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Auf Grund dc3 GeseheS hofft 7. August 1911 Ijof fcet Ma- SistratBestimmungen für die Beschulung blinder und taubstummer Kinder in Berlin  " ausgearbeitet. Als Entgelt für auswärtige EJchuler der Berliner   Blinden- und Taubstummenschule sollen wie bisher L00 M. jährlich erhoben werden., Die Bestimmungen finden ohne Debatte Annahme. Zu den Kosten einer 8 Ivtägigen Studienreise der Berliner  Typographischen Gesellschaft und des Berliner   Faktoren- Vereins nach Wien   und Budapest   wird städtischerseitS ein Beitrag von SO» M. bewilligt. Die über die Ringbahn im Zuge der Schönhauser Allee führende Brücke will der Magistrat bei dem bevorstehenden Umbau um weitere 2.6 Meter, d. h. von 27,3 auf 39,6 Meter verbreitern lassen, so daß die Stratze sich in der zwischen den Vorgartenfluchten liegenden Breite über die Brücke fortsetzen würde. Die Kotten der Verbreiterung über 37 Meter hinaus hat die Stadt zu tragen; da die Eisenbahnverwaltung den Bau ausführt, sollen dieser die erforderlichen 13 606 M. aus dem Vorschußkonto zur Verfügung gestellt werden. Stadtv. Neimann(A. L.) beantragt Ausschußberatung. Man müsse doch versuchen, ob nicht ganze Arbeit gemacht, d. h. die Brücke in der vollständigen Breite der Schönhauser Allee   angelegt werden könnte. Stadtv. Baumann(Fr. Fr.) will dasselbe Ziel erreichen und empfiehlt in erster Linie Ablehnung der Vorlage. Stadtbaurat Krause führt aus, daß auch hier tvieder«in Haupihindernis beim Eisenbahnfiskus liegt. Allenfalls würde eine Verbreiterung auf 42 Meter zu erreichen fein. Stadtv. MarS(Soz.): Um endlich mit der Sache vorwärts fiU kommen und nicht dem Eisenbahnfiskus Gelegenheit zu geben, ie von neuem zu verschleppen, sollten wir, um wenigstens etwas zu bekommen, die heutigen Vorschläge deS Baurats aheptieren. Stadtv. Max Schulz(N. L.): Auch heute kommt man uns hier wieder mit einerZwangslage", weil die Sache eilig sei. Die Nähe der Ferien darf uns nicht abhalten, klar in die Zukunft zu blicken. Für die Verbreiterung der Brücke auf die volle Straßenbreite sind heute 66 666 M. erforderlich; in wenigen Jahren möchten daraus mehr als 166 666 M. geworden sein. Die Frequenz über diese Brücke ist heute schon derart, daß man von einer Notlage sprechen kann. Der Antrag auf Ausschußberatung bleibt in der Minder- heit, ebensö der Antrag auf Verbreiterung der Brücke von Bau- flucht zu Bauflucht. Angenommen wird schließlich nach einem An- trage Jacobi(A. L.) das Ersuchen nm eine Vorlage zwecks Verbreiterung auf 42 Meter. Die Gemcindcschule 21, Hinter der Garnisonkirche, soll ebenso wie die Gcmeindeschule 88, Bergstraße» allmählich eingezogen werden. Stadtö. Leid: Gegen die Beseitigung dieser beiden Schulen er- hebe ich namens meiner Freunde Einspruch. Sie weisen beide eine Frequenz auf, die wir nur möglichst verallgemeinert wünschen können, und sie ist jedenfalls so, daß die Schulen ausrecht erhalten werden sollten.(Große Unruhe, die das Verständnis der Aus- führuugen des Redners sehr erschwert.) Die Begründung meint, der Abbau der Schulen werde sich ohne Schwierigkeiten vollziehen. Ich kann das nicht nachprüfen, zumal für diese Nachprüfungen weitere Unterlagen nicht gegeben sind. Es hätte ersichtlich gemacht werden sollen, zu welchen Kommissionsbezirken die betreffenden Schulen gehören. Mit der Einziehung solcher Schulen ist ein« Reihe Unbequenilichkeiten für zahlreiche Kinder verknüpft. Die Versammlung ninimt die Vorlage zur Kenntnis. Für die Beschaffung weiterer 16 elektrisch betriebener Straßen» Waschmaschinen, die der Magistrat schon jetzt in Auftrag geben will, werden 264 866 M. in den Etat für 1913 eingestellt werden. Auf dem städtischen Gelände an der Fröbelstrvße gegenüber der Siechenanstalt und dem Obdach beabsichtigt der Magistrat eine zweite Stechenanstalt zu erbauen. Da auch das Obdach in absehbarer Zeit tiner Er- Weiterung bedarf und eine Gemeindedoppelschule ebenfalls auf diesem Gelände wird errichtet werden müssen, sollen der Dan- ziger Platz und die Fluchtlinien der Gedikestraße und eines Teiles der Diesterwegstraße aufgehoben werden. Stadtv. Brunzlow(A. L.) kann den Plan des Magistrats nicht billigen. Er verweist auf die zahlreichen Gegeneingaben nament- lich von Hausbesitzervereinen und beantragt Ausschuß- beratung. Stadtv. Metzke(Soz.): Gegen die Niedersetzung eines Aus- schusses müssen wir uns diesmal ablehnend verhalten. Es handelt sich nicht um Aufhebung eines bestehenden Platzes, es sind dort nur Kohlenlager vorhanden. Unglücklich war auch der frühere Beschluß der Anlage der Gedikestraße. einer Wien   Straße, die jetzt bloß ein Schlupfwinkel für unliebsame Elemente ist. Wir sollten heute der Vorlage zustimmen, damit endlich etwas Er- sprietzliches aus dem dortigen Terrain geschaffen werden kann. Ausschußberatung würde die Sache bloß wiederum ein halbes Jahr verschleppen. Stadtv. Max Schulz: Hier sind wir glücklicherweise souverän in unserem Beschluß. Wollen wir da kurzerhand vor den Fexien eine Vorlage erledigen, deren Tragweite viel größer ist, als der Vorredner zugeben will? Durch die Schaffung eines riesigen de- bauten Blocks würden wir hier, statt Verkehrshindernisse zu be- seitigen. welche schaffen, und zwar womöglich auf ein Jahrhundert binans. Stadtrat Dr. Franz: Auf dem Platz befindet sich schon eine Baracken schule. Für die weiteren Bauten, die die Verwaltung plant, bedarf sie des ganzen Platzes. Die Kassierung deS Platzes und der Straßen benachteiligt das Verkehrsinteresse keineswegs. Die Einzelvorlagen kommen ja später doch vor Sic; heute soll nur die Grundlage dafür geschaffen werden. Stadtv. Hoffmann(Soz.): Jede Stadtgegend wird gegen daS Obdach protestieren: das wird immer so fem und bleiben. Irgendwo müssen die Obdachsuchenden doch untergebracht werden; wir wollen sie doch nicht mit Methylalkohol beseitigen.(Heiter- ff it. Zurufe.) Ich wäre gar nicht dagegen, sie im Schlosse Bellevue unterzubringen; dann würde Berlin   W. auch einmal eine Vorstellung vomWeh" des Volkes bekommen. Die Annahme der Vorlage verpflichtet zu gar nichts.(Wider- spruch.) Heber die künftigen Bauten und Anlagen wird dadurch nicht entschieden. Wir brauchen Platz zur Erweiterung des Ob- dachs. Der Erweiterungsbau kommt, und Dezentralisation wird kaum möglich sein. Geben Sie die Möglichkeit einer neuen Flucht- linie, dann haben wir bis zum Herbst vielleicht schon die Genehmi- gung; sonst wird d» Sache lediglich weiter verschleppt. Sie können es ja später ablehnen, auf dem Platz das Obdach oder das Siechen- Haus zu erweitern. Stadtv. Landsberg  (A. L.) spricht für Ausschußberatung. Er plädiertgerade im Interesse der Asyltsten, dieser armen Leute", für Dezentralisation des Obdachs; man könne ihnen doch nicht zu- muten, von der Potsdamer Straße   und von anderen weit ent- legcnen Stadtteilen(Heiterkeit) bis zur Fröbelstraße zu gehen. Stadtv. Hoffmann: Das Haupthindernis der Gegend ist nicht das Obdach, sondern die Gasanstalt. Demsozialeren" Empfinden des Kollegen Landsberg   würde man doch mehr gerecht werden, wenn man in jedem Bezirk ein Obdach errichtete; vielleicht interessieren sich die einzelnen Bezirksvereine dafür.(Große Heiterkeit.) Der Antrag auf Ausschußberatung wird abgelehnt, der Magistratsvorschlag angenommen. Erhöhung der Pflegegeldsätze für die in Familien untergebrachten Waisenkinder wird vom Ma- gistrat beantragt; sie soll am 1. Juli 1912 in Kraft treten. Von diesem Termin an würde'der tägliche Verpflegungssatz betragen: für rckonvaleSzente Säuglinge 1 M., für Kinder bis zu 154 Jahren 70 Pf., für Kinder von 154 bis 2 Jahren 60 Pf., für Kinder von 2 bis 3 Jahren 60 Pf., für Knaben von 3 bis 14 Jahren 46 Pf., für Mädchen von 3 bis ß Jahren 46 Pf. in Berlin   mit Bororlen und Köpenick  . Für Mädchen von 6 bis 16 Jahren in Berlin   36 Pf.» für Mädchen von 3 bis 14 Jahren auswärts 35 Pf. Der Magistratsantraa gelangt ohne Debatte zur Annahme. Zum Zwecke der Durchlegung der Lindenstraße bis zum Spittelmarkt sollen die Grundstücke Leipziger Stratze 68 und 69, Beuthstraße 14, 15 und 16 enteignet werden, da die Forderungen der zeitigen Besitzer viel zu hoch sind, Die Versammlung gibt ihre Zustimmung. Nachträglich hat der Magistrat der Versammlung noch elne Vorlage unterbreitet, worin die Zustimmung zu der in dem Bau- vertrag mit dem EisenbahnfiSkuS über Herstellung eines Anschlußgleises von der Berliner Ringbahn nach dem städtischen Osthafen anzunehmenden Schiedsgerichtsklausel nachge- sucht wird. In der Klausel(Z 8 des Vertrages) wird bestimmt, daß alle Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis durch ein Schieds- gericht unter Ausschluß des Rechtsweges zu entscheiden sind. Jede Partei bestellt einen Schiedsrichter und diese beiden wählen den dritten Schiedsrichter als Obmann; kommt diese Wahl nicht zu- stände, so wird der Obmann von dem jeweiligen Präsidenten der Eisenbahndirektion Stettin gestellt. Stadtv. Cassel erklärt diese Klausel für ein« unerhörte Zu» mutung an die Stadt Berlin  . Das Schiedsgericht werde dadurch zu einer reinen Farce. Da die Eisenbahnverwaltung unbedingt auf der Annahme der Klausel bestehe, werde man sich ihr fügen müssen. aber nur mit höchstem Unwillen, Verdruß und Bitterkeit. Es komme ein vitales Interesse der Stadt in Frage; aber nur deshalb. nur angesichts der wirklichen Notlage müsse man sich zur Annahme bequemen. Var dem ganzen Lande fei zu konstatieren, daß die Anerkennung, die die Selbstverwaltung oft an hoher Stelle finde, mit den Taten der Regierung nicht in Einklang stehe, daß hier viel- mehr die Stadt Berlin   anter ein kaudinisches Joch gezwungen werde. Stadtö. Leib: Auch wir legen entschieden Protest gegen diese ungeheuerliche Zumutung der Eisenbahnver- waltung ein. Letztere hätte es doch sehr viel einfacher gehabt, einfach zu sagen:Kommen die beiden Kontrahenten in Streit, so entscheidet die Eisenbahnverwaltung."(Sehr richtig! Große Heiterkeit.) Die Verwaltung fußt darauß daß das der Vertrag sei, den sie mit allen Gemeinden schließe. Um so schlimmer; wir könnten uns darauf berufen» daß bei Abschluß deS Vertrages wegen der Putlitzbrücke Berlin   seitens der Eisenbahnverwaltung einige Konzessionen gemacht worden find. Wenn wir heute in der Eni- scheidung frei wären, würden wir die Vorlage glatt ablehnen; leider sind wir aber nicht frei, und das benutzt die Eisenbahnverwaltung, uns ihre Bedingungen zu diktieren. Wir müssen also auch die Zwangslage anerkennen, die Vorlage schlucken. Stadtrat Dr. Franz: Alle Versuche des Magistrats, die Klausel herauszubringen, find gescheiterte Durch die Ablehnung der Vor- läge würde der Bau weit hinausgeschoben. Ein schwacher Trost ist der. daß diese Klausel überhaupt wicht praktisch werden wird. Stadtö. Rosenow  : Auf die Drücke trete ich nicht gern; noch bei jeder Streitsache mit dem FiSkuS sind wir die Leidtragenden gewesen. Eine solche Ausnutzung der Notlage wie hier bezeichnet man im bürgerlichen Leben sonst mit einem sehr drastischen Worte; die Behandlung, die die Stadt hier erfährt, ist geradezu schimpflich. Stadtv. Körte ersucht den Magistrat, dahin zu wirken, daß der preußische Städtetag gegen diese unbegreifliche Verfügung Sturm laufen möge. Die Vorlage wird angenommen. Mit Worten des Dankes an den Stenographen der Ver- fammlung, Prof. Dr. Eduard Engel  , der nach 38 jähriger Tätig» keit heute aus diesem Amte scheidet, schließt der Vorsteher Wiche- let gegen.5416 Uhr die öffentliche Sitzung. Bus Induftrie and bandet Die Preissteigerung de» letzten Jahrzehnts. Bei der Besprechung der Teuerung des vergangenen Jahres ist von feiten der Regierung und der Konservativen verschiedentlich geltend gemacht worden, die Teuerung sei nur eine vorübergehende Erscheinung, eine Schickung Gottes. Nun beeinflußt unzweifelhaft der Ernteausfall die Preisbildung der Lebensmittel. Aber mit diesen zufälligen Preisbeivcgungen würde man sich leichter ab- finden, wenn sie wirklich nur vorübergehend das Volk belasten würden. Tatsächlich aber ist die Preissteigerung aller Waren- gattungen feit mehreren Jahrzehnten in alle» Zdulturstaaten zu beobachten. Die Kurve der Warenpreise zeigt bei jährlichen Schwankungen eine unzweifelhaft aufsteigende Linie seit Mitte der achtziger Jahr» des vergangenen Jahrhunderts. Die Teuerung ist ebensowenig wie eine vorübergehende, so auch keine nationale Er- scheinung. Nicht nur die europäischen   Industrieländer zeigen dauernde Preissteigerungen, auch die Vereinigten Staaten   leiden unter derselben Erscheinung. Und zwar verläuft die Linie des GesamtpreismveauS in allen Staaten im ganzen in gleicher Weise. An Preishebungen und geringen, vorübergehenden Preissenkungen sind alle Staaten beteiligt. Dennoch sind natürlich die absoluten Preise für die einzelnen Waren in den verschiedenen Ländern ver- schieden hoch. So zahlte man für Weizen 19611966 in London  131 M., in Deutschland   171 M. Im Jahrfünft 1966/16 stand der Weizenpreis in London   auf 166 M.. in Deutschland   auf 211 M. Gestiegen sind die Preise in beiden Ländern, aber in Deutschland  wird die Steigerung viel drückender empfunden werden, da die absoluten Preise recht hoch, viel höher als in England stehen. Vergleicht man das Ansteigen der Warenpreise in den einzel- nen Ländern genauer, so ergeben sich noch weitere charakteristische Unterschiede. Neben den allgemeinen, dauernden, internationalen TeuerungSursachen, die in der modern-kapitalistischen Produktion begründet sind, wirken noch Faktoren, die in den einzelnen Staaten von verschiedener Stärk« sind. Die Steuer, und Zollpolitik der herrschenden Klassen gehört zu den wesentlichsten dieser Faktoren. Hochs chutzzollander, wie Deutschland   und Amerika   zeigen ein schnelleres Steigen der Preise, als Länder ohne Einfuhrzölle wie etwa England. Bildet man Warengruppen und setzt ihren Preis für die Jahre 1L96 bis 1899 gleich 166, so waren die Preise ge- stiegen'): Die animalischen Nahrungsmittel z. B. sind in Deutschland  von 166 auf 122 im Jahre 1911, in England dagegen in der gleichen Periode nur von 160 auf 113 gestiegen. Das gilt auch für die Mehrzahl der anderen Warengattungen. Nur Getreide und Textil- rohstoffe machen 1911 eine Ausnahme, aber xm Jahre 1910 stand die Preissteigerung auch dieser Waren in England hinter der in Deutschland   zurück. Scheidet man die verschiedenen statistisch er­faßten Preise nach den beiden Gruppen Nahrungsmittel und Roh. stoffe, so beträgt 1911 in Deutschland   die Steigerung(1896 99 160) für Nahrungsmittel 26, für Rohstoffe 36; in England dagegen nur 4 bezw. 29. ) Diese Ziffern sind entnommen all»: D i e P r e i S st e i g e- rung des letzten Jahrzehnts. Von Professor Dr. Franz Eulenburg in Leipzig  . Geh. 2,46 Mk. 96 Seiten. Vorlag von N. Li. TeÄn». So richfig e» auch ist, daß die Teuerung eine internationale Erscheinung ist, so lassen sich dennoch durch die Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder bedingte Unterschiede feststellen. Mit allge- meinen Hinweisen auf die Preissteigerungen aller Kulturländer werden die Regierung und unsere Mehrheitsparteien noch nicht von ihrer besonderen Schuld entlastet. Gerade im vergangenen Jahr und wir leiden noch heute darunter ist die durch ungünstige Witterungsvcrhältnisse hervorgerufene Preissteigerung durch den deutschen   Zollabschluß verstärkt und auch auf Waren ausgedehnt worden, die von einer Mißernte gar nicht betroffen waren. ©eriebts- Zeitung. Hausagrariertum vor Gericht. Dcv Hauseigentümer Ernst Linke in Berlin  , GreifStvaköer Straße 167, hat gegen seinen Mieter, den Genossen Wels und dessen Frau eine Exmissionsklage angestrengt, deren Begründung und Ausgang in erster Instanz die Maßlosigkeit der Ansprüche des Hausagrariertums und kurzatmigen, schematischen Juristen- formalismuS zu kennzeichnen geeignet ist.> Beklagter hat eine Wohnung im Hause des Kläger  » gemietet. Der Vertrag läuft bis zum 1. April 1913. Der Kläger   verlangt aber sofortige Aufhebung deS Vertrages, weil Beklagter seine ver- mögenslose Mutter zu sich genommen hat, ohne vom Klager eine Erlaubnis hierzu einzuholen. Seinen Anspruch leitet er aus dem dahingehenden Wortlaut des tz 6 des Mietvcr- träges her:, Mieter ist ohne schriftliche Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mlieträume ganz oder teilweise ent- geltlich oder unentgeltlich einem Dritten zu überlassen, ins- besondere die Räume weiter zu vermieten.' An der Einhaltung dieses Paragraphen, vreint Kläger  , habe er ein erhebliches Interesse. Denn durch das Mitwohnen der Mutter würden die Räume zu sehr abgenutzt. ES liege ein vertragswidriger Gebrauch der WohnungSräume vor. Auch sei Beklagter sozialdemokratischer Abgeordneter. Gerade von feiner politischen Partei werde jetzt eine statistische Erhebung über die WohnungSvcrhältnisse in Berlin   veranstaltet, und diese Statistik» soweit sie gediehen sei. bereits jetzt zu hetzerischer Propaganda, insbesondere gegen die HauSbesitz«, benutzt. Diesen werde die Schuld an dem von den Sozialdemokraten gerügten Wohaungs- elend zugeschoben. Er wolle eS nach Kräften vermeiden, daß diese Propaganda so wenig auch ein einzelner Fall ins Gewicht fall« durch Verschlechterung der Statistik Nahrung erhalte. Der Be- klagte bestritt diese Ausführungen und wendete ein.§ 6 sei über- Haupt nicht verletzt, da keine Gebrauchsüberlassung, sondern nur eine Gestattung der Mitbenutzung vorliege. Hierzu sei er aber moralisch und rechtlich seiner alten Mutter gegenüber verpflichtet. Der§ 6 verstoße auch gegen die guten Sitte», die vom Kläger beliebte Auslegung des§ 5 gegen Treu und Glauben. Da» AmtS- gericht gab der Räumungsklage statt. In den denkwürdigen Grün- den heißt es:, »Als gegen die guten Sitten verstoßend und damit wichtig kann die Bestimmung nicht aufgefaßt wmben, obgleich sie wie die meisten Berliner   Mietverträge große Härten für den Mieter enthält. Die Bestimmungen geben zweifellos häufig dem Ver« mieter derartig weitgehende Rechte, daß ihre rigorose Aus- Nutzung auf Grund des 8 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches hin nichtig machen kann. Dies trifft hier jedoch nicht zu. ES kann von einem Mißbrauch der durch 8 6 des Vertrages gegebenen Rechte seitens des Vermieters hier nicht die Rede sein. ES ist gerichtsnotorisch, daß in Berlin   seit einiger Zelt eine heftige Bewegung eingesetzt hat, die sich dagegen wendet, daß eine größere Ansohl von Personen in einem Zimmer schlafen oder wohnen, und daß Nebei, räume, wie ins besondere die Küche, zum Schlafen benutzt werden. In dieser Bewegung wird die Schuld an diesen zweifellos vorhandenen Zuständen in erster Linie den Wdhnungsvermietern beigemessen. Es kann dabei gänzlich dahingestellt bleiben, ob diese Bewegung von der sozial- demokratischen oder einer anderen Partei ausgeht, ob Beklagter deo Sozialdemokratie angehört und ob die gegen den Wohnungs- Vermieter erhobenen Vorwürfe berechtigt oder unberechtigt sind. Man wird aber dem Wäger das Recht zustehen müssen, daß er eS nach seinen Kräften vermeidet, dieser Bcw'cgung, die sich mit gegen ihn richtet, Material zu liefern, und dies könnte im vor- liegenden Falle wohl sein. Wenn eine FamAie von 6 Köpft» 2 Zimmer mietet, so ist eine Einteilung der Räume in der Weise denkbar, daß die Eheleute in einem Zimmer und die Kinder in dem anderen Zimmer schlafen. Die Unterbringung einer dritten erwachsenen Person bringt dann jedoch bedeutend« Schwierigkeiten mit sich und kann der genannten Bewegung für ihre Publikation in den Zeitungen, Aufrufen und dergleichen wvhl Material geben. Es ist dem Kläger nicht zu verdenken, wenn er sich dagegen wehrt. Da Beklagte trotz Abmahnung des Vermieters somit einen vertragswidrigen Gebrauch der Wohnung- fortsetzen, die die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt, kann Kläger  gemäß 8 666 des Bürgerlichen Gesetzbuches und§ 16 des Ver- träges Räumung ohne Einhaltung einer KündigungSftist der- langen." Das Landgericht hat als Berufungsinstanz jetzt die» Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, nachdem eS sich durch Be­weisaufnahme davon überzeugt hatte, daß Beklagter seine Mutter in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht in seinen Haushalt auf- genommen hat. Der schematische Formalismus des Amtsgerichts geht über daS Puchen Shylocks auf seinen Schein hinaus. Denn für Shylocks Recht" auf ein Pfund Menschenflcifch sprach wenigstens unzwei- dcutig der Wortlaut seines Scheins. Dieses Formaljuristcntum müßte folgerichtig auch dazu führen, einen Ehemann zu ex- mittieren, der sich beikommen läßt,ohne schriftliche Erlaubnis des Vermieters" die Geburt und das Verbleiben seines Kindes in der elterlichen Wohnung zuzulassen. Straßenraub? Dreiste Diebstähle im Tiergarten und auf offener Straße beschäftigten gestern das Schwurgericht des Landgerichts I  . Aus der Untersuchungshast wurde der früher im Virchowkrankenhause angestellt gewesene Krankenpfleger Albert Timpe vorvsührt, um sich wegen Straßenraubes in zwei Fällen zu veranworren. Der Angeklagte hatte, als er anfangs Mai d. I. stiellungS- und wvh- nungslos war, im Tiergarten und am Bundesratsuftr zwei Damen die Handtaschen entrissen und war damit geflüchtet. In dem zweiten Falle wurde er auf die Hilferufe der Uebcrfallenen von Passanten verfolgt und nachdem man ihn einer kleinenLynch- justiz" unterzogen hatte, der Polizei übergeben. Bor Gericht machte Justizrat Leonh. Friedman» geltend, daß nicht Raub, sondern nur einfacher Diebstahl vorliege, da zu den TatbcstaichSmerkmalen des Raubes immer die Ucberwindung eines gewissen Widerstands gehöre, der aber bei den völlig überraschten BestohKnen nicht vor­handen gewesen sei. Die Geschworenen schlössen sich diesen Rechts« ausfiihrungcn an, so daß der Angeklagte nur wegen Diebstahls zu acht Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Beschwindeluug kleiner Geschäftsleute. Ein gefährlicher Schwindler, der zirka 66 kleine Geschäftsleute in Berlin  , Charlottenburg  . Spandau   und Köpenick   empfindlich ge- schädigt hat, mußte sich gestern vor der 1. Strafkammer des Land- gericht» I verantworten. Wegen Betruges in zirka 66 Fällen war derMaurer  " Otto Damm angeklagt. Wegen Beihilfe hierzu hatte sich sernir die Ehefrau Auguste D. und wegen geiserhSlnäßiger