Einzelbild herunterladen
 
  
A. 148. L9. Iahkgaag. eilM des.AwW- Kcrlim MsM K-ü-g. 28. Z-Ili 1912. Der Scdapiroprozcß. D a r m st a d t, 27. Juni.  (Privattelegr. des.VerwärtS'.) Den breitesten Raum nimmt heute die Verhandlung über die Fälle Kindel und Pavel-Wagner ein, in denen Frau Schapiro vor» geworfen wird, sich zu Lockspitzeldiensten hergegeben zu haben. Frau Schapiro gibt vom Fall Kindel folgende Darstellung: Seitens der Kriminalpolizei hatte sie den Auftrag, die Mainzer  Zeitungen nach den darin befindlichen Annoncen wegenFrauen» tropfen",Blutstockungen" durchzusehen. Auf Veranlassung des Kriminalkommissars Kindhäuser, dem Stellvertreter des Polizei» rats, schrieb die Assistentin auf eine solche Annonce hin eine Karte des Inhalts:Bitte teilen Sie mir gütigst mit, ob die Tropfen helfen und woraus sie bestehen. Antwort unter R. v. S. Dis- kretion erbeten." Diese Karte war aber bei der Beförderung durch das Polizeibureau irrtümlich in einen weihen Polizeibriefumschlag gesteckt und durch einen Polizisten zugestellt worden, so dah Kindel merkte, woher die Anfrage kam. Er beantragte bei der Polizei Ermittelungen nach dem Briefschreiber, um diesen wegen Ver- leitung zu einem Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Nun war auf dem Polizeiamt Holland   in Not. Die Assistentin muhte dann zu dem Kindel gehen und ihm sagen, die Karte wäre in einer Zelle ihre? FürsorgeheimS gefunden und irrtümlich an ihn weiter gegeben worden. Auf den Vorhalt des Borsitzenden, dah diesseitig ein Vorgehen wie hier, andere hereinfallen zu lassen, doch nicht gutgeheihen werde, erwiderte die Assistentin� solche Hebung bestehe bei der Polizei in vielen Städten. Die Polizeiafsistentin Henriette Arndt habe auch schon solche Briefe geschrieben. Diese Kollegin habe die Kompetenz, die Zeitungen nach solchen Anzeigen durchzusehen. Denn viele Frauen und Mädchen würden damit ausgebeutet und dann späte: unter Umständen noch bestraft. Auf Anordnung des B-ige»rbn«ten Berndt hat sich die Polizeiafsistentin nicht mehr an solchen Polizcisachen zu beteilige». lieber den Fall Pavcl-Wazner berichtet die Assistentin: Von einem Tarmstadter Arzt kam die Anregung, die Spur nach einer Hebamme zu verfolgen, die sich in Briefen nach Darmstadt   zu Abtreibungen empfohlen hatte. Die Spur führte zur Wagner. Es habe sich darum gehandelt, festzustellen, waS die W. vornehme, ob sie Mittel gibt oder einen Eingriff vornimmt. Der Kommissar Kiudhäufer riet, eine fremde Person hinzuschicken; so sei es ge- kommen, dah die Pavel verwandt wurde, die sich damals im Heim der Assistentin befand. DaS Dienstmädchen, das auch sofort bereit gewesen sei, wurde instruiert, worauf eS ankomme und dah es die Frau nicht an sich herankommen lassen sollte. Die weise Frau antwortete auch dem Mädchen, sie gebe nichts ein, aber eS müsse einige Tags aus dem Dienst bleiben. Bei der dann vor- genommenen Haussuchung wurden Instrumente und Mittelchcn aufgefunden. Die Assistentin betont, es habe sich auch in dieser Sache nicht darum gehandelt, eine Person in Versuchung zu führen, sondern Feststellungen in einer kriminellen Angelegenheit zu treffen. Ihr Anwalt, Rechtsanwalt Löwenberg, konstatiert, dah dieser Fall nicht im Material Hirsch und Horch war, sondern erst von der Assistentin dem Beigeordneten bei dessen Untersuchung mitgeteilt wurde. Der Angeklagte Hirsch will indessen in seinen Unterredung mit dem Oberbürgermeister über die beiden Fälle gesprochen haben. Auf die Frage des Borsttzenden bemerkt die Assistentin noch, dah sie damals Neuling im Amte war und darum annehmen muhte, ihre Vorgesetzten wußten, wa» sie anordnen durften. Berteldigcr Justizrat Bernstein: Ist Ihnen bekannt, dah das Reichsgericht Ihr Verfahren in diese Sache in der allerschärfsten Weise mthbilligte und als sittlich verwerflich bezeichnet hat? Frau Sck?apiro  : Das ändert doch nichts an der Tatsache, dah auch auf anderen Polizei- ämtcrn solche Uebung besteht. Festgestellt wird noch, dah daS Dienstmädchen Pavel bei der W. einen falschen Namen angeben muhte. Der als Zeuge vernommene Kaufmann Kindel hatte zuerst die Anfrage nach den Frauentropfen für ein Konkurrenzmanövcr angesehen. Er habe stets auf ähnliche Anfragen geantwortet, dah die Tropfen den Zweck hätten, einen schmerzlosen Verlauf drr Menstruation herbeizuführen. Zeuge Kriminalkommissar Kindhäuser bekundet, stets so in allen ähnlichen früheren Fällen borgegangen zu sein. Ein Verbrechen sollte ja nicht provoziert, sondern nur ein Tatbestand festgestellt werden. Den begangenen Weg halte er für zulässig, er würde es in Zukunft genau wieder so machen. Auf Befragen der Ver- tridigung erklärt der Zeuge, das Urteil des Reichsgerichts in diesem Punkte für auffällig bezeichnen zu müssen. AI  » Borsteher der EtesundhrttSpolizei könne er nur sagen, er werde diese Praxis weiter so handhaben, bis seine Vorgesetzten daS verbieten. Erst kürzlich sei von einer hohen Behörde eine Instruktion ergangen, die der Kriminalpolizei zur Pflicht macht, sich weibliche Vertrauens- Personen zu sichern. Für die beiden Fälle trage er die Berant- wortung. Dem Kindel seien auch von auswärtigen Polizeibehörden ähnliche Anfragen ganz unabhängig voneinander zugegangen. Die Firma habe darauf Antwort gegeben, die als entgegenkommend gelten durfte. AIS   der Zeuge sich über die Person dcS Kindel auslassen will, wird er von dem Vorsitzenden unterbrochen, er sagt aber dennoch, dah Kindel IL Jahre Zuchthaus   gehabt habe und als ein gemeingefährlicher Mensch zu betrachten sei. Bei aisständigen Geschäftsleuten pflege die Polizei nicht so vorzugehen. Speziell zum Fall Pavel-Wagner hebt der Zeuge noch herbor, es habe sich bestätigt, dah die W. eine gefährliche Abtreiberin sei, sie stehe morgen wiederum wegen dieses Verbrechens in zwei schweren Fällen vor dem Mainzer   Schwurgericht. In einem weiteren Fall hatte die Assistcntin zwei Mädchen vergcladen, gegen die von einer für einwandfrei geltenden Quelle cine Anzeige des dringenden Verdachts der GewerbSunzucht ge- kommen war. Die Mädchen hatten die Behauphing entrüstet in Abrede gestellt. Die Mutter der Mädchen versprach der Assistentin, zehn Mark für ihr Fürsorgeheim zu stiften, wann eS ihr möglich sei, die Verleumder zur Anzeige zu bringen! Frau Schapiro hat fljr erklärt, dah sie ebenso, wie sie gegen Schlechtigkeiten vorgehe, auch gern mithelfe, einen falschen Verdacht zu beseitigen. Die Sache stellte sich als eine böswillige Bcrleumdung heraus. Die Verleumder wurden bestraft. Auf Zureden ihres Vorgesetzten hat die Assistentin die dersprcchencn zehn Mark angenommen. Zu diesem Fall wurden auf Antrag des Justizrat» Bernstein die Protokolle verlesen, in denen die Personen die Anzeige erstatteten. Justizrat Bernstein beabsichtigt nämlich, im Plädoyer darzulegen. dah die Art der Amtsführung der Polizeiassistcntin nicht richtig und tatsächlich für alle, die mit ihr zu tun hatten, sehr gefährlich gewesen sei. und daß die Aktenführung unzuverlässig war. Der Fall, in dem die Assistentin versuchte, die Mieten von Vsrdellhäusern zu drticke», wird allseitig als geklärt betrachtet und auf Zeugenvernehmung verzichtet. Sodann kam ein wetterer Fall vor. in welchem sich die Assistentin al» Bnimierkrllnerin angeboten haben sollte. Nach der Bekundung der WirtSfrau aus Kastel  , bei der sich daS ereignet haben soll, war die angebliche Kellnerin Mt der Assistentin nicht identisch. Die Zeugin hatte daS Gerede ver- ursacht, als man sich in ihrer Wirtschast über die Angriffsartikel gegen die Assistentin unterhielt. Aehnlich ist der folgende Fall. Zu der Wirtin Sch. kam ein Mädchen, das sich als Theaterdame ausgab, um eine Wohnung zu mieten. Ein Gast habe dabei ge- sagt, das scheine die Assistentin gewesen zu sein, um zu spionieren. So sei das Gerede weiter verbreitet worden. Endlich wird noch ein Fall geklärt, in welchem die Assisientin angeblich widerrechtlich eine Festnahme vorgenommen haben soll. Die Mutter des Mäd- chcnS bezeugte aber heute, daß sie selbst die Assistentin ersucht hat, die Tochter a«S erster Ehe in Schutzhaft zu uehmen» bis ein Unter- kommen für sie gefunden worden fei. Die Fortsetzung der Verhandlung findet Montag statt. An diesem oder dem folgenden Tage hofft man endlich zum Schluß der Beweisaufnahme zu kommen. StaStverorMev-verlammluiig. 22. Sitzung vom Donnerstag, den 27. Juni 1S12, nachmittags B Uhr  . Vorsteher Michelet   eröffnet die Verhandlungen nach Uhr. Während der Ferien(Juli und August) werden die Geschäfte der Versammlung bis zum 20. Juli vom Vorsteher Michelet   wahr- genommen werden; für den Rest der Ferien werden ihn die anderen Vorstandsmitglieder vertreten. Der Festsetzung eines Bebauungsplanes für das Stadt- gebiet zwischen der Weichbildgrenze gegen Ret- nickendorf und Königliche Forst Tegel, der Otavi-, Müller, und Londoner Strohe nach dem Magistrats- entwurf vom Dezember Ivll hat der eingesetzte Sonderausschuh zugestimmt; ein Antrag, die für die Nebenstrahen vorgesehene Breite von 22 Meter auf 20 Meter zu verringern, um mehr Frei- fläche zu gewinnen und den Höfen mehr Licht und Luft zuzu- führen, hat keine Mehrheit gefunden, nachdem festgestellt war, dah ein gesetzlicher Zwang zur Freilassung dieser zwei Meter von der Bebauung nicht ausgeübt werden tönne. Auch die Entwürfe von Verträgen über Fluchtlinienfeftfetzungen mit der Terrain-A.-G. Müllerstrahe" und der Boden-A.-G.Berlin Nord  " hat der Aus- schuh gulgehcihen. Referent ist Stadtv. Körte(Fr. Fr.) Stadtrat Düring sucht in längerer Ausführung darzulegen, daß und warum eS für dieses Gelände nicht möglich gewesen sei, den neuzeitlichen Bestrebungen auf dem Gebiete des Städtebau- Wesens Rechnung zu tragen. Weiter berührt er eine der Ver- sammlung heute seitens eines der interessierten Anlieger zuge- gangene Beschwerde, die die Behauptung aufstellt, dah mit ihm über den neuen Bebauungsplan überhaupt nicht verhandelt worden sei. Das fei irrig; es fei früher mit ihm verhandelt worden, ober eine gütliche Einigung habe schon damals sich als aus- sichtslos erwiesen. Stadtv. Ladewig(N. L.) erklärt demgegenüber die Behauptung des Beschwerdeführers Justizrat Elsbach nach seiner Kenntnis der Akten für begründet und beantragt Zurückverweisung der Vorlage an den Ausschuß. Stadtrat Düring gibt Kenntnis von dem ihm zur Verfügung stehenden Aktenmaterial und erklärt die Herbeiführung einer vor- herigen Einigung mit allen Interessenten für unmöglich. Stadtv. Dr. Nathan(Fr. Fr.) wird zwar mit seinen Freunden der Vorlage zustimmen, hält aber die grundsätzlichen Bodenken gegen die Festsetzung von Bebauungsplänen ohne jede Rücksicht auf die neueren Anschauungen durckmus für begründet und ist erfreut, daß nach den Erklärungen im Ausschusse wenigstens für die Zu- kunft Abhilfe geschaffen werden soll. Nach weiterer Diskusston, an der die Stadwv. Stapf(A. L.), Kyllmann(Fr. Fr.), Stadtbaurat Krause und Stadtrat Düring teilnehmen, erklärt Stadtv. Ewald(Soz.): Wir stimmen für die Vorkaye, da die Stadt sich hier in einer Zwangslage befindet. Die heutige Diskussion ergibt auch, dah mit dem betreffenden Interessenten Verhandlungen geführt worden sind, den Magistrat also kein Vor- Wurf trifft. Die Vorlage gelangt zur Annahme. Hierauf unterbricht der Vorsteher die Verhand- lungcn, um an den Oberbürgermeister cine Ansprache zu rich- ten, in der er unter lebhaften» Beifall der Versammlung in worinen Worten die Verdienste des Oberbürgermeisters K i r f ch n e r wür- digte und dem allseitigen Bedauern über sein Scheiden Ausdruck verlieh. Oberbürgermeister Kirschner: Ob ich den Gelöbnissen, die ich ablegte, als ich am 16. Februar 1893 an dieser Stelle für die Stadt Berlin   durch den Oberbürgermeister Zelle in Pflicht genommen wurde, durch die Tat entsprochen habe, das hat die Bürgerschaft, daS haben bor allem Sie. jetzt und in Zukunft, zu beurteilen. Nach strenger Sclbstprüfung kann ich die Versicherung abgeben, dah ich zu jeder Zeit darum benrüht gewesen bin. Dnrch die Zeit meiner Amtsführung hat mir die Versammlmeg wiederholt Beweise ihres Wohlwollens und ihres Zutrauens gegeben, insbesondere im ver­gangenen Jahre bei meiner Wiederwahl zum Oberbürgermeister, und in der letzten Zeit durch die Beschlüsse anläßlich meines Heber- Iritis»n den Ruhestand. Der Vorstcher-Stellvertreter hat schon am 15. Mai ehrende Worte bezüglich meiner Person ausgesprochen; daS gleiche ist heute von dem Herrn Vorsteher geschehen in einer Weise, die mich beschämt. Seien Sie versichert, ich empfinde auf daS Allerwärmfte für diese Anerkennung, dieses Wohlwollen und diese Ehrungen das Gefühl des Dankes, und das wird nicht er- löschen in meinem Herzen bi« anS Ende meiner Tage. Heute aber ist es mir ein inniges und lebhaftes Bedürfnis des Herzens, Ihnen den innigsten und lebhaftesten Dank auszusprechen. Lassen Sie mich meine Amtsführung schlichen mit dem Wunsche, dah echter Bürgersinn in Bürgerschaft und Versammlung nicht aufhören möge, dann wird die von uns allen so geliebte Stadt Berlin  , mit der ich ja als Ehrenbürger in Aerbindung bleibe, auch in ernsten Tagen ihre weitere glückliche EntWickelung nehmen. l(Lebhaster Beifall.) Hierauf fährt die Versammlung in ihrer Tagesordnung fort. Die Vorlage wegen teilweifer Erneuerung und Erweiterung drr KanalisationS-Pumpstation IV(Scharnhorfsstrahe), Kosten- anfchlag 939 000 M., hat der niedergesetzte SonderauSschuh nach zweimaliger Beratung mit 8 gegen 6 Stimmen abgelehnt und schlägt von, den Magistrat um eine anderweite Vorlage zu er» suchen, bei welcher der Antrieb der Pumpen anstatt durch Diesel- motoren durch Elektromotoren erfolgt. Das Referat erstattet Stadtv. Dr. Paul(N. L.). Stadtbaurat Krause bedauert noch nachträglich, dessz en den Ausschuhverhandlungen nicht hat beiwohnen können. Er betont, daß nach neueren Anschläge» infolge Erlöschens von Patenten usw. die Anlagekosten sich um 179 000 M. für die Dieselmotoren ver- mindern, während andererseits auch der elektrische Strom etwas billiger geworden fei. Mes in allem verdiene der Magistrats- anlrag hier unbedingt den Vorzug. Auch tue Eile not; eS sei die höchste Zeit, die zum Teil schon seit 1873 arbeitenden Maschinen zu erneueren. Dah der B e t r i e b mit Dieselmotoren billiger sei, könne nicht bestritten werden. Stadtv. Dr. Levy(A. 2,)' empfiehlt den AuLschuhantrag, der cine Ersparnis von immer noch einer Vicrtelmillion ermögliche. Man solle doch auch da? Ergebnis der Verhandlungen mit den B. E. W. abwarten, das sicher auch eine weitere Vcrbilligung der Elektrizität mit sich bringen werde. Die vorhandeneNotlage" könne eine überstürzte Annahme der Vorlage nicht motivkren. Stadtv. Hcimann(Soz.): Nach reiflicher Ueberlcgung sind wir s» dem Eatschlub gekommen, uns der Auffassung cmzu- fchliehen, die unsere Fachverwaltung und der Magistrat vertritt. Wir werden daher fürdieVorlagestimmen. Mit knapper Mehrheit wird der AuSschußantrag abgelehnt und die Vorlage angenommen. Stadw. Direktor Glatzel(Fr. Fr.) berichtet darauf über die Vorlage, durch welche Nachbewilligungen von Mehrkosten für vier stäbtische Bauten beantragt werden. Der Ausschuh hat die Nach- bcwilligung empfohlen, aber zugleich eine Resolution vorgeschlagen, wonach in Zukunft Mehrbewilligungen durch besondere Vorlagen in jedem Einzelfalle nachgesucht werden sollen, wenn sie erhebliche Beträge erreichen. Ohne Debatte Wird demgemäß beschlossen. Der Petition SauSichuh beantragt Ueberweisung an den Magistrat zur Berücksichtigung hinsichtlich der Petitionen 1. der Anwohner der Putlitzstrahe um Freigabe des Bogens 4 des Brücken-RampenbaueS, Referent: Stadt- verordneter Grunwald(Soz.); 2. der Witwe Marie Fiedler, Kreuzstr. 1B, um Erlaß von 296 M. Grundsteuer und Kosten für das Haus Wiener Str. B4s; 3. des Lehrerkollegiums der 36. Gemeindeschule betr. ge- räuschloses Pflaster in der Gartenstrahe. Gegen den Ausschuhantrag zu 1 wendet sich Stadtbaurat Krause, der das Bedürfnis der Freigabe bestreitet. Stadw. Lentz(A. L.) hält es dagegen für äußerst bedauerlich, daß von den dort aufgeführten 8 Bogen nicht weniger als 7 gesperrt seien, während ursprünglich versprochen wäre, dem Bauwerk einen viaduktartigen Charakter zu geben. Der Ausschuh habe einstimmig Berückjichtigung empfoylen. Auch Stadtv. Göroldt(Fr. Fr.) beklagt, dah der Verkehr von einer Straßenseite zur andern derart unterbunden ist. Er be- antragt Vertagung, da man am nächsten Sonnabend Gelegenheit zur Besichtigung habe. Stadw. Grunwolb(Soz.) hält letzteren Vorschlag für un- zweckmäßig, man solle heute Beschluß fassen, damit werde die Frei- gäbe des Verkehrs eventuell eher erreicht werden. Mit großer Mehrheit wird der A us sch u tz an tra g an» genommen. Die anderen Vorschläge des PetitionSauSschusseS finden ohne Diskussion Annahme. Der Magistrat legt die halbjährliche Uebersicht über die Klassenfrequenz der Gemeindeschulen nach dem Stande vom 1. M«i 1912 zur Kenntnisnahme vok/ Stadtv. Leid(Soz.): Auch die Zahl BS als Höchstbefetzuiig der untersten Klassen halten wir noch für viel zu hoch; wir haben unseren gegenteiligen Standpunkt immer zum Ausdruck gebracht und müssen auch heute wieder darauf drängen, dah diese so unvor- teilhaft hohe Frequenz-maximalziffer weiter herabgcdrückt wird, zumal diese Ziffer in einer Reihe von Klassen noch über- schritten wird und bis auf 60 hinaufgeht. Trotz einiger kleiner Er- leichtcrungen, die eingetreten sind, bleibt immer noch recht viel zu tun. Wenn man uns immer wieder entgegenhält dah man ja im Endziel mit uns einig sei, dah aber nur langsam vorgegangen werden könne, dah nach der Statistik auch tatsächlich ein erheblicher Rückgang der Frequenz erfolgt ist, so müssen wir entgegnen, daß gerade diese»Statistik keine starke Beweiskraft hat. Jin Zentrum sind die Schulen sehr viel schwächer besetzt al6\ die große Mehrzahl der Klassen in den Schulen cm der Peripherie. Auch aus den Miß- stand der immer noch recht zahlreichen Mietschwlen müssen wir erneut hinweisen; noch heute befinden sich 466 Klassen in Mietschule«. Die Berliner   Lehrerschaft hat vollkommen recht mit ihrer Bc-.g hauptung, dah gerade dieses Mietschulwesen schwere Schäden für die Erziehung und Unterweisung der Berliner   Voltsschulkinder im Gefolge hat. Es muh rascher mit Reformen vorgegangen werden, Finanzielle Rücksichten dürfen dabei nicht ausschlaggebend sein; die Stadt Berlin   darf die Kulturaufgaben nicht leiden lassen. CS darf auch nicht dahin kommen, dah sich die Stadt Berlin   von der Regierung ein Armutszeugnis ausstellen lassen muh, indem diese sie zur Beseitigung des Mietschulwesens an half. Wir haben Mietschulen, in denen bei großer Kälte der Unter» richt ausfallen mühte! An unsere Bauvevwaltung richte ich das dringende Ersuchen, an den nötigen Schulbauten mit aller- größter Beschleunigung zu arbeiten. In der heutigen Vorlage finden wir die auffällige Erscheinung, daß eine ganze Reihe von Schulen in Moabit   zwei oberste Klassen haben und daß diese obersten Klassen außerordentlich gut besetzt sind. Welche Gründe bestehen für diese an sich natürlich sehr erfreuliche Erscheinung? Diese sämtlichen Schulen liegen in Moabit   und in demselben 13. Schulinspektirmsbezirk. Für cine Aufklärung dieser Erschei­nung wären wir dankbar. Eine«eitere Auskunft wäre uns er- wünscht über daS Stadium, in welchem sich jetzt die Frage de» AchtilassensystemS befindet.(Beifall.) Stadtschulrat Dr. Fischer: Dah unsere Kkassenfrequenzver- Hältnisse ungünstig sind, kann ick, nicht zugeben. Die Durch- schnittSbesetzung ist abermals zurückgegangen, auf 42, 40. Die untersten Klassen sind seit 1900 von 70 auf BS Frequenz herunter­gebracht worden. Nur 171 von den 5265 Klassen haben eine höhere Besetzung aufzuweisen. Das ist der Fall insbesondere bei den katholischen Schulen, deren Schülerzahl neuerdings sehr zugenom- wen hat. Sobald die nötigen Räume vorhanden sind, werden die Klassen geteilt. Andernfalls halten wir für zweckmäßiger, bis etwa 66 hinaufzugehen, als fliegende Klassen einzurichten. Die Mietschulen halten wir auch für einen nicht ausreichenden Ersatz. Die Schulverwaltung tut, was sie kann, um neue Schulhäuser zu bekommen. Richtig ist, dah in der Anwn- Und Gothenburger Strohe wir in sehr ungünstige Verhältnisse kommen werden, wenn sich die Bauvcrwaltung nicht sehr beeilt.(Härtl hört!) Die be- sondere Erscheinung im 13. SchulkreiS ist leicht zu erklären. In Moabit   besuchen auch Kinder au» besserfituierten Familien die Gemeindcschulen. Wenn der neue Lehrplan genehmigt sein wird, dürfte der Uebelstand Meier Klassen nebeneinander beseitigt wer- den können; wir werden dann von der dritten Klasse an dl- und O-Klassen einrichten. Stadv. Cassel unterstreicht die DeschKerde de» Stiadiv. Leid über die nicht rechtzeitige Fertigstellung von Schulbauten; der Magistrat solle bei der Bauverwaltung nachdrücklich einwirken.(Beifall!), Die Uebersicht wird zur Zkenntni» genomwen. Von dem Vermächtnis von 2066 M., welches der Majore Ge- heimrat und Verwaltungsgerichtsdirektor a. D. ElSler von Ä r o n o w. der Stadt Berlin   unter der Bedingung ausgesetzt hak, dah die Zinsen so lange zum Kapital z-u schlagen sind, bis diese» den Betrag der städtischen Schulden erreicht, ist schon Mit- teiluny gemacht worden. Von dem gedachten Zeitpunkte an dürfen die jährlichen Zinsen bis zur Hälfte verbraucht werden. Der Magi- strat hat die Annahme des Vermächtnisses beschlossen. Stadt». Solmiy(Fr. Fr.) meint, e» sei dem Testator nur darauf angekommen» sich aus billige Weise einen ewigen Namen zu machen; weiter habe eS ja doch keinen Zweck. Man soll« da» Legat ah- lehnen. Stadtb. Ladewig schließt sich dem Vorredner durchweg an. Stadtv. Bruns(Soz,): Auch bei uns sind Stimmen, laut ge- Wörden, welche daS Legat für zweifelhaft erklärten; aber Kollege Arc-nS hat ausgerechnet, dah man in 360 Jahren bei 4 Proz. doch 256 Millionen herausbekommen könne(Heiterkeit). Wir vergeben uns durchaus nicht», wenn wir ein solches Vermächtnis annehmen. An diesem Beispiel hat der Geschenkgeber vielleicht zeigen wollen. welche kolossale Wirkung Geld haben kann, wenn es aus ZinseSzinS angelegt wird. Wir wollen jedenfalls unseren Ur-Urenkeln die Freude, die ihnen der Stifter machen, wiU nicht verderben. Unter großer Heiterkeit wird der MogiftratSanftag mit erheb- licher Mehrheit angenommen.