todtficn«MgeseM: für Grundstücke bis?tu 20 Morgetr Trohel Pferd, für Grundstücke bis zu 40 Morgen Größe 2 Pferde, fürgrößere Grundstücke für je 30 Morgen 1 Pferd mehr.Ausnahmen bei Verteilung bezw. Heran-ziehungeinzelnerDiensten kann der Gemeinde-Vorsteher nach seinem Ermessen, wenn sie gc-rechtfertigt erscheinen, machen.Z 3. Aus rechtzeitig zu stellenden Antrag ka»n ein Leistungs.Pflichtiger, wenn die Ilmstände solches rechtfertigen, durch denGemeindevorsteher von der persönlichen Leistung gegen Zahlungeines Geldbetrages von 4 M. für jeden Tag dsr Handdienst-leistung von dem Handdienst entbunden werden.8 4. Führt be, den Naturatdiensten der Ge-meindevorsteher oder ein Schöffe die Aufsicht,so wird das als Naturaldienst gerechnet.8 5. Werden Hand- und Spanndienste erforderlich, so wer-den die Pflichtigen nach der Reihenfolge des Verzeichnisses dazuherangezogen Stellt sich ein Dienstpflichtiger zu dem bestimmtenZeitpunkt nicht ein und schickt er auch keinen tauglichen Stellver-tretcr, so ist der Gemeindevorsteher berechtigt, den Dienst durcheinen Dritten auf seine Kosten leisten zu lassenDarüber, ob ein Stellvertreter tauglich ist»entscheidet der Gemeindevorsteher.§ S. Die Handdicnstpflichtigen haben die zur Leistung dergeforderten Dienste nötigen Geräte mitzubringen. Die Spann»idienstpflichtigen haben mit den Zugtieren die dazu gehörigenWagen und Geschirre zu stellen, zu jedem Wagen muß ein Führersein."Vorstehender Gemeindebeschluß wird hiermit bekanntgemacht.Bittkallen, den 10. Juli 1012.Der Gemeindevorsteher.Schulz.Derartige Gemeindeberordnungen stellen die Lrtsangehörigenunter Leibeigenschaft der Gemeinden. Für die ärmere Bevölkerungwirken st« aber mnh ganz besonders drückend, weil die Handhabungdes ohnehin nicht mehr zeitgemäßen Gemeindebeschlusses in dasErmessen des Gemeindevorstehers gestellt ist. Der Gemeindevorsteher wird, da er meisten» selbst größerer Besitzer ist und mit seinenKlassengenossen verwandt oder befreundet ist, nicht immer unpar-teiisch bei der Heranziehung zu den Hand- und Spanndiensten ver-fahren. Aber auch sonst sind diese eine Last, die mit eine Ursachezur allgemeinen Landflucht ist.Unsere sozialdemokratischen Abgeordneton im preußischen Landtag würden sich ein großes Verdienst um das Wohl der arbeitendenLandbevölkerung erwerben, wenn sie bei der nächsten passendenGelegenheit für die Beseitigung dieser, aus der Zeit der Leibeigen-schaft überlieferten Steuerhandhabung eintreten würden»ver Krieg.Der Aufstand in Albanien.Man schreibt uns aus Belgrad:Die Regierung Said-Paschas, die die Bewegung inAlbanien als ehten kleinlichen Akt der Unzufriedenheit einigerStaatslieferanten darzustellen versuchte, ist hauptsächlichunter dem Drucke dieser Bewegung gefallen. Eine Reiheglänzender Siege haben die Arnauten davongetragen. Wosie immer mit den Soldaten einen Zusammenstoß gehabthaben, haben sie diese regelmäßig geschlagen. Mehrere Hun-derte von Toten und Verwundeten blieben aus den Kampf-Plätzen liegen. Taufende wurden entwaffnet,.die großenMagazine mit Waffen und Munition fielen in dieHände der Rebellen. Dazu kam die Empörung bei den tiir-tischen Truppen selbst. Anfangs nahmen daran nur dieOffiziere und Soldaten albanischer Herkunft teil, nachheraber auch die übrigen Truppen. AchtundsechzigBataillone, ungefähr die ganze in Albanien konzen-trierte Armee, erklärten ihrem Kommando, daß sie gegenArnauten nicht kämpfen wollen. Vergebens versuchten diejungtürkischen Komiteeleute ihre bisherige Macht aufrechtzu-erhalten. Sie konnten nicht in den entscheidenden Momentenihre Anhänger in der Armee zusammenhalten. Als ihreBefehle nicht mehr beachtet wurden, als eine ganze Reihe derWiderstand leistenden Beamten gehängt wurde, flog einKaimakam. ein Wali, ein Pascha, ein Kommandostab nachdem anderen von seinem Posten weg. In diesem Augenblickbefindet sich über die Hälfte Albaniens außerhalb der tür-kischen Staatsmacht. Die Rebellen beherrschen vollständig dieganze Fläche von der montenegrinischen, bosnischen, serbischenGrenze über Fesirowitsch bis Skadar. Erst nachdem Albaniendem türkischen Reiche tatsächlich verloren gegangen war, zeigteman sich in Konstantinopel bereit, mit den Arnauten überihre Forderrmgen ernst zu verhandeln. Dem Sturze desmächtigen Schewket-Pascha folgte der Sturz der Herrschaftder Zentrale des jungtiirkischen Komitees am Hofe und aufder Pforte. Der erste Akt der neuen Regierung war: be-dingungslos alle Feindseligkeiten mit den Arnauten einzu-stellen und eine Kommission zur Führung der Friedensver-Handlungen zu ernennen.Man kann sich der junktürkischen Herrschast gegenüberstellen wie man will, man kann es bedauern, daß sie jetztbeinahe in die Brüche geraten ist. man kann es aber nicktleugnen, daß ein Ausgleich mit den Arnauten das vernünf-tigste sei, was überhaupt geschehen kann. Er ist der ein-zige Weg, nicht nur Albanien dem türkischen Reiche zu retten,sondern das Reich selbst nicht in eine bedrohliche Lage zuversetzen. Für die Hcrbstmanöver sind in Serbien und Bul-garien die ganzen Reservetruppen einberufen.Diese Manöver werden einer Mobilisation ähneln. In BoS-Uten, genau wie vor der Annerionskrisis, führt man lang-sam und geheim eine militärische Konzentration durch. Inallen umliegenden Staaten hat sich die Ueberzeugung, daß dieArnauten sicher siegen können und siegen werden, Bahngebrochen, und man unterstützt sie von ollen Seiten, manliefert ihnen die Waffen und die Munition, man bietetihnen Bündnisse aller Art, man rechnet ganz offen mitder Möglichkeit der Auflösung der Türkei.Der Krieg in Tripolis, der Aufltand in Jemen und aufKreta, die Feinde auf allen Grenzen kriegsbereit, und diebesten und tapfersten Soldaten im Aufruhr. Gibt es daeilten anderen Ausweg, als die Ruhe in dem Hause selbst.gewonnen durch die Gewährung der administrativen Selb-ständigkeit Albaniens, die dessen Kultttrentwickelung nur för-dem kann?....Die Jungtürken' schettertt an etnem chrer Grundprinzipien. das nur von den Leuten mit einer Käser-nbnbildung so fanatisch verfochten werden konnte. Das istdas Prinzip des strengsten staatlichen Zentralts-m u s. In dieselben Staats- und Verwaltungsformen. unterdieselben militärischen und Steuerpflichten sollen alle Teiledes breiten Reiches gepreßt werden, die sich nach ihren Kultur-stufen um zirka tausend Jahre unterscheiden. In Mazedonienist der Kapitalismus im vollen Gange, in Albanien herrschtnoch immer sehr stark die Gentilorganisation, und tn Kletn-asien in vielen Gegenden gibt es überhaupt keine seßhafteBevölkerung. Die Reformen, die die übrigen Reichsteilenötig haben, braucht Mazedonien seit langem nicht mehr:die Lasten, die Mazedonien mit Leichtigkeit tragen kann,können die anderen Provinzen nicht tragen. Im Gegen-teil. Es gibt albanische Stämm.e. die durch ihre Wirt�schaftsweise nicht imstande sind, die notwendigen Lebens-mittel zu gewinnen. Da ist die Erpressung durch die Be-steuerunz oder der Raub an benachbarten friedlichen Bauernuird Reisenden eine regelmäßige Einnahmequelle, eine Wirt-schaftliche Notwendigkeit. Durch die Kanonen ist da nichtszu erreichen. Nur durch eine Knlturpolitik, die die Ver-ändening der Wirtßchaftsweise der betreffenden Stämme zumZweck hätte, wäre es möglich, in die Schädel den Begriff derUnverletzlichkeit des Privateigentums �einzuprägeu. Alletürkischen Regierungetl, selbst die jungtürkischen, haben füreine solche Politik kein Verständnis gehabt. Statt dessenhaben gerade die Jungtürken die bis da unbekannte Gleich-heit eingeführt: beim Steuerzahlen und Rekrutenstellen.Es ist deshalb ganz erklärlich, wenn gerade mit der jung-türkischen Herrschaft die Zeit der gefährlichen Revolten derArnauten einsetzte.Tie junztürkische Revolution nahm ihren Anfang in derentwickelten Landesprovinz Mazedonien und in ihrer blühen-den Hauptstadt Saloniki. Die Teilnahme der Masse dermazedonischen Bevölkerung an der militärischen Revolte gabder jungtürkischen Bewegung einen sozialen, revolutionärenCharakter. Sie war die Empörung Mazedoniens gegen dasParasitentum der anderen Provinzen. Die Jungtürkenfanden keine andere Lösung des Problems als die Unter-jochung, die Vergewaltigung der Zurückgebliebenen. DieserFehler, begangen Nur wegen der oligarchischen Herrschaft derOffiziere in den Komitees, rief den zähen Widerstand derGrenzprovinzen aus, der jetzt der durch den Krieg mitItalien geschwächten Macht der Jungtürken den Unterganggebracht hat.Der Föderalismus in der Organisation desStaates, die Selbstverwaltung der einzelnen Provinzen, isteine in dem Wirtschaftswesen der Türkei begründete Not-wendigkeit. Diese Notwendigkeit konnte nicht abgeschafftwerden, sie setzt sich jetzt mit Gewalt durch. So ist das wahr-scheinliche Resultat der jetzt in Albanien geführten Unter-Handlungen die Autonomie Albaniens, das wäre aber nichtnur die Garantie der Erhaltung des türkischen Reiches, desFriedens auf dem Balkan und in Europa, fondern auch einwichtiger Kulturfortschritt. Es bleibt ahzuwarten, ob dieneuen Machthaber in Kotistantinypel das Verständnis dafürhaben werden, oder ob es nicht schon zu spar ist,Der albanische Aufstand.Konpantinopel, 31. Juli. Ueber den Einmarsch de» JssaBoletinaz in Mitrowitza wird gemeldet, daß der Platz-kommandant von Mitrowitza anfangs das Einrücken der Sllbanesennur unter der Bedingung erlauben wollte, daß sie ihre Waffen ablegten. Jssa bestand jedoch nicht nur auf dem Einmarsch seiner bewaffneten Leute, sondern verlangte auch die Entfernung der Ge*schütze, welche auf den die Siadt beherrschenden Höhen aufgestelltwaren. Der Kommandant gab dem Verlangen Folge, worauf Jssamit 3000 Sllbanesen in die Stadt einzog.Bei Rapsa unweit der Maliquelle hat ein Kampf zwischenTruppen und Malissoren stattgefunden. Die Truppe»hatten 30 Tote.Luthentischen Nachrichten zufolge beträgt die Zahl der bereitsin der Ebene von Kossowo versammelten A l b a n e s e n 6000.Die Vorgänge in Konstantinopel.Konstautinopel, 31. Juli. �Meldung de» Wiener k. k. Telegr.-Korr.-BureauS.) Die Regierung ergreift ernste Maßnahmen zurAufrechterhaliung der Ordnung. Die Patrouillen sind verstärktworden und ei» Regiment Kavallerie wird in der Kaserne Daud-Pascha in Bereitschaft gehalten. Die Regierung hat, wie e» heißt,der jungtürkischen Partei und der Leitung der Entente Liberale mit-geteilt, daß sie für ihr Programm Propaganda machen dürften, dieRegierung werde aber jeden streng bestrafen, der versuchen sollte,die Ordnung zu stören.»Jkdam' erfährt, zahlreiche albanesische Rebellen auSMcssio hätten die Straße Slutari-Tiranga besetzt und verlangtendie Auflösung der Kammer.Dl« Regierung und die Kammer.Koastantinopch 3!. Juli. Gegen t Uhr erschien da? gesamteKabinett mit Ausnahme von Ktamil und Nazim Pascha undübergab dem Präsidenten einen DringlichteitSantrag aufAenderung des Artikels 7 der Verfassung, betreffend dasRecht de» Sultan« zur Auflösung der Kammer. Die Re-aierung verlangt darin, dem Sultan daS Recht zu geben, die Kammer,falls ungewöhnliche Umstände vorliegen, aufzulösen, nachdem derSenat sich gleichfalls dafür ausgesprochen hat.Die Dardauellenfahrt.Rom, 31. Juli. In einem amtlichen Bericht, den der Komman-dant Milio über den Angriff der italienischen Torpedoboote gegendie Dardanellen«insandte, wird mitgeteilt, daß auf der RückfahrtauS den Dardanellen das Torpedoboot.Spiea" von zweitürkischen Geschossen getroffen wurde. Das Torpedo-boot.<£ f) t m o n e' erhielt von den türkischen Festungswerken sechsKugeln, die erheblichen Schaden anrichteten. Auf denTorpedobooten.Perseo' und.«stör«' wurden durch einen Schußkleine Beschädigungen verursacht. Der.Spiea' trugferner noch eine Kontufion de» Wellbaumes und einen Schrauben-bruch davon._poUtircbe QcberlicbtBerlin, den 81. Juli 1912.Nochmals die Taktik des WahlrechtSkampfeS.In der.Chemnitzer VollSstimme' sucht Genosse E i» n e r durcheinen zweiten Artikel Stimmung für seinen famosen Vorschlag zumachen, bei den LandtagSwahlen im Jahre 1813 durch Unterstützungder Nationalliberalen ein— demokratisches Wahlrecht zu erringen.Such dieser Artikel enthält so wenig Tatsächliches, daß sich einnäheres Eingehen darauf nicht verlohnt. Sein leitender Gedanke ist.daß. wenn sich in Bayern ein Zusammengehen von Sozial-demokraten und Liberalen, auch RechiSliberalen, habe ermöglichenlassen, daS auch in Preußen möglich sein müsse. Zumal geradein Preußen die Bourgeoisie ein weit größeres Klasseninteresse habe,den LiberaliSnius durchzusetzen, als in Bayern.ES tut uns aufrichtig leid, uns auch diesen wortreichen ver-fichernngen EiSnerS verschließen zu müssen. Aber wir sind nuneinmal der altmodischen Ansicht, daß unsere preußischen Rechts-oder Rationalliberalen wohl selbst am besten wissen, wie sie ihrKlasseninteresse wahrzunehmen haben, ein Klasseninteresse, da» inder Hauptsache mit dem. Interesse de» rheinisch- westfälischenGroßunternehmertums identtsch ist. Und die Wahrnehmung diese»Interesses hat sich bisher durch eine Politik bestätigt, die vonderjenigen der preußischen Freikonservativen, der be-rüchtigten Zedlitz-Garde kaum zu unterscheidenist. Speziell in der WahlrechtSfrage waren die preußischen National-liberalen auf dem Sprunge/ sich sür da? Zedlitzsche Kompromiß»in-sangen zu lassen. Und wenn schließlich die freikonservativeWahlreform nicht zustande kam, so lag das nicht an der Mannhaftig-keit der NationaUiberolen, sondern am glatten Nein des blauschwarzenBlocks. Und von der Unterstützung dieses Liberalismus durch diesozialdemolralje soll nach Eisner das Schicksal der preußischen Wahl-ceform abhängig sein l Es bleibt also schon dabei, daß eine geradezuabenteuerliche P h a n t a st i k und eine aller politischen Realitätenspottende Projektenmocherei dazu gehören, die Unterstützung»er Nationalliberalen als Mittel zur Erringung eines freiheitlichenWahlrechts zu empfehlen.In. einem Poftskriptum zu seinem Artikel wendet sich EiSnernoch besonders gegen den.Vorwärts', obwohl er eine AuSemander-ietzung mit ihm gewissermaßen grundsätzlich ablehnt. Ein solchesPrinzip hat schon seinen guten Sinn: es erspart dem ihm Hul-digenden geistige Strapazen, das Beibringen von Gegengründen.EiSnerS Entgegnung besteht denn auch— obwohl daS dem»Vor-wärtS' gewidmete Postskripium annähernd achtzig Druckzeilen um-laßt— ausschließlich in einer Gegenfrage, und diese Gegen-frage lautet: Wenn der.Vorwärts' die Unterstützung der Rational-liberalen von vornherein und die des Fortschritts wenigstens schonSei den Urwahlen ablehnt, wie will er denn dann die Junker- undÄeldsackfeste brechen? Durch den Ansturm der Massen von außen?Ja, worin soll denik dieser Ansturm bestehen? IDiese famose Frage ist charakteristisch für den Genossen EiSner,wenn auch freilich nicht neu. Denn schon bei der Debatte über denpolitischen Massenstreik stellte er die Alternative: entweder RevisioniS-muS oder Putschismus.Leider können wir dem Genossen EiSner auch diesmal nicht denGefallen tun, die Partei auf bestimmte äußerste Aktionen fest-zulegen. Trotzdem aber entspricht eS sicherlich unendlichmehr der sozialdemokratischen Auffassung, durch intensiveMassenauftlärung und Mossenoufrüttelung, durch Stärkung unsereragitatorischen und organisatorischen Macht einen Druck auf die Rc-gierung auszuüben, als von der Verstärkung des Freisinns und derNationalliberalen um ein oder zwei Dutzend Mandate eine demo-kratische Wahlreform zu erhoffen!Und wenn wir auch daran verzweifeln, das dem Genossen EiSnerklar machen zu können, so sind wir um so fester davon über-zeupt, daß sich in Preußen auch nicht einmal eine kleine Minderheitfür seine Illusionen erwärmen könnte.Tod des Kardinals Fischer.Kardinal-Erzbischof D. Antonius Fischer, der am 30. Fuliin Neuenahr verstarb, wurde im Jahre 18-10 als der Sohn einesVolkSschullehrerS in Jülich im Rheinland geboren, war 25 Jahrelang Religionslehrer ckm Gymnasium in Essen, und wurde vor25 Jahren Weihbischof, vor 10 Jahren Erzbischof von Köln. Seinevor 8 Jahren erfolgte Ernennung zum Kardinal verdankt er derGunst Wilhelms II., und man hat ihn damals spöttisch als den„königlich-prcußischen Kardinal' bezeichnet. Er Pflegte Wilhelm II.in geradezu byzantinischer Form in seinen Festreden zu feiern.Einmal behauptete Kardinal Fischer, Wilhelm II. habe etwas vondem Geiste Karls des Großen, und er nannte Wilhelm II. und denPapst die„beiden größten Herrscher der Gegenwart'. Auch sprachkardinal Fischer von Wilhelm II. meistens als von„unserem er-l abenen' oder„unserem herrlichen" Kaiser;„einem solchen Herrscherzu dienen, sei eine freudige Herzensangelegenheit".Den Besitzlosen gegenüber sprach der Kardinal in seinem erstenHirtenbrief als von den„Geringen, die durch Gottes weise Vor-ichung ein Leben der Armut, der Niedrigkeit, der Entsagung undder demütigen Arbeit führen'. Er sprach von den Tugenden derArmut und dem Laster der Habsucht; aber niemals richtete er seineWorte an die millionenschweren Männer Bachem, Trimborn, Wil-kenS usw., bei denen er häufig zu Tische saß.Kardinal Fischer» politische Anschauungen waren konservativ.ja beinahe feudal, trotz seiner proletarischen Herkunft. SeineStellung der Wissenschaft gegenüber wird charakterisiert durch denAusspruch, den er anläßlich des Katholikentages in Düsseldorf tat:„So weit der Himmel über der Erde steht, so hoch steht der Glaubeüber der Wissenschaft.' Kardinal Fischer wurzelte vollständig inden religiösen Anschauungen des Mittelalters; er förderte dieHeiligenverehrung und den Reliquienkult und vollzog unter großemVrunk die feierliche Krönung einer eigentlich für den Kölner Dombeschafften riesigen Mutter-GotteS-Statue. Er betrieb auch dieSeligsprechung der Christina von Stommeln, einer an Halluzina-tionen leidenden Frau aus dem 13. Jahrhundert, von der die Le-gende behauptet, mit ihrem Leib feien nicht weniger als fechSund-achtzigtausend Teufel in die Hölle gefahren.Dieser Geistesbeschaffenheit deS Kardinals entsprach die Er-ziehung, die er dem KleruS zuteil werden ließ. DaS zu der Uni-bersität Bonn gehörende Konvikt wurde durch Kardinal Fischer vonder Universität fast völlig getrennt; die Studenten wurden gleichGefangenen behandelt und ihre Lektüre usw. wurde aufs schärfsteüberwacht. Auch wurden die Studenten völlig im Geiste des tiefstenMittelalter» erzogen. Ueber die Geistlichen übte der Kardinal eineförmliche Zwangsherrschaft auS; er bevormundete sie wie Schul-i>uben. Bei Kirchenreisen gebot er, daß man ihn mit fürstlichemPomp empfange, und einmal hat er es den Bonner Theologie-Vrofessoren sehr übel vermerkt, daß sie nicht gleich dem sonstigenKleruS an der Stadtgrenze von Bonn zu seinem Empfange erschienen waren.Nichts ist bezeichnender, als daß ein Mann von solcher Geistes-beschaffenheit beim Vatikan im Geruch der Modernität stand unddaß der andere deutsche Kardinal Kopp mit deutlichem Hinblickaus Fischer das Wort vom„verseuchten Westen" gesprochen hat.'Fischer war eben klug genug, um einzusehen, daß die Bachemiteumit ihren christlichen Gewerkvereinen ein viel bessere? Werkzeug derHerrschaft deS Episkopats abgeben, als ihre gerade aufs Ziel loS-gehenden Gegner. Daher sein Gegensatz gegen den BreSlauer Kar-tinal und den Bischof Korum von Trier. Er hielt eben nichtt iel von den katholischen Arbeitervereinen und sah tn der Spaltungder Arbeiterbewegung durch die christlichen Gewerkschaften ein vielgeeigneteres Mittel, der Sozialdemokratie?lbbruch zu tun. DemKampf gegen unsere Partei und die freien Gewerkschaften galtcber sein ganze» Streben und in diesem Kampfe schreckte er nichtt or Waffen zurück, die auch der Reichsvcrband hätte führen können.E» sei daran erinnert, daß. al» vor einer Reihe von Jahren GenosseBebel in Köln gesprochen hatte, Kardinal Fischer bald nachher ineinem Hirtenbriefe von einem„bekannten, von außen gekommenen! Parteiführer" sprach, dem er Verursachung maßlosen AergernisseSund frecher Gotteslästerung vorwarf.Fischers Tod bedeutet in dem jetzigen Moment für die Bache-mite», deren Schützer er war, einen schweren Verlust. Um seineNachfolge wird ein geheimer aber um so schärferer Kampf zwischender opportunistischen und der intransigenten Richtung im Katholi-fismu« geführt werden. Der neue Erzbischoj ist innerhalbdrei Mtzsatik»LS des Domkapitel|u Wahles,