Streitjustiz.Vor der Streikkammer des Landgerichts Dortmund spielte sichkürzlich eine Weitere Geschichte all Eine Anzahl Streikender unter-hielt sich während des Streiks über die Aussichten der Bewegung.Ter Bergmann Herzog aus Dorstfeld meinte, daß am Ende Wohlwieder Maßregelungen erfolgen würden. Da warf ein Kameraddazwischen:»Dann kannst Du ja Gemeindebulle werden!" Herzoggab zurück:„Was, Gemcindebulle?" In diesem Augenblick kameneinige' Streikbrecher vorbei, und einer dieser fand zwischen denWorten und feiner geschlechtlichen Vergangenheit gewisse Beziehun-gen heraus. Der Streikbrecher wollte gehört haben:„Du Ge-meindebullel", und er meinte, weil er von seiner ersten Frau ge-schieden sei und mit der zweiten eine Zeitlang in wilder Ehegelebt hatte, könnte nur er derjenige sein, welcher usw. Gegendiesen Schluß versuchte der Streiksünder mit der spitzigen Frageanzukämpfen, warum sich denn ein anderer Streikbrecher nicht be-leidigt gefühlt habe, dem der Ausdruck„Gemeindebulle" von seinermilitärischen Vergangenheit her geläufig sei! Das Gericht fand,es könne auch der andere Streikbrecher gemeint sein und sprachden Angeklagten frei. Der Staatsauwalt hatte 75 M. Geldstrafebeantragt.Am 20. März, also nach dem Streik, hatte der BergmannFiolka aus Kamen in einer Wirtschaft das bekannte Plakat desRegierungspräsidenten:„Mahnung an die Bevölkerung!" ab-gerissen, zusammengeknäult und zum„Abwischen" empfohlen. Auchdieser Sünder kam vor die Streikkammer. Er gab an, daß ihm ge-sagt worden sei, er dürfe das obrigkeitliche Papier nach Beendigungdes Streiks abreißen. Nach gründlicher Beratung wurde der An-geklagte freigesprochen mit der Mahnung:„Tun Sie es aber nichtwieder!" Die Bekanntmachung, hieß es, habe nur Sinn und Zweckwährend des Streiks gehabt. Nach dem Streik habe sie nicht wirkenwollen und sollen. Es wurde nicht angenommen, daß der An-geklagte„böswillig" gehandelt habe.Ein Arbeitswilliger als Streiksünder! Die Bergleute Huhnund Dubictzki aus Holthausen waren der Beleidigung, der ver-�suchten Nötigung und des Werfens von Steinen angeklagt. Du-bietzki wurde am stärksten belastet. Von ihm wurde als erwiesenangenommen, daß er aus einer Gruppe mit Steinen und Zaun-latten geworfen habe. Er erhielt 2 Monate Gefängnis. GegenHuhn sagten mehrere Streikbrecher aus, daß er gerufen habe:„Schämt Ihr Euch nicht, daß Ihr jetzt von der Zeche kommt?"Huhn suchte sich mit dem Hinweis aus der Schlinge zu ziehen, daßer doch während der ganzen Zeit des Streiks gearbeitet habe! Esgelang ihm aber nicht. Er erhielt 2 Wochen Gefängnis!Eine sonderbare Nötigung.Vom Schöffengericht Rccklinghmisen war der Bergmann Weechwegen Nötigung<8 153) zu 5 Tagen Gefängnis verurteilt worden, weiler vor der Frau eines Arbeitswilligen ausgespuckt und da-durch deren Ehemann zur Einstellung der Arbeitveranlaßt haben sollte. In dem Urteil heißt es. daß eskeinem Zweifel unterliegen könne, daß sich der Ehemann durchdas Ausspucken des Angeklagten vor seiner Frau bedroht gefühlthabe.Die Strafkammer i» Bochum schloß sich diesem sonderbarenUrteil an und verwarf die Berufung.Eine schwarze Verleumdung.Bei den bayerischen Landtagswahlen im Februar d. I. wurdeder Genosse Profit-Ludwigshaicn zum Abgeordneten für den Wahl-kreis Speyer gewählt. Einige Wochen spater brachte das Organ dcSZeutrunrSabgeordueten Jäger, die„Pfälzer Zeitung", einenArtikel unter der Stichmärke:„Wie Profit Laiidtagsabgcorbneterwurde", in dem Genoffen Profit der ehrenrührige Vorwurf gemachtwurde, er habe sich die Kandidatur erschlichen. Zuerst sei ein andererGenosse zu dieser Kandidatur ausersehen gewesen, Profit habe esaber fertig gebracht, daß er als Kandidat nominiert wurde. AmSchlüsse des Artikels hieß es:„Hätten die Speyerer Genossen dieseneueste Heldentat des strebsamen Politikers Profit am 4. Februargewußt, wir bezweifeln, ob derselbe die Stadl Speyer vertretenwürde."Genosse Profit strengte Klage gegen den Redakteur der„PfälzerZeitung" an. In der Verhandlung vor dem Speyerer Schöffen-gerichte am Mittwoch konnte der Beklagte nicht den Schatten einesBeweise? erbringen, er mußte vielmehr einen Vergleich eingehen, indem cS it. a. heißt:„Ich erkläre, daß der Privatkläger in der ganzen Angelegen-heit sich korrckr und den Satzungen seiner Partei entsprechend ver-halten hat. Ich nehme die weitere Behauptung des Artikels, dassei„die neueste Heldentat des strebsamen Politikers Profit" gleich-falls als unwahr mit Bedauern zurück, da ich zu dieser Bc-ho.uptung keine Veranlassung hatte."Die Kosten des Verfahrens einschließlich der sämtlichen Ans-lagen des PrivatklägerS hat der Beklagte zu tragen. Die Publi-kation des Vergleichs hat in fünf pfälzischen Tageszeitungen zu er-folgen._6ngland.Der Liberalismus und die Arbeiterpartei.London, 3. Juli.(Eig. Ber.)Der Tod Enoch Edwards, des Vorsitzenden derBcrgarbeiterföderation, hat in unerwarteter Weise zu einerpolitischen Krise geführt. Edwards vertrat imParlament den Wahlkreis Hanley, wo er im Jahre 1906 alsliberaler Arbeitervcrtreter gewählt wurde. Als sich die Berg-arbeiterföderation drei Jahre darauf der Arbeiterpartei anschloß.gingen die Vergarbcitervertrcter im Parlament und mitihnen natürlich auch Edwards notgedrungen zur Arbeiter-Partei über. Das hinderte aber die liberalen Wahlvereineder von Bergarbeitern vertretenen Kreise nicht, bei dennächsten zwei ParlamentSwahlen die Kandidaturen der Berg-arbcitervertreter zu betreiben, als seien diese ihre eigenenKandidaten. Schon seit langem hat sich die Arbeiterparteibemüht, die unerträglichen Zustände, die daraus resultieren,daß Mitglieder der Arbeiterpartei auf Betreiben derOrganisation der liberalen Partei gewählt werden, ausder Welt zu schaffen, aber man" scheint keine großenFortschritte gemacht zu haben. Der Tod des Parlaments-Mitglieds für Hanley hat die Arbeiterpartei mit eineinSchlage vor die Notwendigkeit gestellt, die Frage zu lösen.Die Liberalen Hanleys beanspruchen den Wahlkreis für sich,indem sie darauf hinweisen, daß das verstorbene Parlaments-Mitglied durch die liberale Parteiorganisation und vonliberalen Wählern gewählt worden sei. Sie haben auchschon einen Kandidaten aufgestellt, den LinkSliberalenO u t h w a i t e, der sich durch seine Schriften über dieLandreform bekannt gemacht hat und wohl mit dein jetztwieder ausgegrabenen liberalen Allheilmittel der Landreformoperieren soll. Die Arbeiterpartei hat die Kriegserklärung derLiberalen zur Freude aller ihrer tätigsten und fortschrittlichsten'Elemente prompt und energisch erwidert. Sie hat beschlossen,nicht allein den Wahlkreis Hanley mit einein Kandidaten zuverteidigen, der von dein Bergarbeitcrverband von Nord-staffordjhire gewählt werden wird, sondern auch die Liberalenin Crews anzugreifen. Ivo vor einigen Tagen das linksliberalek Parlamentsmitglied McLaren, der Hauptwortführer derFrauenrechtlerinnen im Parlament, gestorben ist. Der Beschlutzder Arbeiterpartei sagt ferner, daß die Arbcitervertreter imParlament, falls es in den beiden Wahlkreisen zu dreiseitigenWahlkämpsen kommen sollte, das Parlament während derDauer der Nachwahlen verlassen sollten, damit die ganzeKraft der Partei für ihre Kandidaten in Hanley und Creweeingesetzt werden könne.Dieser Beschlutz der Arbeiterpartei wird im Parlamenteine eigentümliche Lage schaffen. Zwar ist die Arbeiterparteinumerisch nicht stark genug, um durch ihre Abwesenheit denSturz der Regierung herbeizuführen. Die Abwesenheit von42 Arbeitervertretern wird es indes den Konservativem dieaugenblicklich ihre Leute im Parlament straff zusammenhalten,viel leichter machen, der Regierung durch Ueberraschung eineNiederlage beizubringen. Zudem werden die knappen Mehr-heiten bei den kommenden Abstimmungen die Regierungmoralisch schädigen. Daß die Liberalen ihren Kandidatenin Hanley zurückziehen werden, scheint ausgeschlossen; ihrVorgehen hat die volle Unterstützung der liberalen Partei-leitung in London. Was nun auch in Hanley geschehen mag,in Crewe werden die Liberalen mit ziemlicher Sicherheit ver-lütten. Crewe ist einer der wichtigsten Eisenbahnknotcn-punkte Englands und die Eisenbahner haben der Regierungnicht vergeben, daß diese bei dem Streik im letzten JahreMilitär auftnarschieren ließ. Es waren auch die Eisen-b ahner, verbündet mit den Bergarbeitern, die vor einigenTagen dem Obersten S e e l y, oer sich nach semerErnennung zum Kriegsminister einer Neuwahl unterziehenmußte, fast eine Niederlage beibrachten, indem sie für denkonservativen Gegenkandidaten stimmten. Allerdings mutzman bei dieser Aktion der Arbeiterpartei mit emcr Gegen-aktion der Regierung rechnen. Es kann sein, daß die Regie-rung während der Zeit der Nachwahlen die Beratung derGewerkschaftsvorlage(Osbornevorlage) oder der Wahlreformansetzen wird, um so die Arbeitervertreter ans Parlament zufesseln.OeUtemich.Der Widcrspenstigeu Zähmung.Bei der Beratung des Budgetproviforiumskamen die tschechischen und flämischen Redner unter wüstenAusfällen auf die Raufereien tschechischer Exzedenten mitdeutschen Studenten in Prag zu sprechen. Zu anderen Zeitenhätte sich da das Abgeordnetenhaus sofort in eine Stätte deswildesten Radaus verwandelt— diesmal blieben die hundertPatentdeutschen still, sachlich, höflich— denn hoch über allenheiligsten Gütern steht dem deutschen Mann die Sicherheit derRegierung und die pünktliche Bewilligung ihrer Staats-Notwendigkeiten!_Beibehaltung der Schuapsbrenuerprämie».Zur Deckung der Forderungen auf Besserstellung derEisenbahner beantragten die sozialdemokratischen Abgeordnetendie Aufhebung der Schnapsbrennerprämien, diejährlich 14 488 347 Kronen ausmacht. Sie schwanken zwischen311 430 Kronen jährlich für den Fürsten Fürstenberg— denbekannten österreichisch-deutsch-badlschen Patrioten und Herren-Häusler— und 27 500 Kronen jährlich für den Deutscheu Ritter-vrden, der ebenso Schnaps brennt wie z. B. die katholischeKirche oder der kaiserliche Familienfonds, der sich jährlich über200000 Kronen schenken läßt. Der Ministerpräsident in Ver-tretung, Herr Varon H e i n o l d, hat erklärt, aufeine Aushebung der Schnapsliebesgabcn aus Rücksichtauf die—„erworbenen Rechte" nicht einzugehen. Im übrigenkündigte er an, daß die Herren Schnapsbrenner im Herren-haus der Aufhebung nicht zustimmen würden. Aber die Ober-Patrioten brauchten gar nicht erst zur Rettung ihrer heiligstenGüter auszurücken— die deutschfrcihestlich-klcrikal-agrarischeMehrheit des„Volkshauses" ersparte ihnen das. Man lehntedie Besserstellung der Eisenbahner ebenso dreist ab. wie diePrämienkürzung der Fuselnüllionäre.£!us der Partei.Auflösung des bosnischen Parteitags.Am Sonntag mid Montag mar in Serajewo der Parteitagder bosiiiscfi- herzegowinischc» Sozialdemokratie versammelt. Inmehreren Resolutionen wurde den ungarischen und kroatischen Ge-nosien die Sympathie ausgesprochen und die Demokratisierung desfast absolutistrsch regierten Reichslandes gefordert. Zun, Zweck derFörderung einer kulturellen Einigung der Südslawenwurde die Herausgabe einer Zeitschrist in lateinischer und zyrillischer(russischer) Schrift angeregt. In einer großen öffentliche» Versammlung sprachen als auswärtige Delegierte Abg. Skaret-Wien,K o r a t s ch- Kroatien, Dugmedziew- Bulgarien und T u tz o-witsch- Serbien. Montag nachts wurde der Parteitag Polizei-lich alifgelöst, weil er gegen die polizeilichen Ver-folgungen in Serajewo und dem Reichsland pro-testieren wollte._potizeilicbes, Verlebt tick es uftp*Pressesünder.An, Mittwoch stand der Genosse P a b st von der„NordhauserBolls Zeitung" wegen„Verbreitnug unzüchtiger Schriften" vor derStraslamnrer. Er hatte aus der„Zeitschrift des Be r e i n sfür Völkerkunde" einige Rätsel übernommen, die scheinbar geschlechtliche Vorgänge bebandeln, in ihrer Auflösung aber völlighormlos sind und weit ab von jeder sexuellen Angelegenheit liegen.Wer besonders in ländlichen Kreisen verkehrt, weiß, wie häufig solcheRätsel den Unterhaltimgsstoff bilden. Das Gericht nahm aber an,daß eS dem Angeklagten bei der Veröffeullichung der Rätsel daraufankam, geschlechtliche Erregung bei den Lesernhervorzurufen, und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von50 Mark.— Bemerkenswert ist, daß der Staatsanwalt erst durchdie D e n n n z i a t i o n des Vereins zur Bekämpfung der Unsittlich-keit(Sitz Berlin) zur Klageerhebnng kam.DaS liberale Versammlungsrecht.Welche Schwierigkeiten Arbeitern in den Weg gelegt werden,wenn sie von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch machen wollen,lehrt wieder einmal folgender Fall. Genosse Christange ausE i ö l e b e n beabsichtigte am 7. Juli auf dem Hofe der WitweD i e tz in L a n g e n b o g e n ini Mansseldischen eine Versammlungabzuhalten. Der Veranstalter glaubte, trotzdem der AmtSvorsteherKoch bereits zweimal bei ähnlichen Anlässen Schwierigkeitengemacht hatte, diesmal der Genehmigung sicher zu sein,da der Hof durch seine Lage sich besonders gut fürVersammlungen eignet. Aber die Versammlung wurde wiederumverboten, weil in dem Hanse auch Mieter wohnen, deren Zugang zuihren Wohnungen verhindert oder doch erschwert werde.Es besünden sich auch Ställe mit Böden auf dem Hofe. Darinsei Stroh, es sei also feuergefährlich und im Interesse deröffentlichen� Sicherheit sei die Versammlung zu verbieten, da bei demzu erwartenden starken Besuch der Versammlung nicht alle in denHof gingen, sondem auf der Straße stehen müßten, wo danndie Autos die Leute mausetot fahre» könnten.— Es wird natür-lich der Beschwerdeweg bis zur höchsten Instanz beschritten.Jugendbewegung.Nichts gelernt?Die Rufer nach einem Zwangsjugendpflege-Gesetzmehren sich. Vor einem Monat(in der Nunimer vom 6. Juni) konntenwir mitteilen, daß der Deutsche Jugendbund eine Bittschrift an„leitende Persönlichkeiten" gerichtet hat, wonach alle Jugendlichen unter18 Jahren zur Teilnahme an der bürgerlichenIJugendbewegung gesetzlichgezwungen werden sollen, weil diese trotz eifriger Werbetätigkeit undstarker finanzieller Unterstützung die arbeitende Jugend nicht zu ge-Winnen vermochte.Dieser die staatliche Jugendpflege diskreditierende Gedanke hatinzwischen neue Anhänger gesunden. Auf dem am letzten Sonntagin Heidelberg abgehaltenen Kongreß des Zentralausschusses fürVolks- und Jugendspiele ertönte ebenfalls der Schrei nach Ein-führrrng obligatorischen Spiel- und Turnunter-r i ch t s für Fortbildungsschüler. Und im Scherlschen„Tag"(Nr. 58)jammert Dr. Otto K n ö r k über den passiven Widerstand einzelner(?)Lehrlinge gegenüber der sogenannten Jugendpflege, der auf den Ein-fluß sozialdemokratischer Väter zurückzufuhren sei, Der Herr weißzu prophezeien, daß die Ablehnung der Jugendpflege durch dieSozialdemokratie dieser nur wenig nützen werde. Denn„die Ge-setzgebung wird sich dieses wichtigen Zweiges der Jugenderziehungannehmen müssen". Damit arbeite der Staat(der Herr verstehtunter dem Begriff„Staat" die herrschenden Klassen) der allgemeinenWehrpflicht vor und erhöhe zugleich die wirtschaftliche LeistungS-fähigkeit des einzelnen, um das Bedürfnis der herrschenden Klassennach willigen Soldaten und billigen Ausbeutungsobjekten zu be-friedigen. Daß eS den Herrschaften nicht auf die körperliche Aus-bildung der Arbeiterjugend schlechthin ankommt, daS beweist alleinder unerhörte Kamps, der gegen die Arbeiterttirnvereine und dieproletarische Jugendbewegung von den Innungen, Polizei und Staats-anwalt geführt worden ist.Schon dieser Kampf sollte den Rufern nach einem neuen Aus-nahmegesetz gegen die Bewegung des heranwachsenden Proletariatsdie Tatsache zmn Bewußtsein gebracht haben, daß diese in den Wirt-schaftlichen Verhältnissen wurzelnde und von der Macht der Arbeiter-organisattonen getmgene Bewegung nicht mit einem Stück Papieraus der Welt geschafft werden kann. An Versuchen dieser Art Hat'Swahrlich nicht gefehlt. Man erinnere sich nur der Besttmmungen in denLehrverträgen, wonach den Lehrlingen die Teilnahme an Vereinen undVersammlungen verboten worden war. Trotz dieser allgemein ein-geführten Bestimmungen ist die proletarische Jugendbewegung großund stark geworden, vielmehr gerade deswegen. Dagegen mußtendie HandiverkSmeister es bald bereuen, ein solch zweischueidigesSchwert benutzt zu haben.Wie die„Arbeiter-Jugend" mitteilt, hat der JnnungSausschußder Stadt Weimar, der 13 Innungen mit rund 430 Mitgliedernumfaßt, das Großherzogliche Staatsministerium ersucht, die Ge-nehmigung zu dem Beschluß der Handwerkskammer, nach dem denLehrlingen„der Besuch politischer Versammlungen und solcherVereinshäuser, die politischen Zwecken dienen", untersagt sein soll,zurückzuziehen. Die proletarische Jugendbewegung ist nämlichseit der Wirksamkeit jener Bestimmnng in Weimar um das Doppeltegewachsen IAn diesem einen Falle könnten die Leute, die sich jetzt nacheinem Zwangsjugendpflegegesetz die Kehlen heiser schreien, lernen,wie zwecklos ihr Geschrei selbst dann ist, wenn es erhört werdensollte._Soziales.Ein Streit um die Auslegung des Buchbindertarifvertragesbeschäftigt« gestern die Kammer 8 des Berliner Gewerbegerichtsunter dem Vorsitz des Magistratsrats Schultz. Als Kläger traten«ine Reihe von Buchbindern auf, vertreten durch die Leiter derZahlstelle Berlin des Deutschen Buchbindcrverbcmdes R. Würz»berger. Verklagt waren die Firmen Kaußmann U. Beck.Kirchner u. Schwedhelm und Block u. Co.Zwischen der Vereinigung der Berliner Lcderfabrikanten unddem Deutschen Buchbinderverband ist am 30. Juni 1011 ein Tarif-vertrag für die Berliner Album-, Mappen- und Galanteriewaren-industrie abgeschlossen worden, der in seinem§ 2 die Arbeitszeitan den Sonnabenden und den Vorabenden gesetzlicher Feiertageauf 7)4 Stunden festsetzt, während für die übrigen Tage der Wochedie neunstündige Arbeitszeit gilt. In dem abgelaufenen Tarif-vertrage war noch ausdrücklich bemerkt worden, daß dieser frühereArbeitsschluß ohne Lohnabzug zu gewähren sei, während derneu« Vertrag diese Klausel nicht enthält. Infolgedessen weigertensich neben anderen Firmen auch die Beklagten, den Lohnausfallfür diese Zeit, soweit es die Vorabende der in die Woche fallendengesetzlichen Feiertage betraf, zu bezahlen. Die angerufeneSchlicht ungskom Mission hat am 10. Januar 1012«nt-schieden, daß die wegfallenden Stunden nicht zu bezahlen sind.DaS als Berufungsinstanz angerufene Einigungsamt oesBerliner Gewerbegerichts hob am 13. März 1012 diesenSpruch wieder auf und entschied, daß die an Vorabenden gesetz-licher Feiertage wegfallenden Stunden zu bezahlen sind. In derBegründung wird gesagt, daß zwar der neue Tarifvertrag nichtsüber die Bezahlung sage, aber im alten Tarifvertrage sei sievorgesehen gewesen. Aus den Protokollen über die neuen Tarif-Verhandlungen gehe auch nicht hervor, daß über diesen Punkt Er-örterungen gepflogen wurden. Deshalb sei anzunehmen, daß keinePartei eine Aenderung in dieser Beziehung erstrebt«. Der neueTarif schreibe außerdem auch vor, daß bestehende bessere Arbeits-bedingungen nicht verschlechtert werden dürfen, ein« Nichtbezahlungder wegfallenden Stunden, die nach dem alten Tarife vorgeschriebenwar, wäre aber eine Verschlechterung.Die Beklagten unterwarfen sich dem Spruche de» Einigungs-amtes nicht. Sie verweigerten nach wie vor die Zahlung undließen es auf eine Entscheidung de» Gewerbegerichts ankommen-Nach ihrer Meinung sei die Entscheidung-des EinigungSamteS des-halb anfechtbar, weil dieses von falschen Voraussetzungen ausge-gangen ist. Es habe nicht berücksichtigt, daß die Beklagten auchunter dem alten Tarif dies« Zeit nicht bezahlt haben. Der Passusüber Lohnabzug habe sich auch nur auf Wochenlöhner, nicht aberauf Stundenlöhner bezogen.Der Vorsitzende. Magistratsrat Schultz, sprach bor der Veratl«aseine Verwunderung darüber aus, daß gegen den Spruch des Eini-gungsamtes das Gewerbcgericht angerufen werde. Mit Rechtfragte er, wozu denn die SchlichtungSkommifsion und daS Eini-gungsamt bestehen, wenn eine Partei, deren Erwartungen nichteintrafen, den Spruch umzustoßen versucht. Eine derartige Auf»sassung sei sonderbar und gleiche derjenigen eines Prozeßführenden,der bis zum Reichsgericht klage und sich nachher doch weigere, zubezahlen, weil nach seiner Ansicht das Reichsgericht falsch ge»urteilt habe.Nach längerer Beratung fällte Sd$ Gericht dann folgendenSpruch: Die drei verklagten Firmen werden verurteilt, diean den Borabenden gesetzlicher Feiertage wegfallenden Stundendem Klageantrag gemäß zu bezahlen. In der Begründung führteder Vorsitzende aus, daß es sich unstreitig um Firmen handele, diesich dem abgeschlossenen Tarife angeschlossen haben. Für dieseFirmen ist bei der in Frage kommenden Streitfrage die Entschei-dung des Einigungsamts bindend. Dieses habe entschieden� daß!die an den Vorabenden der in die Woche fallenden gesetzlichenFeiertage wegfallenden Arbeitsstunden wie nach dem alten Tarifzu bezahlen sind. In der Begründung sei das Einigungsamt davonausgegangen, daß diese Zeit früher bezahlt worden fei. DieseAuffassung hat da» Gewerbegericht nach sorgfältiger Prüfung fürdie richtige gehalten,