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DU InUrnatUnaU Spionage. Wieder liest man von verhafteten Spionen. Ein russischer in Deutschland   ein deutscher   in Rußland  . Vor einigen Monaten waren die englisch  -deutschen   Spionageprozesse an der Tagesordnung. Zwischen Frankreich   und dem Deutschen Reiche   reißt dieses ange- nehme Band auch nicht ab, ebensowenig zwischen den übrigen Mili- tärmächten, mögen sie nun im bloßen Waffenstillstand, dem bei Ge. legenheit der Krieg folgen soll, verharren oder in enger Freund- schaft, wie ja Rußland   und Preußen-Deutschland  , oder gar durch ein Bündnis(Oesterreich-Jtalien!), eine entente cordmle, oder wie alle die diplomatisch-journalistifchen Bezeichnungen lauten, verknüpft sein. Ueberall wird spioniert, überall die Anwerbung von Spionen in Feindes- Pardon: Freundes-Land betrieben, überall auch diese Spionagetätigkeit abgeleugnet. Alles das muß so sein. Denken wir uns zwei wilde Stämme oder, ein Stück Wildheit in unserer eigenen Gesellschaft, die Angehörigen zweier Verbrecher« banden, die in Feindschaft leben und einander Vernichtung ge- schworen haben. Selbstverständlich werden sie sich belauern, um eine Gelegenheit zu erspähen, nach Möglichkeit falls solche Korruption bei Wilden schon zu finden ist-- auch aus den Angehörigen der feindlichen Seite Verbündete zu werben suchen, die sie über deren Unternehmungen unterrichten. Tatsächlich stehen unsere Militär- staaten trotz alle? Firnisses von Christentum und Kultur einander in ganz gleicher Weise gegenüber. So ergibt es sich auch von selbst, daß sie zu dem wenig schönen aber nach Lage der Dinge unumgäng- lichcn Hilfsmittel der gegenseitigen Ausspionierung greifen. Jeder macht eS so und weiß natürlich auch von dem anderen, daß er es tut, nimmt eS ihm auch nicht weiter übel. Von diplomatischen Bor. stellungen oder gar schärferen Maßregeln aus solchem Anlaß hört man nichts. Sie liegen eben alle, wie der Schweizer   sagt, im selben Spittel krank. Und leidenschastliche Spieler nehmen einander ein wenig Mogeln auch nicht übel. Die Monarchenbegegnun- gen vollziehen sich trotz aller Spionagcprozcsse mit unverminderter Höflichkeit und vorgeschriebener..Herzlichkeit". Kein Teil wird, wenn er die wohlgezählten Küsse auf die Wangen des.freundwillig geliebten Vetters und Bruders" appliziert, dabei an so etwas wie Judasküsse denken. Es ist nun einmal so, und jeder weiß da». Tatsächlich geht eS auch den ertappten Spionen nicht zu schlimm. Verständnisvoll lächelnd brummt man ihnen einige.ehrenvolle" Festungshaft auf, die oft noch durch einen Freundlichkeitsakt des Souveräns bald beendet wird. Und was ist schließlich die von allen Militärmächten gepflegte Einrichtung der Militär- und Marine- attachös, deren Aufgabe doch nur die Ermittlung der zutage liegenden Stärken und Schwächen desFreundeSstaateS" ist, anders als ein Stück allseitig betriebener, offiziell zugelassener Spionage nicht zu reden von der inoffiziellen, strafbaren Spionage, die sich oft genug gerade daran anschließt. Anders wird die Sache, wenn das Geschäft nicht mehr von einem Gliede der befreundeten feindlichen Ration betrieben wird, sondern von einem Angehörigen des eigenen Staates, womöglich einem mit militärischen Geheimnissen beschäftigten Beamten, der sich für schnödes Geld als �LandeSverräter verdungen hat. Dann ist die Entrüstung allgemein, schwere Zuchthausstrafe, dauernder Ehr- Verlust die Folge. Und doch ist auch diese ganze Empörung eitel Heuchelei. Wenn schon der Hehler nicht besser ist als der Stehler: welche Verachtung gebührt dann dem, der zu den Hand. langen, die er feierlich für die nichtswürdigsten erklärt und al» solche bestrafen läßt, andere tagtäglich selbst anstiftet? Man entrüstet sich über den Lumpen, der für Geld Nachrichten an die englische oder französische   Regierung liefert, und arbeitet selbst daran, Franzosen   und Engländer ihrem eigenen Lande gegenüber zu ebensolche� Lumpen zu machen. AIS   vor einigen Monaten die englisch  -deutschen   Spionageprozesse spielten, konnte man in unserer nationalen" Presse die Klage lesen: Spionage, na ja, machen wir all«. Aber die Engländer übertreiben es. Und die früher in Deutschland   so sehr belacht« Spionenangst der Franzosen   war doch auch nur ein Zeichen dafür, daß wie mancher andere Teil l>eS mili- tärifchen Verwaltungsdienstes auch daS Kundschafterwesen bei den Preußen besser klappte als drüben. Und gilt denn schließlich nicht dieselbe Verrätermoral im Kampfe der herrschenden Klasse um die Erhaltung ihrer Macht innerhalb der einzelnen Staaten? Als nützlichste Elemente werden die Arbeiter geschätzt, die ihre Arbeiterehre verkaufen und ihren kämpfenden Kollegen in den Rücken fallen. Der Haß, den unsere staatSerhaltenden Kreise jedem Gegner deS Systems entgegen- bringen, wandelt sich in Sympathie für jeden Lumpen, der seine ehedem laut verkündete.Ueberzeugung" drangibt, um drüben bessere Geschäft« zu machen. Der Krieg. Genosse Karvu» schreibt uns au» Konstantinopel  : Die Offiziersrevolte in der Türkei  . kkaßnahmen gegen die Arbeiter bildeten den Anfang der türkischen   Konterrevolution, Maßnahmen gegen die Offiziere und die Armee bilden ihren Abschluß. Zwischen den Arbeitern und der Armee besteht zwar kein Zusammenhang, dennoch zeigen beide Maßnahmen eine konsequente EntWickelung, denn sie zeigen, wie die jungtürkische Regierung immer mehr von der demokratischen Basis abrückte, um sich schließlich in einen offenen Gegensatz zu dieser zu stellen, so daß nunmehr zwischen Regierung und Volk eine Kluft sich aufgetan hat, die beinahe ebenso groß ist, wie unter Abdul Hamid.  , Diese Revolution war ja bekanntlich von Anfang an eine Offiziers- und Beamtenbewegung. Aber so unbedeutend vor der Revolution dt« Organisation des KomiteesUnion   und Fortschritt" war, so hatte sie doch einigen Anschluß an die Volksmassen, be- sonderS an die Handwerkerzünfte. Die Revolution selbst hat mit einem Schlage die Volksmassen auf den politischen Schauplatz ge- bracht. Es begannen die großen Eisenbahner- und sonstige Streiks, ferner die Boykotts, die in der ersten Zeit eine große Massenbewegung unter der Leitung der Zünfte waren. Statt aber den Interessen der BolkSmassen Rechnung zu tragen und so au« ihnen eine Stütze de» Parlamentarismus zu bilden, hat das Komitee den umgelehrten Weg eingeschlagen. Man hatte ja die furchtbare Tragik der russischen Revolution vor den Augen und wollte ihre Fehler vermeiden. Man fürchtete den Zusmmnenbruch, der erfolgen würde, wenn die Massen di« Revolution auf ihre demokratisch« Spitze treiben würden. So war ja bis jetzt der ge- schichtliche Verlauf jeder Revolution. Sie wollten darum die Ge- schichte überlisten und den Abschluß der Revolution zu ihrem Anfang machen. Dies, smveit sie überhaupt imstande waren, sich £ine geschichtliche Idee zu bilden. Im allgemeinen machten sie sich überhaupt keine Gedanken und folgten blindling» dem Impuls, die Macht zu behalte» und die Opposition nicht aufkmmnen zu lassen. Sie waren also bemüht, die Massen zurücktreten zu lassen. Anderseits waren sie eifrig bestrebt, bei den Regierungen und der Hochfinanz als ftaatserhaltende Elemente sich geltend zu machen. Von dieser Seite wurden sie erst recht und zielbewußt auf den Weg der Konterrevolution getrieben. Vom ganzen Werk der Re. Volution blieb unter diesen Umständen als leitender Gedanke nur voch die Schaffung eines modernen zentpglifierten Staates mit einer wohldisziplinierten Armee, guten Verkehrsmitkeln, einer starken Beamtenschaft und einem weitverzweigten Steuersystem. Die Hervorhebung der Zentralisationstendenz unter gleich- zeitiger Einschränkung der Demokratie trieb die Opposition der nichttürkischen Nationalitäten empor, die außerdem in dem parla« mentarischen Regime eine freiere Möglichkeit ihrer Entfaltung gefunden haben. Um so schärfer betonten die Jungtürken   den türkischen StaatSgedanken, was, selbstverständlich, wiederum seine Rückwirkung auf der anderen Seite nicht verfehlt hatte. Da außer- dem der Volksgedanke sich immer mehr nur noch im Opposition zum jungtürkischen Regime geltend machen konnte, so sah man bald die seltsame Erscheinung, daß die Vertreter der alten Ordnung. mehr oder weniger verkappte Reaktionäre, und die Vertreter der Demokratie und des Liberalismus, die einzige lebenskräftige Strö- mung der jungen Türkei  , sich zusammen im Lager der Opposition fanden. Die dadurch entstanden« politische Verwirrung bewirkte, daß die jungtürkisch« Regierung nunmehr blindlings auf die Opposition losschlug. Meistens traf sie die Demokratie, indem sie die Reaktion zu treffen glaubte; oft gebrauchte sie den jwmpf gegen die Reaktion als Vorwand, um zielbewußt die Volksrecht- einzuschränken, und schließlich wurde das zur Regel. Indessen seufzten die Bauern unter dem furchtbaren Steuer- druck und es wuchs der Pauperismus in den Städten. Es stieg die allgemeine Unzufriedenheit, im Parlament selbst trat die Oppo- sition mit wachsendem Selbstbewußtsein, sogar Uebermut, hervor. innerhalb der Unionspartei griff ein Gefühl der Unsicherheit und des Zweifels um sich, schließlich verlor die Regierung ihre Majorität. Das Parlament wurde aufgelöst. Da aber das Parlament, und dabei auch noch verhältnismäßig schwach, die allgemeine Miß- stimmung und Verwirrung, die im Lande herrschte, widerspiegelte, so kounte die Regierung nur durch Wahlterrorismus uns Wahl- fälschungen ein gefügiges Parlament zusammenbringen. Worauf stützte sie sich dabei? Auf die Staatsgewalt. Und worauf stützte sich die Staatsgewalt? Auf die Armee! Und nun kommt die Re- gierung und verlangt vom Parlament Gefängnisstrafen für Offi- ziere, die Politik treiben, weil sie anders die Armee sich nicht mehr gefügig halten zu können glaubt! Man mochte noch so sehr darauf drängen, daß die Armee außer- halb der Politik bleiben solle, so ist das doch schon in normalen Zeiten nicht ganz möglich in einer Zeit revolutionärer llmgcftal- tungen aber absolut undurchführbar. In dem Maße, wie die jungtürkische Regierung das Vertrauen des Volkes einbüßte, mußte sie auch ihre Anhängerschaft in der Arme« verlieren. Es ist denn auch seit Jahr und Tag bekannt, daß die Gärung im Offizierkorps immer schärfer hervortritt. Ich hatte wiederholt Gelegenheit, das zu konstatieren, und verwies auch darauf, daß sich ein« Militär- revolte vorbereite. Der Albaneraufstand gab bloß den Anstoß zu dieser Revolte, die, wie unsere kurze Entwickclungöskizze zeigt, auf allgemeine Ursachen zurückzuführen ist. Ohne den Krieg wäre sie schon längst ausgebrochen. ES ist möglich daß auch jetzt noch der Krieg, der besonders den Offizieren die größte Rücksicht auferlegt, verhindert, daß die Bewegung um sich greift, sie also zum Ersticken bringt. Sie bleibt aber unter allen Umständen ein sehr wichtiges politisches Symptom. Der Kriegsminister hat zwar bersichrt, eS feien ihm auS Offi- zierskreisen zahlreiche Zuschriften zugekommen, die ihn zu einem energischen Vorgehen gegen die Offizier«, die Politik treiben, er- muntern, aber dieser Trost steht auf sehr schwachen Füßen. Es darf vor allem nicht übersehen werden, daß die parlamentarische Regierung vom alten Regime eine große Menge Offiziere hat übernehmen müssen, die alles weniger denn fortschrittlich gesinnt sind. Die Revolution wurde von der Elite gemacht, und diese bildet auch die einzige Basis für die moderne Leitung der Armee. Man kann ohne diese Elemente nicht auskommen. In ihrer Mitte sieht eS aber ganz anders auS, als der Kriegsminister darstellt. Die Umwandlung der Gesinnung vollzog sich vor meinen Augen. Gegenwärtig erhalt« ich von meinem persönlichen Verkehr wie von allem, was mir Leute, die das Milieu kennen, mitteilen, den ein- zigen, immer denselben Eindruck: den einer allgemeinen Unzu- friedenheit mit der Regierung. ES ist wohl nicht nötig,' noch besonders nachzuweisen, daß durch ein Gesetz, daS jeden Offizier, der einen politischen Artikel gleichwohl welcher Art veröffentlicht, mit Gefängnis bestrafen will, diese Dinge nicht aus der Welt geschaffen werden. Die Zu- stimmung auS Offizierskreisen ist nur noch ein weitere? Symptom dafür, mit welcher Leidenschaft dort der politische Kampf geführt wird. polltifche CUbcrUcbt. Berlin  , den 8. Juli 1912. GtaatSminister a. D. Hobrecht. In Groß-Lichterfelde   bei Berlin   ist gestern der Staatsminister a. D. Artur Hobrecht gestorben, der nicht nur als Oberbürgermeister von Breslau   und Berlin  , sondern auch als preußischer Finanz- minister und liberaler Parlamentarier eine hervorragende Rolle im öffentlichen Leben gespielt hat. Am 14. August 1824 geboren, studierte er in Königsberg  , Leipzig   und Halle die Rechte, trat dann in den preußischen Gerichts- und Verwaltungsdienst ein und brachte eS bis zum RegierungSrat. 1868 wurde er zum Oberbürgermeister von Breslau   und 1872 zum Oberbürgermeister von Berlin   erwählt, bis er 1878 zum Finanzminister ernannt wurde, da ein anderer Bismarck genehmer Mann für den Posten nicht aufzutreiben war. Die Tätigkeit HobrechtS als Steuerbeschaffer dauerte jedoch nicht lange, schon im Juli 1870 muhte er gehen. Hobrecht   widmete sich nun der parlamentarischen Tätigkeit. Er ließ sich noch im selben Jahr in das Preußische Abgeordnetenhaus wählen und erhielt 1881 ein Mandat zum Reichstag(für Marienwerder-Stuhm). trat dort aber wenig hervor, während er im Preußischen Abgeordnetenhause eine Zeitlang als Führer der nationalliberalen Fraktion eine größere Rolle spielte. Interessant ist, wie er preußischer Finanzmtnister geworden ist: eine Geschicht«, die der damalige AdlatuS Bismarck», Christoph von Tiedemann  , in seinem BuchSechs Jahre Chef der Reichskanzlei  " mit vielem Humor geschildert hat. Für die Art und Weise, wie im Kulturstaat Preußen Minister berufen werden, ist diese Erzählung höchst charakleristtsch. Herr v. Tiedemann erzählt, daß er, als Camphausen seinen Abschied verlangt hatte, in Bismarcks Austrag nach einem neuen Finanzminister suchte. Bismarck   fragte am 21. März 1873 Tiede- mann, ob er keine Kandidaten wisse. Varnbüler, Günther, Ernst- hausen-- immer Kopffchütteln.Nun war auch mein Latein zu Ende" berichtet Tiedemann in seinen Erinnerungen und fährt dann fort: Der Fürst strich seine Augenbrauen, blickte sinnend zum Fenster hinaus und sagte halb ärgerlich, halb scherzend:Wozu habe ich denn eigentlich einen vortragenden Rat. wenn er mir nicht einmal Minister verschaffen kann? Besinnen Sie sich noch einmal gründlich. Bis heute abend verlange ich von Ihnen einen Finanzminister tot oder lebendig." »Ich durchbläfterte nun auch meinerseits da» Staatshanke buch-- aber nichts Geeignetes Tollte sich finden lassen« So kam der Abend heran. Es war Donnerstag, wo sich unser Klub in der Potsdamer Straße   versammelte. Ich ging gegen Mitternacht dorthin, verdrießlich und abgespannt. James Hobrecht  (der Baurat), neben dem ich Platz nahm, begann ein Gespräch über die gegenwärtige Ministerkrisis, an dem ich nur widerwillig teilnahm, so daß er mich fragte, warum ich heute so ? erstreut sei. Ich erwiderte, daß ich jemand vergeblich gesucht abe und fragte dcrnn, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, ob sein Bruder Artur Hobrecht(der Oberbürger- meister) heute abend noch erscheinen werde. Dabei schoß mir wie ein erleuchtender Blitz der Gedanke durch den Kopf, ob Artur Hobrecht nicht etwa der Gesuchte sein könne, und seltsamerweise erschien in diesem Augenblick ein Kanzleidiener, der mich zum Fürsten   berief. Während ich zum ReichSkanzlerpalais fuhr, über- legte ich mir, ob Hobrecht nicht in der Tat sich zum Finanz- minister qualifiziere. Ich war hierüber noch nicht mit mir im reinen, als ich ins Schlafzmmer des Fürsten   trat, der sich bereits zu entkleiden begonnen hatte und mich mit den Worten empfing: So, nun hat Stephan auch abgelehnt. Na Pötter, wat malt wi.nu?" Ich antwortete, daß ich einvn Finanzminister gefunden zu haben glaubte, und nannte frischweg Hobrecht. Der Fürst besann sich eine Weile und äußerte dann, daß scheine ein glück- licher Gedanke zu sein. Dann fragte er mich, ob ich mit Hobrccht so genau bekannt sei, daß ich ihn noch in dieser Nacht überfallen und fragen könne, ob er Minister werden wolle. Ich bejahte dies. Der Fürst bat mich nun, Hobrecht sofort aufzusuchen, und ihm dann Nachricht zu bringen. Er werde nicht einschlafen bis ich zurückgekehrt sei. Es war ein Uhr nachts, als ich an Hobrechts Wohnung klingelte. Der Diener, der mich kannte, teilte mir auf mein Be- fragen mit, daß der Herr Oberbürgermeister sich noch in einer Abendgesellschaft befinde, aber jeden Augenblick zurückkehren könne, und führte mich dann in Hobrechts Arbeitszimmer. Hier fand ich auf dem Sofatisch das letzte Heft derPreußischen Jahr- bücher" aufgeschlagen, und zwar bei einem Treitschkeschen Essay über dir Entstehung des Zollvereins. Ich las die kurze, aber lebendige Schilderung der ersten Wirksamkeit des Finanzministers v. Motz. Nach Verlauf einer kleinen halben Stunde erschien Hobrecht   im Frack und weißer Binde, den Hut im Nacken, im leicht geröteten Gesicht einen ungewöhnlich lustigen Ausdruck. Haltung und Sprache ließen zweifellos er- kennen, daß er aus einer sehr fröhlichen Gesell- schaft kam. Er war natürlich höchst erstaunt über meine Anwesenheit zu so später Nachtstunde und sein Erstaunen wich nicht, als ich ihm möglichst unbefangen sagte, ich sei gekommen, um bei ihm noch eine Zigarre zu rauchen und eine Flasche Selter- wasser zu trinken. Beides wurde herbeigeschafft. Hobrccht ent- ledigte sich seines Gesellschaftsanzuges und setzte sich mir dann behaglich und neugierig gegenüber, mehr und mehr zu der Ueber- zeugung kommend, daß ich ihm noch etwas Besonderes mitzu- teilen habe. AlS er endlich mff einer direkten Frage herausrückte, ank- wartete ich:Ja, ich wollte Sie auch beiläufig fragen, ob Sie nicht Lust haben, Finanzmini- ster zu werden." Hobrecht   sah mich starr an. Er hielt daS Ganze für einen Scherz und wußte offenbar nicht recht, wie er ihn aufnehmen sollte. Als ich indessen meine Frage kaltblütig wiederholte und dabei hinzufügte, der Reichskanzler habe mich ausdrücklich be- auftragt, noch in dieser Nacht mit ihm zu verhandeln, sprang er erregt auf, lief im Zimmer umher und rief hochaufatmend: Diese Sache könnte einen ja mit einem Male nüchtern machen." Ich sagte, indem ich ihm dirPreutzi- schen Jahrbücher" zeigte, daß ich zu meiner Freude ersehen, wie er heute noch die Geschichte der preußischen Finanzpolitik studiert habe; ich müßte dies als ein gutes Omen für den Erfolg meinex Mission ansehen. Nach einer Weile fragte mich Hobrecht  , wann er mich morgen , vormittag sprechen könne. Ich antwortete, daß ich bis zwöff Uhr zu Hause sein werde.Nun." sagte Hobrecht  ,ich werde mit die Sache besch lasen; wenn ich aber morgen im Kater noch so denke, wie heute in der Besoffenheit, so sage ich: Ja! Also auf Wiedersehen morgen." Als ich zum Fürsten   zurückkehrte, lag dieser bereit» im Bett. Er rief mir entgegen:Nun, wie stets, haben wir einen neuen Minister?" Ich erwiderte, Hobrccht habe erklärt, wenn er morgen im Kater so dächte wie heut nacht in der Besoffenheit, so wollte er die Finanzen übernehmen. Der Fürst war höchlichst ergötzt und meinte, diese sympathische Antwort berechtige zu den günstigsten Erwartungen. Am nächsten Morgen stellte sich Hobrecht   rechtzeitig ein und wurde zum Finanzminister ernannt. Kriegervereine zu Waffer. In Düsseldorf   fand am Sonnabend ein Abgeordnelentag der Vereinigung Deutscher Marinevereine statt. Festessen, Kommers, Umzug usw. schloffen sich daran. Das nennt man dann denDeut- schen Marinekongretz". Wie des öfteren hervorgehoben wurde, hat das Reichsmarineamt aus Anlaß dieser recht bedeutungslosen Tagung die Torpedoboote den Rhein   hinauffahren lassen! Der Vorsitzende, Kontrcadmiral z. D. Thiele, dessen frisches Aussehen die Uebernahme auf den Pensionsfonds keineswegs zu rechtfertigen scheint, ließ es an der Betonung des kriegervereinlichen Antisozia- lismus nicht fehlen. Er forderte namentlich emsige Jugendwerbung durch Wassersportübungen, Schwimmunterricht usw.(worauf die Aufmerksamkeit der ffeien Jugendbewegung ja vielleicht ebenfalls gerichtet werden könnte) und erklärte, daß für dieKameraden Arbeiter" etwas geschehen müsse in ihren wirtschaftlichen Kämpfen, da sie als treue deutsche Männer doch nicht densozialdemokrati- schen" Organisationen beitreten könnten. Das Referat über die Sache wurde aber abgesetzt, und man trennte sich von dem Pappe- Kriegsschiff der Tonhallen-Bühne mit dem Rul: Aus Wiedersehen in Neunkirchen   1913._ Reichstagsersatzwahl in Bayern  - ?llr den verstorbenen Reichstagsabgeordneten Bachmeier haben iauernbiindler im Wahlkreis Pfarrkirchen   den Landtags- abgeordneten Eisenberger als Kandidaten aufgestellt. Das Zentrum, das den Kreis lange Jahre zu seinem sicheren Besitzstand rechnen konnte, wird verzweifelte Anstrengungen machen, das Mandat wieder zu erobern._ Verkürzung der militärischen Dienstzeit. Der mecklenburgische»Ritter' von Plessen-Renz veröffentlicht w der»Deutschen BolkSzeitung" einen Artikel, in dem er für 1'/, jährige Dienstzeit bei den Fußtruppen und L'/z jährige Dienstzeit bei den berittenen Truppen eintritt. Er preist seinen Vorschlag unter anderem damit an. daß dann ein größerer Prozentsatz aller Diensttauglichen eingestellt werden könnte, v. Plessen begründet sein« Idee wie folgt: »Wer den Jnsanteriedienst in l'/s Jahren und den Kavallerie- bezw.«rtilleriedienst in 2Vz Jahren nicht gelernt hat, lernt ihn überhaupt nicht. Die alte Mannschaft de» letzten Jahrgange» hat sich den Dienst an den Schuhsohlen abgelaufen, und die meisten Strafen der Strafbücher entfallen wohl auf die alte Mannschaft.' Neben der Vermehrung der zum Kriegsdienst klusgebildeten hat aber Herr v. Plessen noch andere Wünsche. So verlangt er, daß die Entlassung der Mannschaften stets zu Ostern stattfinden soll. AuSvollswirlschaftlichen" Gründen. Denn, so führt v. Plessen au«:Die hohen Sommerlohne würden die abgehende Mannschaft wieder auf« Land zurückführen; einmal wieder in den heimischen