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Nr. 179. 29. lübigung. 2. ßtilajt des Jorniörtf Knlim öollislilalt. Zonnabtud, 3. August 1912. jsugenäbe\vegiing. Preußen in Süddcutschland voran! In der Hauptstadt Badens, in Karlsruhe  , befindet sich die Polizei gen<iu so wie in den berussischen Gesilden auf dem Kriegs- pfade gegen die proletarische Jugendbewegung. Die Karlsruher  Staatsaktion richtet sich gegen den dortigen Jugendausschutz. In einem zehn Folioseiten umsassenden. Schriftstück wurde dem Genossen Dietrich von der Polizeidircktion mitgeteilt, datz der Jugendausschutz ein politischer Verein ist. selbstverständlich wird gegen diese obrig- keitliche Verfügung, die so unhaltbar wie nur irgend etwas ist, Rekurs ergriffen werden. Tie ferneren Veranstaltungen des Jugcndausschusses werden, wie unser Karlsruher   Parteiblatt schreibt, genau so unpolitisch sein wie die bisherigen, das möge wiederum auf das bestimmteste festgestellt werden. Und unsere Arbeiter und Parteigenossen werden ihre Kinder, solange sie noch ein Verfügungsrecht haben, dahin schicken, wo es ihnen patzt und nicht wie es der Polizei patzt. Da auch aus Bayern   schon Meldungen über Verfolgungen der proletarischen Jugend gekommen find, handelt es sich offenbar um ein zwischen den Regierungen in Nord und Süd vereinbartes Vor- gehen. Die süddeutscheEigenart" hat wieder einmal vor der preußischen Reaktion kapitulieren muffen. Der Jugendbewegung wird das nichts schaden; sie bekommt dadurch nur einen wirksamen Anschauungsunterricht über die Wurzeln und Wirkungen der deutschen Reaktion.__ Hu 8 aller Sielt. Tugendpreise für Proletarier. Man schreibt uns aus Brüssel  : Wofür gibt es in dieser Welt nicht allesPreise!" Für Ath- leten, Schwimmer und Fußballspieler, für schöne Hunde und Pferde, für Konservatoristen, Schriftsteller und Maler, für Schachspieler und Aeronautiker, für Schönheit und Tugend. Ja wirklich, auch die Tugend wird vor eine Kommission gebracht, abgewogen, taxiert und belohnt. Ein belgischer Bürger namens Bastin ist der Spender eines besonderen Tugendpreises. Der nach ihm benanntePrix Bastin" wird alljährlich um die Zeit derKermesse  " abwechselnd je einem jungen Mann oder einem jungen Mädchen verliehen, deren Lebenswandel untadelig ist und insbesondere das Kennzeichen kindlicher Pflichttreue und Aufopferung aufweist. Das Amt einer solchen Kommission mag nicht leicht sein. Tatsächlich war die Kommission oft schon in der peinlichen Lage, Kandidatinnen für den Tugendpreis zurückstellen zu müssen, obgleich sie alle oder mehrere wenigstens würdig waren, die 510 Fr., die Herr Bastin in der- schiedenen Städten spendet, zu empfangen. Auch in Brüssel   war das heuer so. Ein liberales Blatt appellierte an die Wohltätigkeit und es kam eine Summe zusammen, die nunmehr dem Bürger- meister, dem Vermittler des Tugendpreises, erlaubte, alle an- gemeldeten sieben Kandidatinnen mit Preisen zu der- sehen. Die Preisverteilung schloß sich diesmal an die Schlutzfeier der höheren Klaffen von kommunalen Schulen. Der Bürgermeister hielr eine Rede, in der er den Lebens- lauf und das Schicksal der einen Hauptpreisträgerin erzählte. Melanie Hansscns war eine außerordentliche brave Volksschülerin. Schon damals mußte sie im Hause fleißig helfen, denn die Mutter war gelähmt, der Großvater, heute ein 83 jähriger Greis, ein Krüppel. Vor zwölf Jahren trat die heute 22 jährige Melanie Hanffens als Goldarbeilerin in eine Werkstätte, in der sie noch heute tätig ist. Während all der Zeit hat sie für Großvater und Mutter gesorgt, sie unterhalten und gepflegt, nie einen Centime für sich verausgabt, keine Jugendfreude genossen, nur der Arbeit und der Pflicht gelebt. Wer wollte leugnen, daß die brave Proletarierin den Preis von 610 Frs. des Herrn Bastin und den Supplementspreis von 460 Frs. wirklichverdient" hat? Sieben brave junge Arbeiterinnen, die ihre Jugend durchlitlen, durchgearbeitet, die Freude des Jungseins entbehrt hatten, erhielten Tugendpreise im Werte von 660 und 400 Frank. Und allenthalben Genugtuung und Freude, daß auch nun wirtlich einmal die Tugend ihre Belohnung auf Erden findet.... Hunderttausende von Proletarierinnen arbeiten in allen Ländern der Erde in Tabakfabriken und Webereien und Spinnereien, in Spiegelbelegen, in Papierfabriken, in Zuckerfabriken, in Ziegel- brennereien, auf Bauten und am Felde, in der Werkstatt, in der Fabrik, in der Heimarbeit. Ohne Romantik, ohne Festlichkeit, in der dürren kalten Sprache der Ziffern und Tatsachen erzählen Statistiken, Enqueten, Gewerbeinspektorenberichtc, Berichte der Krankenkassen und Unfallversicherungsanstalten von der Tragik, der Entbehrung, der Misere, von dem ganzen Epos des kapitalistlichen Elends, in dem jeder Proletarier und jede Proletarierin durch das unerbittliche Gesetz des Kapitalismus nun seine Rolle zugewiesen erhält. Jede Stunde. die der Arbeiter und die Arbeiterin bei ihren Kindern bleiben, oder ihrem Schlaf, ihrer Ruhe, ihrer Bildung widmen wollen, müssen sie in bitterem Kampfe der bürgerlichen Ge- sellschaft entreißen, gleichwie jeden Groschen, der ihre Nahrung, ihre Wohnung, ihre leibliche und geistige Gesundheit verbessern soll. Und die Leute, die vor dem Heroismus, der Entbehrung, der Aufopferung der sieben Proletarierinnen, von deren Bravheit und Tapferkeit die bürgerliche Welt durch einen sentimentalen Zufall erfährt, heute in Bewunderung erstarren, bleiben ihr Leben lang ungerührt von dem anonymen Elend, das sich ohne Unterlaß im grauen Einerlei jedes Tages vor ihnen abspielt. DaS Herz des wohltätigen Bürgers braucht Festreden, Romantik, Aufputz, um zu erkennen, daß das Leben der Arbeit hart und freud- los ist. Dann setzt es einen Tugendpreis für die paar Braven ab, die der Zufall aussucht. Das Los der Tausende läßt kalt. Tugend, preise für einzelne? Nein, Luft und Licht, Kultur und Daseinsfreude für jeden, der heutehungernd pflügt", ohne zu ernten. Drei Schülerinnen beim Baden ertrunken. Am Donnerstag hat sich in Calais   ein schreckliches Bade- unglück zugetragen, bei dem drei blühende Menschenleben den Tod fanden. Fünfzehn Schülerinnen im Alter von 7 bis 12 Jahren badeten gestern am Strande   unter Aufsicht einer Lehrerin gegenüber der Pension, in der sie Aufenthalt ge- nommen hatten. Plötzlich rollte eine mächtige Sturzwelle heran, die fünf der jungen Mädchen in die See hinausführte. Vier von ihnen wurden zwar von einer anderen Welle wieder zurückgetrieben, doch waren zwei bereits einem Herzschlage erlegen. Die beiden anderen befinden sich in Lebensgefahr. Das fünfte Opfer, das anscheinend auf die hohe See hinaus- geführt worden ist, konnte noch nicht gefunden werden. Der New Aorker Polizeiskandal. Einer Meldung derDaily Mail" aus New Jork zufolge bilden die Enthüllungen über die von den Polizeioffizieren an den Spiel« saalbesitzern verübten Erpressungen gegenwärtig das Tagesgespräch der Metropole am Hudson. Jack Rose, derBillardball", klagt den Polizeileutnant Becker an, im letzten Jghre über zwei Millionen Mark von den Spielsaalbesitzern empfangen zu haben und die Ermordung Rosenthals an« geordnet zu haben. Verschiedene große New Iorker Blätter haben die Spielsaal« besitz« interviewt und von ihnen erfahren, daß die Polizeioffiziere in dem letzten Jahre weit über fünf Millionen MarkZuckergelder" von ihnen erhalten hätten. Aus den Aussagen Jack Roses geht hervor, daß die Mörder schon zehn Tage vorAussührung deS Verbrechens von ihm gedungen worden waren- Noch an diesem Tage sollte Rosenthal ermordet werden. Die Ver« brecheer begaben sich zu diesem Zweck in ein Restaurant, in welchem sich Rosenthal aufhielt, doch verschoben sie die Ausführung der Tat auf ein anderes Mal, als sie bemerkten, daß zufällig auch der be« rühmte Detektiv Burns in dem Lokal anwesend war. Als Polizei« leutnant Becker von diesem Mißerfolg gehört hat, soll er Jack Rose eine heftige Szene gemacht und ihm gedroht haben. Kleine Notizen. Fünfzehn Jahre Gefängnis für eine» löjährigen. Die Breslauer 2. Strafkammer als Jugendgericht hat gestern den 16jährigen Dienerburschen Erich Renner wegen Mordes, Brandstiftung, Dieb« stahl und Unterschlagung zu der. höchsten zulässigen Strafe von 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Renner hatte am 3. Dezember 1911 die elfjährige Tochter seiner Dienstherr- schaft Erika Hamann, weil sie ihn bei einem Einbruchdiebstahl ertappt hatte, in ihrem Bett mit einem Hammer erschlagen und zur Verdeckung der Straftat das Bett des Kindes in Brand gesteckt. Ob man den jugendlichen Verbrecher auch auf seinen Geisteszustand untersucht hat? Offenbar gehört der 16 jährige Mörder zu jenen geistig Minderwertigen, denen man keine volle Verantwortlichkeit für ihre Handlungen aufbürden kann. Daß sich die Gesellschaft gegen solche Elemente schützt, ist ja begreiflich, aber daß die 16 Jahre Zuchthaus den jungen Menschen bessern könnten, werden wohl auch die Richter nicht glauben. Witterungsumschwung. Das Wetter hat in England eine starke Wendung zu herbstlicher Kühle genommen. Die leichten Sommcrgewänder sind plötzlich von den Straßen verschwunden. Man sieht schon stellenweise die Winterpelze. Die Truppen der Territorial« armee, die an zwei verschiedenen Punkten üben, sind bereits mit den Winteruniformen ausgerüstet worSen. Straßenunfallstatistik in Paris.Matin" beweist in einer inter« cssanten Statistik, daß die Straßenunfälle in Paris   sich in der letzten Zeit rapide gesteigert haben. Im Monat Juli seien allein 218 Personen überfahren worden. Neue Erdstöße in Algier  . In Arzew sind im Laufe de» 1.. August wiederum zwei heftige Erdstöße verspürt worden, die von unterirdischem Getöse beglertet waren. Das erste Beben erfolgte um 11 Uhr vormittags und das zweite kurz vor 1 Uhr. Sämtlicher Einwohner hat sich eine große Panik bemächtigt. Sie baben ihre Bchaufttngen verlassen, da sie einen Einsturz befürchten. Sie haben ihre Lager in den Bergen aufgeschlagen, wo sie'sich sicherer fühlen._ Marktbericht von Berlin   oiu 1. August ISIS, nach Ermittelung des iönigl. Polizeipräsidiums. Marktbatlenp reise.(Kleinhandel) 100 Kilogramm Erbsen, gelbe, zum Kochen 34.00 50,00. Spcisebohnen, weiße, 30,00 60,00. Linsen 40,00 80,00. Kartoffeln(Kleinhdl.) 8,0014,00. 1 Kilogramm Rindfleisch, von der Keule 1,80 2,40. Rindfleisch, Bauch fleisch 1,501,90. Schwemcflelsch 1,50 2,20t Kalbfleisch 1,502,40. Hammelfleisch 1,70 2,40. Butter 2,403,00. 60 Stück Eier 3,405,20. 1 Kilogramm Karpsen 1,40-2,20. Aale 1,403,20. Zander 1,603,60. Hechte 1,402,80. Barsche 0,80-2,40. Schleie 1,40-�3,20. Bleie 0,80-1,60. 60 Stück Krebs« 2,00 10,00. Großer Saison- Ausverkauf Der Verkauf findet in nachstehenden Geschäften statt! Man achte genau auf Straßennamen und Hausnummern! Die früherenVerkaufspreise sind auf jedem Paar noch deutlich ersichtlich, so daß sich ein jeder von den enormen Preisvorteilen selbst überzeugen kann! Kein Kaufzwang! Keine Auswahlsendungenl Kein Versand! Kein Umtausch! \