. Nicht nur die künstlerische Kraftallein hat diesem Werke einen unvergänglichen Wert verliehen,sondern noch mehr die große Aufrichtigkeit, mit der Rousseau vordie Oeffentlichkeit trat. Es war ein großartiger Kunstgriff— erhatte es mit der Schilderung der LoSlösung von dem Sittlichenin jener Epoche getroffen.testler in der„Altnaiionalliberalen Reichskorrespondenz" von obenherab verächtlich ab. Da, wie sie behaupten, der Protest von derpommerschen nationalliberalen Organisation und deren Sekretärausgeht, richten sie auch an diese die Abfertigung. In der langenEntgegnung heißt es:„Wenn diesen pommerschen Herren, die noch jüngst ganzenLandesteilen mit ihren ältesten und treuesten Besitzständen derPartei ziemlich unverblümt das Recht der Zugehörigkeit zurnationalliberalen Partei absprachen, nicht bald aus der Parteiheraus ein Halt geboten wird, dann scheinen uns Kämpfe un-ausbleiblich, die schließlich zur schwersten Erschütterung desParteigefüges führen müßten.. Denn darüber mögen sich jeneHerren klar sein: Von dem von uns nicht ohne größte Not be-schrittenen Wege werden wir uns durch die Klagelieder deslinken Partciflügels nicht mehr abbringen lassen, in der Ueber-zeugung, die Partei werde es uns in Zukunft dan-ken, daß es in einer kritischen Stunde Männergab, die selb st Beschimpfungen aus den Reihender eigenen Partei auf sich nahmen in ihremKampfe um die Erhaltung solcher Partei»grundsätze, die ihnen für die Partei und das Vaterlandunentbehrlich schienen. Das Verfahren, einen Aufruf von soweittragender Bedeutung durch einzelne Landesvorsitzcndc alssolche unterzeichnen zu lassen, scheint uns nicht unbedenklich zusein. Abgesehen davon, daß ein solcher Entschluß eigentlich dervorherigen Zustimmung der betreffenden Organisationen bedurfthätte, können durch diese scheinbar offiziellen Kundgebungen,gegen die auS den einzelnen Landestcilcn bereits bei uns Pro-teste eingelaufen find, die Kämpfe sehr leicht in diese Landes-organisationen selbst hineingetragen werden. Zu welchen Wider-sprächen dieses Hervortreten von üandesvorsitzenden führt, siehtman z. B. an der Rheinprovinz, dessen Vorsitzender seinen Namenfür den Aufruf zur Verfügung gestellt hat, obwohl in seinereigenen offiziellen Partetkorrespondenz die von uns in vorigerNummer wiedcrgegebenen freundlichen Worte der BegrüßungdeS altnationalliberalen Reichsverbandes standen. Wir k ö n n-ten mit demselben Rechte und mit gleicher odergrößerer Leichtigkeit einen Gegenaufruf, vonebenso vielen La nd es v or s i tz e n d en unterzeich.net, veranlassen. Wir verzichten aber darauf, diesesschlechte Beispiel nachzumachen. Wir haben unS prinzipiell ent-schlössen, in die bestehenden Parteiorganisationen nicht störendeinzugreifen. Wir haben durch den Verzicht auf eigene Ver-einsgründungen, auf die Schaffung oder Einbeziehung land-schastlicher Verbände zeigen wollen, daß es uns ernst ist um dieErhaltung und Befestigung der organisatorischen Einheit derPartei. Wir wollen nur durch die Zusammenfassung gleich-gesinnter einzelner von uns zu sammelnder Parteifreunde aufdie Partei zu wirken suchen, und werden uns ohne Not auchdurch Provokationen von diesem Entschlüsse nicht abbringenlassen."_Oetavios wirkliche Meinung.Octavio von Zedlitz, der Hauptmitarbeiter der„Post",der Mann, der nach den eigenen Bekenntnissen dieses Organsden größten Einfluß auf dessen Redaktion ausübt, hat be-kanntlich im Abgeordnetenhause wiederholt mit großerEmphase die Verantwortung für jenen Kriegshetzartikel der„Post" abgelehnt, in dem von Wilhelm II. als„Guillaumele tirnide, le yaleureux poltron", zu deutsch:„Wilhelmdem Furchtsamen, dem wichtigtuenden Großsprecher", dieRede war. Der politische Drahtzieher der„Post" begeht jetztdie Unvorsichtigkeit, seine ohnehin höchst unglaubwürdigenAusreden dadurch selbst vollends zu entkräften, daß er überdie skandalöse Kriegshetze der„Post" und verwandter Organewährend des Marokkokonfliktes im„Tag" folgendes UrteilMt:„„Die starke nationale Strömung, welche die Wchrvorlageko glatt durch den Reichstag getragen hat. ist nicht das Ver.dienst der Regierung, diese hat vielmehr, soweit es ihr möglichtvar, abgewiegelt. Wohl aber können sich sie zu einem gutenTeil die Alldeutschen, der Flotten- und der Wehrverein sowiedie im gleichen Sinne arbeitende nationale Presse anrechnen.Bei der auch von Bismarck so tief beklagten Schwäch« de« nationalen Bewußtseins bei einem großen Teil unsere? Volkes sindAgitationsorganisationen der bezeichneten Art bei uns ein unab.weisbares Bedürfnis. Ohne den Ostmarkcnverein hätte dasDeutschtum in den polnisch gemischten Landcsteilen niemals diezum Ausharren in dem schweren wirtschaftlichen Kampfe nötigeWiderstandskraft erlangt. Mit Zuckerioasser weckt man daSvaterländische Gewissen aber nicht, dazu bedarf eS der flammen-den Sprache patriotischer Leidenschaft. Daß dabei mancherUerberschwang, ja mancher Mißgriff mit unterläuft.ist richtig, fällt aber gegenüber dem im ganzenIn dem Zerfall des StaatSgcbildeS deS damaligen Frankreichsentfaltet« sich der Mißbrauch der Privilegien durch die herrschendenKlassen am stärksten. Auf Kosten der schwersten Arbeit der Mehr-heit existierend, verfielen diese Herrschenden dem Müssiggang, demübertriebenen Luxus und gingen geistig und moralisch zugrunde.Die hervorragenden Geister jener Zeit, die Aufklärer, haben dieNegation de? Feubalstaates durch die Proklamierung seiner Un-vernünftigkeit geäußert, Rousseau dagegen betonte die Grausamkeitund Gefühllosigkeit jener Ordnung. Wenn die ersteren der Ver-nunft huldigten, durch die sie das Glück auf Erden zu erreichenträumten, so setzt dieser die Wirkung der Vernunft für die Be-freiunq deS menschlichen Geistes in Zweifel und beruft stch ank dasGefühl und daS Mitleid. In der Natur erblickten die Aufllärerwie der zu ihnen in Opposition stehende Rousseau das Heil. DerUnterschied liegt nur darin, daß jene die Natur als Quelle derVernunft anffaßten, während dieser in ihr den Ursprung dcSmoralischen Elementes erblickt. Rousseau glaubt in der Geschichtedie Belege für seine Anschauung von der Bedeutungslosigkeit derKultur für daS menschliche Glück zu finden. Ter Mensch ist nurdann wahrhaft glücklich zu nennen, wenn er die ihm von der Naturverliehenen höheren Triebe befriedigen kann— die Triebe derFreiheit und des Mitleids. Dieses Maß an das kulturelle Lebenanlegend, glaubte Rousseau keinen Fortschritt in der menschlichenGeschichte konstatieren zu können. Die Errungcnscharten deSmenschlichen Geistes haben nur die Ausbeutung des Menschendurch den Menschen geschaffen. Der entwickelte menschliche Ver-stand verhüllt stets die Grausamkeit, indem er viele Scb'iche undWege eröffnet zur Unterdrückung de» Schwächeren. Er hat auchdie unzähligen Mittel hervorgebracht, mit denen man seinenNächsten am besten zu unterjochen vermag. Die natürliche Un-gleickheit der Menschen erklärt keineswegs jene Ungleichheit, dieim Gegensatz zwischen Tyrann und Sklaven zum Ausdruck kommt.Tyrannei und Sklaverei sind Produkte der Gesellschaft, sie entstehen in dem Augenblicke, da die Ungleichheit durch das Gesetzsanktioniert, wo die natürliche Stärke zum Vorrecht erhoben wordenist! Im Naturzustände hat der Starke über den Schwachen keineMacht auszuüben vermocht, weil die Lebensart ihm dazu keineMittel bot. Sind die Menschen durch die Lebensbedingungen nichtvereinigt, leben sie voneinander getrennt, so ist auch die HerrschaftdeS einen über den anderen ausgeschlossen. Nur in der Gesellschaft,im gemeinsamen Leben konnte das Abhängigkeitsverhältnis ent-stehen, und die natürliche Ungleichheit, die die freie Existenz derIndividuen nicht beeinträchtigte, nimmt in der Gesellschaft andere,viel grausamere Formen an. In ihr sind jene großen Ucbel, wieKrieg und Haß entstanden: der Naturzustand mit seiner Ungleich-heit kannte diese Leiden nicht.RousseauS Individualismus entstand als Protest gegen diePrivilegien, gegen die erbarmungslose Ausbeutung der unterenSchichten der Gesellschaft. Es war«in Protest gegen die herzloseI Welt, gegen die Wirklichkeit, die, anstatt die Rechte vcS Schwächerenverdienstlichen Wirken nicht allzu schwer insG e m i ch t."Zweifellos hat Herr von Zedlitz bei dem Mißgriff anjenen rabiaten Ausfall der„Post" gegen Wilhelm� II. ge»dacht, der erstaunlicherweise keinen Staatsanwalt zu einer An-klage wegen Majestätsbeleidigung veranlaßte. Solche„Miß-griffe" aber, so erklärt Herr von Zedlitz ausdrücklich,„fallengegenüber dem im ganzen verdienstlichen Wirken" der scharf-macherischen Hetzpresse„nicht allzu schwer ins Gewicht".Wir wollen uns dies Eingeständnis einer schwachenStunde merken!_Zur Sicherheit der Seeschiffahrtwird— so meldet man der bürgerlichen Presse— der Bundesratvoraussichtlich noch vor den Soinmerferien die Wahl eiues Reichs-Prüfungsinspektors für die Schiffsingenieur- und Maschinistenprüfungvornehmen.Wenn das alles ist, was die Reichsregierung zur Sicherheit aufSee und im Hinblick auf die letzte Seekatastrophe tun will, so istdas so gut wie nichts._Tie Ausschreitung auf dem Döberitzer Truppen-Übungsplatz,die dem Grenadier Block vom Königin-Elisabeth-Garde-Grenadier-Regiment fünf Jahre Gefängnis eingetragen hat, beschäftigtegestern das LberkricgSgericht des Garde-Korps. Der GrenadierBlock ist bekanntlich wegen militärischer Aufwiegelung vom Kriegs-tericht der 2. Garde-Division zu fünf Jahren und einem!age Gefängnis verurteilt worden. Der Unteroffi-zier Sugge, an dem die Ausschreitung begangen war, erhielt wegenvorschriftswidriger Behandlung Untergebener vier Monate und zweiWochen Gefängnis.Gegen dieses Urteil hatten beide Angeklagte Berufung einge-legt. Der Vorgang, der der Anklage zugrunde liegt, ist kurz fol-gender: Gelegentlich einer Uebung der 6. Kompagnie vom Regt-uient Elisabeth hatte ein Rekrut eine Schaufel verloren. Amfolgenden Tage(es war dies ein Sonntag) befahl der Kompagnie-chef dem Unteroffizier Sugge, mit einigen Mannschaften auf dieSuche zu gehen, um die Schaufel zurückzubringen. Den Leutenwar dies nicht gerade angenehm; am meisten ärgerte sich aber derGrenadier Block darüber, daß er am Sonntagmorgen das Geländeabsuchen mußte. Zudem ließ Sugge die Leute ausschwärmen, be-legte sie mit beleidigenden Ausdrücken und ließ sich auch in andererWeise eine vorschriftswidrige, gemeine Behandlung zuschulden kom-men. Block wurde durch die Schikanierungen schließlich in einederartige Aufregung versetzt, daß der Jähzorn bei ihm zum AuS-bruch kam. Er stürzte sich plötzlich mit dem Rufe, die Kameradensollten ihm beistehen, auf den Unteroffizier, packte ihn am Kragenund schüttelte ihn derbe hin und her. Die Kameraden folgten aberdem Rufe nicht. Sie rissen Block vielmehr vom Vorgesetzten zurück.Das Kriegsgericht erkannte gegen B. wie oben erwähnt. Diegestrige Verhandlung vor dem Oberkriegsgericht endete damit, daßdie Sache gegen Block vertagt wurde. Er soll ärztlich auf seinenGeisteszustand hin untersucht werden. Gegen Sugge wurde zuEnde verhandelt. Seine Berufung wurde verworfen.Militärisches Schreckensurteil.Vor dem OberkriegSgericht in Wilhelmshaven hatten sich dieTorpedoheizer Backhus und Thomas wegen Meuterei zu verant-Worten. Worin diese bestand, ergibt sich auS folgendem: Diebeiden Angeklagten hatten an einem Abend im März in einer Straßeim benachbarten Rüftringen einen Wortwechsel mit einem Obermat.Dieser nahm dabei dem einen Angeklagten die Mütze meg, um dessenNamen feststellen zu können. Die beiden Angellagten versuchtennun dem Unteroffizier die Mütze zu entreißen. diesem verhältnismäßig harmlosen«orfall wurde die— Meuterei erblickt.Die Verteidiger suchten nachznweisen. daß ein tarlicher A n»griff in Frage kommen könnte, welcher Ansicht da? Gericht indesnicht beitrat. Es verurteilte dielmehr die beiden Hetzer zu je fünfJahren Gefängnis für die Unbedachtsamkeit eine» Augenblicks, beider ihnen sicher ebenso die Absicht wie das Bewußtsein, ein mili-tärischeS Verbrechen zu begehen, gefehlt hat.Erschossen aufgefundener»ationalliberalerParteisekretär.Erschossen hat sich, wie auS Rostock gemeldet wird, der national-liberale Parteisekretär Hauplmann a. D. Erich Gentz. Die Leichewurde in der oberen Warnow aufgefunden. Als Ursache deS Selbst-mordes wird eine große Schuldenlast genannt.Oelterrdcb-Ungani.Für die Rechte Bosniens.Im bosnischen Ausschuß des österreichischen Abgeordneten»Hauses stellte Genosse Dr. Renner den Antrag, die Regie-zu schützen, diesen Schutz preisgibt, dagegen Kraft und Recht identi»siziert. Dieser Individualismus kann mit dem eine? Nietzschenicht verglichen werden. Der Individualismus Rousseaus richtetesich gegen die Machthaber, für die Unterdrückten und Leidenden,während der heutige Individualismus das Recht der Stärkerenüber den Schwächeren proklamiert. Rousseau äußerte die Negationder abgelebten sozialen Formen seiner Epoche, der Jndividualis»muS der heutigen Zeit sucht dagegen die Zustände der gegen-wärtigen Gesellschaft zu konservieren.Aus dem negativen Verhältnis RousseauS zum damaligenStaate, zur Grundlage der Kulturgesellschaft, folgt seine Ansichtüber den Ursprung der Ethik. Der Kulturgesellschast fehlt dasethische Element, denn in einer Rechtsgemeinschaft, die nicht nurdie Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zuläßt, sondernsie ausdrücklich durch das Gesetz sanktioniert, mangelt wohl jedeethische Grundlage. Diese Gesellschaft ist selbstverständlich� einschlechtes Institut für die Erziehung des Menschen� zu einemethischen Wesen, in ihr lernt er nur, grausam zu sein, seine Nächstenzu hassen, nicht aber zu lieben. Wenn in der menschlichen Seeledie Nächstenliebe nicht vollständig erloschen ist, so ist dies derNatur zu danken, die das Mitleid zu jeder lebendigen Kreaturund vor allem zum Menschen schuf. Alle seine anderen Fähigkeitenhat der Mensch im Kamps ums Dasein erworben, das Bewunde»rungSwürdigste aber, die Liebe und das Mitleid, schenkte ihm seineGöttin, die Natur. Diese höheren Eigenschaften sind ihm ebensoursprünglich und stark wie der Selbsterhaltungstrieb. � Darumkonnten die durch Jahrtausende sich hinziehenden zerfleischendenKämp-e daS Gefühl des Mitleids nicht ersticken.Hier ist die Quelle des Deismus RousseauS. Der GenferPhilosoph projiziert eine milde Kraft, die er als Gott bezeichnet,von der der Mensch sein besseres Ich und seine Nächstenliebe er-hielt. DaS Eingeborensein des moralischen Gefühls ist der Punkt,wo Rousseau auf Kants Ethik einwirkte. Daß Kants Lehre vomkategorischen Jmverativ einen ganz anderen Inhalt hat als dieGeftihlSlehre RousseauS, ist selbstverständlich. Es erregt eher Ver»nmnderung, daß eine so geartete Natur wie die Rousseaus aufKant einen Einfluß ausüben konnte. Viel begreiflicher ist dieEinwirkung Rousseaus auf die Vertreter der Sturm, und Drgng-Periode, auf Herder, Goethe und Schiller, wie auf die Gefühls-Philosophen Deutschlands.„Werther",„Kabale und Liebe" sindvon Rousseanschen Lcbenöanschauungen und Ideen durchdrungen.In ihrem Geiste ist die Identifizierung der Begriffe Gott undLiebe, wie die Behauptung, das Gefühl sei alles, in dem bekanntenMonolog im„Faust" gehalten.Durch seine Bttnertung der Vernunft als Moment in derEntWickelung der menschlichen Geschichte wie durch seine Religiositätgeriet Rousseau in schroffen Widerspruch mit den Aufilärern undmetaphysischen Materialisten. Aber Rousseau erweist sich in derAuffassung mancher erkenntnistheoretischer wie geschichtlicherProbleme als ein echter Materialist. Eine Fülle von glänzenden