Nr. 163.

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Telegramm Adresse:

Sozialdemokrat Berlin  ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritplak, Nr. 1983.

Dienstag, den 16. Juli 1912.

wenn er ein starkes Heer fordert, aber er ist eben durch seine Voraussetzungen

Ein Machwort zum italienischen aufungen nicht Sozialiſt, fondern Nationalift

Parteitag.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritzplatz  , Nr. 1984.

ihm die Partei verbietet, sein Botum rechtschaffenen Elementen zuzuwenden, auch wenn diese nicht sozialistisch sind. Diese Auffassung hat innerhalb der revolutionären Fraktion den Sieg davongetragen, aber man darf sich nicht verhehlen, daß auch eine starke Strömung für die bedingungslose Ablehnung jeden Wahlkompromisses besteht. Diese Frage kann sich unter Umständen zu einem trennenden Element in der revolutio­nären Fraktion ausbilden.

Die, die die italienische Partei heute von sich stößt, waren im Geiste längst von ihr gegangen. Während des ganzen Parteitags haben sie ihr Recht auf Verbleiben in der Partei dadurch vertreten, daß sie auf ihre innige Verwandtschaft Rom  , den 12. Juli. Vor 19 Jahren gab sich die damals mit den Linksreformisten und namentlich mit dem hinwiesen, noch junge italienische Partei in Reggio Emilia   ihr was Turati vor einigen Jahren zu vertreten pflegte. Wir erstes Organisationsstatut und ihr Programm: Am 10. Juli felbft halten dafür, daß in der Tat zwischen Links- und Rechts- Heute aber übernimmt diese Fraktion mit einer gewalti­dieses Jahres wurde in derselben Stadt eine neue reformisten nur grabweise Unterschiede bestehen, mit alleiniger gen Mehrheit, die sie sich in zwei Jahren unermüdlicher Arbeit " sozialistisch- reformistische Partei Italiens  " Ausnahme der nationalistischen Tendenzen, die die Rechts- errungen hat, die Zeitung der Partei. Seit Mailand  ( 1910) gegründet. Aus diesen beiden Tatsachen ergibt sich die reformisten sich ausschließlich vorbehalten haben. Aber diese hat die revolutionäre Fraktion ihre Stimmenzahl mehr als geschichtliche Bedeutung des 13. Parteitages. Aber über der grabweisen Unterschiede haben eine nicht zu unterschäßende verdoppelt. In Modena  ( 1911) erzielte fie 8634 Stimmen. Trauer und der Bitterkeit, die die Parteispaltung in jedem Bedeutung. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob eine fozia- Die Reformisten aller Schattierungen brachten es in Mailand  Sozialisten erwecken muß, darf man nicht vergessen, daß das, listische Fraktion sagt: wir glauben, daß die Partei unter auf 12 991, in Modena   auf 11 508 und in Reggio  , einschließlich was in Reggio Emilia   geschehen ist, eine Lebensnotwendigkeit gewissen Umständen an der Regierung teilnehmen kann, der ausscheidenden 2000 Rechtsreformisten, auf 10 975 für den italienischen Sozialismus war. Die Folgen für die schließen aber diese Möglichkeit für die nächsten Jahre völlig Stimmen. Niemand kann verkennen, daß sie eine Niederlage proletarische Bewegung werden schwerwiegend sein und sich aus, oder ob man, wie Bissolati, entschlossen ist, bei der nächsten von entscheidender Bedeutung erlitten haben. über Jahre erstrecken, aber man vergesse nicht, daß Gelegenheit einem Kabinett beizutreten, falls sich dadurch irgend Es wäre ein Irrtum, in der Frage des Freimaurer  auch die Folgen des Zusammenbleibens widerstrebender ein augenblicklicher Vorteil für das Proletariat erzielen läßt. ordens ein die revolutionäre Frattion trennendes Element und einander paralysierender Kräfte schwerwiegend waren, Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man die Voraussetzung, zu sehen. Die Art, wie die Tagesordnung gegen die Frei­und daß die italienische Partei seit Jahren an ihnen frankte, daß sich der Sozialismus durch Reformen verwirklicht, in dem maurer vom Parteitag angenommen wurde, nimmt ihr jede seit Jahren durch sie zerfleischt, bis in die eigene Organi Sinne deutet, daß die parlamentarische Tätigkeit das Wesent- tiefere Bedeutung. Der Borsigende hatte sogar versäumt, sation hinein gespalten und gehemmt wurde. liche und Zentrale der ganzen Bewegung sei, der gegenüber diese Tagesordnung, die dem Genossen Andrea Costa   noch im Man denke an den beständigen inneren Zwist, der die die Aftion in den Massen bedeutungslos und nebensächlich ist, Grabe das Recht der Parteizugehörigkeit abspricht, vor der Partei seit Jahren zerriß, man vergesse nicht, daß hervor oder ob man diese Reformen von den Massen selbst verwirt- Abstimmung zur Verlesung zu bringen. Niemand ist in der ragende Parteimitglieder, Männer wie Biffolati, licht sehen will und dem Wirken im Parlament nur eine er- Unruhe der letzten Stunde darauf aufmerksam geworden, daß Cabrini und Bonomi, bereit waren, im Gegensatz zu gänzende Bedeutung zuschreibt. Es ist ein Unterschied, ob die Einleitung der Resolution in unvereinbarem Widerspruch dem Votum der Parteitage und im Widerspruch zu der man um einen bermeintlichen materiellen Vorteil des zu ihrem Schlusse steht. materiellen Vorteil des zu ihrem Schlusse steht. Die Einleitung spricht von„ offen­Stimmung der organisierten Massen, ein Ministerportefeuille Proletariats bereit ist, all das preiszugeben, was das kundigen politischen und moralischen Gründen", die die Zu­im Kabinett Giolitti anzunehmen. Wer heute die un- Proletariat als die ideellen Werte seiner Klasse ansieht, ob gehörigkeit von Sozialisten zum Freimaurerorden verbieten, vermeidbaren Schäden der Spaltung voraussieht, der man den Vorteil da nimmt, wo er sich bietet, auch zu Füßen und der Schluß unterbreitet trotzdem die Frage der Urab­halte sich auch die bereits erprobten Schäden des Beisammen eines Thrones und schließlich vielleicht gar im Schatten des stimmung der Genossen! Wenn das einen Sinn haben soll, bleibens vor Augen, der gedente der steten Angst und Batifans, oder ob man ein vernünftiges Verhältnis zwischen so liegt darin eine schwere Beleidigung der Gesamtpartei, der Besorgnis, mit der die Partei dem frondierenden Verhalten dem Opfer und seinem Ergebnis aufrecht zu erhalten wünscht, man die Möglichkeit zutraut, offenkundig politisch und mo­ihres rechten Flügels folgen mußte, der gedenke des Unwillens, wie dies die Lintsreformisten tun. Es ist etwas anderes, ob ralisch inkompatible Elemente, die ihr Parteitag selbst als den der berühmte Gang zum Quirinal  , die im Gegensatz zum man aus einer Theorie ihre legten Konsequenzen zieht, wie folche qualifiziert hat, in ihren Reihen zu behalten. Eine ausdrücklichen Parteibeschluß fortdauernde Beteiligung an die Bissolatianer, oder bewußt und absichtlich vor ihnen Halt derartige Geringschäzung ihrer eigenen Partei dürften die der Sammlung für die fämpfenden Truppen und andere macht, wo diese Konsequenzen gegen das sozialistische Empfinden Unterzeichner der Tagesordnung ebensowenig beabsichtigt nationalistische Kundgebungen, die von organisierten Partei- und die Klassenwürde des Proletariats anprallen. haben, wie der Parteitag. genossen ausgingen, in der Masse der Partei hervorgerufen Deshalb sind Rechtsreformismus und Linksreformismus Symptomatisch ist allerdings die Art, wie am Schluß haben. Schon vor dem Votum war die Spaltung vollzogen trotz ihrer gemeinsamen Vergangenheit und ihrer gemeinsamen des Kongresses diese Frage verhandelt wurde. Nichts ist und ausgereift. Zwei verschiedene Bewegungen waren da, die, theoretischen Abstammung heute verschiedene Dinge. Wie weit natürlicher, als daß die Linksreformisten Mazzoni, Modi­vielleicht in einem hypothetischen Endziel einig, in allen dies nur durch die mangelnde Konsequenz der Linksreformisten gliani und Bibordi danach strebten, einen Führer der siegenden absehbaren Zielen der Aktion der nächsten Tage, Jahre der Fall ist, darüber hat nicht der Parteitag, darüber haben revolutionären Fraktion zu disqualifizieren. Daß aber die und Jahrzehnte voneinander abwichen, einander entgegen- die Lintsreformisten selbst zu entscheiden. Die Wucht des Ein- Abneigung gegen eine unpolitische Vereinigung, der etwa ein arbeiteten, von denen die eine als Schwäche ansah, was der wandes, daß sie Theorien verfechten, deren letzte Konsequenzen Drittel der aus der Bourgeoisie stammenden italienischen anderen Kraft war, von denen die eine verlachte, was der sie eingestandenermaßen im Rahmen der Parteiorganisation Parteigenossen angehört, Mitglieder der revolutionären anderen heilig schien. Im Grunde hat der Parteitag nichts und auf dem Boden des Massenempfindens nicht zu ziehen Fraktion so weit treiben fonnten, den Genossen Lerda zu anderes getan, als die erfolgte Spaltung zur Kenntnis zu wagen, hat die Lintsreformisten in Reggio   erbarmungslos disqualifizieren, nachdem die Fraktion ihm noch vor wenigen nehmen. Für beide Teile ist das Auseinandergehen eine Er- getroffen, und diese Fraktion wird sich allezeit mit diesem Stunden die Chefredaktion des Avanti" angeboten und ihn Lösung. ihrem inneren Widerspruch herumschlagen müssen. Der Ein- dann zum politischen Sekretär der Partei erwählt hatte, muß Und die Verhandlungen von Reggio   haben das mit flang zwischen Theorie und Praxis wird dadurch erfolgen, als politisch unflug bezeichnet werden. Wenn eine Fraktion großer Klarheit dargetan. Gerade die Worte, durch die daß die einen sich der neuen sozialistisch- reformistischen Partei einen Mann zum Bannerträger wählt, so tut sie offenbar Bissolati und Bonomi das Bürgerrecht der Rechts- zuwenden, und die anderen, unter Preisgabe ihrer Voraus- ihrer eigenen Würde Abbruch, wenn sie ihn gerade in dem reformisten in der Partei zu vertreten glaubten, haben be- fegungen, zum Sozialismus des Klassenkampfes, dem sie Moment für unzuverlässig erklärt, wo dem gemeinsamen wiesen, wie unerreichbar fern beide dem stehen, was im inter schon jetzt so viel praktische Zugeständnisse machen, zurück- Banner der Sieg zugefallen ist. Nachdem der Parteitag die nationalen Sozialismus als Kern und Zentrum der proletari- tehren. Austrittserklärung Zerdas als nicht erfolgt angesehen hat, schen Bewegung gilt. Es sei daran erinnert, daß Bonomi Natürlich hat der Ausschluß der Rechtsreformisten teines- hat auch der Parteivorstand ihn durch einen Brief aufgefordert, von der Möglichkeit sprach, den Staat zu einem wegs eine homogene Masse zurückgelassen. Im Gegenteil: von seinem Entschluß zurückzutreten. Für uns bedeutet die Element der proletarischen Befreiung zu machen, was die Opposition gegen die Rechtsreformisten war bisher und Sache nichts anderes, als einen politischen Mißgriff, bei dem eine ganz formalistische, der liberalen Philosophie besonders in der Periode der Parteitagsvorbereitung ein einige revolutionäre Genossen den Linksreformisten auf den entlehnte Auffassung des Staates voraussetzt, die einigendes Element. Nach ihrer Beseitigung werden die vers Beim gegangen sind. An Stelle Lerdas wird unser alter und sich meilenweit von der Vorstellung entfernt, die das schiedenen Schattierungen der Parteimaffe wieder flarer als hochverdienter Genosse Constantino Lazzari das sozialistische Denken von den sozialen Konflitten und von der bisher zum Ausdruck kommen. Die oft wiederholte Be- politische Sekretariat übernehmen. Machtorganisation der die Produktionsmittel monopolisierenden hauptung wird sich bestätigen, daß jede Bewegung einen ge­Klasse hat, welche Machtorganisation in der jeweiligen Re- mäßigteren und einen radikaleren Flügel hat. Die Bestätigung gierung ihr wirksamstes Werkzeug findet. Jm tiefsten Grunde fann aber in feiner Weise ein Argument gegen den Ausschluß unsozialistisch wie diese Auffassung des Staates ist die von darstellen, wenn man, wie wir, die Ausgeschlossenen, trotzdem Bissolati vertretene über den Wert und Einfluß des in- sich um sie die gemäßigten Elemente der Partei polarisierten, dividuellen Wirkens. Wenn Bissolati vor dem Parteitag nicht als eine gemäßigte, sondern als eine dem Sozialismus ihr zugehörenden 13 Abgeordneten aufgefordert, ihr Mandat fein Bedauern darüber aussprechen konnte, nicht das entfremdete Gruppe ansieht. Ministerportefeuille angenommen zu haben und dieses Be- Die Linksreformisten, die nach langer Herrschaft in der dauern damit begründete, daß es in diesem Falle Partei in die Minderheit verdrängt worden sind, bilden unter vielleicht nicht zum Striege gekommen wäre, so rechtfertigt der Führung Modiglianis und Turatis einen radikaleren, er allerdings durch diese Auffassung moralisch unter der Führung Reinas und anderer Gewerkschaftler einen jedwedes seiner früheren und seiner kommenden Bugeftänd mehr gemäßigten Flügel. nisse; aber er stellt sich intellektuell völlig außerhalb Auch die revolutionäre Fraktion, die geschlossen einen so des Rahmens des Sozialismus. Weil und soweit wir So- großen und in der internationalen Partei bedeutungsvollen zialisten sind, bekämpfen wir das System und nicht die Person. Sieg errungen hat, stellt ihrerseits eine Koalition von mehr In dem Kriege sehen wir einen notwendigen und normalen und weniger radikalen Elementen dar. Die Fraktion Lerda, Ausdruck des privatkapitalistischen Regimes wie er durch das die den größeren Anhang hat, beschränkt die Ablehnung der Spiel der Interessen der internationalen und nationalen Wahlbündnisse nur auf die Parlamentswahlen und läßt für Hochfinanz zustande kommt. Für Vissolati dagegen war der die kommunalen Wahlen die Bündnispolitik zu. Ausschlag- Die Folgen dieses neuen Zustandes sind noch nicht zu Strieg etwas, das er vielleicht verhindern konnte! Wie können gebend für diese Zulassung ist die Lage der kleinen Som übersehen, aber eines fann man, scheint uns, doch heute schon wir solchen Erflärungen gegenüber den Glauben haben, daß munalverwaltungen, namentlich in Süditalien  , die vielfach behaupten: nach der Spaltung werden die beiden Parteien Bissolati sich erst jetzt von der Partei losgelöst hat; zeigen seit Generationen von lokalen Familien und Cliquen mit Be- ihre bisherige Trusstellung im innerparteilichen Verkehr auf­sie doch, wie unerreichbar fern er ihr in seinem ganzen fchlag belegt sind. In diesen kleinen Gemeinden hat die geben und eine jede wird sich selbst wiederfinden. Die Rechts­Denken stand. Arbeiterklasse bisher vor der Erweiterung des Wahlrechts reformisten werden nicht länger das Bedürfnis fühlen, die Das gleiche gilt von Bissolatis Bemerkungen über die fein Wort mitzureden gehabt. Das erweiterte Wahlrecht gibt sozialistische Partei vor den Kopf zu stoßen, sondern sie werden Notwendigkeit eines starten Heeres. Wenn man sich auf diesen dem Proletariat Wähler, aber es gibt ihm durchaus nicht vielmehr Wert darauf legen, das proletarische Empfinden, das Standpunkt stellt, so läßt sich überhaupt teine Oppofition überall die mit den nötigen technischen Fähigkeiten für die etwa noch in ihren Reihen lebt, hervorzukehren und zu stärken. gegen die Militärausgaben mehr denken. Man muß sich be- Verwaltung einer Gemeinde ausgestatteten Persönlichkeiten. Die fiegreiche revolutionäre Frattion ist der mühseligen Auf­mühen, danach zu streben, daß möglichst viel möglichst gut In diesen Gemeinden, wo es sich zunächst darum handelt, ein- gabe enthoben, auf Schritt und Tritt vor den rechtsreformisti­ausgegeben werde. Wer, wie Biffolati, überzeugt ist, daß gesessene Parasiten der kommunalen Kassen auszumerzen, schen Entartungen zu warnen. Sie wird mehr als bisher sie seinem Lande eine die Mission aller anderen Länder über- müßte das Proletariat auch nach der Wahlrechtserweiterung selbst sein und ihrer Wirksamkeit in den proletarischen Massen ragende Kulturmission zukommt, der handelt durchaus logisch, darauf verzichten, irgendwelchen Einfluß auszuüben, wenn leben können.

Es ist zweifellos keine leichte Aufgabe, die des neuen Parteivorstandes harrt, und es wird der ganzen Energie und Hingebung der revolutionären Massen bedürfen, um die erste der Parteispaltung folgende Periode ohne Schaden für unsere Partei zu überwinden. Die neue reformistische Partei hat die den Parteisektionen zurückzugeben. Desgleichen werden alle Rechtsreformisten aus den Stadtverwaltungen und Pro­vinzialausschüssen zurücktreten, was in Mailand   und Beron a bereits geschehen ist und in Rom   den Sturz der heutigen Verwaltung zur Folge haben wird, da nicht weniger als 10 Stadtverordnete, darunter zwei Stadträte, ihr Mandat niederlegen. Der neue Parteivorstand hat bereits beschlossen, den zurücktretenden Rechtsreformisten bei den Ersatzwahlen eigene Kandidaturen entgegenzustellen. Die reformistische Partei schickt sich an, eine eigene Tageszeitung zu erwerben und hat sich bis jetzt für die Propaganda der ersten Wochen eine monatliche Einnahme von 1000 Žire gesichert.