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Tie Spielkarten des Kaisers. Der Kaiser hat belanntlich einen ausgeprägten Kunstsinn. Er zeichnet und malt. ES ist deshalb erklärlich, daß er auch zu seinen Whistpartien nur künstlerisch ausgestattete Karten benutzt. Bürgerliche Blättep wissen darüber zu berichten: Der Kaiser benutzt zum Whist französische Karten aus einer Altenburger Fabrik. Sie bestehen aus feinstem Kartonpapier und haben abgerundete, vergoldete Ecken. Auf der Rückseite be- fiitdei sich ein Medaillon, in ihm sind, umgeben von Eichenlaub. die Wappen der Dreibundmächte mit gekreuztem Schwert und Merkurstab abgebildet. Die Bilder sind nach historischen Per- sönlichkeiten gewählt. Der Kreuzkönig ist Ludwig der Fromme  , als Kreuzbube dient ein Tempelritter mit dem roten Kreuz auf der Stahlhaube. Pikkönig ist Ludwig XIV.  , der dazu gehörige Bube ist ein verwitterter Krieger. Als Coeurkönig fungiert der galante Franz I.  , als Bube ein Landsknecht  . Zum Carreau- könig hat Karl VII.   seine Züge geliehen, den Buben stellt ein Page mit dem Jagdfalken dar. Tie Damen sind im Kostüm der Zeit der jeweiligen Könige gewählt, die Carreaudamc ist das Porträt der schönen Agnes Sorel  . Die Asse sind mit einer Rokotoumrahmung versehen." Herr v. Zedlitz als Wahlrechtsreformator. Der freikonservative Freiherr v. Zedlitz benützt die parlamen- tarische Ferienzeit, allerhand Mittelchen ausfindig zu machen, wie sich der Wahlreformpclz tvaschen läßt, ohne ihn" naß zu machen. Er konstatiert in einem Artikel desTag", daß die liberalen und Zentrumsdrückeberger bei der letzten Abstimmung über den frei- sinnigen WahlrcchtSantrag mit voller Absicht gefehlt haben: Es ist vielmehr viel wahrscheinlicher daß ihre große Mehr- zahl gegen den Antrag war, aber sich nicht durch eine ab- lehnende Stimmabgabe mit dem grundsätzlichen Standpunkte der Partei in Widerspruch setzen wollte und deshalb der Abstim- mung fernblieb. Die fehlenden Nationalliberalen gehören über- wiegend dem rechten Flügel an, ein Teil von ihnen ver- zichtet sicher ungern auf die öffentliche Stimmabgabe, alle aber dürften sich mit der geheimen und direkten Wahlnur in Verbindung mit einer sie befriedigenden Regelung des Wahlrechts selbst befreunden können. Auch im Zentrum war, wie ich bestimmt weiß, die Meinung sehr verbreitet, daß beide Seiten der Sache untrennbar zusammen- hingen, manche hielten sich durch das konservativ-klerikale Kom- promtß von 1910, geheime aber indirekte Wahl, noch für ge- bundon, andere endlich stießen sich an der Förderung, daß noch in dieser Tagung die Klinke der Gesetzgebung ergriffen werden sollte. Kurzum, wenn jeder so hätte abstimmen wollen, wie er in seinem Innern dachte, würde die Mehrheit gegen den Antrag sicher eine noch viel größere gewesen sein." Die schwarzen und die liberalen Heuchler können sich bei Ied- litz dafür bedanken, daß«r ihnen einen Strich durch die Wahlreform- Heucbelei macht. In der Sack)« selbst ist Freiherr   v. Zedlitz natür- lich völlig einig mit ihnen: Unter allen Umständen Verhinderung jeder wirklichen Wahlreform! Nur in den städtischen Kreisen möchte er, um die allergrößten Absurditäten zu beseitigen, die ge- sttzliche Festjetzung einer Minimalzahl der Wähler in der 1. und 2. Klasse. Auf dem Lande soll alles bleiben, wie es ist: Schlägt die Regierung die auf größere Gemeinden be- schränkte Min'mierung vor, und setzt sie hinter ihren Vorschlag den nötigen Nachdruck, so wäre auch Aussicht vorhanden, dafür sowohl Konservative wie. Nationalliberale zu gewinnen: Die erstcren, weil das flache Land, dem ihr Interesse vornehm- lich gilt, unberührt bleibt, die Nationalliberalen, weil ihr AinimierungSvorschlag, wenigstens insoweit, als das Vcrbesse- rungsbedürfnis reicht, verwirklicht wird. Die sachlich annehm- bare Lösung des gesetzgeberischen Problems erscheint soweit auch parlamentarisch gangbar und daher ernsterer Erwägung wohl wert." Und die Wähler? Die Zedlitzer mögen gewöhnt sein, diesen Faktor bei ihren parlamentarischen Mogeleien außer Betracht zu lassen; aber die Wähler selbst werden sorgen, daß»hnen ihr Recht und ihr g a n z e S Recht wird, trotz des reaktionären Dreibundes im preußischen Klassenparlament. Ter Schrei nach dem Zuchthansgesetz. Unter den Schreiern nach verstärktem Schutz für wider- sprilchslose Durchsetzung kapitalistischer Interessen befindet sich auch die Handelöiammer zu Minden   i. W. Bekanntlich haben von Mitte Oktober vorigen JahreS bis Mitte Januar dieses JahreS die Tabakarbeiter des westfälisch-lippischen Zigarren- indnstriegebietes mit den Unternehmern im Kampf gestmiden. Die Arbeiter wurden ausgesperrt, weil die in einigen Be- trieben gestellten Forderungen nicht zurückgezogen wurden, wie es der Westfälische Zigarrenfabrikantcn-Verband verlangte. An 10(XX) Organisierre hatte man dort aus den Betrieben gejagt. Diesen Kampf bespricht nun die Mindener Sandels- kanimer in ihrem kürzlich erschienenen Bericht und im Anschluß daran heißt cS dann: Der Ausgang der Bewegung hat wieder einmal den Beweis erbrockt, daß die Sireikgewerkschaften, ob sie sich freie oder christ- tiche nennen, mit ihrem erpresserischen Vorgehen gegen die Arbeitgeber durchaus nicht die richtigen Sachwalter der Ar- beiler sind. Diese Erkenntnis scheint sich jetzt auch in unserer Arbcitcr'chakt niehr zu verbreiten, da sie anfangt, sich unabhängig von diesen Streikgewerkschatten zu stellen und sich in vaterlän- diichcn Arbeitervereinen zujammenznschließen, die auf nationalem und wirtschastSfriedlichcm Wege ihre Interessen wahruchmen wollen. Angesichts de» immer bedrohlicher um sich greifenden TcrroriSmnS der Gewerkschaften halten wir die Gewährung eines gesicherten Schutze» für die Arbeitswilligen für unbedingt er- rorderlick, der nur dann zu erreichen sein wird, wenn daS Streik- postenstchen unter gesetzliches Verbot gestellt wird." DaS ist eine starke Leistung l Die Unternehmer sperren die Arbeiter zu Zehn tau senden aus und reden nachher vonerpresserischem Vorgehen" dieser Arbeiter! So wird heutzutage Stimmung für Zucht- Hausgesetze gemacht! Aber es spricht die ganze Wut der Unternehmer aus diesen Zeilen darüber, daß sie nicht ihren Willen bekommen und den Tabakarbeiterverband zu Boden gedrückt haben. In das rechte Licht gerückt wird diese Auslassung noch, wenn man tvciß, daß in dem großen Tabakarbeiterkamps rein gar nichts vorgekomnien ist, Ivos zu einem solchen Verlangen berechtigt hätte. Während die Unorganisierten in großer �ahl ai den Betrieben blieben, ist von den Ausgesperrten in jeder Hinsicht musterhafte Disziplin gehalten»vordem Der Syndikus und Berichterstatter der Minderer Handels- ammer ist gleichzeitig Geschäftsführer des Westfälischen Zigarrensabrikanten-Verdandes und kennt alle Einzelheiten des Tabakarbeiterkampfeö. DaS geiüigt wohl zur Kennzeichnung. Die Lehrer für den Reichsverband. Der Rsichsverband gegen die Sozialdemokratie hat seine Zug- kraft in biirgertick«, Kreisen längst eingebüßt; nun soll seine leere Kasse ans den Lehmgehältern wieder aufgefüllt werden. Zu diesem Zwecke versendet ein Rektor Wein auS B r e S l a u an diesehr geehrten Kollegen' ein vertrauliches Zirkular, das nach den üblichen Jcremiaden über die Größe und denenlsittlichenden Einfluß" der Sozialdemokratie jeden vaterlandsliebenden Lehrer zum Eintritt in I den ReichSberband nötigen möchte. Bemerkenswert ist dabei, daß die Unterschrist gleich sür den Beitritt auf S Jahre geleistet werden muß, von 1912 bis 1916! Der Reichsverband weiß, daß ihm die so Gewomrcnen sonst nach einem Jahre wieder auSreißem Aber, Herr v. Schuckmann! Wir erhalten folgende Zuschrift: DasBerliner Tageblatt" gibt der Zuschrift eines Herrn Walter aus Ärnslvalde Raum, der in meinem Bericht auf der an» Sonntag in Brandenburg   a. H. stattgehabten Provinzialkonfcrenz als Unterhändler zur Ergatterung sozial- demokratischer Stimmen für Herrn Gouverneur von Schuckmann, dein konservativen Gegenkandidaten des Herrn Bruhn im Kreise Friedeberg Ärnslvalde, geschildert lvurde. Zuerst wird von dem Herrn behauptet, daß unter allen Parteien dort im Kreisedie stillschweigende Ueberein- kunft bestanden habe, Herrn Bruhn loszuwerden". Leider wird nicht gesagt, worauf Herr Walter sich bei dieser Kon- statierung stützt, und ich kann deshalb nicht nachprüfen, wes- halb die sollst so verpönte ssozialdempkratische Partei hier in den Konzern aller Parteien ohne weiteres hineinbezogen wird. Wenn der Herr aber in der Zuschrift an dasBerliner Tageblatt" sagt: ich hätte mich von ihmin der sreundschaft- lichsten Weise" verabschiedet und bemerkt:Tun können wir ja von Partei wegen nichts, aber seien Sie überzeugt, unsere Leute wählen eher Schuckmann wie Bruhn", so vergißt er mitzuteilen, daß meine Verabschiedung ihm so wenig genügte, daß er am anderen Tage wohl nachdem er in- zwischen bei derDeutschen Tageszeitung" angeklopft hatte nochmals in mein Bureau kam, um zu hören,ob ich ihm nicht doch etwas entgegenkommen könne", was von mir in schroffster Form mit der Bemerkung,.ich hätte keine Zeit mehr, mich mit ihm zu beschäftigen/' abgewiesen wurde. Wenn Herr Walter dadurch seinerseitsbefriedigt" war ich war es auch. Ueber den Geschmack läßt sich nicht streiten. Daß Herr v. Schuckmann von dieser Tätigkeit nichts ge- wüßt hat, wer kann das bestreiten? Vielleicht entsinnt sich aber Herr Walter, daß er dem Genossen Eugen Brückner, dem Kandidaten des Kreises Friedeberg-Arnswalde, ebenfalls die Unterschrist des Herrn von Schuckmann mit den Worten an- geboten hat:Dazu muß sich Herr von Schuckmann bereit erklären, ich glaube ganz sicher, daß er es tut." Für die Absicht, die Unterschrift zu geben, spricht aber auch das Verhalten des Herrn von Schuckmann bezw. dessen Wahlausschusses. Denn nach der gescheiterten Mission des Herrn Walter veröffentlichte der Wahlausschuß folgendes: Liberale! Bedenkt, was uns eint: Keine Abänderung des Reichstagswahlreckts I Keine Erhöhung der Schutzzölle! Ein- sührung einer Besitzsteuer, die den Vermögenden belastet und schwache Schultern verschont. A r b e i t e r I Bedenkt, v. Sckuckmann tritt ein für die soziale Besserstellung der arbeitenden Klassen, v. Schuckmann hat sich gegen Ausnahmegesetze gegen die Sozial» demokratie erklärt I" Wirklich eine frappierende Aehnlichkeit mit den in der enaer Stichwahlparole gestellten Forderungen. Sollte das ufall sein?-- Da daSBerliner Tageblatt" nun wiederholt seiner Ver- wunderung Ausdruck gibt, daß die Genossen Wels und Ernst sich den fetten Bissen einer Unterschrift des Herrn v. Schuck- mann unter die Jenaer   Stichwahlbedingungen entgehen ließen, bemerke ich hierzu nur, daß wir diese Unterschrift nur unter der Zusicherung eventueller Wahlhilfe erhalten hätten. Dazu konnten wir uns selbst um des lockenden Preises willen nicht verstehen; soviel Ehrlichkeit hielten wir auch im politischen Kampf mit. unseren erbittertsten Gegnern sür geboten. Otto WelS  . Mahnahmen gegen die Mischehen in Deutsch  - Siidtvestafrika. Die Sorge um die zweifarbigen Ehen in den Kolonien läßt die deutsche Kolonialverivaltung nicht zur Ruhe kommen. Jetzt wird eine Verordnung im Amtsblatt von Deutsch  -Südwcstafrika veröffentlicht, die den Zweck hat, die Herbeiführung von Mischehen zu erschweren, wenn nicht unmöglich zu machen. Zunächst führt diese Verordnung die Anzeigepflicht für die Geburt eines halb- weißen Kindes ein und verlangt dabei gleichzeitig nähere An- rben über die persönlichen Verhältnisse. In dem entscheidenden 3 heißt es sodann:Wird durch das uneheliche Zusammenleben eines Nichteingeborenen mit einer Eingeborenen öffentliches Aev- gernis erregt, so kann die Polizei die Trennung verlangen und nach fruchtlosem Ablauf einer Frist die Trennung erzwingen. In gleicher Weise kann die alsbaldige Beendigung eines Dicnstver- träges und die Entfernung der Mutter eines halbweißen Kindes verlangt werden, wenn der Vater eines Kindes der Dienstherr oder ein in dessen häuslicher Gemeinschaft befindlicher Angehöri- ger oder Angestellter ist." Milde Strafe für ranflustige Offiziere. Der Oberleutnant v. Katzler in Ludwigslust   hatte ent« gegen einer Polizeiverordnung mit einem Zweirade den Bürgersteig befahre». Al« Zeuge hierüber war der Friseur Zander verhört und hatte der Wahrheit entsprechend die Uebertretimg bestätigt. Darauf betrat am 3. Juni der Oberleutnant, mit einer Reitpeitsche bewaffnet, den Laden des Friseurs und hauchte diesen an, wie er die Frechheit haben könne, ihn zu demllizieren. Zander forderte ihn auf, sich anständig zu benehmen, oder seinen Laden zu verlasse». Al» darauf der Oberleutnant erwiderte:das ist ein schönes Pack. mit dem man hier zu tun hat", forderte ihn Zander mehrfach auf den Laden zu verlassen, packteZ'dann den Oberleutnant, da dieser durchaus nicht folgt«, beim Kragen, setzte ihn vor die Tür und schloß diese ab. Darauf schlug der MarSjünger mit einer Peitsche die Glasscheibe der Tür ein. zerbrach den Tür- rahme», drang in den Laden ein, versetzte dem Friseur mit der Reit- peitsche zwei Hiebe über den Kopf und äußerte, der Friseur gehöre inS Zuchthaus. DaS Kriegsgericht verurteilte dieser Tage den Oberleutnant wegen schweren Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Be» letdiguug zu ganzen SO M. Geldstrafe. Auf wieviel Monate Ge- sängniS hatte die Strafe gelautet, wenn der Randalist ein Arbeiter und der Angegriffene ein Offizier gewesen wäre? Hätte der Friseur dem Oberleutnant die Reitpeitsche entrissen und damit die Hosen des Herrn v. Katzler damit in gebührender Weise ausgeklopft, so wäre wahrscheinlich der Friseur gar noch mit einer höheren Strafe be» legt worden, als jetzt dem Anhänger des Faustrecht» auferlegt ist. Hätte er den HanZfriedenSbrecher niedergeknallt, so hätte er in berechtigter Notwehr gehandelt. ES wird bei dieser Schutzlosigkeit gegen srivole Angriffe von Offizieren den Geschäftsleuten kaum etwas anderes übrig bleiben, als für ähnliche Fälle einen Schieß» priigel bereit zu halten.. Selglen. Noch ein Opfer der Liitticher Füsillade. Man berichtet uns aus Brüssel   unterm 2. Juli: Die Gendarmen-Wüteriche haben noch ein neues Opfer auf ihrem Gewissen. Ein drei zeh,» jähriger Junge, ein Glasarbeiterlehrling, den ein Schuß aus einem Mauserge wehr getroffen hatte, ist nun auch seiuer Wunde erlegen. Der arme Junge hatte einer k i n e in a t o- graphischen Vorstellung im sozialistischen   Volkshause beigewohnt, war im Zwischenakte gerade im kritischen Augen- blick in das Cafö hinunter gekommen und ist dort von einer Kugel der in das Lokal hineinschießenden Ordnungswüteriche getroffen worden. Als man ihn ins Spital trug, jammerte er nur immer:Meine arme Mutter l.. Die Aerzte glaubten ihn zu retten. Es gelang, die Kugel, die tief im Schenkelknochen saß, gut zu entfernen, aber im Verlaufe stellte sich eine Blutvergiftung ein, die dem armen Menschenkinde nach schrecklichen Leiden das Leben kostete. Die Erwachsenen in den Rücken geschossen, ein dreizehnjähriges Kind nieder- geschossen das war dieNotwehr" derangegriffenen" Gendarmen in Lüttich.  _ Snglanck. Liberalismus und Arbeiterpartei. London  , 4. Juli.  (Eig. Ber.) Der zwischen dem Libe» ralismus und der Arbeiterpartei entbrannte Kampf ist in- sofern besonders bemerkenslvert, als es sich um einen Streit mit dem extremsten Flügel der liberalen Partei handelt. Der liberale Kandidat in Hanley gehört zu den am weitesten links stehenden Mitgliedern seiner Partei, der genau wie seine PO iiiischen Freunde, die ihn jetzt tatkräftig unterstützen, der Arbeiterpartei bisher äußerst freundlich gegenüberstand. Er hat es denn auch schon sür nötig befunden, eine Rede zu halten, in der er es bedauert, in diese unangenehme Lage hin» eingedrängt worden zu sein. Diese kleinbürgerlichen Libe­ralen haben sich mit dem Gedanken der Landreform berauscht und brennen jetzt vor Verlangen, den Wählern die frohe Bot- schaft ihres simplizistischen Allheilmittels zu verkünden. In England gehörte es bisher zum guten Ton in der Politik, daß die Parteien erst nach dem Begräbnis eines verstorbenen Par- lamentsmitglieds ihre. Kandidaten ausstellten. Diesmal sind die Liberalen in Hanley dieser Forderung des Anstands nicht nachgekommen. Der liberale Kandidat und seine Freunde sind Anhänger der Theorie, daß alles Elend aus der Welt ver- schwinden wird, wenn man alle Steuern allein dem Grund und Boden auserlegt. Dem Kleinbürgertum, das in wachsen- den Industriestädten die holzen Gemeindesteuern(rotes) als sehr drückend empfindet(die Arbeiter entrichten in England die Gemeindesteuern meist als einen Teil der Miete), muß die Theorie der»iu�Iv taxer»", namentlich in Städten wie Hanley, wo die Gemeindesteuern über 55 Proz. des angesetzten Mietswerts betragen, sehr plausibel und vielversprechend vor- kommen- Die Redner der Liberalen operieren schon mit dem Argument, daß die Liberalen die Gemeindesteuern abschaffen und sie dem Staate aufbürden würden, der sie einzig und allein vom Grundbesitz erheben soll, sobald das Landkataster im Jahre 1914 fertig ist. Ob das zu der von Lloyd George  schüchtern angedeuteten Landpolitik der liberalen Partei ge» hört, ist nicht klar. Die liberale Presse schreibt in vagen be» geisterten Phrasen von der liberalen Landpolitik, in der sie augenscheinlich einen neuen Köder für die Wählermassen wittert. Das einzige Bestimmte, was sich erfahren läßt, ist ist die Tatsache, daß Lloyd George   ein Komitee zum Studium dieser Frage zusammenberusen hat und daß man die Möglichkeit eines gesetzlichen Minimallohns für Land» arbeiter und die Schaffung von besonderen Gerichtshöfen zur Festsetzung der Pachtpreise erwägt. Der Liberalismus hat eine neue Wahlparole nötig und Lloyd George   ist gerade der Mann, von dem man sich verspricht, daß er erfolgreich sowohl gegen rechts wie gegen links, gegen den Sozialismus ope- rieren kann. Die verlockenden Aussichten, die die Propaganda der erwähnten kleinbürgerlichen Quacksalbereien eröffnet, haben denn auch die Helfershelfer des Schatzkanzlers zu dem übereilten Vorstoß in Hanley veranlaßt. Eine Beilegung des Streites scheint nicht gut möglich. Die liberale Parteileitung in London   unterstützt die Liberalen HanleyS aufs kräftigste. Sie muß der Stimmung der libe- ralen Wähler Rechnung tragen, die durch die jüngste Taktik der Arbeiterpartei, die Liberalen in ihrem sicheren Besitz an- zugreifen, erbittert worden ist. Zwar raten die großen Lon- doner liberalen Blätter zur Nachgiebigkeit. Ob aber die Liberalen etwas gewinnen könnten, wenn sie der Arbeiter- Partei das Feld in Hanley frei ließen, ist sehr fraglich. Die Arbeiterpartei wird ihren Beschluß, in Crewe einen Kandi- daten aufzustellen, kaum rückgängig machen können. Ihr Beschluß vom letzten Dienstag hat viele der Elemente, die den Glauben an die Arbeiterpartei verloren hatten, wieder mit der Partei versöhnt und es würde für sie eine nicht wieder gut zu machende Blamage sein, wenn gleich nach der kühnen Attacke wieder zum Rückzug geblasen würde. Zudem ist in Crewe das Feld für einen energischen Arbeiterkandidaten sehr günstig. Es gibt in der Stadt 4 090 Gewerkschafter und in einem dreiseitigen Wahlkampf ist der Kandidat, der 4 000 Stimmen auf sich vereinigen kann, des Sieges sicher. Unter diesen Uniständen gewinnt es immer mehr den Anschein, daß die Beziehungen zwischen dem englischen Liberalismus und der Arbeiterpartei an einen wichtigen Wendepunkt ange- kommen sind._ filarohho. Neue Verstärkungen für General Lyautey. Pari», 5. Juli. Nach einer Mitteilung desJournal' hat General Lyautey dreiweitereBatailloneHilfStruppen für Marokko   gefordert. Die Mannschaften, werden die Kolonial- infanterieregimenter der Garnisonen Paris   und Cherbourg   stellen. Himriha« Roosevelt  , der große Demagog. Oysterbay, 6. Juli- Roosevelt   hat die Grundzllge de» Pro» gramm» der neuen Roofeveltpartei bekanntgegeben. Er erklärte, die demokratischen und republikanischen Parteiprogramme zeigten kein Verständnis für die soziale und industrielle Bewegung hierzulande. Er werde in seiner Wahlkampagne auf die Verteuerung der Lebenshaltung hinweisen und sich an die Lohnarbeiter und Farmer wenden.