Nr. 155. 29. Iahrgaug.I KeiliP des Jotisärts" ßetlintr pIMIattSonnabend, 6. Jali 1912.Hue der Partei.Ausschlüsse aus der Partei.Auf Antrag der Mitgliedschaft Bremerhaven war vomBorstand des BezirlS Nordwest gegen den früheren ArbeitersekretärG. Stolt in Bremerhaven ein AuSschlutzverfahren eingeleitetworden. Der Bezirksvorstand hat Stolt infolge erdrückender Be-weise aus der Partei ausgeschlossen. Stolts Ausschluß erfolgtetvegen Verletzung des§ 23 des Parteistatuts.In einer Sitzung des Vorstandes des GaueS Pfalz wurde derSchneider Jean Volz-Mundenheim wegen Verstoß gegenden Z 23 des Parteistatutes aus der Partei ausgeschlossen. Volzwar der Schreiber des in der„Pfälzer Zeitung" veröffentlichtenArtikels„Wie Profit Landtagsabgeordneter wurde". Bekanntlichhat der Redakteur des Zentrumsblattes vor Gericht die gegen Ge-nassen Profit erhobenen Anschuldigungen reumütig als völligunwahr zurücknehmen müssen.Parteilitcrat»r.Im Verlag der Buchhandlung Vorwärts. Berlin(Paul Singer u. Co.). erscheint ein Werk, das jedem politisch In-teressierten. vor allem aber dem aktive» Politiker ein sehr wertvollesHilfsmittel werden wird. Es ist dies ein: Internationales Jahr-buch für Politik und Arbeiterbewegung, dessen erster Vierteljahrsbandfür 1912 jetzt vorliegt. In der raschen Flucht der politischen Er-scheinungen und Ereignisse in Inland und Ausland schwindet sehrhäufig manche Einzelheit aus dem Gedächtnis, die im Laufeder Zeit wieder Bedeutung erlangt oder auf die derBerufspolitiker in der einen oder der anderen Frage wieder zurück-greifen muß. In solchen Fällen spart daS Jahrbuch zeitraubendesSuchen und Nachschlagen, da eS die wichtigsten Vorgänge und Er-eignisie chronologisch geordnet und in erschöpfender knapper Formfixiert hat, so daß es eine stets wertvolle Chronik der politischenEreignisse und wichtiger Vorgänge der Arbeiterbewegung ist. Aufden, Gebiete der inneren Politik berücksichtigt das Jahrbuch dieReichstagswahlen, die Tätigkeit des Reichstages, die aus-wärtige Politik, Reichsfinanzen, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, die Parteien, Gewerkschaften und Genossenschaften sowiewichtige Vorkommnisse in den Bundesstaaten. Ebenso werden diebedeutsamsten politischen Ereignisse der europäischen und außer-europäischen Staaten registriert.Der jetzt vorliegende 1. Vierteljahrsband umfaßt auf 216 Seitendie Ereignisse vom 1. Januar bis 31. März 1912. Der Preis diesesBandes beträgt geheftet 2,60 Mk. Der ganze Jahresband wirdsolid gebunden 12 Mk. kosten. Den Redaktionen der Arbeiterpresse,den Partei-, Gewerkschafts- und GenossenschaftsbureauS, den Ab«geordneten usw. wird daS Jahrbuch gute Dienste leisten.polireilicdes, Ocncbtticbes ulw.Nachwchen der RcichstagSwahl.En Groß-Lieskow(Kreis Kottbus) war der streitbare PfarrerrteS in die sozialdemokratische Versammlung gekommen. Erversuchte zu erzwingen, daß die Versammlung mit einem Kaiserhochbegonnen werde. Das klappte nicht. Dann redete er— immer ausdem Zitatensack des Reichsverbandes. Schließlich zitierte er, ausdem Zusammenhange gerissen, einen Satz, der die angebliche Bauern-seindichaft unseres allen Liebknecht beweisen sollte. Empört durchdie pasiörliche Zilierkunst machte der aus Koltbus anwesende GenosseL o e p e r t erregte Zwischenrufe gegen den Pastor. Dabei fiel auchdas Wort„Lüge". Der christliche Pastor lief zum Kadi und hatteErfolg. Unser Genosse wurde vom Kottbuser Schöffengericht wegenformaler Beleidigung zu 6 0 M. Geldstrafe verurteilt.Jugendbewegung.Arbeiter-Jugend.AuS dem Inhalt der soeben erschienenen Nr. 14 deS viertenJahrganges heben wir hervor: Preußen im Deutschen Reich.— DieKrisen. Von Gustav Eckstein.— Jugenderinnerungen eines Arbeiters.Von Albert Rudolph.— Zahnkrankheitcn und ihre Verhütung. VonKurl Biging.(Mit Abbildungen.)— AuS einem kleinen Bundes-I ftaat.— Aus der Jugendbewegung. Vom Kriegsschauplatz. Die�Gegner an der Arbeil usw.l Beilage: Der Mann mit der Flasche. Erzählung vonRudyard Kipling.— Rudyard Kipling. Von Rudolf Kommer-London.— Das ErdbeerparadieS Vierlanden. Von Aug. Wysocki.(Mit Abbildungen.)— Unter dem Baume des Wissens. VonJürgen Brand.— Bücher für die Jugend.— Wie die CayuseS daSFeuer bekamen. Eine Sage der nordamerikanischen Indianer.kleines feuilletonAbnormitäten. Der internationale Kongreß der Abnormi-täten, der zurzeit in Berlin tagt, läßt die Erinnerung an einigeBerühmtheiten auf diesem Gebiete der Naturspiele aufkommen,die ein witziger Mann einmal„Herrgottsschnitzer" genannt hat.Da sind z. B. die ohne Arme geborenen F u ß k ü n st l e r, die infrüheren Jahren sehr zahlreich waren. Gottfried Dietze, C. H. Un-than hießen die Berühmtheiten dieses Faches, die ihre Füße wiedie anderen Menschen die Hände zu gebrauchen wußten, zeichne-ten, schrieben usw. Dietze vermochte die feinsten Nähnadeln ein-zufädeln und hatte solche Fertigkeit erlangt, seine Füße, die ihnernährten, zu gebrauchen, daß er zu sagen pflegte:„Wenn mirjetzt die Hände wüchsen, ich wüßte gar nicht, was ich mit solchenDingen anfangen sollte!" Schon aus dem 15., 16. und 17. Jahr-hundert wird von solchen„Rumpfmenschen" berichtet, und es gibt,auch von Frauen dieser Art. Bilder und Gedichte, in denen sie ver-cwigt wurden.Riesen und Zwerge hat es zu allen Zeiten gegeben. Indem letzten Jahrhundert erlangte eine gewisse Weltberühmtheitder Riese Murphy, der in den fünfziger Jahren in der ganzenWelt auftrat, und den Napoleon III. durchaus mit einer SchweizerRiesin Marie Schubiger verheiraten wollte, um ein Riescngeschlechtheranzubilden. Die Idee scheiterte daran, daß die Schubigcr be-reits verheiratet war, obwohl sie immer noch unter ihrem Mädchen-namen auftrat. Wie der Name Murphy geradezu sprichwörtlichwurde für riesenhafte M-enschen, so war Tom Pouce, den Bornumaus eigener Machtvollkommenheit zum General Tom Pouce er-nannte, der stehende Name für Berühmtheiten von besonders klei-ner Gestalt. Er war jahrelang Bornums Haupteinnahmequelle.stand sich aber selbst dabei noch ganz gut, denn im Zenith seinerBerühmtheit, im Jahre 1847, hatte er ein Jahreseinkommen von16(MX> Pfund Sterling. Spätere Berühmtheiten dieses Genresworan der Zwerggencral Mite und die Prinzessin Pauline.Andere Abnormitäten waren die z u sa m m e ng e wa ch se-nen Menschen. Seitdem die beiden zusammengewachsenanSiamescn Chang und Eng, die im Jahre 1811 in Macklong ge-boren waren, in den Jahren 1829 und 1879 nach Europa kamen,um sich für Geld sehen zu lassen, hat man diese Art Abnormitätenstets„siamesische Zwillinge" genannt. Aufsehen erregten beson-ders die Schwestern Rosa und Josepha Blaczek aus Skreychow inBöhmen, die sich verschiedentlich für Geld sehen ließen. In diesenund anderen Fallen lvaren zwei völlig ausgebildete Menschen zu-sammcngewacbsen. Im Jahre 1899 aber wurde in Amerika einKind mit zwei Köpfen gezeigt, das bereits acht Monate nach derGeburt starb. Eine ähnliche Abnormität lebt bei Venedig in einerkleinen Villa, die sich der Wundermensch Johann Jacob Tocciovom Ertrage der Schaustellungen erworben hat. Toccio, der imJahre 1877 geboren ist, hat zwei Köpfe. 4 Hände, aber im übrigennur den Körper eines Menschen. Beide Köpfe unterhalten sich,zanken sich auch. Stech merkwürdiger ist der Hindu Laloo, der imJahre 1882 auf der indischen Ausstellung in London war und vondort aus eine Tournee durch die Welt machte. Aus der Brustdieses Mannes ist der Körper eines Mädchens, dem der Kopf fehlt,Sozialea«Die Belastung Deutschlands und Englands durch dir Sozialpolitik.Die Worte, die Professor Bernhard von der BerlinerUniversität auf der Hauptversammlung deS Vereins deutscher Eisen-Hüttenleute in Düsseldorf im März dieses Jahres über die Fort-fllhrung der deutschen Sozialpolitik sprach, erregte damals auch inbürgerlichen Kreisen peinliches Aufsehen. Der Redner, früher selbstein eifriger Sozialpolitiker, wandte sich gegen das angebliche Ueber»maß der sozialen Fürsorge, zu dem wir in Deutschland gelangtseieti, das den Arbeiter zur Verantwortungslosigkeit und Renten-Hysterie erziehe und die Arbeitgeber in ihrer Unternehmerlust lähme,indem eS sie durch die zu großen aufgebürdeten Lasten gegenüberdem Auslände konkurrenzunfähig mache.Der bekannte Statistiker Professor Dr. C. Ballod hatnun diese Aeußerungen des Berliner Professors zum Anlaß einerUntersuchung genommen, die sich mit der Belastung Deutschlandsund seines ältesten und größten Konkurrenten auf dem Weltmarkte,Englands, durch die Sozialpolitik beschäftigt. Englands Sozial-Politik ist jünger als die Deutschland»: sie ist erst ein Produkt derletzten Jahre. Aber mit dem Eifer de? Nachfolgers hat Englandsofort gemeint, seinen Vorgänger in seinen Leistungen noch über-trumpfen zu müssen. Die schon lange bestehende Haftpflicht-Versicherung der Unternehmer, die unserer Unfallversicherung ent«spricht, wird wie diese natürlich von den Arbeitgebern getragen-Die Kosten der im Jahre 1911 in Kraft getretenen Altersversicherungträgt allein der Staat, während bei der bereits vom Parlament be-fchlossenen, aber noch nicht eingeführten Krankenversicherung dieUnternehmer 8/9, der Staat 8/9 und die Arbeitnehmer 8/9 beizusteuernhaben.Sehen wir zunächst einmal von dieser letzten erst in Zukunfteintretenden Belastung ab, so ergibt sich folgendes Verhältnis derbeiden Staaten:Hiernach wären also wenigstens feit dem letzten Jahre die eng-lischen Unternehmer, gemessen an der Kopfzahl der Bevölkerung,etwa drei Viertel so stark belastet wie die deutschen. Bei den Arbeit«nehmern wäre die Belastuna ziemlich die gleiche, während der Staatunter Hinzurechnung der Armenlasten in England ungefähr den fünf-') seit 1911.so herausgewachsen, daß man annehmen mußte, dieser Kopf be-finde sich in der Brust LalooSGroß ist die Zahl der behaarten Menschen, insbe-sondere der Frauen mit Barten. Berühmt war besoirders dieMiß Julia Pastrana. eine mexikanische Tänzerin, die in denfünfziger Jahren durch Europa reiste und 1839 in Rußland starb.Auch ihr Name wurde sprichwörtlich für ähnliche Abnormitäten,obwohl es schon Mannweiber dieser Art in früheren Jahrhundertengab. so die Amazone RusinoivSka, die der polnische Reichstag imJahre 1596 hängen ließ, und selbst auf alten Heiligenbildern san-den sich derartige Abnormitäten abgebildet. Auch Männer mitbesonderer Behaarung haben sich sehen lassen, so Jojo, der„Mannmit dem Hundegesicht". Virchow hat nachgewiesen, daß solche Be-haarung oft die Folge einer Hautkrankheit ist. Eine andere merk-würdige Art der Abnormitäten sind die S k e l e t t m e ns ch e n,verknöcherten Menschen usw. Eine Berühmtheit auf diesem Spe-zialgebiet war Count Orloff. der vor etwa acht Jahren in Teplitzstarb. Er litt an Knochcnschwund, und eine gallertartige, fastdurchsichtige Masse ersetzte Haut und Knochen. Die Hand seinesManagers war deutlich durch sein Bein zu sehen. Damit ist dieReihe der Abnormitäten natürlich lange nicht erschöpft, zumalwenn man die Berühmtheiten deL HumbugS noch hinzurechnet,von denen die 145 Jahre alte Amme Washingtons erwähnt werdenmag, mit der Bornum sein Geschäft begann, die natürlich ein be-trächtlicheS jünger und niemals Amme gewesen war, ober dochvon den Amerikanern gern angestaunt wurde.Das HeiratSinserat als GefchäftSrellame. Noch in den vierzigerJahren des vorigen Jahrhunderts erregten Heiratsinserate— obgleichsie seit Jahrzehnten bereits keine absoluten Neuerscheinungen mehrwaren— wenigstens in deutschen Zeittingen noch außerordentlichesAufsehen und waren stets sicher. Beachtung zu finden.Darauf baute ein kluger Berliner Konditor seine Berechnung,den Kranzlers Ruf nicht schlafen ließ und der seinen süßen Apfel-kuchen mit Schlagsahne so gerne liebende Verehrer zugeführt hätte.Er ließ ein HeiratSinserat einrücken, in dem eine mrt allen Vor-zügen deS Geistes, Gemüts und nicht zum weitigsten des Porte«monnaieS ausgestattete wunderschöne junge Dame einen Gatten suchte,von dem sie selbst eigentlich nur„einen edlen Charakter"begehrte. Hunderte von edlen Charakteren meldeten sich I Und siealle erhielten da« gleiche, vielversprechende rosa Briefchen, in demdie geheimnisvolle Dame sie in zierlichen Worten zum erstenorientierenden Rendezvous einlud. ES braucht nicht gesagt zuwerden, daß der Rendezvousplatz die besagte Konditorei war. m dernun tagelang— denn der schlaue Ahnherr Peter GanterS hattejedem Heiratslustigen eine andere Zeit bestimmt— die Tür nichtstillstand. Berge von Törtchen„mit" und Törtchen„ohne", von„Elßlerkitsseit" und anderen LieblingSleckereien der Zeit mußten denJammer der Enttäuschte» versüßen helfen, die noch lange Zeithofften, daß die Dame, die natürlich nie kam, eine» Tage» doch auf-tauchen könnte l_Notizen.— D i e internationalen olympischen Spiele,die dieses Jahr in Stockholm stattfinden, sollen 1916 in Berlin ab-gehalten werden.— An dieser Sportschau nimmt die Arbeiterschaftbekanntlich nicht teil.fachen Betrag des in Deutschland aufgewendeten für soziale Ver«pflichtungen zu zahlen hätte. Die vom gesamten Volke zu tragendenLasten der sozialen Fürsorge sind jpro Kopf in England um dieHälfte größer wie in Deutschland.Mit dem in Bälde bevorstehenden Inkrafttreten des Kranken»Versicherungsgesetzes verschiebt sich dieses Verhältnis nochwesentlich. Die Belastung der Unternehmer erhöht sich durch diesesGesetz um 367 Millionen Mark oder um 8 M. pro Kopf, die de?Staates um 233,8 Millionen Mark oder 6,2 M. pro Kopf. Dieenglischen Unternehmer werden also in Zukunfteine relativ doppelt fo hohe Belastung zu tragenhaben wie die deutschen, während für den Staat die sozial«politischen Lasten pro Einwohner sogar 6— 7mal so hoch sein werdenwie bei uns.Zuungunsten Deutschlands tritt noch hinzu, daß die sogenannteLast des Unternehmers in Deutschland in der Tat vom Arbeitergetragen wird, da der Versicherungsbeitrag nur ein von vornhereinfeststehender Teil deS Lohnes ist. Andererseits könnte man vielleichtgegen die hier vonjBallod aufgestellte Berechnung einwenden, daß Eng-land eine weit größere Arbeiterbevölkerung(relativ) hat als Deutsch«land, weshalb nicht die Umrechnung auf den Kopf der Bevölkerung,sondern auf den Kopf des Arbeiters die richtigere wäre. Man würdedabei zu einer etwas niedrigeren Belastung der englischen Arbeitgeberkommen als in obiger Berechnung angegeben. Immerhin würde das nichtsan der Tatsache ändern, daß in allernächster Zukunft der englische Arbeit-geber einen weit höheren Betrag für die Sozialpolitik aufzulvendenhaben wird, als der deutsche. Auch die höheren Beiträge der eng-lischen Arbeiter zu den Gewerkschaftskassen und an die statistisch nichtvoll erfaßbaren„Friendlh Societies" müssen in letzter Linie ja vonden Unternehmern getragen werden, da eben der englische Arbeiterdurch diese mannigfachen Verpflichtungen gezwungen ist, höhereLöhne zu fordern und sie auch erhält.Mit Recht wendet sich Prof. Ballod voll Empörung gegen dieZumutung, daß Deutschland gerade in dem Augenblick, iit demEngland im Interesse seiner Volksgesundheit so schwere neue Lasten aufsich nimmt, die seinen erleichtern solle. Er weist die Leute, die sogern bereit sind, für die m ilitärisch e Stärkung deS Volkes je�esOpfer zu bringen, darauf hin, daß in einer Reihe von Städten diemilitärische Tauglichkeit in bedenklichem Grade- sinke, daß der Ge«burtenrückgang der letzten Jahre uns ebenfalls mit einem Rückgangeder Volkskraft und Volksmacht in der Zukunft bedrohe und fährtdann fort:.Angesichts all' dieferFragen über diesozialpolitische Belastung zu klagen, erscheintvom wissenschaftlichen Standpunkte nicht gerecht«fertigt, solches wäre höchstens zu erwarten vonVertretern einer Krämerpolitik, die aber stetsden Staaten und Völkern, die von ihr nicht lassenkonnten, den Untergang gebracht hat.""i>Selbstmord als Betriebsunfall?Der Maurer Wilhelm Sch. arbeitete am 16. Juni 1993einem sehr heißen Tage— auf einem Neubau. Sch.. der sonst ei»zuverlässiger Arbeiter war, mußte an diesem Tage wegen schlechterArbeit von, dem Polier getadelt werden. Nach einem solchen Tadelverließ er erregt seinen Arbeitsplatz, begab sich in> die Baubude underhängte sich. Die Witwe machte bei der Stordöstlichen BaugewerkS-Berufsgenoflenschaft Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltend, daihr Mann den Selbstmord unter der Einwirkung der außcrordent»lichen Hitze, der er bei seiner Arbeit besonders ausgesetzt gcwesenisei und durch welche seine Geistestätigkeit beeinflußt wurde, be»gangen habe. Sie wurde von der Berufsgenossenschaft abgewiesen.Die Berufung an das Schiedsgericht für Arbeiterversicherunghatte Erfolg. Das Schiedsgericht stellte Beweiserhebungen an. DerMaurerpolier V. wurde vernommen, ebenso wurde eine Auskunftder Arbeitgeberin eingeholt, endlich wurde noch ein ärztliches Gut»achten von dem Medizinalrat Dr. Leppmann eingefordert. AufGrund der Beweiserhebung und der ärztlichen Aeußerungen er»kannte das Schiedsgericht den ursächlichen Zusammenhang deSTodes(Selbstmord) mit dem durch die starke Sonnenhitze herbei-— Die Neue Freie Volksbühne wird in ihrem neuenSpieljahr, dem 22., ihren Mitgliedern nunmehr auch Opern»ansführungen bieten, die an 22 Sonntagnachmittagen im Char«kottenburger Deutschon Opernhause stattfinden werden. Im NeuenVolkstheater werden Werke von Schnitzler(Liebelei und Literatur),Wedelind(Der Kammersänger), von Shaw(Helden) gespielt werden,ferner die.Doppelgängerkomödie' von Adolf Paul, und„DieSpieler" von Gogol,„Der Kaiserjäger" von Brennert und Ostwald,„Mutter Landstraße" von Schmidtbonn.„Mutter Mews" vonStavenhagen,„FigaroS Hochzeit" von Beaumarchais. JbfenS„Wildente",„Der Graf von CharolaiS" von Behr-Hofmann. EineUraufführung wird der„Hexe" von Martha Rögner zuteil werden.Außerdem wird den Mitgliedern eine ermäßigte Beteiligung an derVersuchsbühne, die vier Dramen junger Dramatiker herausbringenwill, ermöglicht. Vom Blttthnerorchester läßt der Verein zehnklassische Orchesterkonzerte veranstalten.— Bestellte Kritik. Wie die Kritiken über das Kro«»Prinzenbuch zu stände kamen, plaudert die„Rhein.-Westf. Ztg."aus. Sie verrät:„In der sicheren Voraussicht, daß bei der in derPersönlichkeit des Verfassers begründeten Bedeutung des Werkesallen größeren Zeitungen daran gelegen sein müsse, ihren Lesernmöglichst schnell eine ausführliche Besprechung vorlegen zukönnen, suchte sich die„Deutsche VerlagSanstalt" einen kleinenKreis bekannter TageSschriftstellcr aus, mit denen sie bestimmteVerträge abschloß, und übergab ihnen, und nur ihnen allein.die Bogen des im Druck begriffenen Buche». Auf den soorganisierten Kritikerring wurden die in Frage kommendengrößeren Zeitungen verteilt, ohne daß man eS für nötig hielt, sieum ihre Zustimmung zu befragen. Die selbständige Kritik derTageSpresse wurde auf diese Weise einfach kaltgestellt. Die Rechnungwar ganz foigerichtig aufgebaut aus dem Kottkurceitzzwang."Die bürgerliche Presse hat also vom Verlag bestellte&• sch-zettel einfach glatt abgedruckt, ohne das Buch selbst zu kennen! IhreProstitution ist vollständig und ihre Rechtfertigung lautet: eS machenes ja alle so— um der Konkurrenz willen.— Reichtum. EhreundRuhm. Einem Fräulein ist vonder preußischen Akademie der Wissenschaften die goldene Leibniz«Medaille verliehen worden. Aber die Feministen brauchen deswegennicht zu triumphieren. DaS Verdienst besteht in diesem Falle nichtin wissenschaftlichen, sondern in Geldleistungen, die der Kaiser-WilhelnfGesellschaft, dem Kaiser-Friedrich-Museum und ver Akademiezugute gekommen sind. Diese Art der Verwendung ererbten Ver«mögenS ist gewiß honett und in Deutschland zudem selten. Auchwollte die Spenderin ihren Namen nicht genannt wissen. Aber dieAkademie hat ihn illohalerweise doch in die Oeffentlichkeit gebracht,offenbar um mit der goldenen Medaille zur Nachfolge anzulocken. Sienimmt mit Recht an, daß Spenden für Wissenschaft und Kunstwegen Titel. Orden und Medaillen und nicht um der Sache selbstwillen gegeben werden.— Ein Kino für Jugendliche, da? die Auswüchse derüblichen Lichtbildtheater vermeiden soll, ist in Plauen eingerichtetWarden. ES werden hier versuchsweise zwei Aufführungen in derWoche veranstaltet, die auf den Gesichtskreis der Kinder zugeschnittensind und neben Belehrendem auch viel Unterhaltendes bringen. Di«Auswahl der Bilder wird von Lehrern getroffen.