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Nr. 169. 29. Jahrgang. L fieilijt desöotirätts" Kerlim KslksM SMiig, 23. Infi 1913. Der KrelswaMverdn für lilederbarnlm hielt am Sonntag im Cafe Belledue zu Rummelsbura seine Generalversammlung ab. Der Vorstand hat ut Bro- ;churenform einen Jahresbericht vorgelegt, der ein anschauliches Bild von dem Organisations- und Parteilcben im Kreise gibt. Ueber die Mitgliederbewegung sagt der Bericht, sie zeige insofern ein unerfreuliches Bild, als der grohen Zahl von Neuaufnahmen auch ein großer Prozentsatz von Abgängen gegenübersteht. Der Verein hatte am 1. Juli 1911 12 996 mann- liche und 2S34 weibliche, zusammen IS 530 Mitglieder. Aufgenom- men und zugezogen sind S437 männliche. 1146 weibliche, zusammen 6683, gestrichen, verzogen usw. 341S männliche, 681 weibliche, zu- sammen 3996 Mitglieder. Der Bestand am 30. Juni 1912 belief sich auf 16018 männliche. 3099 weibliche, zusammen 18117 Mitglieder. Die Zunahme beträgt demnach 2687, darunter 665 weibliche Mit- glieder. Die große Zahl von Abgängen ist hauptsächlich zurück- zuführen auf Streichungen wegen rückständiger Beiträge. Diese Tatsache muß die Bezirksleitungen immer mehr veranlassen, die Ha.skassierung bei den rückständigen Zahlern anzuwenden. Ein erfreuliches Zeichen ist, daß die Mitgliederzahl in den rein länd- lichen Orten weiter wächst. Die Reichstagswahlbewegung brachte uns mit der Landbevölkerung in immer engere Fühlung und das grötzera Vertrauen des Landmannes zur Sozialdemokratie drückt sich besonders in der für die Sozialdemokratie abgegebenen Stim- menzahl aus. Neben der starken Zunahme von Stimmen ist auch eine Zunahme von 406 Mitgliedern auf dem platten Lande zu kon- statieren. Wenn auch die nominelle Mitgliederzahl im Kreise wieder erheblich gestiegen ist, so läßt die Zahl der vollzahlenden Mitglieder viel zu wünschen übrig. Insgesamt haben im Berichts» jähre nur 13 349 Mitglieder volle 12 Monatsbeiträge bezahlt. Während der Reichstagswahlbewegung wurden 11 allgenieine Landagitationstouren unternommen. Gute Aufnahme fanden diesmal auch die illustrierten Flugblätter, sowie die speziell für einzelne Berufe herausgegebenen Broschüren. Sehr wirksam war die Broschüre:Die Landbevölkerung und die Sozialdemokra- . tie". Es wurden 141 Reichstagswählerversammlungen abgehalten und 1 174 750 Flugblätter verbreitet. In unmittelbarem Anschluß an die ReichstagSwahl setzte die Agitation für die im März stattfindenden Gemeindewahlen ein. Am 14. Januar wurden in etwa 50 Gemeinden rund 90 000 -Flugblätter verteilt, die zur Einsicht der Wählerliste auffordern. Wir beteiligten uns in 66 Gemeinden an der Wahl und erzielten 15 192 Stimmen gegen 7940 bürgerliche. Wir gewannen 24 neue iMandate, so daß wir jetzt 133 Gemeindevertreter im Kreise haben. Dazu kommen noch 8 Stadtverordnet« in Bernau und Oranien» bürg und 16 in Lichtenberg . Die Gesamtzahl der sozialdemokra. tischen Stadtverordneten und Gemeindovertreter im Ltreise beläuft sich auf 166 gegen 137 im Vorjahre. Wenn auch der Schwerpunkt der Agitation im Berichtsjahre auf die Gemeinde- und Reichstagswahl gelegt werden mußte, so ist doch auch in der sogenannten stillen Zeit eifrig weitergearbeitet worden. Es wurden insgesamt 365 öffentliche Versammlungen abgehalten. Die schriftliche Agitation steht der mündlichen ebenbürtig zur Seite. Vor allem ist in den ländlichen Orten intensiv gearbeitet worden. Auf 352 Agitationstouren wurden ver­breitet: 20 000 Kalender, 157 500 Exemplare derFackel", 21000 Broschüren und anderes mehr. Allmonatlich sind 140 bis>160 Ge- nassen an den mühsamen und beschwerlichen Arbeiten der Land- agitatipn beteiligt. Die Zahl der Abonnenten der Parteipresse ist auf 22 406 gestiegen, darunter sind 22116 ,.Vorwärts"-Abon- nenten und 291 Abonnenten derBrandenburger Zeitung". Die Gesamtzahl der verbreiteten Flugschriften und Broschüren beträgt 2 250 300. Ueber die Frauenbewegung sagt der Bericht unter an» derem: In 23 Bezirksleitungen sind 3« Genossinnen tätig. In 6 Frauenkonfercnzen haben die Funktionärinnen gemeinsam mit dem Kreisvorstand über die Art der Agitation beraten. 171 Lese- abende fanden statt, die eine durchschnittliche Besucherzahl von 607 pro Monat aufwiesen. In 154 Leseabenden wurden Borträge ge- halten. Bei einer Hausagitation zur Gewinnung weiblicher Mit- glieder wurden 10 000 Eremplare der Broschüre:Bist Du eine der Unseligen?" verbreitet. Die Kinders chutzkommission hat 67 Fälle unerlaubter Kinderarbeit sowie Mißhandlung und Vernachlässigung festgestellt. Schließlich verweist der Bericht auf die große Zahl polizeilicher Plackereien, Strafanzeigen usw., denen die in der Agitation tätigen Genossen ausgesetzt sind. Infolgedessen hatte die Kreiskasse 1975 M. an Prozeß- und Gerichtskosten zu zahlen. Doch brachten gerade diese Vorgänge einen ansehnlichen Gewinn von Mitgliedern. Nach Eröffnung und Konstituierung der Versammlung erhielt der Vorsitzende Brühl das Wort zum kleines feuilleton. Majestät Mütze. Sie blinzelte aus dem Schaufenster eines Hut- ladens. allwo sich ollabendlich Schlag 6 Uhr derKorso" modischer Gigerl und gclüstiaer Evatöchter vom unauSgekrochenen Backfisch bis zur ältesten Semestergarde mit stramm berausgesteckter Hinterfront und noch begehrlicher präsentierter Bolle-Büste zu tummeln, nein in drangvoll fürchterlicher Enge aneinander zu reiben pflegt... das Ding« von Ziethenbuiarenmütze. Knalligrot lag sie in Raumes Mitte aus einem Miniaturruhepolster von schwarz-weiß ge- streifter Seide förmlich hingegossen wie eine Odaliske, die sehnsüchtig deS Freiers harrt. Rings herum in respeklvoller Distanz nur lauter Kopsbcdeckungen fürs Zivilpack. Zunächst allerdings ein Kranz schwarzseidiger Zylinder, wie solche nur wieder von geburtsadeligcn und plutokratischen Herrenmenschen, zweifelhaften Glücksrittern, horizontalen.Damen"-Kavalieren, blaublütigen Hochstaplern 'W-IV-Berlins getragen werden. In untadeligerKorrektheit" vom Kopf bis zur Zehe, Pardon, vom Angströhrendeckel bis zur elegant geschwungenen Krempe, verneigten sich sämtliche Zylinder vor Majestät Mütze. Ein verwandtschaftliches vertrauliches Zwinkern und Blinkern ging zwischen ihnen:Na, wir kennen unS doch? Wissen sie nicht? Neulich auf dem Fünfuhrtee bei Kommerzienrats, da scherwenzelten wir doch alle: wir Seidenhüte und sie, Gardehusarenmütze, um die Frau Kommerzienrätin, von wegen der braunen Lappe», wissen sie äh mit denen Venuschen Fräulein Tochter gepolstert ist. Aeh äh, sie schäkerten ja pyramidal, Rotmützchen. Glauben wohl siegeS- gewiß bei der Allen ein Monetenschropfen vornehmen zu können und das goldne junge Gänschen dabei mitgehen zu heißen? Fehlgeschossen! Auch unsere Wappenschilder sind, na tja, verbeult und rostfleckig, mitbin höchsteilig der Vergoldung bedürftig. Und wenn's auf Ahnen ankommt, du lieber Gott, auch wir haben deren eine schwere Menge. Wer unter ihnen, verehrte« Mützchen. und unter uns Wichstöppen nimmt'S denn so genau. Noch halten wir uns nicht für abgeblitzt I Auch wir haben Zähigkeit wie altes Bocksleder und werden mit ihnen selbstverständlich auf Kavalier­taille die Klingen kreuzen oder gegenseitig Löcher in di? Luft schießen. Alles für unsere Dame Fräulein Kommerzienrat I" Wieder verbeugten sie sich korrekt, die«inen vom Deckel bis zur Krempe der Knallrote vom obersten Kokarden- stern bis zum untersten Schwarzlederschirmrand. Die Zeremonie war beendigt. Hinter den Zvlindern lagen ie anderen Filze: devot abwartend die einen, protz, g jene, wurst, g- höhnisch diese:Wir sind'« schließlich, die euch flott machen, eure L'g«un«rkarr»n au» dem Dreck ziehen l" Und sie lachten au» vollem Borstanbsbericht. Er bezog sich im allgemeinen auf den gedruckten Bericht und sagte unter anderem: Das Kreisbureau, dessen Errichtung ein Teil der Parteigenossen nicht für notwendig hielt, habe sich sehv gut bewährt, insbesondere bei der Wahlagitation, die durch die Tätigkeit des Bureaus in den Bezirken wesentlich erleichtert und einheitlich ge- staltet worden sei. Die Mitgliederzahl des Vereins entspreche nicht unseren Wahlerfolgen. Es müsse sogar für manchen Industrie- bezirk ein ungünstiges Verhältnis konstatiert werden. Hinsichtlich der Gemeindewahl müsse verlangt werden, daß, wenn die Wahlen unserem Verlangen gemäß an einem Sonntag stattfinden, die Be- teiligung unserer Genossen eine allgemeine fem müsse. Das könne man von den Pankower Genossen nicht sagen. Sie hätten sich bei der drei Tage währenden Wahl am ersten Tage, einem Sonntag, wenig beteiligt und dadurch unserer Partei einen Mißerfolg be- reitet. Wo eine Sonntagswahl stattfinde, da müßten Win mit imposanten Wählermassen anrücken. Den Kassenbericht erstattete Genosse Bühl er. Die Kreiskasse hatte eine Einnahme von 60375,87 M. Dazu kommt der Bestand am 1. Juli 1911 in Höhe von 14 903,77 M», so daß sich die Gesamteinnahme auf 75 249,64 M. beläuft. Ausgegeben wurden 65 134,47 M. Es bleibt also ein Bestand von 19 095,17 M. Der Redner verwies auf das ungünstige Verhältnis zwischen der nominellen Mitgliederzahl und der Zahl derjenigen, die den vollen Jahresbeitrag beAihlten. ES müßten unbedingt Matznahmen getroffen werden, die geeignet seien, die gewonnenen Mitglieder dem Verein zu erhalten. Die Bezirke müßten sich die Hauskassierung der Restanten angelegen sein lassen. Die Zuschüsse, welche die Kreiskasse den Bezirken leistete, sei zum Teil recht erheblich. Die Bezirke müßten bestrebt sein, sich finanziell aus die eigene Kraft zu stellen und sich nicht zu sehr auf die Zuschüsse der Kreiskasse verlassen. Elias gab einen kurzen Bericht der Lokalkommission und betonte, daß eS notwendig ist, ihre Arbeiten zu unterstützen und ihre Anordnungen zu beachten. Die Diskussion: erstreckte sich auf Einzelheiten des Vorstandsberichts, besonders auf örtliche Angelegenheiten. Unter anderem vertraten die Delegierten von Pankow den Standpunkt, daß der Mißerfolg bei der dortigen Gemeindewahl nicht dem Verhalten unserer Genoffen zuzuschreiben sei. Der Umstand, daß für die Wahl drei Tage festgesetzt wur- den, habe den bürgerlichen Parteien einen wesentlichen Vorteil zu- gewandt, den sie auch rücksichtslos und mit den raffiniertesten Mit- teln ausnutzten. Einem solchen System gegenüber hätten wir unterliegen müssen. Dem Bericht der Mandatprüfu.ngSkommission zufolge sind anwesend: 27 Bezirksleiter, 122 Delegierte, 13 Kreis- Vorstandsmitglieder. 1 Vertreter von Groß-Berlin. Es fehlen: 1 Bezirksleiter, 12 Delegierte, 3 Vorstandsmitglieder mit, 2 Vor­standsmitglieder ohne Entschuldigung. Die erfolgte Wahl der Kreisfunktionäre hatte folgendes Ergebnis: 1. Vorsitzender: Brühl - Lichtenberg ; 2. Vorsitzender: Lehman n-Friedrichsfelde; Kassierer: Bühlc r- Lichtenberg; Schriftführer: L o r e n z- Reinickendorf-Ost; Bei- sitzerin: Mar i a B u-ch manu- Kaulsdorf; Revisoren : A n d r e e-- Weißeiisee. Äerg er-Lichtenberg , F e ng l er- Pankow. AktionS-? auSschuß: Brühl und-Bühle v.-Preßkommjssisn: L e s s e r». Pankow ;« Aspirant: Gründler. Weitzensee,...Lotzalkommission:' Elias- Lichtenberg. Revisionskommission: Taubmann- Weitzcnsce. Vertreterin der Frauen im Vorstand von Groß-Berlin: Maifta A r e n d s e e- Tegel. Gemeindevertreterausschuß: G ru n ow- Oberschöneweide, D ü w e l l- Lichtenberg, Taub- m a n n- Weitzensee. Die Wahl der Schiedsgerichtskommission wurde bis zur nächsten Generalversammlung zurückgestellt. Für die Wahl in den Vorstand von Groß-Berlin wurden wieder die Genossen Ernst, Böske und Th. Fischer aufgestellt, Die Versammlung schritt hierauf zur Statutenberatung. Eine von der Kreiskonferenz beratene Vorlage des Kreisstatuts bildete die Grundlage der Beratung und wurde schließlich mit einigen unwesentlichen Aenderungen angenommen. Die Haupt- sächlichste Abweichung des neuen Statuts vom alten besteht in ejner Aenderung der Kreisleitung. Die Generalversammlung hat einen auS fünf Personen, darunter mindestens ein weibliches Mitglied, bestehenden Vorstand zu wählen. Gleichzeitig sind die Vertreter des Kreises im Zentralvorstand von Groß-Berlin und drei Revi- soren zu wählen, welche den Beirat des Kreisvorstandes bilden. Die vom Vorstande nach Bedarf einzuberufenden Kreiskonferenzen be- stehen aus dem Vorstande, dem Beirat und je zwei Mitgliedern Bauche. Parademlltzchen hörte aber nicht den saftigen Refrain. Parademützchen schwamm, wie in Ehrenschulden, so in holden Zu- kunftsträumen. Eines Tages wird ein hochfeudaler Jemand mit Dolman, Schleppsäbel und versilberten Sporen an den lanß- schäftigen Lackledertriitlingen zur Ladentür hineinspazieren, dabei m höchst gedehntem Schnarrton seine Visitenkarte hinwerfen und das Mützchen engagieren. Zwei Stündchen drauf fährt der Träger des Parademützchens auf Pump zu Kommerzienrats. Geheimnisvolle Unterredung. Andern Tags Verlobungsanzeige in der Tante Boß: Herr und Frau Kommerzienrat Goldenmund geben sich die hohe Ehre und so weiter. Majestät Mützchen glänzte in pyramidaler Verklärung. Einer, der die Sprache wiedergewann. Der merkwürdige Fall, daß ein Mann, der vor 2'/z Jahren seine Sprache verlor, diese jetzt plötzlich wiedergewann, hat sich nach denMünch. N. Nachr." m Saarbrücken ereignet. Ein Beamter der Stadtschulinspektion verlor durch Schreck vor ungefähr 21/a Jahren seine Sprache. Das Gehör wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Tochter sang nun vor einigen Abenden ihrem stummen Vater ein Lied vor. Das Lied er« griff ihn so, daß er unwillkürlich seine Lippen wie zum Sprechen formte und bewegte. Und plötzlich, ohne daß irgend eine andere äußere Einwirkung vorlag, gab der Mund, der 27, Jahre geschwiegen hatte, wieder sprachliche Laute von sich. Der Mann sang, wenn auch noch schwerfällig, halblaut mit und unterhielt sich dann in lang- gezogenen Silben mrt seiner Familie, die zunächst gar nicht fassen konnte, daß dem Vater die Sprache wiedergegeben sei. Ueber Nacht hielt die Besserung an, so daß der Mann am anderen Morgen zur nicht geringen Freude und Ueberraschung seiner Kollegen diese auf dem Bureau mit einem lauten und deutlichenGuten Morgen, meine Herren" begrüßen konnte. Schadenersatzansprüche gegen die Erben eines Selbstmörder». Im Hotel Toledo zu Neapel erschoß vor einiger Zeit der Kaufmann Carlo Ausaldo aus Bologna zuerst seine Geliebte und dann sich selbst. Der Besitzer des Hotels behauptete, daß die Liebestragödie ihm und seinem Hotel großen Schaden zugefügt habe, und verklagte die Erben deS Selbstmörders aus Entschädigung. Das Gericht hat jetzt, wie derMattino " berichtet, der Klage in vollem Umfange stattgegeben und den verursachten Schaden auf 10006 Lire festgesetzt. In der Urteilsbegründung heißt es:Die Hotelzimmer haben nicht den Zweck, als Schauplatz für Liebestragödien und andere Leiden- schaftSdramen zu dienen. Wer in den Hotelzimmern einen Mord oder Selbstmord verübt, treibt Mißbrauch mit der gemieteten Sache. Der Mißbrauch fügt offenbar und unbestreitbar oem Befitzer der Hotelzimmer Schaden zu, und der Urheber de« Mißbrauch» oder der einzelnen Bezirksleitungen sowie je einem ViertelSvertrieter der einzelnen Bezirke und dem Gemeindevertreterausschuß. Wie bisher gliedert sich der Wahlverein in Bezirke, zurzeit 28, die wieder in Viertel eingeteilt, welche sich aus Abteilungen zusammen- setzen. Die Abteilungen bestehen auS Gruppen.(Die letzteren sind gleichbedeutend mit den Bezirken sZahlabendenj der Berliner Wahlvereine.)> Die Ausführungsbestimmungen zum Kreisstatut wurden ohne Debatte angenommen. Dann beschäftigte sich die Versammlung mit dem vom Zentral- Vorstande aufgestellten Entwurf de» Verbandsstatuts. Derselbe bringt im wesentlichen einige Aenderungen, die durch die Trennung des Verhältnisses zwischen den Bezirksverbänden Groß- Berlin und Brandenburg notwendig geworden sind. Zu dem Eni- Wurf wurde ein Antrag angenommen, welcher besagt, daß nicht auf 100, sondern auf 200 Mitglieder ein Delegierter zur Verbands- generalversammlung kommen soll, und daß den Delegierten kein gebundenes Mandat von den Kreisen erteilt werden darf. Ferner wurde ein vom Genossen Stadthagen befürworteter, vom Ge- nossen Ernst aber als nicht zweckmäßig bezeichneter Antrgg an- genommen, welcher verlangt, daß die Verbandsgeneralversammlung auch Vorschläge für die Kontrollkommission, die Beisitzer im Partei- vorstände und der drei Mitglieder des eventuellen Parteiausschusses zu machen hat. Nach dem bisherigen Modus erfüllte der Zentral- vorstand diese Aufgabe. Abgesehen von diesen Aendcrungs- antrügen stimmte die Versammlung dem Entwurf zu. Schließlich kam noch ein Antrag zur Verhandlung, welcher vcr- langt, daß der für Groß-Berlin geltende Beschluß, wonach die Referenten auch bei Demonstrationsversammlungen honoriert wer- den, aufgehoben werden soll. Nachdem mehrere Redner für und gegen gesprochen hatten, wurde der Antrag mit 68 gegen 58 Stim- men angenommen. Damit war die Tagesordnung der Generalversammlung er- ledigt,_ 5. Nerbandstag der Tapezierer. Köln , 20. Juli. Heute kamen im hiesigen Gewetkschaftshaus die Vertreter des Verbandes der Tapezierer und verwandter Berufsgenossen Deutich- landS zu ihrem fünften ordentlichen Verbandstag zusammen. Der Verbandsvorstand kann den Delegierten einen wesentlich besseren Geschäftsbericht unterbreiten als wie zum letzten- Verbandstag vor drei Jahren, wo wir mitten in der Krise waren. Es gelang, den Rückgang der Mitgliederzahl nicht nur auszugleichen, sondern dar- über hinaus die Durchschnittsmitgliederzahl um mehr als 1000 über den je vorher erreichten Stand zu steigern. Die Geschäftslage hat sich wesentlich verbessert, wenn sie auch als gut nicht bezeichnet werden kann. Die Agitation wurde in der Berichtszeit sehr intensiv betrieben. Man bemühte sich, sie planmäßiger als bisher zu gestalten. Die Gauleitungen haben das Bezirksleitershstcm weiter ausgebaut, um eine bessere Bearbeitung der kleinen Orte zu erreichen und die Kollegen dieser Orte in den KreiS der Organi- sation zu ziehen. Es gelang auch, in einer Reihe kleinerer Orte festen Fuß zu fassen und die Mitglieder den benachbarten Filialen anzugliedern. Auch in den alten Zahlstellen ging es vorwärts. Zur Belebung der Agitation wurden den Filialen wieder einige Flug­schriften zur Verfügung gesteyt,....>,. Die M i t gl ied e rve we g Um g zeigt den Erfolg der Agita- Aon. Die Zahl der Filialen stieg in der Geschäftsperiode vor 123 auf 138tund die Mitgliederzahl, von 7844 auf 9711, also-um-Kl 8 6"?. Da mit rund 16 990 erwachsene männliche Berufsangehörigc zu rechnen ist,, sind 60 Proz. derselben organisiert. Leider machtz die Organisierung der Näherinnen keine Fortschritte. Ende 1911 zählte der Verband nur 122 weibliche Mitglieder, das sind noch nicht 10 Proz. der im Beruf Tätigen. Die Mitgliederfluktuation ist eine ganz gewaltige. In der Berichtszeit standen 11 562 Aufnahmen 9579 Ausschlüsse und Austritte gegenüber. Die KleinbetricbSform und der ausgeprägte Saisoncharakter des Gewerbes sind nach An- ficht des Vorstandes die Hauptursachen dieses Nebels. An Lohnbewegungen waren besonders die Jahre 1910 und 1911 sehr zahlreich. Insgesamt fanden in den drei Berichts- jähren 183 Bewegungen statt, die 3865 Betriebe mit 12 739 Kalle- gen umfaßten. Das Jahr 1999 zählte nur 22 Bewegungen mit 1243 Beteiligten. 1910 aber 66 mit 4206 und 1911 gar 95 Bewegungen mit 7340 Beteiligten. Die Streikenden hatten einen Arbeits- Verdienstverlust von 243 869 M. Von den 183 Kämpfen endeten 134 mit 12 088 Beteiligten erfolgreich, 9 mit 375 Kollegen mit teilweisem und 23 mit 289 Beteiligten ohne Erfolg. Unbekannt blieb der Ausgang bei 17 Bewegungen mit 35 Beteiligten. Durch diese Kämpfe wurde erreicht: für 6510 Kollegen eine Arbeitszeit- Verkürzung um 11 344 Stunden pro Woche uns eine Lohnerhöhung Fl I 1 I, 1 I seine Erben haben die Pflicht, den durch den Mißbrauch verursachten Schaden zu ersetzen." Musik. Die Volkskonzerte des Philharmonischen Orchesters, deren erstes wir seinerzeit ausführlich besprochen haben, nehmen einen Fortgang, über den man sich wahrlich freuen kann. Eine Stichprobe führte uns am Sonnabend in das Konzert, das gerade in denGermania-Prachtsälen" stattfand. Auch hier wieder die vielen Borzüge von damals und eineruhige" Behand- lung des Orchesters durch den Dirigenten, über die sich streiten läßt. Das Programm zeigte zwar keine Absicht einer einheitlichen Zu- sammenfassung, war aber ganz einfach entzückend: Mozarts Kleine Nachtmusik ", nicht etwa klein, sondern in ihrerGröße" an allem meßbar; d'Alberts Bioloncell-Konzert. vor etwa einem Jahrzehnt zuerst und unter freudiger Ueberraschung der Kenner vekanntgemacht, ein im besten Sinn des Wortesdurchgearbeitetes" Werk; und noch anderes. Wir konnten unter der Hand auch Einblick nehmen in die ? Urogramme der 20 Konzerte, die noch bis zum 27. September, also is zum Schluß der ganzen Sommerreihe, bevorstehen. Welch seih- ständige und geschmackvolle Auswahl aus der Zeit seit den Klassikern" I Fast jedes Konzert bringt irgendeine sonst selten zu hörende Köstlichleit. Allerdings gibt es dabei keineNovitäten". Um so interessanter der Umstand, daß sich die Köstlichketl der Pro- gramme wohl hauptsächlich aus der Unabhängigkeittlärt, mit der die Künstler hier anscheinend walten können I Da gibt'S keine Rück- ficht auf Effekt, auf Sonderwünsche usw. Es würde uns freuen, wenn Gelegenheit geschafft würde, jeweils die Programme der bevor- stehenden Konzerte allgemein kennen zu lernen. sz. Notizen. Ein Museum der Werke MaröeS, de» großen An- regerS zur monumentalen Kunst, bringt fein Apostel Julius Meier- Gräfe in Vorschlag. Er möchte etwa in München die jetzt in Neapel bedrohten und sonst in München und Berlin zerstreuten Gemälde vereinigen. Ein Rheinmuseum wurde in Koblenz gegründet. Schade um den Rhein , aber er ist ja leider schon längst museumsreif. Hermann HeijermanS, der unseren Lesern wohl- bekannte holländische Dichter, siedelt von Berlin wieder nach Amsterdam über, um die Direktion der einzigen modernen Bühne Hollands , derTooneel-Vereenigina" zu übernehmen, die von jeher HeijermanS Stücke gespielt hat.