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Nr. 252.

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10. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt I, 4186. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin :

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Tandproletariat

Donnerstag, den 26. Oktober 1893. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

und Seelenverkäufer. die Makler die Bücher oder Zeugnisse der Dienstboten in Rein Wort wird mitgetheilt über etwaige Mißstände, auf

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welchen arme Seelen in die Provinz verschachert worden beim Alten." Damit müssen sich alle Diejenigen begnügen, waren, ebenfalls schon öfter dargestellt hat. Häufig suchten die ein Interesse an der Lage der Landarbeiter haben. Händen zu behalten, um noch etwas aus ihnen heraus- die man stieß; es ist nicht thunlich", einzugreifen, und da Für den genauen Kenner der sozialpolitischen Vor- pressen zu können; ein sehr beliebter Weg hierzu sei auch mit hat sich der simple Unterthanenverstand zu begnügen. gänge, welche sich mehr hinter den Koulissen, als auf dem die Gewährung von Unterkunft unter der Vorspiegelung, Wer aber zwischen den Zeilen zu lesen versteht, der weiß lauten Markte abspielen, ist ein Vorkommniß der letzten daß sich dann leichter eine gute Stelle finden lassen werde. wohl, was das Ganze bedeutet. Trotz allem Jammer über die Woche recht interessant gewesen, das sich auf die Lage der Das geschehe nur immer bei solchen Stellesuchenden, bei Betrügereien der Gesindevermittler, denen der Agrarier ebenfalls Landwirthschaftlichen Arbeiter bezieht. Ein Offiziosus wußte denen der Vermittler merkt, daß sie etwas besitzen. Die dann und wann zum Opfer fällt, brauchen die Edelsten der zu melden, daß amtliche Vorarbeiten für eine Regelung des Leute würden dann so lange hingehalten, bis die Rech- Nation dringend jene Gauner, welche ihnen die nöthigen Gefinde- Maklerwesens und für Maßregeln zur Bekämpfung nung für Wohnung und Unterhalt den Werth ihrer Hände" für die harte Arbeit auf dem Lande zuweisen. des Kontraktbruches stattgefunden hätten, daß dieselben aber Sachen zu übersteigen droht, dann aber unter Zurückbehal- Gine geregelte Gesindevermittlung müßte den Arbeitsuchenden jezt eingestellt und aufgegeben seien, weil behördliche Ein- tung der Sachen auf die Straße gesezt. Endlich pflegten offen sagen, was ihrer unter der gutsherrlichen Fuchtel griffe in das ländliche Arbeitsverhältniß sich nicht als viele Makler durch schwindelhafte Zeitungsinserate( 200 wartet; dann blieben die Hände" aber aus. Und so haben thunlich erwiesen hätten. So unscheinbar nun diese Knechte werden gesucht und dergleichen) Leute an sich zu die Agrarier der Regierung offenbar abgewinkt. Sie wollen Nachricht aussieht, so klar beweist sie wieder locken, um sie dann durch Abforderung einer Voraus lieber das Gaunerthum der Gesindevermittler, das ja auch einmal, wie konsequent unsere sonst so hastig ar zahlung für Vermittelung zu prellen oder aber um An- hauptsächlich auf Kosten der Proletarier existirt, weiter mit beitende Gesetzgebungs Maschinerie agrarischen knüpfungen ebenso schwindelhafter Art mit Arbeitgebern zu in den Kauf nehmen, als sich selbst den so überaus werth­Interessen Halt macht; der Landproletarier hat in abseh- suchen. Solche Dinge sehen dem Sklavenverkauf ähnlich, vollen Zufluß frischer" Arbeitskräfte abschneiden. Daher barer Zeit noch weniger als der städtische Arbeiter von ihr wie ein Ei dem anderen. auch die Klage der Vereine, die Arbeitsvermittlung für's etwas zu erwarten, er müßte sich denn entschließen, sich der Nun schien es im Mai d. J., als wenn die Schilderung Land eingerichtet haben, über die mangelhafte Betheiligung modernen Arbeiterbewegung rascher anzuschließen, als er es dieser Zustände Eindruck auf die Regierung gemacht der Landwirthe. So spielen Agrarier- und Gaunerthum bisher gethan hat. hätte. Der preußische Minister für Handel und Ge- unter einer Decke und so offenbart sich die Gemeinsamkeit Das ländliche Gefinde- Vermittelungswesen ist einer der werbe erließ eine Verfügung an die Regierungs - der Interessen in schönem Bunde. Ein erbauliches wundesten Punkte der Landarbeiterfrage. Daraus erklärt präsidenten, in welcher er folgende Vorschläge zur Ab- Schauspiel! fich wohl auch, daß die berühmte Enquete des Vereins für hilfe mittheilte: 1. Die Ankündigung offener Dienststellen Sozialpolitik" über die Landarbeiter- Verhältnisse in Deutsch - durch Zeitungen darf nur soweit geschehen, als nachweislich land so gut wie nichts darüber enthält. Dafür hat ein Aufträge vorliegen; 2. Die Beherbergung und Beköstigung enfant terrible der Agrarier, der Dekonomierath von dienstsuchender Personen durch Stellenvermittler ist zu ver

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vor

Mendel- Halle, auf der Versammlung des deutschen Land- bieten; 3. Der Abschluß bes Miethsvertrages hat schriftlich Politische Leberlicht.

wirthschaftsrathes vom Anfang dieses Jahres ein wenig zu erfolgen; 4. Die Stellenvermittler sind zu verpflichten, den Schleier von den schauderhaften Zuständen gezogen, die sich bei jeder dienst- oder arbeitsuchenden Person zu ver­

Berlin, den 25. Oktober. auf diesem Gebiete herrschen. Er theilte mit, daß die gewissern, daß sie nicht anderweitig kontraktlich gebunden Der Bundesrath beschloß in seiner heutigen Sigung großen Landwirthe ihr ländliches Gesinde in der Haupt- find, und in den Büchern einen Vermerk darüber auf- in bezug auf den Antrag, betreffend den Entwurf eines fache von Privatagenten und Maklern bezögen. Diese zunehmen, wie sie sich diese Ueberzeugung verschafft haben; Gesetzes wegen Abänderung des Gesetzes über die Abwehr Geschäftsleute" aber seien sehr eigenthümlichen Charakters. 5. Die Polizeibehörden haben die Bücher genau zu kon- und Unterdrückung von Viehseuchen , die im Reichstage in Gine Umfrage bei ca. 116 deutschen Städteverwaltungen trolliren und nöthigenfalls durch Rückfrage bei anderen Be- der Session 1892/93 unerledigt gebliebene Vorlage un­habe ergeben, daß nur achtunddreißig dieser Städte lauter hörden über die Richtigkeit der gemachten Eintragung verändert wieder vorgulegen. unbestrafte Gesindemakler besäßen. Die meisten dieser Herren Sicherheit zu verschaffen." Die Unterbehörden sollten seien schwer und wiederholt bestrafte Individuen, die meist Erhebungen über diese Dinge anstellen und darüber Synodenweisheit. Mit dem Herbstnebel haben sich weder die nöthige Bildung noch das nöthige Geld befäßen, an den Minifter berichten. Die Erhebungen waren für die auch einige preußische Provinzialsynoden zusammengeballt. um ein derartiges Gewerbe betreiben zu können. Aus dem Agrarier dadurch versüßt, daß sie ihre Spige mit gegen den Das Licht der Aufklärung sticht den Synodalen peinlich in gebildeten" Deutsch in das Gemeinverständliche übersetzt von den Landwirthen so viel bejammerten Kontrattbruch" die trüben Aeuglein, denn wie sie auch zwinkern und blinkern heißt das, daß diese Sorte von Unternehmern" im Wesent des ländlichen Gesindes kehrten. Namentlich die Vorschläge und geblendet die schweren Lider schließen, die Sonne lichen von dem Gelde lebt, welches sie aus den Arbeitern unter 4 und 5 hatten diesen Zweck; die behördliche Ueber- leuchtet weiter. Da haben sie sich denn das Hirn zermartert, herauspreßt. Es kommt auch vor, daß der Agrarier von wachung des Gesinde- Vermiethungswesens sollte eine Art um ein Heilmittel gegen Naturwissenschaft und Sozial­diesen Hallunken betrogen wird; so sollen nach Mit- von Polizeiaufsicht im Interesse der Agrarier werden und demokratie auszutifteln. Von ungeahnten dämonischen theilungen auf der Generalversammlung eines sächsischen dazu dienen, widerspenstige" Arbeiter sehr bald zum Ge- Mächten, welche den Volksgeist zerrütten", wimmerte in Agrariervereins vom Juni 1892 dortigen Guts horfam" und zur Unterwerfung unter den Gutsbesitzer zu Berlin der Hofprediger Stöcker. Er meint damit die Sozial­befizern Agenten mit 500 und 900 Mark durch- rückzuführen. Aber wenn man diese Spitze auch auf den demokratie. Wie man diese dämonischen Mächte wirksam gegangen sein, die versprochen hatten, das nöthige Aus- ersten Blick erkannte, so versprach doch das in Aussicht ge- beschwört, das hat die Magdeburger Synode herausgefunden. beutungsmaterial für die Besizungen jener Herren" franto" stellte Vorgehen gegen die Ausbeutung des Landproletariats Nicht mit dem Wort, weder mit dem" Wort Gottes ", noch zu liefern. Der schon genannte Herr von Mendel- Halle durch Beherbergung und Beköstigung wenigstens Etwas im mit dem der Geistlichen glaubt sie das erreichen zu können, gab beim Deutschen Landwirthschaftsrath eine ganz beredte Interesse der Arbeiter, und man durfte dem Ergebniß der sondern mit der Polizei. Gegen die Einsprache des Schilderung des Geschäftsbetriebes" solcher Agenten, den amtlichen Erhebungen nicht ohne Interesse entgegensehen. Professors Beyschlag nahm die Synode eine Resolution an, übrigens der Vorwärts" an einzelnen Beispielen, bei Nun ist das Ergebniß da und es heißt: Alles bleibt die eine Erweiterung des§ 166 des Str.-G.-B. zum Schutz

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Feuilleton.

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Der Aufruhr in den Cevennen.

Eine Erzählung von Ludwig Tied.

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geängstigt und über Lacoste ergrimmt, dem er bis Die verhüllte Sehnsucht, die bis jetzt im süßesten dahin mit vieler Liebe war zugethan gewesen, indem er Rausche geschlummert hatte, brach nun aus ihrer Knospe glaubte, daß dennoch eine geheime Neigung zu diesem los und blühte und glänzte in einer Wunderblume, die wilden Menschen seine Braut ihm so sichtlich entfremdete. tausend purpurne Blätter entfaltete. Ich empfand es zum In dieser Spannung vermieden sich die beiden Freunde ersten Mal recht innig, daß auch das, was ich bis dahin und mußten sich doch in der Gesellschaft immer wieder nur das Jrdische genannt hatte, himmlischen Ursprungs sei. treffen: eine heitere Mittheilung und gegenseitiges Ver- Ich schien mir berufen, in meiner reinen Liebe das hohe ständniß schien unmöglich, so daß der Groll, vorzüglich bei Bild der Ehe als ein echtes Sakrament zu erneuen, in einer Lacoste, immer tiefere Wurzel schlug, der sich auch nach so heiligen Vollendung, wie man es felten, vielleicht nie, Der Alte erhob sich und ging einigemal im Garten einiger Zeit nur wenig mehr bezwang, seinen Widerwillen auf Erden findet. Euphemia erschrat vor meinen Plänen, auf und ab, um die Rührung zu überwinden, die diese gegen Beauvais öffentlich kundzugeben. Bald aber war vor meiner feurigen Ueberredung, vor meinem Unter­Erinnerungen ihm erregt hatten. Edmund blieb tieffinnig meine eigene Stimmung von der Art, daß ich die anderen nehmungsgeiste. Je mehr ihr Baudern, ihre Aengstlichkeit zurück und maß die Erzählung des Pfarrers an seinen um mich her nicht mehr beobachten konnte. Euphemien's meine Leidenschaft erhöhte, um so mehr erschien ich ihr wie eigenen Erfahrungen. Sollte er diese jetzt schon in einem Bruder, der Stolz der Familie, versant in eine Krankheit, ein fremdes Wesen, das sie bis dahin noch gar nicht gefannt anderen Lichte sehen oder sie gar aus seinem Lebenslaufe die eine Auszehrung zu werden schien, und nun dachten hatte. Sie sollte aus ihrer gelassenen Ruhe erwachen, so hinweg wünschen? Am liebsten wär' es ihm gewesen, wenn die Eltern daran, die Tochter mit einem vornehmen verlangte es meine Liebe, aber sie erschrat vor dem Gedanken, er sich gegen den alten Mann recht herzlich hätte erbittern Manne zu vermählen, um durch sie ihren Namen und ihr ihre Eltern nur irgend zu kränken, sich ihnen zu widersetzen fönnen, zu welchem ihn aber sowohl eigene Neigung, als großes Vermögen in der Welt noch wirken zu lassen. war ihr unnatürliche Sünde, und alles, was ich ihr die Seelenverwandtschaft zog, in welcher jener die Jugend Als Euphemia mir das erste Mal über diesen Gegen- von Entführung, Gewalt und Tod vordeklamirte, betäubte mit seinen eigenen Eltern verlebt hatte. Der Pfarrer tam stand sprach, war sie fast ohne Verlegenheit; ihr Ton war nur ihren zarten Sinn, wie man beim Toben des lächelnd zurück und setzte sich wieder neben den Grübelnden. so sicher und ruhig, als wenn sie von einer Fremden er Wasserfalles keine Rede vernehmen kann. Meine gesteigerte " Im Leben kann es nicht anders sein", fing er wieder an, zählte. Ich hatte die Empfindung, als wenn sie mir ein Leidenschaft erwuchs fast zur Raserei. Sie liebe mich nicht, " jedes Gefühl, jede Gesellschaft, Stimmung und Freund- albernes, unmögliches Märchen vortrüge, so rein, hoch und ich sei ihr verhaßt, sie neige sich schon ihrem Bräutigam schaft hat ihre Geschichte, alles steigt, erreicht den höchsten unerreichbar stand sie in meiner Phantasie. Ich hätte zu, den ich eifersüchtig verfluchte, den ich und mich zu er­Gipfel und fällt wieder. So war denn auch die schönste mich fast ebenso leicht überreden lassen, daß man mit einem morden drohte: alle diese wahnsinnigen Worte hörte sie in Eintracht in unserer seltsamen Vereinigung schon ent- Heirathsprojekt für den Abendstern umginge. Aber in der leidender und liebender Geduld. So war mir denn auch schwunden, noch ehe wir eine Veränderung hatten be- Nacht auf meinem einsamen Lager gewann alles eine an- dieser Himmel zerbrochen, und schwarze Domänen grinsten merken können. Der heftige Lacoste hatte zu Lucien eine dere Gestalt. Ich sollte mich und die Welt wieder, und mir an denselben Stellen entgegen, wo mein trunkenes Ohr gewaltige Leidenschaft gefaßt, und das fromme, sanfte wie schmerzlich, feinen lernen. Soll sie der Erde ange- sonst den Flügelschlag der Engel vernahm, wo mir aus ver­Wesen fühlte sich dadurch sehr unglücklich, ob sie sich hören?" fragte ich mich selbst, warum denn nicht am ersten klärtem Antlig ehedem ein süßes Lächeln entgegenblühte gleich auch von dem jungen Beauvais mehr zurück zunächst mir? Mir, dem sie schon eigen ist, so wie meine wie thauglänzende Rosen im Morgenroth. 30g. Darüber wurde dieser anfangs verlegen, dann Seele in der ihrigen wohnt?" " Freilich wird meine Seele wieder jung, wenn ich dieser

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