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Der sozialistische Antimilitarismus ist in jedem Kalle ein Te. fühl höherer Art. Er ist der Protest der Arbeiter gegen das un. geheuerliche Regime des bewaffneten Friedens, daS in allen Na» tionen für Werkzeuge der Zerstörung und des Todes Milliarden vergeudet, die für Werke der Solidarität und des Lebens so nütz- lich wären. Er ist der Schrei des Zornes und der Schande, den die zivilisierte Menschheit gegen die abscheulichen Schlächtereien erhebt, die uns der Hochmut der Regierenden und die Habgier der Finanziers aller Länder vorbereiten. Heißt es unsere Brüder und unsere Freunde, die unter den Fahnen stehen, beschimpfen, wenn wir sie vor dem schrecklichen Tode auf dem Schlächtfelde bewahren wollen? Und unser Internationalismus, weit entfernt davon, die Unterwerfung Frankreichs unter eine fremde Macht zu wollen, be« reitet, gemeinsam mit den Sozialisten Deutschlands , Englands usw.. das Heraufkommen der Vereinigten Staaten Europas vor, wo alle Vaterländer von heute, unter der roten Fahne der Jnter» nationale vereinigt, endlich in voller Sicherheit, jedes seinem eigenen Genie folgend, ihren Traum von sozialer Gerechtigkeit verfolgen können werden. In keinem Falle sind wir es, bei denen die militärische Zere. monie Anstoß erregen kann, die die Erstürmung der Bastille und die Revolte der französischen Garden, welche an diesem Tage zum aufständischen Volke übergingen, feiert. Sie kann nur unsere unter den Fahnen stehenden Brüder an ihre Pflicht gegen das Volk, dem sie entstammen, erinnern für den Fall, daß dieses einst angesichts der Ohnmacht der gesetzlichen Mittel gezwungen sein sollte, sich wie im Jahre 1789 zu erheben, um mehr Freiheit. Gleichheit und Brüderlichkeit zu erringen. ES lebe die soziale Republik ! ES lebe die Internationale der Arbeiter!" DieHumanite" beglückwünscht die Genossen von Brest zu threr Proklamation. H e r v e feiert sie in derGuerre Sociale" besonders auch als eineneklatanten Bruch mit der alten Meta- physik", die den Massen die wahre militärische Idee deS internatio­nalen Sozialismus verhüllt habe. An die Stelle deS alten rein negativen Antimilitarismus, der den Militarismus durch den An» griff von außen zerstören wollt«, setze das Manifest offiziell die für die kapitalistische Ordnung ganz anders gefährliche Taktik der Er» oberung der Armee. Herve übertreibt da wie so manchesmal. Die Gedankengänge der Proklamation sind nichts Neues, vielmehr geben sie zu einem guten Teil sogar. die Ideen der demokratischen Friedensfreunde aus einer Epoche wieder, wo die sozialistische Internationale in ihren allerersten Anfängen war. Manche ihrer Wendungen er. innern auch an die Illusionen des BlockrepublikaniSmuS, zu dessen letzten Getreuen ja Hervä zählt, und es ist einigermaßen auf- fallend, daß die Genossen von Brest von der geschichtlichen Rolle. die der Armee als Organ der Klassenherrschaft zuge- fallen ist, schweigen, vielmehr von einerEroberung der Armee" und nicht von ihrer Revolutionierung durch daS wachsende Bewußtsein ihrer proletarischen Elemente sprechen. Aber gerade in ihrer demokratischen Gläubigkeit ist die Proklamation ein ein- ucksvoller Protest gegen den politischen Verrat d-S bürgerlichen vublikanismuS an seinen alten Idealen von Freiheit, Frieden iO Völkerverbrüderung. Portugal . Die Monarchisten auf dem Rückzüge. Lissabon , 12. Juli. Die Monarchisten aus Cabeceiras de Basto haben sich in mehrere Gruppen geteilt und werden von den Republikamern verfolgt. Auf ihrer Seit« sind viele Leute kampfunfähig gemacht worden, während die Republikamer keine Aer- lusle hatten. Der Führer der monarchisiischeu Aufrührer Paiva Cou- c e i r o lagert mit 3b0 bewaffneten Leuten und vier Maschinen- gewehren auf spanischem Gebiete gegenüber von Montalegre . Amerika. Ein englisch -amerikanischer Konflikt wegen des Panamakanals. Der englische Geschäftsträger in Washington Mitchell-Jnnes hat dem Staatssekretär des Auswärtigen der Union Redt eine Note über- reicht, in der England erklärt, daß der Gesetzentwurf über die Schiffahrt im Panamakanal eine Verletzung des Hay'PauncefotevertrageS bedeuten ivürde. wenn die amerikanischen Schiffe den Kanal tatsächlich gebühren- frei passieren dürsten, während die Schiffe anderer Nationen Abgaben zahlen müßten. Ferner wird in der englische» Note Einspruch er« hoben gegen die Klausel deS Gesetzentwurfs, daß Schiffe, die sich im Besitz von Eisenbahngesellschaften befinden, von der Benutzung des Panamakanals ausgeschlossen werden sollen. Diese Bestimmung ivürde die Canadian Pacific-Eisenbahn und auch andere kanadische Eisenbahnen, die Schiffe besitzen, schädigen. Die englischen Bor - schlage smd dem Senator Brandegee überwiesen worden, der aber dem Staatsdepartement erklärte, daß es unmöglich sei, die parla- mentarische Erledigung der Bill aufzuschieben. ZZ.MernZtionslerKergai'beitei'lMiigi'eK. Amsterdam, 11. Juli. Der Antrag Belgien auf Prüfung der Mittel zur eventuellen Organisation eines internationale» Streiks wird von D e j a r d i n- Belgien begründet: Wir halten den General- streik nichl für das Allheilmittel! er kann für daS Prolewriat ebenso gefährlich sein, wie für das Kapital. Wir sehen uns aber genötigt, uns nickt aus die bisherige Art de« Einwirkcns auf die Gesetzgebung zu beschränken. Die Generalslreiksidee hat im Prolelariat große Forlichriite gemacht, so zur Zeil des großen britischen Streit«. Be- fasse» wir uns nickt mit der GenerolstreilSfrage, so werden vielleicht andere Kreise wilde Solidaritärsstreils inszenieren. Der Anfang 1912 war ein seilen günstiger Zeilpunkt für einen inlernationalen Sircit. Wir solllen vielleicht daran denken, nationale Bewegungen in den einzelnen Landern gleichzeitig einsetzen zu lassen, um den Druck auf das Kapilal und die Aussichten ihres Erfolges zu ver- größern. Jedenfalls handelt es sich um eine äußerst schwierige Frage. O u i n t i n- Franlreich begründet folgenden Antrag: Wenn ein Generalstreit in einem Lande ausbricht, sollten die Vergarbeitervcrbände der benachbarten Länder die Förderung durch eine entschlossene Arbeitseinstellung einschränken." Es handelt sich zunächst darum, die Mittel zur Belätigung der internationalen Solidarität zu studieren. Sicher wären manche nationalen Kämpfe viel erfolgreicher gewesen, wenn fte durch internationale Streiks wären unterstützt worden. Es ist hier von der Verbinderung eines Weltkrieges durch uns gesprochen worden. Wenn wir diesen Ehrgeiz haben, müssen wir aber erst die Möglich- teil deS intemalionalen Streiks studieren. Dann würde schon die Drohung mit ihm den Ausbruch de« Krieges verhindern. Also, die Beratung dieses Problems ist unerläßlich. Eine E r kl ä cu n g H o l la n d s, die wegen zu später Ein- reichung nicht mehr als Antrag behandelt werden kann, besagt, daß diese Frage nicht zu diskutieren sei, weil beinahe in allen Ländern unsere Verbände noch nicht imstande sind, nationale Generalstreiks durchzusührcn. So lange die« der Fall ist, lönnen wir der Reso- lntion nicht zustimmen. Di- Frage wäre auch nicht allgemein zu regeln, sondern nur von Fall zu Fall. Endlich gehört dieses Problem wohl in eine vertrauliche Komiteesitzung, aber nicht vor die Oeffcntlichkeit. Wir beraten doch sogar jeden Einzelstreik vorher vertraulich, nicht aber vor unseren Gegnern. Deshalb meinen wir, daß diese Frage von der Tagesordnung abgesetzt werden sollte. sBeisall.) C a l 6v a ert- Belgien: Das Komitee sollte diese Sache' ge> meinsam mit der Regelung der Förderung beraten. H u e- Essen: Wir verwerfen selbstverständlich den Generalstreik, soweit er nach syndikallslisch-anarchistischer Auffassung das Allheil- mittel sein soll. Wir erkennen den Stteik nur al« ein Mittel an, da» nur im äußersten Fall angewendet werden darf, entweder, wenn alle Verhandlungen gescheitert sind, wie in diesem Jahre in England, oder wenn die Unternehmer alle Verhandlungen ablehnen, wie in Deutschland 1912. Selbstverständlich üben wir internationale Solidarität, darüber brauchen wir gax nicht mehr zu diskutieren. Darum gehörten diese Anträge gar nicht mehr auf die Tagesordnung. Sie konnten von vornherein dem Internationalen Komitee überwiesen werden. Wenn wir diskutieren wollen, ob. wann, in welchem Umfang und zu welchem Zweck ein internationaler Streik ausgeführt werden soll, so tun wir das nicht hier auf dem öffentlichen Kongreß, sondern wir beraten diese außer- ordentlich wichtige tattische Frage genau so vertraulich, wie das die Unternehmer machen und w»e es die Engländer voriges Jahr ebenso in Southport gemacht haben. Ich möchte dringend bitten, solche An« träge künftig nickt erst auf die Tagesordnung zu setzen, sondern vpn vornherein dem Internationalen Komitee zu überweisen. sLebhaster Beifall bei den Deutschen und Engländern.) Internationaler Sekretär A s h t o n beantragt, die Anträge nur dem Internationalen Komitee zur Aufstellung eines Planes und Berichterstattung an den Kongreß 1918 zu über- weisen, da die weitere Debatte wenig Zweck zu haben scheint. S preaker- England wünscht die WortePlan aufstellen' zu streichen, da diese so gedeutet werden lönnten, als hätte sich der Kongreß bereit» für den internattonolen Stteik ausgesprochen.<Zu- ftimmung.) Lshton ist mit dieser Aenderung ein- verstanden. D ej a r d i n- Belgien erklärt noch, daß die belgische Delegation nur das Studium der Frage des inter - nationalen Streiks verlange. Der Antrag Ashton wird ein st immig angenommen, und zwar in der geänderten Form. WohnungSverhiltnisse und Exmissionen. D i l l m o r e- Großbritannien begründet unter Darlegung der elenden Wohnverhältnisse in den Kohlenrevieren folgende Reso- lution: .Der Kongreß drückt seine Entrüstung aus, unter denen die Bergarbeiter in vielen Kohlenrevieren wegen der elenden für sie bestimmten Wohnungen leben und fordert die verschiedenen Regie- rungen auf, eine Gesetzgebung zu oeranlassen, die die gegen- wärtigen Zustände unmöglich machen würde, weiter verlangt der Kongreß Gesetze, die die Exmission von Arbeiterfamilien während eines wirtschaftlichen Kampfes verhindern." W i n st o n e- England verweist namentlich auf die hohe Kinder- sterblichkeit infolge des WohnungSelends. Sachse: Die Deutschen werden hierzu nicht sprechen, weil sie mit der Resolution vvlllommen einverstanden sind und weil in Deutschland die ganze Arbeiter- bewegung längst in diesem Sinne wirkt. C a d o t- Frankreich schildert die in Deutschland allgemein bekannte Versklavung der Arbeiter durch Werkswohnungen; die Ausgaben dafür sind keine Philanthropie, sondern lalt berechnender Egoismus der Unter- nehmer. Lombard- Belgien schließt sich an und bespricht ge- wisse belgische Bestrebungen, Werkswohnungen unter einer von Unter« nehmern und Arbeitern unabhängigen Verwallung zu schaffen. L a ck y- Amerika: In Amerika werden die Arbeiterhauser gar nur aus Holz gebaut! sie gehören meist den Zechen, die die Exmission als terroristische« Mittel gegen die Agitation benutzen. Die Reso- lution wird ei n st i m ift l g angenommen. Darauf vertagt sich der Kongreß auf Freitag. Soziales. 35 bis 10 Prozent erwerbsfähig und daher nicht invalid. Der 89 Jahre alte Arbeiter F. aus G. wurde mit seinem An- trag, ihm die Invalidenrente zu bewilligen, von der LandeSver- ficherungSanstalt Pommern abgewiesen, weil er noch nicht al« in« valid im Sinne des Gesetzes zu erachten sei. Der Kreisarzt Dr. P. hat in seinem ersten Gutachten den F. für 30 Proz. und im zweiten Gutachten um 35 bis 40 Proz. für erwerbsfähig erklärt. Die gegen den ablehnenden Bescheid beim Schiedsgericht für Arbeiter- verficherung, Regierungsbezirk Stettin , eingelegt« Berufung wurde zurückgewiesen, weil der Schiedsgerichtsarzt zu dem Ergebnis kam, daß F. nicht mehr 35 bis 49, sondern 59 Proz. erwerbsfähig sei. Des weiteren wurde für festgestellt erachtet, daß F. tatsächlich noch 1,50 M. pro Tag in der Landwirtschaft verdient hat. Nach den Bestimmungen des Jnvalidenversicherungsgesetzes und auch der jetzigen Reich.versicherungsordnung ist aber nur derjenige Ver- sicherte invalid, der nicht mehr imstände ist, ein Drittel;= 33% dessen zu verdienen, was Arbeiter mit der gleichen Ausbildung am gleichen Orte zu verdienen pflegen. Bekannt ist, daß die Herren Aerzte die Schätzung auf Grund des körperlichen Befundes des Untersuchten vornehmen. Unmöglich erscheint es uns jedoch bei dieser Schätzung, genau um 1% bis 5 Proz. die Differenzierung vorzunehmen. Derjenige Arbeiter. der, wie im vorliegenden Falle, nach ärztlichem Ermessen noch um 35 Proz., also nur um 1% Proz. höher als das Gesetz eS vor­schreibt, als erwerbsfähig angesehen wird, ist tatsächlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbsunfähig, er wird nirgends Ar- beit finden. F. hat auch tatsächlich die im Schiedsgerichtsurteii angezogenen 1,59 M. pro Tag mehr aus Mitleid, denn auf Grund seiner Arbeitsfähigkeit erhalten. Von Aerzte und von Rechts wegen erklärt man F. jedoch noch nicht für invalid, spricht aber immer noch davon, daß für den Arbeiter bis an sein Lebensende gesorgt sei, daß der Arbeiter an einer gefüllten Kompottschüssel sitz-._ LehrlingSzüchterci. Gestern kam eine Klage des Buchdruckerlehrlings H., vertreten durch seinen Vater, gegen die VerlagsdruckereiMerkur", Köpe- nicker Straße 43/49, vor dem Gewerbegericht qur Verhandlung. Die Verhandlung leuchtete in diesen Betrieb hinein, der hauptsäch- lich mit Lehrlingen arbeitet. In der Klage wurde die Auflösung des Lehrverhältnisses ge- fordert, da der Kläger durch den Obermaschinenmeister Friy Rödi- ger, einen Bruder des Inhabers, mißhandelt worden sein will und auch die Ausbildung eine ungenügende sei. Als Beweis für die Mißhandlung wurde ein ärztliches Attest überreicht, welches fol- gende« zum Ausdruck bringt:Es finden sich bei der heutigen Untersuchung auf dem Rücken beiderseits in der Höhe der untersten Rippen mehrere größere blau und braunrot angeschwollene Stellen. Die Mitte des linken Unterschenkels ist an der linken Schienbein- kante geschwollen und braunrot verfärbt. Es ist ersichtlich, daß die Verletzungen durch Schlag oder Stoß mit stumpfen Werkzeugen entstanden sind." Der Kläger behauptet, die Mißhandlungen seien ihm ohne ersichtlichen Grund zuteil geworden. Er lerne jetzt 2% Jahre und habe bisher immer nur an Tigeldruckpressen gear- beitet. Nun sollte er an eine große Schnellpresse herankommen, um dort zunächst das Anlegen zu erlernen. Er habe sich auch Mühe gegeben, doch klappte es noch nicht. Der Obermeister R. habe darauf zu ihm gesagt, er solle aufpassen, sonst kriege er Schläge, daß er blau werde. Als dann doch wieder einige Bogen schief in die Maschine gingen, habe R. den Kläger mit den Fingernägeln ins Fleisch gekniffen, so daß dieser laut aufschrie. Später habe ihn R. auch noch mit der Faust gestoßen und ihn am Schienbein verletzt. Zwei Zeuginnen bekundeten nur, daß der Kläger einmal laut auf- geschrien habe, von einer Mißhandlung wollen sie nichts gesehen haben. Aus Befragen gab die eine Zeugin aber zu, daß sie dem Kläger , als er ihr den Vorfall erzählte, geraten habe, dies seinem Vater mitzuteilen. Zwei andere Zeugen sollten über die Aüsbil- dung etwas bekunden. Es waren dies die Maschinenmeister Keil und Hermann Dreßler; beide sind erst 18 Jahre alt und haben erst im Frühjahr bei der Beklagten ausgelernt. Sie gaben an, daß außer drei Obermeistern noch 5 Gehilfen und 10 Lehrlinge in den Maschinensälen tätig sind, vier Gehilfen hätten zu Ostern zu gleicher Zeit ausgelernt. Nach ihrer Meinung ist die Ausbildung eine ge- nügende. Eine Gehilsenprüfung, wie sie in Berlin im Buchdruck- gewerbe fast allgemein üblich ist, haben diese Zeugen nicht gemacht. Der Zeuge Friy Nödiger bestritt die ihm zur Last gelegten Miß- Handlungen, er habe ihn nur einmal angepackt und habe dabei viel- leicht ins Fleisch gegriffen, geschlagen oder gestoßen habe er aber nicht. Der Zeuge Obermeister Stemmer meinte, der Junge sei wohl von dem Zeugen R. nicht richtig behandelt worden; er habe den Kläger auch unter sich gehabt, und habe sich derselbe zuerst etwas dumm angestellt, sich aber später geändert und dann zu denjenigen Lehrlingen gehört, welche am besten arbeiteten. Von einer Miß- Handlung will auch dieser Zeuge nichts gesehen haben. Nur die Beobachtung habe er gemacht, daß R. den Kläger an der Schulter gepackt hatte. Die Kammer 8 des Gewerbegerichts unter Vorsitz des MagistratSrats Schultz kam infolge der negativen Aussagen der Zeu- gen zur Abweisung der Klage. Nach der Aussage der Zeugen sei der Vorwurf der Mißhandlung und der ungenügenden Ausbildung nicht erwiesen. Das Gericht gab aber seiner Ansicht Ausdruck, daß der Zeuge R. kein geeigneter Lehrmeister sei; ihm mangele die Ruhe, und habe er ein zu heftiges Temperament. Die Abweisung ist zu bedauern. Denn die Beweisaufnahme genügte vollkommen, um die Klage zu rechtfertigen. Der Lehr- fing ist berechtigt, den Vertrag aufzulöten, wenn der Lehrherr seine gesetzlichen Verpflichtungen in einer die Ausbildung des Lehr, lingS gefährdenden Weise vernachlässigt oder das Recht der Väter- lichen Zucht mißbraucht. Nach der Beweisaufnahme war Herr Rödiger zur Ausbildung völlig ungeeignet und hat überdies statt auszubilden nach seiner eigenen Bekundung mißhandelt, denn das Anpacken an d«n Schultern oder in» Fleisch greifen ist kein Mittel zur Beibringung der richtigen Art der Bedienung einer Schnell» presse. Ueberdies muß ein so eingerichteter Betrieb als unge, eignet zum Lernen bezeichnet werden.. Schikanöse Behandlung Angestellter. Daß sich der Angestellte keine schikanöse Behandlung gefallen zu lassen braucht, sprach die 1. Kammer deS Berliner Kaufmanns- gerichts gelegentlich einer dort zur Entscheidung gekommenen Streit» fache aus. In dem betreffenden Fall war e,ne Lageristin vom Prinzipal etliche Zeit vor Ablauf des Engagementsverhaltnisscs zur Disposition gestellt worden, und der Chef stcllie das Verlangen an die Gehilfin, daß sie all« Tage um acht Uhr morgens sich im Ge- schäft einfinden sollte. Die Lageristin kam auch diesem Ersuchen in den ersten Tagen nach, wurde aber jedes Mal vom Prinzipal mit dem Bemerken sofort wieder weggeschickt, sie könne wieder nach Hause gehen. Die Lageristin kam zu der Ueberzeugung, daß da« Verlangen de« Prinzipal» nicht einem berechtigten Geschäfts- interesse entsprang, sondern nur dem Wunsche, die zur Disposition Gestellte vor dem übrigen Personal zu demütigen. Sie blieb des- halb in den folgenden Tagen fort, trotzdem der Chef auf ihr Kommen bestand, und erhielt daraufhin die sofortige Entlassung. Da« KaufmannSgericht sprach der Lageristin das von ihr ge, forderte Restgehalt zu. Es gab ihr darin recht, daß sich ein An» gestellter einem derartigen Verlangen de« Prinzipals nicht zu unteriverfen braucht. Der zur� Disposition Gestellte müsse sich allerdings jederzeit zur VerfugPig des EhefS halten, diese Be» stimmung dürfe aber nicht schikanös angewandt werden. Ein Achtstundrngesetz nach 10 Jahren. S. ü. 1868, als die Arbeiter in Bewegung kamen und eigene Politik zu machen drohten, beschloß der Kongreß der Vereinigten Staaten von Amerika ein Gesetz, das für alle Regierungsarbeiten das Tagewerk auf 8 Stunden bestimmte. Wie gewöhnlich, wußten die Gerichte auch dieses Arbeiterschutzgesetz zunichte zu machen, indem sie erklärten, daß daS Gesetz nur für Arbeiten gelte, die von der Regie- rung unmittelbar, nicht für solche, die durch Unternehmer für die Regierung Ausgeführt werden. Die Regierung der Union ließ darauf hin die meisten Arbeiten durch Unternehmer ausführen, so daß nur ein kleiner Teil der Arbeiter in den Genuß der Vorschrift kam. Seitdem forderten die Arbeiter die Ausdehnung des Gesetzes auf RcgierungS-Kontraklarbeiten. Da sie damals auf eigene Politik verzichtet hatten, und dieSchwanzpolitik", das Anklammern an die beiden großen Parteien behufs Aufnahme einiger Arbeiter- forderungen in die Parteiplatformen, betrieben, gesang es, die Republikaner , denen dann die Demokraten folgten, zur Aufnahme dieserPlanke" in ihre Platsorm zu bestimmen. So war also Einstimmigkeit für die Forderung vorhanden. Aber keine von beiden Parteien kümmerte sich um ihr Versprechen bis zum Er­wachen einer mächtigen neuen Arbeiterbewegung und dem Bevor- stehen neuer Wahl«», bei denen diesmal die Arbeiter ein besonders gewichtiges Wort mitsprechen sollen. So ist jetzt, nach 49 Jahren, die erweiterte Fassung des Gesetze« vom Kongreß beschlossen und vcm Präsidenten unterzeichnet worden.Glaubt man, daß es auch 4 Jahrzehnte gedauert hätte, che eine solch geringfügige Reform durchgesetzt wäre, wenn die amerikanische Arbeiterklasse schon 1372 begonnen hätte, eine selbständige politische Partei zu bilden", fragt dieNew-Vorker Vollszeitung", indem sie auf die von Gvmprrs auch diesmal wieder geübte Politik der Bcttelgängc zu den bürgerlichen Parteien verweist. Anlockung ausländischer Arbeiter. Vor dem Gcwerbegericht in Köln standen fünf österreichische Weber und eine österreichische Weberin. Sie berichteten, ein Agent der Kölnischen Baumwollspinnerei A.-G. habe sie in ihrer Heimat angeworben und ihnen gesagt, die Weber verdienten wöchentlich 22 M., die Weberinnen 17 M.Z dabei sei in Köln alles billig.(Kola ist in Wirklichkeit eine der teuersten Städte im Reiche.) Sie seien fünf Wochen hier, hätten aber nicht mehr als 12 13 M. wöchent­lich im Akkord verdienen können. Die Differenz verlangten sie heraus. Die Männer klagten, die Kinder hätten Hunger, sie könn. ten ihnen aber nichts geben; wenn sich das nicht ändere, müßten sie mit den Kindern in« Wasser gehe». Die Oestcrreichin war mit ihren fünf Kindern im Gerichtssaal erschienen. Die Firma hat ihr den letzten Wochenlohn mit 12 M. und 13 Pf. festgehalten, weil sie nicht mehr zur Arbeit gekommen war, nachdem der Polizei» kommissar ihr geboten hatte, ihre fünf kleinen Kinder zu beauf- sichtigen. Frau und Kinder weinten bitterlich. Die Frau klagte, sie wisse nicht, was sie nun anfangen solle. Ein Bild zum Erbar- men. Unter dem Eindruck dieser Szene versprach der Vertreter der Firma, der Frau die Herausgabe des Lohnes zu erwirken. Den übrigen Klägern konnte das Gericht nicht helfen, da sie noch mehr an Reisegeld und Lohnvorschuß erhalten hatten, als ihre Forderung ausmachte. Weshalb geht in solchen Fällen die Anklagebehörde gegen den geivissenlosen Agenten und seine Auftraggeber nicht wegen Be- trugs und Wucher vor.