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Nr. 155. 29. Jahrg.

Beilage des Vorwärts" Anzeigen für Süden und Weffen.

Gerichts- Zeitung.

Unterschlagungen im Bolizeifundbureau.

Schwere Berfehlungen eines Polizeisekretärs lagen einer An­flage wegen Amtsunterschlagung und Fälschung öffentlicher Ur­funden zugrunde, welche gestern das Schwurgericht des Landge­ richts III   beschäftigte.

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6. Juli 1912.

Mit Wehmut dachten sie an ihre behaglichen Häuschen in der Seimat, wenn die Hize auf dem Blechdach auf Bluttemperatur stieg und dann wieder bei dem Pampero eisige Kälte eintrat, oder bei Regen der Fußboden sich überschwemmte. Nicht nur Frauen und Kinder, auch Männer erkrankten. Die Kinder verwilderten ohne Schule und ordentliche Häuslichkeit zusehends. Wohl wurde der versprochene Lohn ausbezahlt, aber Lebensmittel und die nötigsten

und bot,

und durch Rizen

sie namentlich bor

I Der Beklagte versuchte es ohne Erfolg mit dem Rechtsmittel der Revision: das Reichsgericht bestätigte das Urteil des Ober­Ilandesgerichts. Die gleiche Haftung trifft natürlich auch die Apotheker. Berfehltes Strafverfahren gegen den Verwalter eines fozialdemokratischen Kasinos. Der sozialdemokratische Verein Schweinit( Regierungsbezirt Gebrauchsgegenstände kosteten das Doppelte und Drei­Aus der Untersuchungshaft wurde der Polizeisekretär Otto Merseburg) besitzt ein Kasino, für das eine Schanterlaubnis nicht fa che wie in Deutschland  . Selbst Gemüse zu bauen und sich Bieh Die vorgeführt, mitangeklagt wegen Beihilfe war die frühere besteht. Der Kasinoverwalter Zeidler wohnt etwa 80 Meter ent- au halten war infolge der Unordnung und Unfähigkeit der staat­Wirtschafterin des D. Antonie Schwart, mit der er während des lichen Verwaltung des Mustergutes nicht möglich. Eine Familie schwebenden Strafverfahrens die Ehe eingegangen war. Den Bor- fernt, wo er einen Sandel mit Flaschenbier betreibt. Eines Tages mit drei erwachsenen Töchtern fand ihre Unterkunft in einem fik im Gerichtshofe führte Landgerichtsdirettor effe, als Verteidi- hatte nun der Arbeiter- Radfahrerverein Borwärts" in dem Kafino einzigen Raum durch Blechwände von anderen Familien ge­ger fungierten die Rechtsanwälte Dr. Frey und Dr. Strieger. Der ein Vergnügen. Die Teilnehmer kauften sich im Geschäft Zeidlers trennt, so daß nicht nur jedes Wort durchdrang, auch unbefugte Angeklagte Diez, welcher Jura studiert hat, trat im Jahre 1892 bei Flaschenbier und nahmen es mit in das Kasino, um es dort zu Blide Spalten schleichen konnten. dem Berliner   Polizeipräsidium als Zivilanwärter ein. Er wurde trinken. Auch wurde einmal ein ganzer Kasten mit Bier geholt. und als für die Mädchen sich doch keine passende Arbeit dann im Jahre 1895 als Polizeisekretär an das Polizeipräsidium Auf Grund dieser Vorgänge wurde Zeidler wegen unbefugter Aus­Dent Nachstellungen der Charlottenburg   versetzt. Hier wurde er der Abteilung 5 augeteilt, übung des Schankgewerbes und wegen Vergehens gegen das Ge- Männer nicht sicher waren, eine sogar von dem Maschinisten unter welche unter anderem auch die Fundsachen zu bearbeiten hatte.werbesteuergeses angeklagt. dem Vorwande eine gute Stellung zu finden, nach einem Hotel in der nahen Stadt gelockt wurde, wußten sich die Eltern keinen andern Wie sich später herausstellte, hat D. stets ein sehr loderes Leben geführt und viel Geld für Weib und Wein" verbraucht. Von der Rat, als ihre Töchter, deren Ueberfahrtskosten die uruguayische Re­Meitangeklagten, mit der er jahrelang in wilder Ehe gelebt hat, gierung gezahlt hatte, als Dienstmädchen zu guten deutschen   Familien stammen 5 uneheliche Kinder, denen er erft jest, nachdem das in Argentinien   zu vermieten. Und das Elend der menschenunwür­Strafverfahren anhängig war, burch Heirat der Mutter seinen digen Unterbringung änderte sich nicht. Namen gegeben hat. Als D. vor einiger Zeit durch einen anderen Beamten vertreten wurde, stellte es sich heraus, daß er jahrelang sich an den seiner Obhut anvertrauten Fundsachen bereichert hatte. Um die Unterschlagungen selbst zu verdecken, soll er, wie die An­flage behauptet, in die amtlichen Register falsche Eintragungen gemacht und ferner mehrere Quittungen mit den Namen von fin­gierten Personen gefälscht haben, die angeblich die Fundsachen ab­geholt hatten. Neben den als gefunden abgegebenen Barbeträgen soll D. auch Schmucksachen und Pelzwert sich angeeignet und teils selbst versest, teils durch seine jetzige Ehefrau haben versehen lassen. Der auf diese Weise entstandene Schaden wird auf girta 4500 M. beziffert.

In dem Vorverfahren hatte der Angeklagte die Straftaten selbst zugegeben und erklärt, daß er in der drückendsten Not dazu gekommen jei. Er habe sich seinerzeit in Wucherhänden befunden und habe schließlich nicht mehr aus noch ein gewußt. Im Laufe des Ermittelungsverfahrens stellten sich erhebliche Zweifel an der zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ein. Er wurde deshalb zur Beobachtung seines Geisteszustandes der Jrrenanstalt Buch über­wiesen, in der er sich noch bis vor kurzem befunden. Die Geschworenen tamen, da die Sachverständigen das Vor­liegen des§ 51 verneint hatten, zu einer Bejahung der Schuld­fragen im Sinne der Anklage. Beiden Angeklagten wurden mil­dernde Umstände zugebilligt. Der Staatsanwalt beantragte gegen D. 3 Jahre Gefängnis und gegen die Ehefrau D. 6 Monate Ge­fängnis. Das Urteil lautete gegen Dies auf 2 Jahre Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust, unter Anrechnung von 6 Monaten der er­littenen Untersuchungshaft, und gegen die Ehefrau D. auf 4 Mo­nate Gefängnis. Der Angeklagte erklärte, sich bei dem Urteil be= ruhigen zu wollen.

Untreue eines Geldbriefträgers.

Gin ungetreuer Geldbriefträger hatte sich vor dem Schtour­gericht des Landgerichts II unter der Anschuldigung des Amtsver­brechens und der fortgesetzten Unterschlagung zu verantworten. Angeklagt war der Postbote Friz Schulz.

Das Landgericht in Halle a. S. sprach ihn frei, weil Zeidler in seinem Hause das Bier verkauft habe, wozu er berechtigt gewesen fei, und weil andererseits in diesem Verfahren keine Ausübung des Schankgewerbes im Kafino des sozialdemokratischen Vereins ge­funden werden könne.

Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision ein und machte geltend, daß 3. doch das Schankgewerbe ausgeübt habe, in­dem er das Bier an die Festteilnehmer verkauft habe, von denen er wußte, daß sie es alsbald in dem nahen Kasino austrinken würden.

Bei solchen unerhörten Zuständen sollten es die Arbeiter fich reiflich überlegen, ehe sie den Lockungen gewissenloser Auswanderungs­agenten Folge leisten.

Der Oberstaatsanwalt am Kammergericht vermochte dieser Todessturz zweier englischer Militärflieger. halsbrecherischen Deduktion nicht zu folgen. Auch das Kammer­Auf dem Flugplaze von Stonehenge   sind am Freitag gericht verwarf dieser Tage die Revision der Staatsanwaltschaft mit folgender Begründung: In Uebereinstimmung mit dem Oberstaats- morgen die Militärflieger Hauptmann Borraine und Major anwalt habe der Senat die Revision der Staatsanwaltschaft nicht Wilson bei Flugversuchen aus beträchtlicher Höhe ab= für begründet erachten können. Voraussetzung für die Annahme gestürzt. Die Verlegungen der Verunglückten waren so schwer, der Ausübung der Schankwirtschaft durch den Angeklagten würde daß der Tod auf der Stelle eintrat. sein, daß ein räumlicher Zusammenhang zwischen des Wohnung 3.3 und dem Kasino bestände. Das sei aber nach dem Urteil des Land­gerichts nicht der Fall. Es müsse bei der Freisprechung bleiben.

Schutz vor Schuhleuten.

Die Straffammer in Dortmund   verurteilte nach zehnstündiger Verhandlung den Polizeikommissar Heide aus Hörde wegen Miß­handlung im Amte zu der milden Strafe von einem Monat Ge­fängnis und sprach ihn von der Anklage der Freiheitsberaubung frei, da er sich anscheinend der Rechtswidrigkeit seiner Handlungs­weise nicht bewußt war. Die Verurteilung erfolgte, weil der An­geklagte einen Arbeiter, der angeblich eine Tat nicht eingestehen wollte, geohrfeigt hatte. Der Staatsanwalt hatte 8 Monate Ge­fängnis beantragt. Buchthaus gegenüber solchem Amtsmißbrauch wäre zulässig und angemessen gewesen.

Etwas aus dem Reich der Mitte.

Das Konsulargericht Tientsin   hat am 4. April d. J. den Monteur Eduard Wimmer wegen Widerstands gegen die Staats­gewalt, Körperverleßung, Beleidigung, Bedrohung und Verübung groben Unfugs zu einer Gesamtstrafe von 12 Monaten Gefängnis und 3 Wochen Haft verurteilt.

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Zirkus Schumann und die Preffe. Unser Frankfurter   Parteiblatt, die Volksstimme" brachte vor furzer Zeit eine absprechende Kritik über das Ausstattungsstück des in Frankfurt   a. M. gastierenden Zirkus Albert Schumann  . Die Direktion, die Pressevertreter mit Freibillettschnorrera ber­wechselte, entzog aus Merger über die kritische Würdigung ihrer fünstlerischen Leistungen der Redaktion unseres Parteiblattes die Blazkarte für den Zirkus. Mehrere Frankfurter Zeitungen fchidten aus Anlaß dieser Brüstierung auch ihre Karten zu­rück. Am Donnerstag nahm nun der Frankfurter   Journalisten­und Schriftstellerverein Stellung zu dem eigenartigen Vorgehen Die einmütige Auffassung ging dahin, daß der Direktion. es sich um eine, die ganze Preise angehende An­die eine entschiedene Stellung­gelegenheit handele, die nahme erfordere. Es wurde eine Resolution gefaßt, in welcher betont wird: da der Zirkus Schumann bisher eine Rechtfertigung seines Vorgehens unterlassen hat, erachtet es der Verein für geboten, daß die Presse auch weiterhin von einer Berichterstattung über den 8irtus Schumann Abstand nimmt, und be­schließt zugleich, den Vorstand des Reichsverbandes der deutschen  Presse über die Angelegenheit zu unterrichten und ihn zu ersuchen, eine allgemeine Stellungnahme des Werbandes herbeizuführen.

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Der seinerzeit stellungslose Angeklagte hatte am 24. Februar Der Angeklagte war als Briefträger zur Bestellung von Gil. d. I. bereits von vormittags an gezecht und hatte dann abends poftanweisungen bei dem Postamt 30 in der Neuen Winterfeldt. in einem Hotel in begechtem Zustande fich allerlei zuschulden Zur Eisenbahnkatastrophe im Staate New York.  ") Straße in Schöneberg   angestellt gewesen. Da er jung berheiratet fommen lassen. Schließlich sah sich der Wirt, dessen Aufforderung Ueber die Ursachen des Zusammenstoßes der beiden Eisenbahn­war und von seinen Gläubigern aus der Junggesellenzeit her, denen das Lokal zu verlassen fruchtlos geblieben war, gezwungen, die er bei seinem Einkommen von 90 M. nicht gerecht werden konnte, Bolizei zu Hilfe zu nehmen. Der darauf hinzugekommene dhine- aüge bei Corning wird gemeldet: Die Lokomotive des Personen= hart bedrängt wurde, erlag er eines Tages der Versuchung, fich fifche Polizist war aber dem sich widersehenden Angeklagten, den zuges hatte auf offener Strecke einen Defekt erlitten. Der Zug rechtswidrig amtliche Gelder anzueignen. Anstatt die ihm über- man gewaltsam aus dem Lokal entfernt hatte, auf der Straße war zum Stehen gebracht worden und das Personal des Zuges gebenen Bostanweisungen zu bestellen, begab er sich in eine Schant- auch nicht mehr gewachsen. Erst als noch einige japanische Poli- machte sich an die Arbeit, um den Schaden zu reparieren. In­wirtschaft, wo er auf der Rückseite der Anweisung den Quittungs- ziften zu Hilfe gekommen waren, gelang es, den sich sträubenden zwischen war aber auf dieser Strecke das Herannahen eines Schnell­bermerk des Empfängers fälschte und dann die Beträge in seine Angeklagten auf die Wache zu bringen, wo er gefesselt wurde. zuges fignalisiert worden. Man entsandte daher, da sehr st atter eigene Tasche stedte. Diese Fälschungen wiederholte er an mehre- Sier nun soll der Angeklagte die Schußleute durch Schimpfworbe e bel herrschte, zwei Mann mit Laternen, dem Gilzuge entgegen, ren Tagen und setzte sich so in den Besitz von etwa 750 M. und Anspucken beleidigt, einen sogar gebiffen haben. Demgegen- um diesen ebenfalls zum Halten zu veranlaffen. Die Unfallstelle Vor Gericht war der Angeklagte in vollem Umfange geftändig. über hatte der Angeklagte in der Hauptverhandlung behauptet, er Rechtsanwalt Dr. Herbert Fuchs bat die Geschworenen, dem An- sei finnlos betrunken gewesen. Er sei von den Polizisten, soviel liegt in einer Kurve, die der Schienenstrang nach einer Strecke geklagten die mildernden Umstände nicht zu versagen, weil dieser habe er in seinem Zustande noch gemerkt, auf der Wache gestoßen, bon 10 Meilen macht. Gewöhnlich fahren die Züge auf dieser offensichtlich kein verbrecherisch veranlagter Mensch sei, sondern geohrfeigt und mit einem Drahtseil an einen Pfosten gebunden Strecke mit einer großen Geschwindigkeit und verlangsamen ihr gedrängt von seinen Schulden einer augenblicklichen Ver- worden. Auch habe einer der Schuhleute versucht, ihm das Geld Tempo in der Kurve nicht; so fuhr auch dieser Schnellzug mit irrung zum Opfer gefallen sei. Die Geschworenen bejahten aus der Tasche zu nehmen, wogegen er sich vielleicht durch beißen einer Geschwindigkeit von 50 englischen Meilen in der Stunde. die Schuldfrage unter Bubilligung mildernder Umstände. Das gewehrt haben möge. Diese von dem Angeklagten behaupteten Infolge des dichten Nebels bemerkte nun der Bokomotivführer des Urteil lautete auf 9 Monate Gefängnis unter Anrechnung von Uebergriffe sind als nicht erwiesen angesehen worden.. Schnellzuges die beiden Beamten des Personenzuges, die mit ihren einem Monat der Untersuchungshaft. Der Angeklagte wurde aus Laternen Signale gaben, nicht, so daß der Bug auf den stehenden der Haft entlassen. Bersonenzug auffuhr.

Haftung der Drogiften.

Der Pfarrer als Prophet.

Gegen dies Urteil hatte sowohl der Konsul, als auch der An­geklagte Berufung eingelegt, die am Donnerstag das Reichsgericht beschäftigte. Dem Konsul war die Strafe zu gering, dem Ange­flagten zu hoch. Der Reichsanwalt war der Ansicht, daß das Ur­teil zu verschiedenen Bedenken Anlaß gebe. Zunächst fei nicht fest­Eine politische Grabrede leistete sich der Pfarrer und Schul­gestellt, ob der chinesische Polizist überhaupt zur Festnahme be bei der rechtigt war und nicht ein deutscher, nach dem der Angeklagte auch inspektor Scheuer in Holzkirchen  ( Oberbayern  ) verlangt hatte. Weiterhin sei nicht gesagt, ob nach japanischem Beerdigung eines sozialdemokratischen Arbeiters. Die ganze Rede Recht auch der Widerstand bestraft wird, der einem nur zu Hilfe richtete sich gegen die sozialdemokratische Arbeiterbewegung. Pfarrer " Titanic" tommenden Beamten geleistet wird. Ferner seien die Zeugenaus- Scheuer verglich diese mit dem Untergang der fagen nicht genügend gewürdigt; denn ein Zeuge habe bestimmt und meinte: Wie die" Titanic" von ihrer Höhe in den Abgrund des Meeres. bekundet, gesehen zu haben, daß der Angeklagte Ohrfeigen erhalten hat, während sich die anderen Polizisten drumrum" drücken, indem so wird auch die Arbeiterbewegung in den Abgrund sie sagen, sie haben nichts gesehen. Aus diesen Gründen bean- verschwinden. tragte der Reichsanwalt, der Berufung des Angeklagten stattzu­geben, also das Urteil aufzuheben und den Angeklagten milder zu bestrafen, die Berufung des Konsuls aber als unbegründet zu verwerfen..- Das Reichsgericht wird seine Entscheidung am Montag, den 8. d. M., verkünden.

Aus aller Welt. Auswandererschicksal.

O sancta simplicitas!

Kleine Notizen.

Schwerer Automobilunfall. In der letzten Nacht ereignete sich auf einer Chaussee in der Nähe von Darmstadt   ein schwerer Automobilunfall. Das Automobil des Dr. Fiedler aus Pfung­ stadt   stieß bei der Heimfahrt in der Nähe der Haltestelle Budwigs höhe mit einem Fuhrwert zusammen. Infolge des Zu­sammenpralls wurden die beiden Insassen des Automobils Dr. Fiedler und Frau schwer verlebt. Dr. Fiedler starb auf dem Transport ins Krankenhaus; das Automobil wurde zer­trümmert. Eisenbahnunglüd in Ungarn  . Auf der Station Darda stießen infolge falscher Weichenstellung ein Personenzug mit einem Erpreẞ= zug zusammen. 5 Reisende und 4 Bahnbedienstete wurden mehr oder minder schwer verletzt.

Für eine weitgehende Haftung der Drogisten aus Versehen hat sich am Donnerstag das Reichsgericht entschieden. Der Kauf­mann H. betreibt in Hattingen   ein großes Kolonialwarengeschäft, verbunden mit dem Handel mit Drogen und Chemikalien zu Arznei­zwecken. Er unterhält in verschiedenen Städten 80 Filialgeschäfte, die ihre Waren von der Zentrale in Hattingen   zugesandt erhalten. In dem Filialgeschäft in Hamm   faufte die Ehefrau G. am 24. Mai 1910 für 10 f. Karlsbader Salz. Ihre 26jährige Tochter nahm am folgenden Tage einen halben Teelöffel davon mit Wasser ein; fie erkrankte aber alsbald, weil das Pulver nicht Karlsbader Salz, sondern Pottasche war. Infolge der schweren Verbrennung der Speiseröhre und des Magens ist sie dauerndem Siechtum verfallen. Jm Prozeßwege verlangt mun Fräulein G. von dem Geschäfts­inhaber H. Schadenersatz durch Erstattung der Heilungskosten, Bah­Yung eines Schmerzensgeldes und einer Rente. Es ist gerichtlich festgestellt worden, daß der Beklagte im Dezember 1909 von der Firma D. in Düsseldorf   50 Kilo grobförniges Karlsbader Salz bestellt hat und daß darauf ein Faß mit 70 Kilo einging, dessen Inhalt als feingemahlenes Karlsbader Salz bezeichnet war, das aber in Wirklichkeit Bottasche enthielt. Das Bulber ist von einem in der Zentrale angestellten 18jährigen Lageristen P. als Karls. Ueber die traurigen Erlebnisse mehrerer deutscher Landarbeiter­bader Salz ausgezeichnet und ein halbes Kilo davon im Januar familien in der füdamerikanischen Republik Uruguay lesen wir in 1910 an die Hammer Filiale gesandt worden. Die Klage ist darauf der deutschen La Plata Beitung" folgende Schilderung: gegründet, daß den Beklagten deshalb ein Verschulden treffe, weil Auf Veranlassung des Industrieministers Dr. Acevedo wurden er dem unerfahrenen jungen Mann das verantwortliche Auszeichnen von der Regierung von Uruguay   sechs Landarbeiterfamilien der Ware überlassen hat. in Schleswig- Holstein   engagiert. Bekanntlich hat Uruguay   sehr wenig Das Landgericht Essen   hat die Klage abgewiesen. Dagegen Ackerbau und fast gar feine Einwanderung und es war die An­ist vom Oberlandesgericht Hamm der Klageanspruch dem Grunde stellung dieser Familien auf einem staatlichen Mustergut eines Allen Parteigenossen, Freunden und Bekannten will ich hierdurch mein in der nach für gerechtfertigt erklärt worden. Begründend führt hierzu der vielen Projekte der Regierung zum Aufschwung des Landes. dieses Jahres ein und das Oberlandesgericht aus: Mit der unstreitigen Tatsache, daß der Die Familien trafen im Februar Frau G. in dem Filialgeschäft des Beklagten in Hamm   anstatt obwohl schon vor fünf Monaten der Auftrag zu dem Experiment er Karlsbader Salz eine derartig gefährliche Substanz gegeben worden teilt war und mehrfach die Regierung an die bevorstehende Ankunft gelegenes Lokal in empfehlende Erinnerung bringen. Sträftigen ist, steht objektiv fest, daß es in dem Geschäft des Beklagten an der Leute erinnert war, hatte man weder Wohnung noch der nötigen Aufsicht gefehlt haben muß. Der Lagerist P. war ein Arbeitsgelegenheit für die zukünftigen Kolonisten vor­unerfahrener 18jähriger Mensch, der Karlsbader Salz von bereitet. Sie wurden zunächst in dem sehr primitiven Hotel Bottasche nicht unterscheiden konnte. Der Beklagte durfte deshalb de Inmigrantes" untergebracht, woselbst sie unter Ungeziefer und Saal und Vereinszimmer, bis 150 Personen fassend, find zu vergeben. diesem die Auszeichnung der Waren nicht überlassen. Es wäre mehr noch unter dem Mangel an Beschäftigung zu leiden hatten. feine Pflicht gewesen, einen zuverlässigen Mann anzustellen, der Erst jetzt wurde beschlossen, die Familien nach der agronomischen die Chemikalien genau unterscheiden konnte. Nun hat der Beklagte Station in Paysandu   zu schicken und telegraphisch wurde der­allerdings behauptet, er habe die Aufsicht nicht dem P., sondern selben Auftrag erteilt, provisorische Wohnungen einzurichten. Eine dem zuverlässigen 40jährigen St. aufgetragen gehabt. Aber der Familie zog es vor, in Montevideo   auf die weitere Tätigkeit Beklagte fann sich damit von seiner Haftpflicht nicht befreien. bei der Regierung zu verzichten. Die übrigen fünf fanden in Der Unfall stellt sich dar als die Folge der unzureichenden Betriebs- Paysandu einen Kamp von 1300 hektar bor, mit einem Belt für die einrichtungen des Beklagten. Dieser hätte Anordnungen treffen Beone und einem Schuppen aus Wellblech durch vier Wände müssen, wodurch verhindert wurde, daß der 18jährige B., wie tat von demselben Material in fünf Räume geteilt, ohne Fenster sächlich geschehen ist, die ankommenden Chemikalien auszeichnete. und Fußböden. Die beklagenswerten Holsteiner mit ihren zahl­In der Unterlassung solcher Anordnungen liegt ein dem Beklagten   reichen Kindern richteten sich auch hier wieder so gut es ging, ge­schulden.

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