Um 22 000 M. wöchentlich für 11330 Kollegeft. Die Kosten der Bewegungen betrugen insgesamt 140 17S M. Der Tarifvertrag gewinnt im Tapezierergewerbe immer Wehr an Ausdehnung: bereits zwei Drittel aller Gehilfen arbeiten Unter tariflichen Verhältnissen. Am Jahresschluß 1911 unterlagen an 66 Orten mit über 11 000 Beschäftigten die Lohn- und Arbeits- bedingungen der Regelung durch Korporativverträge mit Innungen oder Arbciigeberschutzverbänden. Hierzu kommen noch eine Reihe Verträge mit einzelnen Firmen. Insgesamt zählte der Verband am 31. Dezember 1911 87 Tarife für 11 600 Beschäftigte. Nach dem Kassenbericht betrugen die Einnahmen 734 076 Mark und die Ausgaben 660 011 M. An regulären Beiträgen wurden 692 034 M. und an Extrabciträgen 23 209 M. vereinnahmt. Für Unterstützungen wurden sehr hohe Summen ausgegeben. So für die Arbeitslosen- 203 632 M.. Kranken- 32 370 M., Streik- 107 346 M. und Maßregelungsunterstützung 4428 M. Das Ge- samtvermögen des Verbandes stieg von 121 837 M. am Schlüsse des Jahres 1908 auf 231 922 M. am Schlüsse der Berichtszeit. Auf der Tagesordnung des Verbandstages stehen neben den üblichen Berichten die Punkte: Lohnbewegung und Tarifverträge, Gauorganisaiion und Agitation, Ursachen und Verhütung der Berufskrankheiten im Tapezierergewerbe und die Statuten- beratung. Die Zahlstellen Heidelberg und Köln beantragen, die Frage der Verschmelzung mit den Holzarbeitern als besonderen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, während die Filiale Darm- stadt und die Nordgaukonferenz lediglich eine Urabstimmung über die Verschmelzungsfrage verlangen. Insbesondere liegen 167 An- träge zu den einzelnen Tagesordnungspunkten vor. »tM ' Huq Induftrlc und Handel. Eine Woche Hochkonjunktur. Allgemeine Preiserhöhungen industrieller Halb- und Fertig Produkte, Neugründungen, Vergrößerungen und im besonderen Kartell-, Syndikats- und sonstige Vereinigungsmöglichkciten gibt es zu Zeiten der guten Konjunktur in Hülle und Fülle. Der stchersto Maßstab der Wirtschaftslage sind die Nachrichten über die Preis- gestaltung der industriellen Produkte. Den niemals verstummenden Klagen von der prekären Lage der deutschen Industrie, und im be- sonderen gegenüber ihrem Jammer, daß es gar nicht zu einer richtigen Hochkonjunktur kommen wolle, stellen wir im nachfolgen- den acht Tage Tatsachen gegenüber. Wir haben einfach registriert, was die deutsche und benachbarte Industrie innerhalb der letztvergangenen acht Tage, also innerhalb einer Woche, an Mitteilungen für die Oeffentlichkeit vorzubringen hatte. Lassen wir die Tatsachen selbst roden. Die vereinigten Verbände der deutschen Feuerzeugfabrikanten und Grossisten beschließen einmütig, auf ihre Wvren einen anstän- dign Preisaufschlag zu legen. Der Verein der deutschen Emaillier- werke entscheidet sich dahin, auf seine sämtlichen Primawaren einen zehnprozentigen Aufschlag zu nehmen. Die durch den Verein mit allen Händlern festgelegten Nettopreise erhöhen sich somit auto- matisch um 10 Proz. Der Verein deutscher Eisengießereien erhöht seine Gußpreise um 1 M. pro 100 Kilogramm. Die Preissteigerung wird mit Wirkung vom vierten Quartal 1912 beschlossen. Zwanzig Werke der Kleineisenindustrie gründen einen Rohrschellen- verband, der die besondere Ausgabe zugewiesen bekommt, sofort eine allgemeine Preiserhöhung mit aller Energie durchzusetzen. Die belgischen Zündholzfabriken gründen einen Trust, der eine Jahres- Produktion von 700 Millionen Schachteln umfaßt. Davon gehen zwei Drittel nach dem Ausland. Erste Arbeit der neuen Vereinigung ist—< Preiserhöhung. Auf dem internationalen Eisenmarkt steigen die Preise für Eisenwinkel, Bandeisen, Schweißeisenblech, Band- stahl, galvanisierten Zaundraht usw. Dreißig der deutschen Fabri- ken für Patentmatratzen schaffen sich eine neue Organisation. Im besonderen deswegen, weil sich das Großverkaufsgeschäft nicht mehr genügend rentiert. Der Kleinverschleiß hat dauernd hohe Ge- Winne abgeworfenl Dasfelde soll für die Zukunft auch beim Groß- verkauf geschehen. Die oberfchlestschen Eisenwalzwerke erhöhten ,re Preise für Haftdelsstabeifen und Bandeisen. Die neuen «Forderungen treten mit dem Beginn des vierten Quartals in Kraft. Die Vereinigung der französischen Koksproduzenten er- höht die Preise für Hüttenkoks pro viertes Quartal um ein ganz erhebliches. Der deutsche Stahlwerksverband befaßt sich mit der Verringerung der Exportbonifikation und der Verringerung der Ausfuhr von Halbzeug. Der Jnlandsabsatz steigt zu fortwährend besseren Preisen. Die österreichischen Schäftefabrikanten organi- sieren sich in einem festen Kartell. Zweck: allgemeine Preiserhö- hung, Bekämpfuftß der billigen Produktion und der Schleuder- Warenlieferung. Das ist die Arbeit der internationalen Industrie von auch nur einer Woche! Sie zeigt uns, daß die Großproduktion sich wieder einmal in günstigsten Verhältnissen sonnt. Sosiales. Geburtenrückgang. DaS Gespenst der Bevölkerungsabnahme spukt im Blätter- svalde. Zwar konstatiert die Statistik immer noch einen Geburten- Überschuß, aber er ist das Resultat verminderter Sterblichkeit. Mutter Germania zittert vor der Stunde, die mit dem ersten Minus den Abstieg beginnen läßt. Nun hat sie wenigstens den Trost des Angebotes einer Menge Rezepte, die ihre Fruchtbarkeit erhöhen, sie vor der Schande offenkundiger Impotenz bewahren sollen. Die Frommen empfehlen Missionen. Sie wirken angeblich besser als wie Marienbad . Gewiß, die Zölibatäre predigen die Pflicht ehelichen Fleißes, aber das reicht doch schon nicht mehr aus, um die eventuellen erforderlichen Missionen auf die Beine zu bringen. Zudem lehren uns die Erfahrungen im katholischen Frankreich , im ordenreichen Oesterreich, daß fromme Ermahnungen die Mehrinanspruchnahme der Hebamme nicht bewirken. Auch die hochweisen Maßnahmen einer bethmännischen erleuchteten Regie- rung, von der andere Zeitgenossen befruchtende Wirkungen er- warten, versprechen nicht viel. Und schließlich ist auch ein sinnloses Produzieren und Wiedervernichten nicht die Aufgabe Vernunft- begabter. Mit moralisierenden Predigten ist gegen die-aus dem Boden sozialer Kräfte und Ursachen erwachsende Erscheinung nichts zu machen. In den besitzenden Schichten fördert krasser Egoismus, der von der Erschaftssteuer eine Vernichtung des Familiensinnes befürchtet, die Kultur des ZweikindershstemS. Man möchte den Kindern gern als erstes Geburtstagsgeschenk einen für das ganze Leben ausreichenden Rentenbrief in die Wiege legen. Und in den werktätigen Volksschichten, bis weit in die Landbevölkerung hinein, läßt die rücksichtslose Profitsucht den Gedanken an eine beschränkte Kinderzahl mehr und mehr Herrschaft gewinnen. Die Verteuerung der Lebenshaltung als Resultat der Herr- lichen Wirtschaftspolitik der Junker und Pfaffen macht sich in dieser Beziehung doppelt bemerkbar. Es liegt nahe, daß die um des Lebens Notdurft hart Ringenden durch Kleinhaltung der Kinder- zahl sich die wirtschaftliche Existenz zu erleichtern suchen. Die fort- 'gesetzte Erschwerung der Existenz treibt weiter immer mehr ver- heiratete Frauen zur Erwcrbsarbeit. Eine deutliche Spache reden hier die Berufszählungen, welche ergaben: 1895 1907 Erwerbstätige im Hauptberuf 19 349 914 Arbeiterinnen: ledige... 3146 674 verheiratete. 1 023 733 verwitwete u. geschiedene 917 433 26 083832 4 199 107 2 777 263 Steigerung i"% 29 33 171 978 827 6,9 der Arbeiterinnen verheiratet, während bei der Zählung 12 Jahre vorher auf jede verheiratete Arbeiterin fast 3 ledige kamen. Die riesenhafte Zunahme der erwerstätigen verheirateten Frauen springt hier klar in die Augen. Daß die Proletarierinnen nicht aus Uebermut sich in die dumpfen heißen, mit verpesteter Luft ge- schwängerten Werkstätten einpferchen, daß sie nicht zum Vergnügen ihr enge? Heim zu einer Heimarbeiterhöhle machen, braucht kaum versichert zu werden. Höchstens Leute aus den schmarotzenden Schichten, die Lohnarbeit nur aus Hörensagen kennen, könnten glauben, proletarische Frauen und Mädchen gingen ohne von Not gezwungen zu werden, in die engen Tretmühlen der Lohnsklaverei. Die Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen wirkt aber nun in vielfacher Hinsicht großem Kindersegen entgegen. In starkem Maße reizt zur Vorbeugung das Motiv, das überhaupt die Erwerbsarbeit notwendig macht: die Sorge um die Existenz! Dann kommt in Betracht, daß die Schwangerschaft für erwerbstätige Frauen be- sondere Beschwerden im Gefolge hat. Sie stört und hindert bei mancher Arbeit und sie erfordert ein längeres Aussetzen. Das liebt der Unternehmer meistens nicht. Die Schwangere wird daher leicht arbeitslos. Diese Gefahr sucht man zu vermeiden; dies um so mehr, weil ein Zuwachs nicht nur vermehrte Ausgaben ver- ursacht, sondern die Mutter auch vielfach an der Fortsetzung der Arbeit, das heißt, des Erwerbes verhindert. Das wirtschaftliche Moment der Schwangerschaft und Geburt spielt bei der verheira- teten Proletarierin eine viel größere Rolle, als wie bei der Nur- Hausfrau. Wo die harte, die unerbittliche Not die Mutter bald wieder in die Fabrik treibt, wo die jungen Menschenpflanzen der Pflege und Aufwartung entbehren müssen, da welken sie in Scharen dahin: welken und verderben! Als anderer Hauptschuldiger sowohl an der Geburtenabnahme wie auch an der vermehrten Säuglingssterblichkeit ist das Ber sagen der Sozialpolitik, der Mangel eines ausreichenden Mutter, und Säuglingsschutzes anzusprechen. Wer hier gesündigt. der kann auch die Verantwortlichkeit für Geburtenrückgang und massenhaftes Menschenvernichten nicht ablehnen! Die Sozialdemokratie allein ist in dieser Hinsicht von Schuld und Fehler freit Sie verlangt eine den hygienischen Anforderungen entsprechende Arbeitszeit für Arbeiterinnen. Die Frommen und sogenannten Nationalen waren nicht dafür zu haben! Die Sozial- demokratie fordert ausreichende Schonzeit für Schwangere und junge Mütter und fordert die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch eine dem Lohn gleiche Unterstützung. Zentrümler, Konser- vative, Nationalliberale usw. lehnten alle dergleichen Anträge ab. Der Hauptwortmacher des Zentrums, Herr Mathias Erz- b e r g e r, erklärte in einer Versammlung, auS Sittlichkeitsgründen hätte das Zentrum eine achtwöchentliche Schwangerenunterstützung für die in Landkrankenkassen versicherten Arbeiterinnen abgelehnt. Andernfalls bestände die Gefahr, daß Dienstmädchen und Ledige jedes Jahr ein uneheliches Kind zur Welt brächten, nur um sich etliche Wochen auf Kosten der Krankenkassen ins Bett legen zu können. Und nun sollen die Missionen helfen! Die Einrichtung von Stillstuben, Säuglings- und Kinderheimen usw., das alles sind sozialdemokratische Forderungen und geeignet, der Kinderbeschrän- kung und Kindervernichhmg entgegen zu wirken. Dergleichen so- zialen Matznahmen stehen aber gerade jene Elemente gegenüber, die nun nach Hilfe gegen Entvölkerung schreien und am liebsten gar die Sozialdemokratie für den Geburtenrückgang verantwortlich machen möchten. Wer diesem ernstlich entgegenarbeiten will, mutz Mutter- und Säuglingsschutz und Abkehr von der die Lebensmittel verteuernden Wirtschaftspolitik fordern und---> wollen!' ßericbtö- Zeitung. Grobe Ausschreitung gegen Gemeindevertreter. Die Gemeindevertretung von WaidmannS- lust hatte eine Kommission eingesetzt, welche ein Gesuch des Dr. Leonhardt um Erweiterung seiner Privatirrenanstalt zu prüfen hatte. Der Kommission gehörten der bürgerliche Gemeindeverordnete Michaelis sowie unsere Genossen Lusche und K e st i n an. In der Gemeindevertretersitzung am 11. Januar d. I. befürwortete die Kommission einmütig das Gesuch Dr. Leonhardts, die Mehrheit der Versammlung lehnte es jedoch ab. Schlossermeister Siegmund, der ein Grundstück in der Nachbarschaft der Irrenanstalt be- sitzt, war ein scharfer Gegner der Erweiterung der Anstalt. Als dieser Gegenstand in der Gemeindevertretersitzung be- handelt wurde, war Siegmund als Zuhörer anwesend. Er ärgerte sich über die von den Kommissionsmitgliedern ver- tretenen Ansichten. In dieser Stimmung besuchte er die Ver- sammlung des Grundbesitzervereins. Nach Schluß derselben traf er im Schankraum des Vereinslokals den Gemeinde- verordneten Michaelis, dem er die heftigsten Vor- würfe wegen der Befürwortung des Gesuchs Dr. Leonhardts machte. Bei dieser Gelegenheit beschuldigte Siegmund den Herrn Michaelis. daß er in der Ge- meindevertretung bewußt die Unwahrheit gesagt habe. Als Michaelis dagegen fragte:„Wollen Siebe- haupten, daß ich gelogen habe?" rief ihm Sieg- mund zu:„Jawohl. Wir wissen, wie es ge- macht wird. Sie und die beiden Sozialdemo- kraten— D r. Leonhardt, hier." Dabei machte Siegmund vor den Augen des Herrn Michaelis mit Daumen und Zeigefinger die Gebärde des G e l d z ä h l e n s. Er hat also sagen wollen, die drei Kommissionsmitglieder hätten sich von Dr. Leonhardt bestechen lassen. Die drei so gröblich beleidigten Gemeindevertreter stellten Strafantrag, aber das Schöffengericht sprach den Angeklagten Siegmund frei, weil es annahm, er habe die beleidigenden Aeußerungen in Wahrnehmung berechtigter Interessen getan. Die Beleidigten, die als Nebenkläger auftraten, legten Berufung ein. Vor dem Landgericht III, wo gestern die Angelegenheit verhandelt Ivurde, erklärten die Nebenkläger auf einen Vergleichsversuch des Vorsitzenden, an einer Be- strafung des Angeklagten liege ihnen nichts, sie wollten nur festgestellt sehen, daß sie sich keiner pflichtwidrigen Handlung schuldig gemacht haben. Wenn der Angeklagte eine dahin- gehende Erklärung abgebe, würden sie den Strafantrag zurück- nehmen. Darauf ging aber der Angeklagte nicht ein, obgleich er erklärte, er habe den Nebenklägern nicht vorgeworfen, daß sie sich hätten bestechen lassen und er könne ihnen einen der- artigen Vorwurf gar nicht machen.— Durch die Zeugen- Vernehmung wurde festgestellt, daß Siegmund die betreffenden Aeußerungen tatsächlich gemacht hat. Die Vertreter der Nebenkläger— Rechtsanwalt L e v y II für Michaelis, Dr. Siegfried Weinberg für Lusche und Kestin— fochten das freisprechende Urteil erster Instanz an, weil es dem Angeklagten zu Unrecht den Schutz des§ 193 zugebilligt habe, denn nach Lage des Sach- Verhalts könne gar keine Rede davon sein, daß der Angeklagte Nach der Berufszählung von IM war Uon fast die Hälfte\ berechtigte Interessen zu vertreten hatte. Auf diesen Standpunkt stellte sich auch das Gericht. Es p e r u r t e i l t e den Angeklagten wegen Beleidigung und übler Nachrede zu IVO Mark Geldstrafe. In der Be- gründung wurde u. a. gesagt: Wenn der Angeklagte auch ein berechtigtes Interesse hatte, gegen die Erweiterung der Irren- anstalt aufzutreten, so sei doch der Bierttsch nicht der Ott, an dem er seine berechttgten Interessen vertteten konnte. Der Angeklagte habe den Nebenklägern in ihrer Eigenschaft als Gemeindeverordnete den denkbar schwersten Vorwurf gemacht, indem er die unwahre Behauptung aufstellte, sie hätten sich bestechen lassen. Er würde zu einer wesentlich höheren Strafe verurteilt worden sein, wenn nicht die Nebenkläger gesagt hätten, ihnen liege nichts an einer hohen Strafe. Der Angeklagte hat außer der Strafe und den Gerichtskosten auch die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu bezahlen. Tendenzprozeh. Gegen den Redakteur der anarchistische« Zeitschrift„Der freie Arbeiter" hatte gestern die 1. Ferienstrafkammer des Landgerichts 1 eine Anklage wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Ge- setze und Aufreizung zum Klassenhasse zu verantworten. Angeklagt war der Redakteur Berthold Cahn , welcher die Nummer vom 27. April d. I. des„Freien Arbeiters" verantwortlich gezeichnet hatte. In dieser waren zwei Arttkel„Die Maifeier" und„Die Revolution lebt" von Herwegh enthalten, deren Inhalt nach An- ficht der Anklage Vergehen gegen die K8 110 und 130 St.G.B. ent- halten. Nach längerer, unter Ausschluß der Oeffentlichkeit ge- führter Verhandlung beantragte der Staatsanwalt 6 Monate Gefängnis, da es sich um„recht gefährliche Hetzartikel" handele. Das Urteil lautet auf 2 Monate Gefängnis. Derartige Prozesse sind ihrer Natur nach gegen die politische Gesinnung des Angeklagten gerichtet. Es sind politische Tendenz- Prozesse, deren Verschwinden dem öffentlichen Frieden dienlicher wäre, als ihre eifrige Propagierung. Solche Prozesse stellen dem Richter, der ein Gegner der politischen Ansicht des Angeklagten ist, vor die kaum lösliche Aufgabe, gerecht zu sein. Je entfernter die politische Auffassung der Richter der des Angeklagten ist, desto leichter wird zum Gegenstand der Urteilsfällung nicht die Tat, sondern die Gesinnung des Angeklagten gemacht. Dies Resultat widerspricht vernünftigem Rechtsempfinden, entspricht aber einer Klassenjustiz. Und nur von dem Standpunkt aus, daß eine Klassenjustiz sich weniger nach der Tat, die allein den Gegenstand einer Anklage bilden sollte, als nach der Person des Täters und seiner politischen oder sozialen Stellung richtet, ist das überaus hohe Strafmaß erklärlich, wenn- schon das Gericht die Schuldfrage bejahen zu müssen glaubte. Ist aus den Artikeln„Maifeier" usw. eine Aufforderung zum Unge- horsam gegen die Gesetze und Aufreizung zum Klaffenhaß zu kon« struieren— weshalb baut dann die Staatsanwaltschaft kein« Anklage gegen die Aufforderer, Begünstiger und Anstifter zu Duellen? Liegt da kein Ungehorsam gegen die Gesetze, nicht sogar ein bandenmäßiges Zusammenschließen gegen die Gesetze und eine Teilnahme an einer Verbindung vor, zu deren Zwecken es gehört, Maßregeln der Ver- waltung durch ungesetzliche Mittel zu hindern und jederzeit sich zur Begehung des Duellverbrechens bereit zu erklären? Weshalb geht die Staatsanwaltschaft gegen die Liga der Duellfexe mitsamt deren Ehrengerichten nicht vor, während sie sich so eifrig bemüht, aus poli- tische Artikel eines politischen Gegners„recht gefährliche Hetz- artikel" zu konstruieren? Die Duellfexe sind Anarchisten dunkelster Tat, bilden«in jederzeit zu frechster Gesetzesverletzung bereites Komplott— weshalb klagt man diese Stützen der bestehenden Gesellschaftsunordnung nicht an, und klagt Artikel an, die doch nur bei gewundener Deutung schlimmstenfalls zu Gesetzesverletzung auffordern? Liegt die Verschiedenartigkeit der Anwendung und Auslegung des Gesetzes in der Verschiedenartigkeit d.er politische» Tendenz der Täter?_ Ei» Grheimmittelschwindel vor Gericht. Die Firma WaSmuth u. Etc., Hamburg . deren Spezialität „Hühneraugenringe in der Uhr" find, ersucht un« um Mitteilung. daß sie mit Vollrath WaSmuth, der kürzlich wegen Beleidigung de» Leibarztes der Königin von Holland verurteilt wurde, nicht« zu tun hat. Inhaber der Firma WaSmuth u. Cie. ist August WaSmuth. der mit dem Inhaber der Amol-Destillerie. des Nord-Zo und des Laktor- Versands Vollrath WaSmuth nicht identisch ist und mit seinem Namensvetter nicht verwechselt werden möchte. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plag«. Der Hausverwalter Zabel in Stettin hatte mit einer Frau Beckert einen Mietsvertrag geschlossen, in dem ausdrücklich die Be- dingung aufgenommen worden war, daß die Mieten« ihren Ehemann nicht in die Wohnung aufnehmen dürfe. Trotzdem hielt sich der Mann dort einige Zeit auf, bis der Verwalter seine Entfernung durch in Anspruchnahme des Gerichts erzielte. Da der Verwalter davon ausging, daß es sich um einen rechtswidrigen Aufenthalt des Mannes handelte, so hatte er ihn nicht der Polizei gemeldet. Trotz- dem wurde er angeklagt auf Grund der Stettiner Melde-Polizei- Verordnung, weil er den Aufenthalt des Mannes in der Wohnung nicht innerhalb der Meldefrist bei der Polizei angemeldet habe. DaS Landgettcht in Stetttn als Berufungsinstanz ver- urteilte ihn auch zu einer Geldstrafe. Maßgebend sei der Aufenthalt des Mannes in der Wohnung. Auf die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts komme es nicht an. Z. legte Revision ein. DaS Kammergericht ver- warf aber dieser Tage dieRevision mit folgender Begründung: Der Senat könne dem Angeklagten nicht helfen. Die Polizeiverordnung verlange eben die Anmeldung solcher Personen, welche länger als 24 Stunden im Hause wohnten beziehungsweise sich aushielten. Solche Personen müßten eben inner- halb der vorgeschriebenen Frist angemeldet werden. Gewiß habe Angeklagter das Recht gehabt, den Mann auf gerichtlichem Wege zu entfernen, wovon er ja auch Gebrauch gemacht habe. So lange der Mann aber in der Wohnung war, war er anzumelden. WasserstandS-Rachrichte» der LandeSanstalt für Gewässerkunde, mttgeteM vom Berlwer Setterdurcau. Wasserstand M e m e I. Tilsit Pregel, Jnsterburg Weichsel, Thor» Oder , Ratibor , Krossen , Frantsurt Warthe, Schrimm , Landsberg Netze, Verdamm Elb«, Lcitmerttz , Dresden , Barbh Magdeburg Wasserstand Saale. Grochlitz Havel, Spandau , Rathenows Spree, Sprembergfl Beeskow Weser» Münden , Mnde» Rhein , MaximilianSau , Kaub Köln Neckar , Heilbron» Mai«, Hanau Mosel , Trier am 21.7. cm 46 20 -14 60 76 100 185 485 233 204 52 99 -2 seit 20.7. cm') +10 —6 -16 +4 —1 0 +1 +7 0 0 +10 +4 4-6 .»)+ bedeutet Wuchs,- Fall.-*) Unterpegel. BrUfhafteti der Redaktion. Die juristische Sprechstunde findet vi? auf weitere? von 7 bis S'/a Uhr abends— Sonnabends von 41/j-6 Uhr— Lindenstr. 69, lV. Etage(Fahrstuhl) statt. Ka. 1. Wenn Ihre Frau ein Testament nicht macht und«S sind beim «de Kinder nicht vorhanden, erden die Eltern Ihrer Frau die Hälfte.
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