Pen die Kammer aber ablehnte.— Hu-ssein Hilmi erklärke im Namender Regierung, der Antrag der Regierung stelle keine Drohung dar...Wir sind bereit, unser Leben für die Konstitution zu opfern. Wirstehen unter keinem Druck. Unser Vorschlag bezweckt nun das Wohldes Landes und verfolgt keinen Hintergedanken." EmauuelideS er-klärte, er sei von den guten Absichten der Regierung überzeugt.Wenn die Kammer überzeugt werde, daß die Auflösung für dasWohl des Landes notweudig sei, so sei sie bereit, sie anzunehmen.Vaban Jade stellte den Antrag, die Vorfrage, ab die Regierung dasRecht habe, ihren Vorschlag vor Ablauf von zwei Monaten einzu-bringen, an die Kommission zurückzuverweisen. Ueber die Vorfrageentspann sich eine lange Erörterung.Nach Bekanntgabe des ersten Beschlusses auf Verweisung an dieKominissicm erhob sich der Großwesir und erklärte, er werde eineBeratung mit den Mitgliedern des Kabinetts pflegen und sodannder Kammer antworten.— Nach Wiederausnahme der Sihung verlas der Großwesir eine Regierungserklärung, wie folgt: Da dieKammer, anstatt über den Antrag der Regierung abzustimmen, einVotum über die präjudizielle Frage vorausschickte, das eine Ein-schränkung des Rechtes der Regierung, Gesetze vorzuschlagen� be-deutet, betrachten wir die Abstimmung der Kammer als eine Ab-lehnung unseres Vorschlages. Um diesen Zwischenfallzu beseitigen!, müssen Sie auf die präjudizielle Frage verzichten undzu einer zweiten Abstimmung über unseren Antrag schreiten.Hierauf beschloß die Kammer, auf der Beratung der präjudi-ziellen Frage nicht zu bestehen, wodurch der Zwischenfall be-f e i t i g HftiDie albanischen Forderungen.Saloniki, 1. August. Die Vertreter von vier albanesischenSandschakS und 24 NahiscS, insgesamt 250 Delegierte, darunter4 Offiziere, haben unter Führung Mehmed PaschaS aus Kalkaudelenoffiziell der Kommission in Pristina die Forderungen der Arnautendes Wilajcts Kossowo vorgetragen und dem Kabinett eine Frist von43 Stunden für die Auflösung der Kammer gestellt.Mehmed Pascha � erklärte, falls die Kammer innerhalb dieserFrist nicht aufgelöst ivcrde, würden die Delegierten dienötigen Schritte einleiten, um ihren Forderungen Nachdruckzu geben. Bezüglich der übrigen Forderungen drückten dieDelegierten die Ueberzeugung aus, daß ein Einvernehmen nichtschwer zu erzielen sei. Die Kommission erwartet Instruktionen ausKonstantinopel und die Ankunft Ibrahim Paschas mit weiteren Voll-machten. Der Mali von UeSküb hat um Instruktionen ersucht, daim Falle der Nichterfüllung der Forderung ein Bormarsch derArnauten auf UeSküb zu erwarten sei.Ein russisch-türkischer Zwischenfall.Choi, 1. August. Ein russischer Offizier, der sich in Begleitungvon sieben Kosaken mit Auftrögen auf dem Wege nach Kotur befand,wurde auf persischem Gebiet von einem türkischen Postenbeschossen. Die Kosaken erwiderten daS Feuer. LlS derrussische Offizier Hilfe erhielt, stellte der türkische Posten das Feuerein. Der russische Konsul hat einen energischen Protest an dentürkischen Konsul gerichtet._politifche Qcbcrlicbt.Berlin, den 1. August 1912.Polemische Gelüstescheint die Redaktion der„Chemnitzer V o l k S st i m m e" zuverspüren. Freilich im üblen Sinne, in jener Provokation gegen-seitiger Liebenswürdigkeiten, die ja für die parteigenössische Dis-lussion so förderlich sind. Dabei hätte eS gerade für die„Chem-nitzer Volksstimme" nahe gelegen, da sie doch Eisners Vonschlägezuerst veröffentlichte, wenigstens selbst etwas Sachliches gegenjene Darlegungen des Genossen Hirsch vorzubringen, über dieEisner in seinen beiden letzten Artikeln so leicht hinweggleitet.Und da sich die Redaktion der„Chemnitzer Volksstimme" rühmt,schon zu einer Zeit für die Landtagswahlbeteiligung mündlich undschriftlich eingetreten zu sein, als„die gegenwärtigen Vorwärts-redaktcure noch davon träumten, daß die Preußenduma von selbstverfaulen müßte"(der in Frage kommende Vorwärtsredakteur hatfreilich schon auf dem Hamburger Parteitag 1897 für die Wahlbeteiligung gestimmt), so hätte sie doch lieber etwas Sachliches zurDebatte beisteuern sollen, statt sich höchst überflüssigerweise per-sönlich an der Vorwärtsredaktion zu reiben«.Aber folgende Stelle des„Vorwärts" hat eS dem ChemnitzerParteiorgan angetan:„Wenn wir diesmal sofort auf EiSnerS Artikel antworten,so geschieht es nicht der Bedeutung der Eisner scheu Ausführungenwegen, sondern um gewisse(nichtpreutzische) Parteiblätterdaraus aufmerksam zu machen, daß doch immerhin eine gewisseKenntnis des preußischen Wahlrechts und der preußischen Par-teien dazu gehört, um grundstürzende wahltaktische Neuerungenfür den preußischen Wahlkampf und Wahlrechtskampf zuempfehlen I"Was wir damit sagen wollten, können wir leider nicht zurück-nehmen, nämlich: daß der Vorschlag Eisners und seine Begründungeine so verblüffende Unkenntnis des preußischen Wahlsystems undder preußischen Politik verraten, daß eS wumder nehmen muß,wie ihn ein Parteiblatt ohne redaktionellen Vorbehalt veröffent-lichen konnte.,Natürlich ist eS uns nicht im Traum eingefallen, etwa aus-sprechen zu wollen, daß die Redaktion eines nichtpreußischenBlattes von vornherein nichts von den preußischen Dingen ver-stehen könne. Die-Einschaltung„nichtpreußische" sollte vielmehrausdrücken, daß bezeichnenderweise preußische Parteiblätterbisher den Eisnerschen Artikel unseres Wissens überhaupt nichtabgedruckt haben«!Mit wie wenig Sachkenntnis EiSner an die Erörterung derpreußischen Wahlrechtsfrage herantritt, beweist auch folgende Stelleseines letzten Artikels:„Oder besteht der Ansturm der Massen von außen darin(was am Schluß des Artikels angedeutet scheint, als Knalleffeltder vorhergehenden Betrachtungen), daß die NichtPreußen inPreußen die Staatsangehörigkeit erwerben sollen.also die staatliche Anerkennung ihrer preußischen Rechtlosigkeit,die auf alle Fälle eine Minderung ihrer bis-herigen staatsbürgerlichen Rechte bedeutet,sofern die nicht etwa aus Mecklenburg oder Braun-schweig sein sollten?"Diese Darstellung ist unrichtig. Nach dem geltenden Gesetzgeht der Angehörige eines Bundesstaates seines Staatsbürgerrechtskeineswegs dadurch verlustig, daß er die Staatszugehörigkeitin einem anderen Bundesstaate erwirbt. Vielmehr bezweckte geradeder dem Reichstag in der letzten Session vorgelegte Entwurf einesReichs- und Staatszugehörigkeitsgesetzes eine Beseitigung der jetzt'bestehenden Möglichkeit, mehreren Bundesstaaten gleichzeitig alsStaatsbürger anzugehören. Ob diese Absicht der Regierung aberVerwirklichung findet, steht noch sehr dahin.Bom chinesischen Knchenstttck.Man schreibt uns:-«• r-iTer Tod des Kaisers von. Japan lenkt die Aufmerkiamleit»vreder nach dem fernen Osten. Wir ergreifen diese Gelegenheitzum� Aufwerfen einiger Fragen wegen KiautschouS, die für diedeutschen Sieuerzaltfer sehr wichtig sind.Kiautschou wurde bekanntlich vom Deutschen Reich nicht er»o b e r t, sondern nur gepachtet, und zwar aus 99 Jahre.Unter einer Pacht versteht man, wie jedermann weiß einen Zu-stand, bei dem die Nutznießung eines immobilen Eigentums nelsstZubehör gegen einen gewissen Preis an eine von dem Eigentümerverschiedene Person aus eine bestimmte Zeit übergeht, derEigentümer aber trotzdem Besitzer bleibt.Wir sehen ganz davon ab, daß der Vertrag, mit dem Kiau-tschou gepachtet wurde, vor einem ordentlichen Gericht überhauptnicht gültig wäre, weil dabei von deutscher Seite mit dem Schieß-eisen gewunken wurde. Der Vertrag wurde China abgezwun-gen, ist also nach gewöhnlichen Begriffen rechtsungültig. Dochzerbrechen wir uns darüber nicht weiter den Kopf, sondern haltenwir daran fest, daß der Pachtvertrag auf 99 Jahre abgeschlossenwurde. Dieser Pachtvertrag läuft jetzt schon 14 Jahre. N a ch 85Jahren ist er also aöge laufen. Was ist es nun, wennChina nach Ablauf dieser Zeit den Pachtvertrag nicht erneuernwird? Die Ausrede, daß der Vertrag nur ein Scheinvertrag undmit der Pacht die Annexion gemeint war, wäre natürlich nichtangängig, nachdem die Regierung Wilhelms II. hölhstselbst nichteine Annexion, sondern nur eine Pacht Urkunde unterschriebenhat. Es bliebe also dem Deiitsa)en Reiche nichts anderes übrig,als das zu tun, was jeder Pächter, dem die Pacht gekündigt wurde,nach Ablauf der Pachtzeit tun muß, nämlich abzuziehen. Odersoll es wegen Kiautschou einen eklatanten Rechtsbruch begehen undmit China einen Krieg beginnen? Wir glauben, daß in 85 JahrenChina durch den Einfluß Japans so aussehen wird, daß die HerrenKaukasier, inklusive der Deutschen, es sich vielmals überlegen wer-den, che sie damit anbinden.Wie kann die Reichslcitung aber in eine Pachtung Millionenüber Millionen hineinstecken, obwohl die größte Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sie diese Pachtung nach einer Zeitspanne,die im Leben eines Volkes nicht groß ist, wieder abgebenmuß? Wie kann der Reichstag für eine solche mehr als zweifel-hafte Errungenschaft Millionen über Millionen bewilligen?Die Optiniisten, die meinen, China müsse dann dem Reiche dieHunderte von Millionen ersetzen, die es für Kiautschou verwendethat, mögen daran denken, daß China nach Ablauf der Pachtzeitmit Fug und Recht sagen kann: Wir haben Euch nicht gerufen,wir haben uns nur der Gewalt gebeugt. Jetzt sind wir die Stär-keren, also Wurst wider Wurst, nun müßt Ihr Euch vor unsererGewalt beugen. Macht, daß Ihr zum Teufel kommt!Wohlpräparierte Eintracht und Begeisterung.Der bevorstehende Katholikentag in Aachen soll nach dem Willendes Klerus und der Zentninisleitung alle früheren Demonstrationendes»katholischen Volkes" Deutschlands an Gewaltigkeit, Begeisterungund Eindringlichkeit überbieten. Deshalb muß verhindert werden,daß der gehässige Kampf zwischen Vachemitcn und den„Berlinern"irgendwo zum Vorschein kommt und die schöne Festesfreude trübt.War eS schon bisher edler Brauch, daß jeder Redner seine aus der„Begeisterung des erhabenen Augenblicks" emporsteigende Rede vor.her einem Prüfungsausschuß zur Begutachtung vorlegen mußte,so soll diesmal jede Reoe ganz besonders strenge geprüft werden,damit nicht einer der Redner sich in seiner christlichen Liebe scharfeAusfälle gegen die andere katholische Richtung gestattet. Dem„Verl. Tageblatt" wird darüber von katholischer Seite aus demRheinland gemeldet:„Bekanntlich bezwecken die Katholikentage, die„völlige Einig-keit der Katholiken nach außen hin glänzend zu dokumentieren.In den pompösen öffentlichen Versammlungen hört man nie einenMißklang, dort herrschen immer„nicht enden wollender, tosenderBeifall" und„stürmische Zustimmung". Man weiß übrigens inden leitenden Kreisen der Katholikentage prophetische genau, beiwelchen Abschnitten der Reden der Beifall und Zustimmung ein-setzen werden. Man geniert sich darum auch nicht, schon in denDruckabzügen der Reden, die fertiggestellt werden, noch bevor siegehalten worden sind, den üblichen Beifall und die übliche Zustim-mung zu vermerken....-Die bestellten Redner müssen lange vorherihre Redenbei dem Komitee der Katholikentage einreichen,damit sie einer peinlich genauen Untersuchung unterzogen werdenkönnen. Zweck dieser Uebung ist, daß in diesen Reden nichts vor-kommen darf, was nur einigermaßen gegen den offiziellen Jen-trumsgedanken verstoßen könnte.Auf diese Weise war es möglich, der erstaunten Welt volleHarmonie vorzugaukeln. So war es möglich, daß manauf dein Katholikentag in Würzburg 1909 kein Sterbenswörtchenüber Schell zu hören bekam, obwohl der Kampf gegen und fürSchell und Connner gerade feinen Höhepunkt erreicht hatte. Freilichhinter den Kulissen ging es hart zu. Auch in diesem Jahre wirdman auf dem Katholikentag nichts über Gewerkschaftsfreiheit, Ber-liner Richtung, Bachemiten und Pieperiten zu hören bekommen.Sorgsam scheiden die Macher vorher alles Bedenkliche aus. Eineder Reden ist selbst auf den Ton gestimmt: Li guis dixerit, daß wirnicht völlig einig sind und es nicht immer gewesen sind und esnicht immer sein werden, damnatus sit." Diese Rede soll,wie verlautet, von allen Graden der Begeiste-rung und Zustimmung unterbrochen werden.In Aachen wird der Kölner TerroriSmuS Orgien« feiern und aufder ganzen« Linie triumphieren. Die Berliner sind zumSchweigen gezwungen. Die Parole lautet:„Bcrolinumtaceat in Ecclesia." Damit die Berliner vollständig als Schafe ohneHirten in Aachen herumgehen werden, ist es dem GrafenOppersdorfs verboten worden, in Aachen zu er-scheinen. Dieses Verbot ist dem Grafen in einem Briefe desGrafen Droste zu Vischering, Präsiden«ten der Katholikentage, zuge-stellt worden."_Er mustte zur Beichte.Ein kaum glaublicher Vorfall wird aus der Schongauer Gegendberichtet. Am Sonnabend abend fuhr der Dienstknecht MartinSchaller mit einem leeren Leiterwagen von Schivabbruck nach Oster-zell. Kurz vor Schwabsoyen kam der Wagen auf der schlüpfrigenStraße ins Rutschen und kippte um, wobei Schallcr in den mitWasser gefüllten Straßengraben fiel. Er lag vollständig einge-zwängt unter dem Wagen und war nicht imstande, sich aus seinerlebensgefährlichen Lage zu befrszen. Dabei mußte er seine Pferdefest an den Zügeln halten, denn wenn diese nur einen leichten Ruckgetan hätten, wäre es um sein Leben geschehen gewesen. So mußteder Verunglückte die ganze Nacht verbringen. Endlich, morgensgegen 6 Uhr, kam der Oekonom und Kirchenpfleger AndreasB e i e r l e aus Schwabbruck des Weges daher. Flehentlich rief ihnSchaller um Hilfe an. Aber Beierle erklärte, er müsse zurBeichte noch Osterzell und dürfe sich deshalb seine Kleidernicht beschmutzen!In Osterzell angelangt, telephonierte Beierle dann freilich andie Gemeindeverwaltung der nur einige Minuten von der Unfall-stelle entfernten Ortsck�aft Schwabsoyen. So konnte der Knecht um7 Uhr morgens endlich gerettet werden.Zweifellos ist dieser Kirchenpfleger Beierle ein ehrsamer Jen-trumsmann._Ein Opfer des Militarismus.Zu fünf Jahren Gefängnis verurteilte vor einigen Mo-naten das Magdeburger Kriegsgericht ven Arbeitssoldaten KarlArendt wegen eines tällichen Angriffs auf einen Vorgesetzten. AmMittwoch bestätigte das Oberkriegsgericht des 4. Armeekorps inMagdeburg das Urteil.— Arendt ist einer jener Menschen, die trotzbesten Willens sich nicht in den militärischen Drill einzupassen ver-mögen und sich infolgedessen Strafe über Strafe zuzuziehen. Währender vor der Militärzeit nur eine einzige kleine Geldstrafe davon-getragen hatte, hat er nach seinem Dienstantritt bereits nicht wenigerals über 60 Bestrafungen erlitten, alle wegen Ungehorsamsund Widersetzlichkeit. Die fünf Jahre Gefängnis hat er er»halten, weil er eines Tages, als er wieder einmal inArrest abgeführt werden sollte, beim Vorzeigen seiner Sachen einenBefehl eines Sergeanten, die vorgelegte Unterhose höher zuhalten, nicht befolgte, sondern statt dessen die Hose nahm und siemit der aus Goethes„Götz von Berlichingen" bekannten liebenS-würdigen Einladung dem Sergeanten ins Gesicht warf.Die ewigen Konflille mit den Vorgesetzten gaben aber schließlichdoch Veranlassung, Arndt auf seinen Geisteszustand beobachtenzu lassen. DaS Ergebnis war, daß er zwar ein minder-w e r t i g e r Mensch, aber für seine Handlungen ver-a n t w o r t l i ch(?) sei. Als er vom Lazarett wieder in die Arrest-zelle übergeführt werden sollte, unternahm er einen Flucht-versuch. Dabei warf er einem ihm entgegenkommenden Feld-webel eine Putzkiste ins Gesicht, stellte sich einem Sergeanten, injeder Hand einen Mauerstein haltend, in drohender Haltung gegen-über und forderte ihn schließlich auf, ihn, Arendt, nieder-zustechen. Diese„Untaten" sichern ihm auch noch eine langeReihe von Jahren Gefängnis. Sollte der Mannwirklich für feine Handlungen verantwortlich sein?Kinematographen-Erdrosselungssteuernwurden von den bürgerlichen Stadtratsmehrheiten in Elberfeldund Barmen beschlossen. Beide Stadtverwaltungen legten denStadtverordneten Nachträge zur lommunalen Lustbarleitssteuer zurBeschlußfassung vor. Die bisherige LustbarkeitSsteuer betrug 10 Proz.des Eintrittspreises mit der Maßgabe, daß für Billette bis zu50 Pf. 6 Pf. Steuern zu entrichten waren und für je begonnene weiter»50 Pf. gleichfalls 5 Pf. In beiden Städten sind im vorigen Jahrrund IV, Millionen Kinematographen-VillettS versteuert worden.Beeinflußt durch die Klagelieder der Theaterdirektoren über die Kino-konkurrenz, unterbreiteten beide Stadtverwaltungen den Gemeinde-Parlamenten den Antrag, die Lustbarleitssteuer fürKinematographen zu verdoppeln. Daß durch solcheStcnererhöhung der Kientoppschund nicht bekämpft werde, das sprachin Barmen Oberbürgermeister Voigt, der dem-nächst nach Fronlfurt geht, offen aus. In Düsseldorf hättedie Verdoppelung der Steuer die Besucherzahl nicht vermindert.Die Sache kommt also lediglich auf eine ganz gewöhnlicheSchröpfung der Massen heraus. Im übrigen werden dadurch einigekleinere Kinobesitzer bankrott gemacht, während die Großenweniger getroffen werden. Dennoch stimmten die gesamtenbürgerlichen Stadtverordneten aller Parteien für die Erdrosselungs-steuer kleiner Unternehmungen und Belastung der Massen, was fürdie angebliche Mittelstands- und Volksfreundlichkeit besagter Paeteiensehr bezeichnend ist. Unsere Genossen wandten sich scharf gegen UesenRaubzug, weil man dadurch nicht den Schund bekämpft, stndernnur kleine Existenzen vernichtet und die mittellose große Masse neu be«lastet. Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten wurde die Ver»Koppelung der Steuer dann in beiden Stadtparlamenten beschlossen.Nach den Handelskammern die Innungen.Von dem sächsischen JnnungStage in Chemnitz wurde folgendeEntschließung einstimmig angenommen: Der 25. sächsische JnnungS-tag richtet daS ergebene Ersuchen an die Reichs- bezw. Landes-regierung, sie wolle im Interesse des ganzen GewerbestandeS, sowohlder Industrie als auch vor allen Dingen der Arbeiter und desHandwerls, für ein Verbot des Streikpostenstehens eintreten, sowieeinen Schutz der Arbeiter auf den Arbeitsstätten einführen." Außer«dem forderte der JnnungStag die Verschärfung des§ 153 der Ge-werbeordnung und verlangte, daß die Anstiftung zuin Boykott unterStrafe gestellt werde.Bis zum Wiederzusammentritt des Reichstages werden ja wohlolle Trabanten der Scharfmacher aufmarschiert sein und den ge-wünschten Ruf nach dem Zuchlhausgesetz ausgestoßen haben.Graf und Student auf der Straste.Aus Halle a. S. berichtet man: Am Mittwoch stand der Leut-nant der Landwehr ersten Aufgebots, Graf Nikolaus von Lucknervon hier, vor dem hiesigen Kriegsgericht wegen Zweikampfsauf Säbel unter Anklage. Der Herr Graf war in einer April-nacht mit dem Studenten der Mathematik Apel auf der GroßenSteinstrahe in Wortwechsel geraten. Apel hatte v. Luckncr ange-pöbelt und ihm den Weg versperrt. Man handelte nicht nachKnigges Umgang mit Menschen, sondern man betitelte sich mitWorten wie:„Lumpiger Kerl, Schafskopf und Kneifer". Dann?ing man zu Tätlichkeiten über, bei denen der Student eine Oh»eige erhalten haben soll. Als der Student auch dem Grafen einenBackcnstreich verabreichen wollte, fing dieser den ihm zugedachtenSchlag mit dem Arm ab. Bald daraus erhielt der Leutnant dieForderung. Der Zweikampf wurde am 6. Juli, wie ein Regie-rungsbaumeister bekundete, auf dem Dorfe Diemitz bei Halle nachden„hergebrachten Regeln" ausgefochten. Ueber den Verlaufwurde nicht geredet. Der Student, der wegen der Forderung näch»stens vor die Strafkammer kommen wird, machte von seinem Rechtder Zeugnisverwcigerung Gebrauch. Der Graf wurde vom Kriegs-geeicht zu drei Monaten. Feswngshaft verurteilt.Die„Gebildeten", die sich auf der Straße anpöbeln und dannzum Säbel greifen, kommen auf Festung. Der Streiker kommt insollchen Fällen ins Gefängnis. Recht so— im Klassen staat.Spionenschnüffelei.Sonderbare Blüten treibt die Spionagefurcht in dem berühmtenHinterpommern. Ist da unter den polnischen Arbeitern bei demBahnbau Dominke-Stolpmünde in dem Dorfe Wobesde ein Arbeiter,der etwas besser aussieht und sich an den groben Belustigungenseiner Landsleute nicht beteiligt, sondern sich von allem zurückziehtund sich in einem Büchlein etwas aufzeichnet, unter anderem auchdie jammervollen Arbciterwohnungen und sonstige entsetzliche Zustände auf dem Lande. Kein Wunder, daß die Gutsbesitzer inSchrecken geraten und einen Spion wittern. FlugS wird der Staatsanwalt zitiert. Der zum.Offizier a.-D." gestempelte Arbeiter wirdverhaftet und in das Gefängnis zu Stolp eingeliefert.Hochnotpeinliche Verhöre erfolgen mit dem Resultat, daß derArbeiter srengelasscn wird, da der Verdacht u n b e»gründet ist. Was halbzerfallene Arbeiterhäuser, eingestürzte Back-öfen und weidende Kühe mit Spionage zu tun haben. daS begreiftallerdings der dumme Menschenverstand nicht, das weiß nur derDiplomat._ftonhrcfcb.Eine russisch-französische Marine-Konvention.Paris, 1. August. Nach einer Meldung des„Temps"haben in den letzten Wochen Verhandlungen ztoischen derrussischen und der französischen Negierungüber den Abschluß ein er Mariuekonvention zurErgänzung des Zwcibwndvertrages stattge-funden. Die Verhandlungen wurden durch den FürstenLieben. Chef des russischen Marinestabs, bei seiner Anwesen-heit in Paris geführt. Die Abmachungen werden Voraussicht-lich bei der Anwesenheit des Ministerpräsidenten Poincar6in Petersburg ratifiziert werden.Lelgien.Die Generalstreikvorbereitungen.Man meldet uns aus Brüssel: In Ergänzung unserer Mit-teilungen über die Organisierung des Generalstreiks ist noch hinzu-