Mr. 168. nbonncments-Bcdingtlngeri; BSonnetnentä- Preis btänumcrartb«! vierteljShrl. 330 MI, uionatl. 1,10 TU, »vöchentlich 28 Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer S Pfg, Sonntags- nummer mit illustrierter Sonntags- Beilage.Die Neue Well' 10 Pfg, Post- Kboniiemeul: 1,10 Mark pro Monat. Eingetragen in die Poft-Zeitungs- Preisliste. Unter Kreuzband sür Deutschland und Oesterreich. Ungarn 2 Marl, sür das übrige Ausland 8 Marl pro Monat. Postabonnements nehmen am Belgien . Dänemark , Holland , Italien , Luxemburg . Portugal . Rumänien , Schweden und die Schweiz , 39. Jahrg. Vlchklit täglich außer Olontagt. Verlinev VolkrsblÄK. Die TnlerttoDS'Gebütr veträgt für die sechsgespallene Koionel- »eile oder deren Raum««fg. sür politische und gewertschaswche BerewS- Und Versamintungs-Anz eigen 80 Psg. „slleine Hn-eigen", das settgedrurlie Wort 20 Psg. tzulässtg 2 fellgedruckte Worte), jedes weitere Wort 10 Pfg. 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Die„beste Verwaltung in ganz Europa ", wie sie sich gerne rühmt, ist nämlich in allem, was nur halbwegs mit der Politik zusammen- hängt, von der schnödesten Parteilichkeit geleitet. jedes Anstands- und Schamgefühls bar, bis ins Mark korrupt. Was nicht christlichsozial geeicht ist, was sich den klerikalen Stadtherrcn nicht mit Haut und Haaren ver- schreibt, bekommt die Mißgunst des Rathauses, das über so viel wirtschaftliche Macht verfügt, empfindlich zu spüren. Eine Probe auf das Exempel konnten auch die Berliner Herren machen: Als sie dessen inne wurden, daß der so segensreich wirkende Volksbildungsverein, auf den jede andere Stadt- Verwaltung stolz wäre, und der anderswo werktätige Unterstützung fände, von den klerikalen Gemeindegewaltigen maßlos angefeindet und so geächtet wird, daß sie alles daransetzten, die in Aussicht genommene Besichtigung durch die Berliner Gäste ja nur zu vereiteln. Warum? Weil der Verein, wie es ja seine soziale Aufgabe sein muß, anti- klerikal ist! Wie danach von der parteiischen, mißgünstigen Gemeinde die kulturellen Bestrebungen etwa der Arbeiter- schaft„gefördert" werden, kann man sich denken. Tatsächlich wird die ganze große Macht der Gemeinde, die wirtschaftliche und die politische, dazu verwendet, klerikale Parteigänger, klerikale Vereine, klerikale Tendenzen zu stützen und zu unterstützen, wogegen selbst die unpolitischen Be- strcbungen der Gegner mit Haß verfolgt und so weit alS möglich geschädigt werden. Daß sich die Berliner Herren von den üppigen Gelagen, die ihnen bereitet wurden, und von den süßlichen Reden, mit denen sie umnebelt wurden, so blenden ließen, daß sie den Grundcharakter dieser ebenso un- zulänglichen wie bösartigen autonomen Verwaltung nicht er- kannten, stellt ihrem Scharfsinn kein gutes Zeugnis aus. DaS Gebiet aber, auf welchem sich die christlichsoziale Skrupellosigkeit ganz austobt und bis zur offenen Betrügerei sich steigert, ist das Wahlverfahren. Dessen Durch- führung obliegt nämlich dem Magistrat(der städtischen Behörde,- die in gewissen Zweigen auch die Funktion der erstinstanzlichen Staatsbehörde versieht), der in Wien voll- ständig im Besitz der Christlichsozialen ist. eine restlos politi- sierte Behörde, deren Amtsführung sich ausschließlich nach den politischen Bedürfnissen der Christlichsozialen vollzieht. Daß sich diese„Bedürfnisse" vor allem bei der Durchführung der Wahlen duräisetzen, versteht sich von selber. Tatsächlich wird das gesamte Wahlverfahren, von der Anlegung der Wähler- listen angefangen, bis zur Abstimmung vor der Wahl- konimission, von der famosen städtischen Behörde nach dem einen einzigen Grundsatz bestimmt: daß die Christlichsozialen in der schamlosesten Weise begünstigt, ihre politischen Gegner in der schäbigsten Weise benachteiligt werden. Was da immerzu an neuen Listen und Kniffen ausgeheckt wird, geht ins Asch- graue: man kann wirklich sagen, daß der Herr Pawelka, der Herr über die Wählerlisten, der die christlichsozialen Siege in den Wählerlisten vorbereitet, aus dem Wahlfälschen eine ganze Wissenschaft gemacht hat. Wir können das den reichsdeutschcn Lesern auch in Zahlen dartun. Die„Arbeiter-Zeitung ", die seit 15 Jahren gegen diesen Schwindel den heißesten Kampf führt, hat jüngst eine Enquete über die Wähler- listen in den Städten des deutschen Reiches veranstaltet und durch die dankenswerte Unterstützung der Ge- nassen in diesen Orten das Material von 38 Städten, also von fast sämtlichen größeren und großen Städten des Reiches zusammengetragen. Daraus hat sich ergeben, daß bei den Reichstagswahlen in diesen Städten, die zusammen zwölf Millionen Einwohner und 2,6 Mill. Wähler zählen, insgesamt 23 509 Reklamationen(Einsprüche) erhoben worden sind. Und wieviel sind in Wie n bei den vorjährigen Reichsratswahlen erhoben worden? Nicht weniger als 42 807 Reklamationen sind erhoben, und trotz aller Infamien bei der Entscheidung mußte inehr als 31 000 stattgegeben werden. Während im Deutschen Reiche die Fehlerquelle selten ein halbes, nie mehr als ein Prozent ist. ist sie in Wien z e h n P r 0 z e n t I Und das ist die sozusagen dokumentarisch erwiesene; dgß daneben noch die Wähler nach Zehntausenden fehlen, und falsche Wähler in den Listen nach Zehntausendcn stecken, zeigt sich wieder erst bei der Zustellung der Legittmationen(ohne die in Oesterreich der Wähler zur Stimmenabgabe nicht zu- gelassen wird). Was in Deutschland wohl überall selbst- verständlich ist: daß die damit betraute Behörde korrekte und vollständige Wählerlisten zusammenstellt, das ist m Wien ein unerreichbares Ideal. Die deutschen Genossen können sich auch keinen Begriff von der unsäglichen Muhe machen, die der Partei bei jeder Wahl die Prüfung der ausgelegten Wählerlisten bereitet. Um nur den gräßlichsten Mängeln abzuhelfen, müssen durch vierzehn Tage alle Kräfte angespannt werden, die Kosten gehen ms unermeßliche und »um Schluß ist man erst recht bewogen. Natürlich sind die erbärmlich schlechten Listen, in denen den Sozialdemokraten 80000 Wähler gestohlen werden sollen und in denen Chnstlich- soziale eingetragen sind, wenn sie auch nicht wahlberechtigt sind, kein Zufall, keine Unzulänglichkeit der Verwaltung, sind bewußte, planmäßige Absicht. Die Absicht, den Christlir sozialen sür den Wahltag Vorteile zu sichern, den Gegnern schwere Nachteile zuzufügen. Aber mit dem Äählerlistenschwindel begnügt sich das christlichsoziale beamtete Lumpengesindel nicht: es hat nun auch die Organisation des Wahlbetruges in die Hand ge> nommen. Wir wußten das schon lange, denn bei jeder Wahl stoßen wir auf irgend ein verstecktes Lokal, von wo das Falsch wählen ausgeht, und bei mancher ist es uns schon gelungen, ein solches Diebsnest direkt auszuheben. Nun hat sich aber eins der Werkzeuge des vorjährigen Wahlfälschens selbst ge> meldet und vor Zeugen ein reumütiges Geständnis abgelegt. Darin wird nun eine Schilderung der behördlichen Organisation des christlichsozialen Wahlschwindels gegeben, die man wirklich lesen muß, um zu erfahren, wie es in der autonomen Verwaltung der Reichshaupt st a d t Wien zugeht. Folgendes erzählt und bekräftigt der Mann mit Dokumenten: Anton Prinz, Oberkellner und Ausschußmitglied der Gehilfen krankenkasse der Kaffeesieder in Wien teilt folgende? über den Wahlschwindel der christlichsozialen Partei mit: Er ist als Hilfskraft im Wahlkataster der Gemeindebezirke Brigittenau und Leopoldstadt durch sieben Jahre beschäftigt ge- Wesen und entlassen worden. Anläßlich der ReichsratSwahlen im Jahre 1911 wurde er mittels Schreiben von dem Bezirks« vor st eher Paul Spitaler. mit dem er gut bekannt ist, ein» geladen, agitatorisch bei der Stichwahl für den ReichSratS kandidaten Julius Prochazka mitzuwirken. Diese Einladung enthält die Weisung, daß er sich gegen Borweisung dieses Schreibens bei dem AgitationSleiter Paul Spitaler, Bezirksvorsteher der Landstraße, zu melden habe. Außer diesem Schreiben erhielt er am 14. Juni eine eigew händig geschriebene Korrespondenzkarte von dem beeideten Leiter des Wahlkatasters im 3. Bezirk. Anton Walter , worin er ersucht wird, Walter Dienstag, den 20. Juni, 89 Mann als Agitatorensür dieStichwahl bestimmt beizustellen. Diesem Ersuchen hat er sPrinz) vollauf entsprochen. Die Körte ist vom Leiter des Wahlkatasters, Herrn Anton Walter , selbst unterfertigt und trägt die Absenderadreffe: Amtslokal des III. Bezirks. Mit dieser Karte ist bewiesen, daß die Wahl- agitation und der Wahlschwindel tatsächlich in dem Amtslokal vor» bereitet und von Amtsorganen planmäßig betrieben wurde. Prinz fand sich am 29. Juni 1311 zur bestimmten Stunde ein und es wurde ihm durch den Wahlkatasterbeamten Anton Walter unter einem gesagt, daß. wenn er sich zugunsten des Kandidaten der christlichsozialen Partei Julius Prochazka , besonders anstrenge, sich in diesem Sinne für den Kandidaten Julius Prochazka ein- setzt, er neuerdings eine Stelle im Bureau des Wahlkatasters des III. Bezirkes bekomme. Unter dieser Voraussetzung bat er sich herbeigelassen und sich dieser überaus gefährlichen und sträflichen Arbeit für den Julius Prochazka gewidmet. DaS geschah alle? unter Mitwirken des Katasterleilers Anton Walter , unter Mitwissen des Kandidaten Julius Prochazka und des BezirkSvorstehers Paul Spitaler. Er wurde am Wahltage unter die Leitung des beeideten Wahlkataster» leiters des 3. Bezirkes Herrn Anton Walter gestellt, der ihm persönlich den Austrag erteilte, aus dem Amts» lokal des Wahlkatasters die gemeindeamtliche Diensttasche abzuholen, in welcher sich 384 Stück WahllegitimationennebstebensovielenStimm» zetteln, die auf den Namen des Magistratsrates Herrn Julius Prochazka lauteten, befanden. Herrn Prinz wurde im Hotel„Noter Hahn" auf der Land- straße ein wohl verstecktes Zimmer angewiesen, in welchem er die fraglichen Wahllegitimationen zu„verarbeiten" hatte. Zu diesem BeHufe wurden ihm einige vierzig Agitatoren zur Verfügung gestellt, von denen er sich zehn Per- sonen für seine Zwecke als geeignet aussuchte, welche er als „Wähler" zun, Vertriebe dieser Wahllegiti- mationen benutzte. Bevor er diese zehn Männer zur Aus- Übung des Wahlschwindels aussendete, hat er dieselben genauest über das Verhalten in jedem einzelnem Falle unterrichtet. Vor das Haustor wurden Wachen ge st eilt, um bei einer Ueberrumpelung von feiten der Gegner und der Polizei nach rückwärts jentwischen zu können. Für Legitimationen, welche auf Wähler aus dem Kreise der Intelligenz lauteten, wurden nur Männer verwendet, die nach ihrem Aussehen und nach ihrem Aeußcren als s 0 l ch e a u s diesem Kreise angesehen werden konnten. Für Wahl- legitimationen aus den Arbeiter- und Geschäftskreisen wurden wieder Männer verwendet, die nach ihrem Aussehen als solche aus den genannten Kreisen gelten konnten. Bei jeder Legitimation wurde streng individualisiert. Er teilte diesen zehn Männern mit, daß niemals zwei Männer mit einander gleichzeitig auf der Straße zu gehen, sondern immer nur in gewissen A b st ä n d e n sich zum Wahllokal zu begeben hätten. DaS Gesicht haben die Männer auf den Boden zu heften und gleichgültig dahin zu schlendern, als wenn eS sich um e i n e n S p a z i e r g a n g handelte. Jedes Aus- und Umsehen mutz vermieden werden. Ausfallende Kleidungsstücke,, wie lichte Hüte. lichte Gewänder, müßten abgelegt und durch dunkle ersetzt werden. Auch wurden Kleidungsstücke von diesen Leuten des öfteren untereinander geivechselt. Diesen Männern wurde für je einen Stimmzettel, den sie in die Wahlurne warfen, der Betrag von2 Kronen vom Katasterleiter Anton Walter als Belohnung versprochen. Von den 384 Stück Wahllegitimationen und Stimmzetteln hat er bis zum Schluß der Wahl mit diesen zehn Männern 193 Stück verarbeitet. Ein Mann, und zwar Herr Jakobi, Markör des„Casö de l'Europe" vom Stefansplatz, wurde bei der Ausübung des achtmaligen „Wählens" in der Sektion 11 verhaftet und hierfür vor dem Bezirksgericht Landstraße zu 14 Tagen Arrest verurteilt. Die Ge- richtsakten können requiriert werden. Bon den 19 Männern hat Herr Schäfer insgesamt zehnmal, Herr Nowotny i n S« gesamt fünfzehnmal, Herr Jakobi insgesamt elf- mal, Herr Wolf insgesamt neunmal, Herr Janowitz. insgesamt elsmal, Herr Findler insgesamt zwölf- mal, Herr Reinthaler insgesamt neunmal, Herr Wanderer insgesamt elfmal, Herr Mödnagl insgesamt e l f m a l, Herr Dölcher insgesamt sechsmal, in Summa haben alle zehn Hundertunddreimal für Julius Prochazka gewählt. Die festgesetzte Entschädigung hat der beeidete Leiter des Wahlkatasters des Hl. Bezirkes, Anton Walters, in Gegenwart des Katasterbeamten Flor, in Hellers Gast- hauS, Hl. Ungargasie Nr. 34, persönlich auf Grund der überreichten Konsignation für die Falsch- wählung am Abend ausbezahlt. Ihm(Prinz) wurde für seine große Verantwortlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Betrag von 35 Kronen, zusammen 241 Kronen ausgefolgt. Das ist nicht im dunklen Galizien oder in der Bukowina , daS ist in Wien geschehen l Und natürlich nicht etwa bloß im Wahlbezirke des Herrn Prochazka, der doch einer von den Kleinen ist, sondern selbstverständlich noch leidenschaftlicher für die Parteibonzen, die damals zur Stichwahl gestanden sind, geschieht überall und immer dieser schamlose Betrug, den die Beamten organisieren, ist die ausnahmslose, christlich» soziale Wahlmethode in Wien ! Die Herren ans Berlin , die so entzückt waren über die Wiener „Gemütlichkeit", werden ganz ergebenst gefragt, was sie zu dieser„gemütlichen" Verwaltung sagen, wo die Beamten Legitimationen stehlen und sie ausfolgen zum Zwecke und mit dem Auftrage des Wahlbetruges. Wie erfahrene Verbrecher Einbrüche vorbereiten und durchführen, werden in den Kanzleien der Wiener Gemeinde Wahlen vorbereitet! Und noch ein Bild aus dem„gemütlichen' Wien . Diese Enthüllung der„Arbeiter-Zeitung ". belegt durch Dokumente und belegt durch das verlegene Schweigen der Gebranntmarkten, wird von der gesamten liberalen Presse, der„Neuen fteien Presse" voran, totgeschwiegen! Das scheint unbegreiflich, weil doch auch diese Presse angeblich den Kampf gegen die christ- lichsoziale Verlotterung führt; aber die saudumme Eitelkeit der Wiener Herausgeberpresse, dieser feigsten und der dümm- sten Spielart der bürgerlichen Presse auf dem ganzen Kontinent, siegt über alle politischen Notwendigkeiten. Die liberalen Blätter können doch von dem, was in der sozial- Liberalen und die Wiener liberalen Zeitungen gefunden zu haben!_ lisch der trellaffung Herdt;. Paris . 17. Juli. (Eig. Ber.) Alles in allem hat Hervä nach seiner Freilaffung eine „gute Presse". Ein paar giftige Dummköpfe abgerechnet, denen kein Ersatz für die ohne Gedankenauftvand zu besorgende Hetze gegen den„AntiPatrioten" einfällt und die noch immer die alberne Entstellung von der„Fahne im Düngerhaufen von Wagram"- wiederkäuen, trotzdem heute jedermann weih, daß diese Phrase in Herves Geschichtsbuch gar nicht als Schmähung der Armee gedacht ist und Herve obendrein seinen.AntiPatriotismus" öffentlich revi» diert hat, atmen die halbwegs anständigen Leute aller Parteien ordentlich auf, weil dem Skandal ein Ende gemacht ist, als der sich die Verurteilung eines Journalisten zu sieben Jahren Ge- fängnis aller Welt darstellte. Zwei Jahre der zwecklosen Bar» barei waren mehr als genug— das fühlten auch die ängstlichsten Verteidiger der Staatsordnung. Jedenfalls war der Versuch, mit einem Gnadenakt auf die Stimmung des Proletariats zu wirken, eher noch erfolgversprechend als die weitere Festhaltung deS Pro« pagandisten. Hcrve und die paar mit ihm Begnadigten sind den Fängen deS Klassenstaats sicherlich nicht durch die Macht deS organisierten Proletariats entrissen worden— das beweist die Tatsache, daß die Dutzende verurteilter Gewerkschafter weiter in ihrer harten Haft bleiben müssen—, aber wenn ihre Freilassung keine Not war, so doch eben auch keine sonderliche Tugend. Deshalb wird man. ohne im übrigen den Preis französischen Esprits und Geschmacks für sie zu fordern, sich über die Geste kaum entrüsten können, die der befreite Herve dem Mephistopheles in der Hexenküche nach- gemacht hat. DaS falsche Pathos der Offiziösen, mag sie einiger- maßen entschuldigen. Da wird z. B. der Gnadenalt mit dem groß- artigen Triumph deS Patriotismus bei der Militärrevue am Na. tionalfest in Verbindung gebracht. Die VolkSbegeisterung für die Armee, wird gesagt, habe sich so überwältigend kundgegeben, daß gegen die Bekenner des zu Baden geworfenen AntipatriotiSmuS ohne Gefaahr Großmut geübt werden konnte. Nun, der EnthusiaS. mus über das militärische Schauspiel am 14. Juli hat bei seinen Zuschauern nie etwas zu wünschen übrig gelassen, andererseits hat das Parlament erst vor ein paar Wochen die Einreihung der verurteilten AntiMilitaristen in die afrikanischen Strafbataillone beschließen zu müssen geglaubt. Eher noch mag bei der Begnadi- gung die Einsicht mitgespielt haben, daß die von den Reaktionären aufs neue hitzig angegriffene Republik eines so leidenschaftlichen Demokraten wie Herve nicht leicht entraten kann, in einer Zeit, da die Verräterei der Bourgeoisrepublikaner an den arbeitenden Massen und manche Einflüsse in der syndikalistischen Agitation im Proletariat eine bedenkliche politische Indifferenz und ein heftiges Mißtrauen gegen die parlamentarische Republik geschaffen haben. Vielleicht aber war auch noch die Hoffnung dabei, den Gegensatz zlvische« den Sozialrevolutionärui der Hcttx-jchen NiK»
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