Ernest meint Mar. man könnte die„Garde Cibique"(die Bürger-wehr), wenn nicht gar das Militär, zum Streiken dringen...Ernest möchte schließlich warnen, den Enthusiasmus und denSchwung der Arbeiterbevölkerung von Charleroi. die stets ihre sozia-listische Pflicht getan habe, zu mißachten und ihren M!ut zu brechen.De Brouckere: Man wird nicht mehr vom Wahlkartellsprechen— verfallen wir aber nicht in die neue Illusion einesGeneral st rei kkartells.— Kein schlimmerer Wahnsinnkönnte uns passieren, als bei einem Generalstreik auf die Hilfeder liberalen Industriellen zu zählen. Helfen sieuns, gut. Aber es ist klüger, nicht damit zu rechnen.— Ebenfallsmuß gesagt werden, daß die Regierung nicht so leicht nachgebenwird. Folgen wir aber der Parole des Vorstandes, o r g a n i-s i e r e n wir den Generalstreik, bereiten wir ihn vor. Machenwir ihn nicht zu früh!(Destree ruft: Nicht zu spät!)jGewiß wird man nicht dahinkommen, durch gewerkschaftlicheEinnahmen alle Streikenden zu unterstützen. In der Tat müßteman 18 Jahre jede Woche S0 Centimes einzahlen, um dahin zu ge-langen, 500 000 Streikende mit 2,50 Franks pro Woche zu ent-schädigen... Aber wenn diese Summen nicht zu beschaffen sind,muß vorgesorgt werden, daß die Unglücklichsten, Bedürftigsten ent-schädigt werden. Wenn in einer Werkstatt 10 Proz. dem Schlimmsten preisgegeben sind, ist der Streik verloren. Kann man diese10 Proz. wenigstens vor Hunger schützen, ist der Streik gewonnen.Dennoch brauchen wir Geld, viel Geld... Auch gilt es die Geisterzu bearbeiten, vorzubereiten und auch in diesem Sinne ist unsZeit notwendig, damit wir durch sechs Wochen einen Generalstreikmit 500 000 Mann halten können. Dann ist das Wahlrecht ge-sichert.—Gegen Hubin polemisierend, repliziert de Brouckere. daß dieBourgeoisie, wenn es gelingt, ihr klar zu machen, daß sie keineRuhe haben wird, ehe nicht das Wahlrecht triumphiert, einsehenwird, daß es profitabler ist, dem Volke sein Recht zu geben.Schon die Tatsache der Organisierung des Streiks nähertuns dem Ziel... Sie wird ihre Rückwirkung auf das Wirtschaft-liche Leben zuverlässig ausüben. lDaß die sozialistischen Parlamentarier nicht streiken können,wie von einer Seite vorgeschlagen wurde, ist klar. Wie solltensie denn dann Obstruktion machen?—Was die Taktik der intermittierenden Streiks betrifft, sowende er sich nur an die Gewerkschaftssckretäre, die sagen werden,ob solche periodische Streiks möglich sind. Man weiß noch vomletzten Streik aus der ersten Juniwoche, was es heißt, die Streiken-den zur Arbeitsaufnahme zu veranlassen.Zum Punkt: der Streik muß friedlich sein, sagt der Red-ner folgendes: Wenn die Arbeiter waffenlos sind, kann es zum Ge-metzel kommen; bewaffnete Arbeiter führen zur Schlächterei.—Unsere Pflicht ist es, die Arbeiter vor einem Weg ohne Ausgang zubewahren.— Sorgen wir auch, daß die Provokateure nicht unserWerk zu Schaden bringen und lassen wir mit ihnen nicht einFerment der Demoralisation in unsere Reihen dringen.—Was den Zeitpunkt zum Losgehen betrifft, äußert der Redner:Am 0. Juli beginnt die außerordentliche Session. Die Regierungkann sie schließen, wenn es ihr beliebt. Es wäre dieselbe Situation,wie am 2. Juni, wenn nicht schlimmer.Der � früheste Moment wäre die nachfolgende Session.Denn alle Welt ist sich darüber klar, daß der Generalstreik miteiner parlamentarischen Situation zusammentreffen muß. Diereine Vernunft zeigt demnach, daß die Bewegung logischerweisenicht vor November einsetzen kann. Aber wir dürfen sie erst zumAusbruch bringen, wenn wir bereit sind, wenn der Moment unsgm günstigsten scheint. Indes mag die vom Erfolg trunkene Re-gierung neue Fehler häufen, Arbeiten wir an unserer antimilita-ristischen Propaganda zur Entwaffnung der Regierung. Benutzenwir den Winter zur Stärkung unserer gewerkschaftlichen Armee,zur Verbreitung des antimilitaristischen Geistes. Es gehört gewißMut dazu, der Ungeduld entgegenzutreten. Aber der wahre Wage-mut ist von Dauer und nicht durch einige Monate des Wartenszu brechen.— 1 1Destree, Interpret der Föderation von Charleroi, erklärtbon vornherein seinen Gegensatz zur Taktik des Vorstandes undVanderveldes. Niemals waren die Umstände günstiger, unfernWillen dem Lande aufzuzwingen. Man kann heute nicht, mehr, wiesonst immer in mißlichen Lagen, zum Volke sagen: Macht Wahl-Propaganda. Der Weg ist verrammelt durch die sophistische Ver-hältniswahl. Wir müssen daher die Ungeduld und die Volks-cmpörung ausnützen. Der glatte Weg des Gesetzes ist uns durchdie offizielle Korruption verschlossen. Wir müssen uns mittendurch unseren Weg wählen. Der Masseninstinkt hat mit sicheremGefühl den Generalstreik erwählt. Ich wiederhole, sagte Destree,machen wir ihn nicht zu spät. Diese allzu„wissenschaftliche" Vor-bereitung des Streiks könnte einem Furcht einjagem Die sogiali-stische Masse wird die übrigen Arbeiter zu sich hinüberziehen. Besserwäre, auf den Streik zu verzichten, wenn gewartet werden soll, biswir so stark sind, daß der Erfolg sicher ish Denn dann wird erüberflüssig sein. Nicht die wissenschaftliche Tiftelei, die Flammeder Begeisterung, die feurige Hingabe, der Wille an den Sieg alleinentscheiden.Man sagt: Keinen Streik mit festem Datum. Wie soll manaber eine Bewegung ins Werk setzen, wenn man nicht, weiß, wannsie sich kundtun soll? Seien wir ausrichtig. Wenn wir denGeneralstreik votieren mit der Absicht, ihn in einem Jahr oder nochspäter zu machen, votieren wir ihn lieber gar nicht. Charleroi istbereit für Juli, es bleibt bereit für November. Aus Liebe zurParteieinigkeit wollen wir, wenn nötig, sechs Monate warten.—Die Oeffenilichkcit aber möge zur Kenntnis nehmen, daß allen„Beruhigungen" hier zum Trotz die Massen mit unverminderter' Energie und Begeisterung harren.A n s e e l e versichert, daß auch das vlämische Volk dem General-streik zustimmt und seine Vorbereitungen trifft. Alle Gewerkschaftenund sonstigen sozialistischen Organisationen, Flanderns haben imPrinzip dem Generalstreik zugestimmt. Wir haben auch be-schlössen, daß kein organisierter vlämischer Arbeiter in den ersten14 Tagen eine Unterstützung nehmen wird. Ist in den beiden flan-drischen Probinzen, wo die Unternehmer ausnahmslos gegen dieArbeiter sind, die Situation ungleich schlechter wie etwa im Henne-gau, so werden, die vlämischen Arbeiter nichtsdestoweniger mittunund' alle Opfer bringen. Aber man kann nicht glauben, daß manmit ein paar Tagen Streik das Wahlrecht heimtragen wird. Eswar 1902 unmöglich und wird 1912 nicht möglicher sein. Um denGeneralstreik siegreich zu machen, müssen wir 500 000 bis 600 000Mann für einen mindestens sechswöchentlichen Streik haben. Esist unrichtig zu sagen, den, Streik vertagen, heißt ihm entsagen. Hatman nicht oft genug wirtschaftliche Streiks vertagt, weil derSMment nicht günstig war? Wir verlangen bloß, daß gewartetwird, bis auch wir bereit sind, damit der Sieg desto sicherer ist.Und der Moment wird nicht zu spät sein, denn die Arbeiterschaftselbst wird dem Generalstreikkomitee die Zeit angeben und den� Kongreß verlangen, der den letzten Beschluß zu fassen hat. Mögejeder Vater und jede Mutter an ihren Sohn, der in der Kaserneist, eine Weisung geben, die jede andere übertönt.Der Vorsitzende bringt sodann die Tagesordnung zur Ver-lesung, die zum Teil der Resolution der Föderation von Charle-«i esftWLMM ifc M Übrigen die von PMerpelde pertejtzigtxnLeitsätze des Vorstandes enthält. Wir haben ihren Jnhqlt Bereitsin unserem tclegraphischcn Berichs mitgeteilt.. ES wird zuerst über die einzelnen Absätze abgestimmt, zumSchluß über die ganze Resolution. Alle Hände sind erhoben, diemit den roten Karten und die mit den grünen Karten. Manschwingt die Karten, akklainiert, die Begeisterung ist unbeschreiblich.Um 7 Uhr schließt W a ut er s den Kongreß, der den einheit-lichen Willen bon 1600 Vertrauensmännern des organisierten belgi-scheu Proletariats kundgegeben hat, wenn es sein muß, mit demGeneralstreik für das gleiche politische Recht einzutreten.lisch einmal Suffragettes und Arbeiter-Vertreter.Unser Londoner Korrespondent schreibt uns, unter dem1. Juli: ES ist zweifelsohne peinlich, von Blättern von dem Schlageder„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" und der„Deutschen Tageszeitung" gelobt zu werdem Aber diePein ist nur von kurzer Dauer, wenet man bemerkt, daß das un-erwartete Lob auf einem scheinbar gewollten Mißverständnis be-ruht. Man muß wahrlich schon ein politischer Simpel sein, wennman, wie diese beiden Zeitungen es tun, aus dem im„Vor-wärts" vom 28. Juni veröffentlichten Bericht über„Suffra-gettes und Arbeitervertreter" eine Kritik des allge-meinen Frauenstimmrechts herausliest. Besonders wohltuend klingtdiesen reaktionären Organen der Satz:„Es war schlimm genug,daß sich Arbeitervertreter fanden, die die undemokratischenForderungen der Frauenrechtlerinnen unterstützten." Aha, sagt sichdie„Deutsche Tageszeitung", da haben wir's; dasFraucnstimmrccht ist undemokratisch. Und der Sinn desGeschriebenen ist doch jedem Menschen, der verstehen will, ganzklar. ES handelt sich um die Vergangenheit, als die Suffragettesihre in der Conciliation Bill niedergelegten Forderungen, dieniemand demokratisch nennen wird, verfochten und von einer An-zahl Arbeitervertreter dabei unterstützt wurden. Da» ist nicht eineKritik, sondern eine Verteidigung des allgemeinen Frauen-ftimmrechtS und eine Kritik des beschränkten, des Damen-stimmrechts. Nur Einfältigkeit oder böser Wille kann dies miß-verstehen. Wenn eine schärfere Kritik der Suffragettes jetzt geboten ist, als wir sie bisher pflegten, so geschieht das deshalb, weildie Aufführung dieser bürgerlichen Damen die Aussichten deS all-gemeinen Frauenstimmrechts in England gefährden. Diese Damen,deren Weltunkenntnis fast komisch ist, wollen sich als die VertreterdeS weiblichen Geschlechts aufspielen. Das ist ungefähr so, alswenn die„Deutsche Tageszeitung" sich als die Vertreterin derdeutschen Presse aufspielen wollte. In einer Londoner Ausstellung,die wir vor ein paar Tagen besuchten, hat sich ein bürgerlicherFrauenrechtlerinnenberein einen Laden gemietet, in dem prapa-gandistisch wirkende Plakate angebracht find. Auf einem derPlakate liest man, ob es denn nicht verächtlich sei, daß FrauenGesetzen wie den Fabrikgesetzen gehorchten, die von Männern ge-macht worden: In den Parks und an den Straßenecken kann manDamen hören, die sich darüber ereifern, daß männliche Gesetz-geber den Frauen verbieten, so lange zu arbeiten wie sie wollen.Das sind die Art Geistesblitze der Frauen; die den Kreisen nahe-stehen, die Blätter wie die„Deutsche Tageszeitung" und die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" lesen. Gegen das Frauenftimm-recht beweisen diese Schnurren der Damen nichts, wohl aber gegendas beschränkte Frauenstimmrecht und für die geistige Minder-Wertigkeit der bürgerlichen Frauen. Einer Arbeiterin und einerArbeiterfrau, die das Leben aus der Wirklichkeit kennen, könntendergleichen Dinge nicht passieren.Es wäre kaum der Mühe wert gewesen, den Ausführungender beiden reaktionären Organe, die unter der Maske der Einfaltihren Mangel an Aufrichtigkeit zu verbergen suchen, entgcgenzu-treten; wenn es sich nicht um Versuche handelte, eine neue Lügegegen die Sozialdemokratie zu erfinden. Die„Norddeutsche All-gemeine Zeitung" deutet schon darauf hin, daß sie den Berichtgelegentlich wieder zitieren wird. Hoffentlich wird sie dann nichtvergessen, zu bemerken, daß die Albernheiten der Suffragettes, ihrerKlassengenossen, von niemand mehr bedauert werden als vonden aufrichtigen Freunden des als gemeinenFraueystimmrechts._-'Oer Krieg.Bon! tripolitanischen Kriegsschanplatze.Rom, 3. Juli. Einer Meldung der Agenzia Stefani aus Tri-p o l i s zufolge wurden am Sonnabend von den Luftschiffen ausBomben auf die feindlichen Lager bei Suani Ben Aden geschleu-dert und dadurch von den Mahallas des Dschebels neunzehn Be-waffnete getötet und fünf verletzt.In Buscheifa griffen zahlreiche feindliche Gruppen amMontagabend die italienische rechte Flanke an, wurden jedoch nachkurzem Kampf zum Rückzug gezwungen.Die italienischen Stellungen bei S i d i Said werden fort-gesetzt verstärkt. Bersaglieris und Radfahrer unternahmen weiteErkundungszüge, fanden jedoch bisher vom Feinde keine Spur.Die türkischen Massendescrtionen in Albanien.Monastir, 3. Juli. Wie verlautet, haben sich die Meuterer inBegleitung starker Arnautenscharen nach Delvino gewandt. Amt-lich wird versichert, daß Jssa Boletinatz, der sich in der Gegend bonMitrovitza aufhalte, nur über dreihundert Anhänger verfüge.Konstantinopel, 3. Juli. Eine Versammlung von Offizierender Garnison Monastir unter dem Vorsitze des ArmeeinspekkorsZekki Pascha und dcS Korpskommandeurs Fethi Pascha beschloß,ein Telegramm des KriegsministerL, in dem dieser die Ueberzeu-gung ausgedrückt hat, daß sich die Offiziere der Garnison nicht mitden Deserteuren solidarisch erklären würden, dahin zu beantworten,daß sie selbst die Desertion nicht billigen, jedoch hoffen, daß dieDeserteure, die aus patriotischen Gefühlen handeln, nicht bestraftwerden, falls sie bald zurückkehren sollten. Die ersten Bataillone deraus den Dardanellen entsandten Division sind gestern in Monastireingetroffen. Die Deserteure, deren Zahl nunmehr etwa20 Offiziere, einen Polizeikommissär, einigeGendarmen und 375 Soldaten betragen soll, befindensich bei Koritza. Es verlautet, daß einige albanesische Beys sichihnen angeschlossen haben.Konstantinopel, 3. Juli. Nach Meldungen aus I a n i n a sindsieben Offiziere mit einer größeren AnzahlSoldaten in die Berge geflüchtet. Aus Janina istein Bataillon mit einem Maschinengewehr zur Verfolgung ent-sendet worden._politifchc dcberficht»Berlin, den 3. Juli 1912.Die Verhandlung gegen die Genossen Borchardtund Leinert,für die der Termin vor der Berliner Strafkamnier auf den3. Juli anberaumt war, ist auf den 23. September vertagt worden. Die Vertagung ersolgte, weil GenosseI Borchardt. der bereits vor seiner Wahl zum Abgeordneten sichwegen schwerer Rheumatismuserkranknng einer längerenKrankenhausbehandlung unterziehen mußte, sich auf ärztlicheAnordnung erneut einer längeren Nachkur unterziehen mutz.Die„Germania" als Denunziantin.Ende Mai hielt der Lehrer Pautsch-Berlin, im Anschluß an denDeutschen Lehrertag, einen Vortrag, in dem er, wie er betonte.durchaus im Einklang mit den Bestrebungen der neueren Pädagogik,als Hauptziele der Schule„die Herausbildung reinen Men-schentums und eines gesunden Staatsbürger-bewußtseins" bezeichnete. Die Schule müsse eine„freieInstitution" sein, die„der Kirche gleichberechtigt" gegenüberstehe:„Reines Menschentum bedingt soziale Gesinnung, die auchdas religiöse Gebiet umschließt. Dabei wollen wir aber keineBindung auf Konfessionen oder Dogmen, um den kon-fessionellen Frieden nicht zu gefährden." Da bei den letzten Reichs-tagswahlen die Konservativen und Ultramontanen nur ein Drittelaller abgegebenen Stimmen auf sich zu vereinigen vermocht hätten,habe das Volk durch seine Abstimmung bewiesen, daß es eine freieSchule fordere. Man könne beanspruchen, daß auch die Be-Hörden dieser Anschauung Rechnung trügen.Die„Germania" denunziert diese Ansichten, die nur die desLiberalismus sind, als sozialistische Auffassung! Dennwenn Herr Pautsch die Festlegung aus Konfessionen und Dogmenablehne und die Religion nur als„Anhängsel" der sozialen Gesinnung betrachte, so sei Herrn Pautsch die Religion der Zukunftder— Sozialismus. Herr Pautsch vertrete also sozia-l i st i s ch e Schulideale, statt nach der Programmrede des der-zeitigen Kultusministers Trott zu Solz auf dem Deutschen Lehrer-tag die Heranbildung eines„gottesfürchtigen, vaterlandsliebenden,an Leib und Seele gesunden, pflichttreuen Geschlechtes" als Schul-ideal hinzustellen.Es ist freilich eine ungeheuerliche Anmaßung von einem Schul-sklaven, in der Aera des blauschwarzen Blocks jene pädagogischenIdeale zu vertreten, für die nicht nur die Größen der g e s a m-ten Pädagogik, sondern auch die Mehrheit der Volks-schullehrer selbst eingenommen sind, statt sich vorschriftsmäßigfür die unteroffiziermäßige Auffassung eines Mannes zu begei-stern, der nach seiner rasch vorübergehenden Ministerrolle der päda-gogischen Welt wie der Welt überhaupt ebenso gleichgültig seinwird, wie vor seiner befremdenden Berufung zum Kultusminister!Daß die«Germania" für die grotesk rückständigen Ansichtendes ihr seelenverwandten Herrn Trott zu Solz schwärmt, würdenwir ihr an sich nicht übelnehmen. Eine durch nichts zu enischuldi-gende ganz ordinäre Denunziation ist es dagegen, wenndie„Germania" wörtlich schreibt:„Aber es ist ein Volksschul-lehr er, der in einer öffentlichen Volksversammlung diesem inWahrheit sozialdemokratischen Gedanken Ausdruck ge-geben hat." Diese Aufreizung der Behörden zu einem Disziplinar.verfahren gegen einen Lehrer, der nichts getan hat, als liberaleSchulforderungen zu vertreten, kennzeichnet wieder einmal dieinfamen TerroriSmusgelüste des Zentrums!Auf die Lehrerschaft selbst können freilich solch niederträchtigeScharfmachereien der Zentrumspresse nur in höchstem Maße er-bitternd wirken lProzeh gegen die Essener Polizei.Als bekannt wurde, daß Essener Polizeibeamte unter Miß-brauch ihres Amtes dem Unternehmertum Helfershelferdienstegegen die Arbeiterorganisationen geleistet hatten, fielen in derPresse scharfe Worte gegen diese Korruptionserscheinung. Diesonst so empfindliche Polizei hütete sich jedoch zu klagen. Siewußte, daß beispielsweise der Transportarbeiterverband im Besitzvon erdrückenden Beweismitteln ist. Hierher gehört die von derPolizei hergestellte Abschrift einer Mitgliederliste, die aus Versehenbei der Zurückgabe beschlagnahmter Sachen mit ausgehändigtwurde. Ein der Liste aufgedrückter amtlicher Stempel„KöniglichePolizeidirektion" bezeugt obendrein die„Echtheit". Ferner gabdas Essener Amtsgericht dem Rechtsbeistand des Transportarbeiter-Verbandes, Rechtsanwalt Dr. Levy, bekannt, daß die Beschlagnahmedes Verbandsmaterials nicht auf Anordnung der Staatsanwalt-schaft in Duisburg, sondern auf einen von den Beamten der Essenerpolitischen Polizei beim Gericht gestellten Antrag hin erfolgt sei.Endlich verfuhr die Essener Eisenbahndirektion sehr unüberlegtbei der Verwendung der ihr von der Polizei in die Hände gespieltenMitgliederliste. Es sind nämlich Beamte vorhanden, die bezeugenkönnen, daß die Abschrift der Mitgliederliste zwischen Eisenbahn-direktion und-Inspektion zirkuliert hat. Herr Geheimrat Sommer-seid sagte zudem selbst zu dem wegen seiner Verbandszugehörigkeitzur Rechenschaft gezogenen Eisenbahnarbeiter Dimpel, er„stände inder Mitgliederlifte des Transportarbeiterverbande»".Die Prozeßscheu ist angesichts dieser Beweismittel erklärlich.Aber erspart bleibt ihr eine gerichtliche Erörterung ihrer Tätigkeitdarum doch nicht. Der Steigerverband hat gegen die beteiligtenPolizeibeamten eine Schadenersatzklage angestrengt, und der TranS-Portarbeiterverband erhob durch seinen Essener Geschäftsführerbeim Regierungspräsidenten über das Vorgehen der Beamten Be-schwerde, worauf dieser nach vier Wochen dem Beschwerdesteller an-heimstellte, gegen die fraglichen Beamten, nämlich den Kriminal-kommiffar Holters und den Kriminalschutzmann Simons bei derStaatsanwaltschaft Strafanträge zu stellen, da sie bei der Be.schlagnahme als Hilfsorgane fungiert hätten. Das ist nun ge-schehen; gegen die beiden Beamten ist Strafantrag gestellt worden.Außerdem hat der Transportarbeiterverband den ihm durch Zah-lung von MahregelungSunterstützung entstandenen Schaden seinemEssener Bevollmächtigten, dem Genossen Kimmritz, zediert, demauch der gemaßregelte Eisenbahner seine durch den erwachsenenSchaden entstandenen Ansprüche übertrug. Kimmritz hat daraufdie Schadenersatzklage angestrengt.Vielleicht gelingt es in diesen Prozessen doch noch, die Auf.traggeber der Essener politischen Polizei ausfindig zu machen unddie innigen Beziehungen zwischen Unternehmertum und Polizeiaufzudecken.Das Ministerium Hertling und die Erbschaftssteuer.Auf Kommando Hertlings und des hinter ihm stehenden Zen-trums verzichtete Bethmann Hollloeg auf eine Besitzsteuer alsDeckung für die neuen Rüstungsausgaben. Und als Mermuth, derdamalige Schatzsekretär die Finanzkünstelcien des Zentrums nichtmitmachen wollte, mußte er über die Klinge springen. ErbschaftS-steuer gibts nicht, dekretierte die maßgebende Partei.Jetzt soll plötzlich eine Schwenkung— wenigstens soweit Hertling in Frage kommt— eingetreten sein. Die„Tägliche Rund-schau" meldet:„Wie wir von durchaus zuverlässiger Seite hören, ist vonder bayerischen Regierung ein Widerstand gegen dieErbanfallstcuer nicht mehr zu erwarten. Es darf vielmehr nachAeußerungcn des bayerischen Ministerpräsidenten Frei-Herrn v. Hertling angenommen werden, daß Bayern imBundesrate für die Erbanfallsteuer stimmen wird, wenn der�-Reichskanzler sich entschließen sollte, einen Entwurf über dieErbanfallsteuer vorzulegen. Der Bundesrat wird bei seinemWiederzusammentritt Ansang September den Entwurf deSReichsschatzamtes vorfinden und sogleich in seine Beratung ein-