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Tag. Der städtische Zuschuß erhöht sich für jedes Kind unter IS Jahren um 5 Proz., höchstens jedoch um 25 Proz. der täglichen Abhebung. Sparvereinigungen können unter ähnlichen Voraus- sehungen wie die Berufsvereine Zuschüsse für ihre arbeitslosen Mitglieder erlangen. Der Zuschuß endigt, sobald dem Arbeitslosen solche Arbeit nach- gewiesen wird, welche das Arbeitsamt nach dessen Vorbildung, Beruf und körperlichen Verhältnissen als angemessen ansieht. Als ange- messen gilt für gelernte Arbeiter in der Regel nur Arbeit tm Beruf. Nicht angemessen ist Arbeit unter dem sim Gewerbe) orts- üblichen Lohn und solche Arbeit, welche durch Ausstand oder Aus- sperrung frei geworden ist. Auswärtige Arbeit muß von Ledigen immer, von Verheirateten nur dann angenommen werden, wenn das Wohnen bei der Familie in Stuttgart dadurch nicht beein- trächtigt wird. In allen Streitfällen entscheidet endgültig ein Schiedsgericht, bestehend aus dem jeweiligen Referenten für die Ar- beitslosenunterstühung als Vorsitzenden und je einem vom Ge- meinderat aus der Kommission für das Arbeitsamt auf 3 Jahre zu wählenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ungültigkeit eines rhrenwörtlichen Verzichtes. Daß in Anstellungsverträgen dann und wann noch mit dem Zwangsmittel des Ehrenwortes operiert wird, zeigt eine Eni- scheidung der 3, Kammer des Berliner Kaufmannsgerichts. Eine Buchhalterin hatte beim Engagement einen Anstellungsvertrag unterzeichnen müssen, in dem sie sich ausdrücklich damit cinver- standen erklärte, daß sie für Fehltage kein Gehalt bekommt. Sie mußte außerdem noch ehrenwiirtlich erklären, daß sie später dies Einverständnis nicht zurückziehen wird. Als sie dann ernstlich erkrankte, bestand sie auf Gehaltszahlung. Das Kaufmannsgericht billigte ihr auch das Gehalt zu und äußerte sich über die Abnahme des Ehrenwortes in Uebereinstlmmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts folgendermaßen: Die Klägerin hat zum Selmtze lediglich finanzieller Interessen der Beklagten auf Ehrenwort der- sprechen müssen, daß sie ihr Einverständnis nicht zurückziehen wolle. Die Ehre als ideales Gut kann nicht ohne weiteres in vermögensrechtlichen Beziehungen zugunsten anderer verwendet werden. Es kommen nicht vergleichbare Werte in Betracyr. Irgendein Moment aber, das die Bindung der Klägerin an ihre Verpflichtungen vermittels des Rcchtsgutes der Ehre nötig machte, ist nicht erwiesen. Es wird daher ein persönlicher Zwang aus- geübt, der nicht zu billigen ist und die in dieser Weise verstärkte Willenserklärung nichtig macht. Volksschulärzte in pommerschen Landgemeinden. Die Schularztpflege hat sich in Deutschland bisher nur in den größeren Städten durchgesetzt. In den Landstädtchen und Dorf- gemeinden wollte man von ihr, der Kosten wegen, nichts wissen. Nur wenige süddeutsche Kreise haben den Kreisarzt mit der ärzt- lichen Untersuchung und Beaufsichtigung der Volksschulkinder be- auftragt. Das war natürlich nur etne höchst unzulängliche Maß- nähme, da der einzelne Arzt nicht genügend Zeit hat, der ihm ge- stellten Aufgabe in wünschenswerter Weise nachzukommen. Nur auf einen kleinen Bruchteil der Schulkinder kann sich dort die Tätigkeit des Kreisschularztes ausdehnen. Soeben hat nun der Kreistag des Kreises Randow ein Schularzt sy st em beschlossen, dem diese Mängel nicht an- haften. Es ist der Kreisverwaltung gelungen, mit sämtlichen im Kreise ansässigen Aerztcn einen Vertrag abzuschließen, wodurch eine jährlich einmalige Prüfung des Gesundheitsstandes sämtlicher 16 800 Volksschulkinder des Kreises gesichert ist. Auf Grund der ärztlichen Befunge werden alle Kinder, die tuberkuloseverdächtig sind, einer Behandlung in der Heilanstalt zu Colbihow kostenlos teilhaftig werden. Die schulärztlichen Untersuchungen müssen in d«lk Regel im Frühjahr stattfinden und ist dabei die Anwesenheit der Eltern erwünscht, damit der Arzt diesen Ratschläge erteilen kann, eventuell sind die Angehörigen schriftlich zu benachrichtigen. Von �vorgefundenen körperlichen und geistigen Mängeln hat der Arzk� dem Lehrer vertrauliche Mitteilung zu machen und ent- sprechenden Rat zu erteilen. Außerdem sind Gesundheitsberichte zu führen. Auf Wunsch hat bei der letzten Untersuchung der Arzt den Eltern betreffs der Berufswahl Rat zu erteilen. Zur Durchführung dieses Schularztsystcms ist der Kreis in Bezirke eingeteilt worden, bei denen jedem Arzt ein Bezirk mit möglichst gleich großer Schulkinderzahl zugeteilt wurde, dessen Schule seiner Wohnung nahe liegt. Der Schularzt hat auch die hhgicnische Beschaffenheit der Schulräume und ihre Einrichtung sowie den Zustand der Lehrerwohnungen zu prüfen und über etwaige Mängel durch Bermittelung des Kreisarztes an den Land- rat zu berichten. Für ihre Tätigkeit gewährt der Kreis den Aerzten für jedes Schulkind am Wohnort des Arztes eine Entschädigung von 20 Pf., außerhalb des Wohnortes 30 Pf. und außerdem die tatsächlichen Reisekosten bei Berechnung des kürzesten Reiseweges. Die Kosten dieser Voltsschularztpflege sind auf jährlich 6000 M. berechnet und wird vom 1. April 1Sl3 ab die Schularztpflege für die Volksschulen des Kreises Randow in Kraft treten. Jedenfalls zeigt dieser Beschluß des Randower Kreistages, daß die Schularztpflcge auch in den ländlichen Schulen durchführbar ist und man darf ihm baldige und zahlreiche Nachahmer wünschen. Insonderheit in jenen Kreisen, wo in der Heimindustrie die Lebens?- kraft des Proletarierkindes frühzeitig aufgezehrt wird. VomSegen" der Sozialpolitik für Heimarbeiter. Der Segen unserer Sozialgesetzgebung wird bekanntlich von den bürgerlichen Parteien in allen Tonarten gepriesen. Für jeden fei die Kompottschüssel voll und bis ins hohe Alter gesorgt. Wie es jedoch in Wirklichkeit damit bestellt ist, davon gibt wieder in recht drastischer Weise ein Bescheid der Landesversicherungsanstalt Oberfranken Zeugnis, mit dem der Vorstand einem älteren HauS- Weber aus der Gegend von Helmbrechts (Wahlkreis Hof) die nach- gesuchte Invalidenrente ablehnte. In den Gründen der Ablehnung heißt es nämlich u. a.: . Lungen, Herz und Unterleibsorgane sind gesund. Sie befinden sich lediglich in schlechtem Ernährungszustand, wie dirS bei Hauswcbern häufig anzutreffen ist.. Schärfer konnte die heutige Zollwucherpolitik und dieAr- beiterfürsorge" nicht an den Pranger gestellt werden. Der arme Heimarbeiter befindet sich also, dank dem jammervollen und skan- dalösen agrarisch-schutzzöllnerischen Raubsystem in einem derart entkräfteten Zustand, daß er gezwungen ist, um Rente nachzusuchen. Und diese wird ihm mit der Begründung vorenthalten, er befinde sich nurin einem schlechten Ernährungszustand, wie dies bei Hauswebern häufig anzutreffen ist". Wenn etwas aufreizend wirken kann, so ist es die unerhörte Brot- und Fleischwucherpolitik, die diesen Aermsten der Armen mit ihren täglich 1316 Stunden Arbeitszeit und einem Wochenverdienst von 9 12 M. noch nicht einmal die Möglichkeit gibt, sich sattessen zu können, die vielmehr infolge der schamlosen Preiswucherpolitik zu den elendesten Surro- gaten greifen müssen, um ihren Hunger zu betäuben. Schuld an diesen grauenhaften Zuständen haben die bürger- lichen Parteien, die im vorigen Jahre bei der Beratung de? Haus- arbeitsgesetzeS völlig versagten. Damals hatten sie reichlich Ge- legenheit, ihre so oft betonteArbeitersreundlichkeit" in die Praxis umzusetzen, indem sie den Antrag der Sozialdemokraten hätten annehmen sollen, der die Einsetzung von Lohnämtern verlangte, durch die den armen Heimarbeitern für ein Arbeitsstück der gleiche Lohn gewährleistet werden sollte, als den in der Fabrik beschäftigten Arbeitern. Soweit verstiegen sie sich jedoch infolge ihrer Stellung zu de» Unternehmern nicht, und so mußten die Heimarbster sich mit nichtssagendenFachausschüssen" zufrieden gebett, die alle? beim alten lassen auch das Hungern. Die Arbeiter haben alle Ursache, mit allen Mitteln auf eine Beseitigung dieser heutigen Gesellschaft hinzuarbeiten, die für sie nur schamlose Ausbeutung, verschärft durch unerhörten Lebens- mittelwucher, übrig hat. Aus der Statistik der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau bei Dresden . Obgleich die Statistik als treues Spiegelbild der wirklichen Vorgänge in einer so jungen Siedelung wie Hellerau in den ersten Jahren noch durch mancherlei Nebenumständen beeinflußt wird, bieten die ersten Feststellungen über die Sterblichkeit und oen Geburtenüberschuß in Hellerau dem Wohnungsreformer doch schon interessante Anhaltsvunkte und beweisen den unmittelbar wohltätigen Einfluß des Flachbaues in gesunder Gegend auf die Gesundheit der Bewohner. In Hellerau begann die Bautätigkeit im Jahre 1909, die ersten 10 Familien zogen im Herbst in ihre Wohnungen ein. Die nachstehenden Angaben beziehen sich auf das ganze Jahr 1911, wo die Einwohnerzahl am 1. Januar 6S2, am 1. Juli 1100 und am 31. Dezember 14S0, im Durchschnitt also zirka 1000 betrug. Die zum Vergleich angeführten Ziffern aus Dresden , Chemnitz und Leipzig stammen aus dem Jahre 1910 und sind dem Statistischen Jahrbuch für das Königreich Sachsen entnommen. In Hellerau kamen 1911 auf 1000 Eiwoohner 6 Todesfälle, in Dresden 13,7, in Leipzig 13,8, in Chemnitz 15. In Hellerau ereigneten sich 3 Totgeburten, in Dresden 0,9, in Leipzig 0,9, in Chemnitz 28,4. Von 100 Lebendgeborenen sind im 1. Lebensjahre in Hellerau S gestorben, in Dresden 14,81, in Leipzig 17,12 in Chemnitz 22,3. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß ein Vergleich einer so geringen Zahl von Bewohnern, wie sie Hellerau aufzutveisen hat, mit weit höheren Zahlen einer Bevölkerung, deren soziale Gliederung erheblich von der Helleraus abweicht, keine volle Beweiskraft haben kann. Geriebtö-Zeitung. Eine halbe Stunde Freiheit. Der erst 18jährige Arbeiter Artur Martin stand gestern vor der hiesigen Ferienstrafkammer unter der Anklage des Diebstahls im strafschärfenden Rückfalle. Der Angeklagte ist trotz seiner Jugend schon viermal wegen Diebstahls vorbestraft. Nachdem er die zuletzt gegen ihn erkannte mehrmonatige Gefängnisstrafe ver- büßt hatte, wurde er vormittags um 10.M Uhr, der Stunde des Strafantritts, aus der Strafanstalt entlassen. Genau eine halbe Stunde später verübte der Angeklagte einen Fahrraddiebstahl auf offener Straße, bei dem er ergriffen wurde, so daß er gerade eine halbe Sftinde die goldene Frei- heit genossen hatte. Das Gericht erkannte mit Rücksicht auf die vielfachen Vor- strafen des Angeklagten auf eine Gefängnisstrafe von 8 Monaten. Ein unverbesserlicherTaugenichts", dessen Willen zum Verbrechen" gebrochen werden müsse, so lautet die Rechtfertigung für die enorm hohe Strafe. Ist denn aber der Angeklagte wirklich der wirklich Schuldige? Ist er an seiner Verantwortlichkeit schuld? Liegt in der Unverbesser- lichkeitserklärung nicht eine Bankrotterklärung der Gesellschafts- ordnung? DieVerbrechen" des Angeklagten sind ans den sozialen Verhältnissen herausgewachsen, an denen nicht er, sondern die Gesellschaft selbst schuld ist. Der Angeklagte ist das Opfer der Gesellschaftsordnung, die es unterläßt, für Brot und Bildung der Minderbemittelten zu sorgen, ja nach jeder Richtung hin ihnen den Kampf um Bildung und Brot erschwert. Und dann bestraft sie die Opfer ihrer eigenen Gesellschaftsordnung. In einigen altorientalischen Religionen wird dem Richter zur Pflicht gemacht, in jedem einzelnen Falle zu fragen: Hast du, hat die Genieinde alles getan, um das Verbrechen zu verhüten? und im Verneinungsfall freizu- sprechen. Das ist sozial und gerecht gedacht. Eine Gesetz- gebung aber, die erst den Armen schuldig werden läßt und ihn dann der Pein langer Strafe und einer an Unmöglich- keit grenzenden Erschwerung ehrlichen Erwerbes über- antwortet, ist unsozial und ungerecht. Kann auch die Recht- sprechung das harte, unbillige Gesetz nicht ändern, so kann sie doch durch Anwendung mildester Strafen das Unheil sänftigen. Weshalb ist im vorliegenden Falle nicht auf Verweis erkannt und dem jungen Mann Gelegenheit zu ehrlicher Arbeit ver- schafft worden? Können die Organe des Staates solche Arbeits- gelegenheit nicht schaffen, so hat auch der Staat kein Recht, die Opfer seiner ungerechten Ordnung wegen dieser Un- gerechtigkeit zu bestrafen. Leichter freilich ist es, den sich ja auch im Entwurf zum neuen Strafgesetzbuch breit machenden Pharisäismus in die Tat umzusetzen, der da ruft: Seht jenen Unverbesserlichen, gut, daß ich nicht bin wie jener. Körperverletzung mittels Breiumschläge soll der NaturheilkundigeProfessor" Fritz Westphal begangen haben. Er wurde deshalb am 20. Juni 1912 vom Schöffengericht Berlin-Mitte zu 509 M. Geldstrafe verurteilt. Gestern beschäftigte die vom Angeklagten gegen dies Urteil eingelegte Berufung die Strafkammer des Landgerichts l. Der Angeklagte erklärte, er sei von Hause aus Landwirt, habe von Jugend an große Neigung zur Heilkunde gezeigt und diese in Gottes freier Natur" erlernt. Als der Vorsitzende daraufhin fragt, ob denn jeder inGottes freier Natur" heilen lerne, ruft der Angeklagte pathetisch aus:Nein, das wäre allerdings zuviel behauptet, aber ich fühle mich als Werkzeug Gottes, das er ausge- sucht hat zum Wohle der Menschheit." Der Angeklagte hat weder wissenschaftliche Studien absolviert, noch eine sachgpmäße Aus- bildung erhalten. SeineHeilmethode" besteht in der Anwendung von Luft, Licht, Wässer und Pftanzensaft, auch arbeitet er mit der Augendiagnose". Breiumschläge, erklärte der Angeklagte, seien ein altes vorzügliches Hausmittel gegen Tuberkulose! An einer italie- nifchen Akademie habe er sein Examen während eines viertägigen Aufenthalts bestanden und den Titel eines Professors erhalten. Sein Professorendipkom wollte er aber nicht den Händen der Richter anvertrauen.Ich habe kein Vertrauen," meinte er zur Rechtfertigung.Wir auch nicht!" entgegnete sarkastisch der Vor- sitzende. Die Mutter de? vom Angeklagtenbehandelten" 10jährigen Knaben, Frau Weiberg, gab als Zeugin an: ihr Sohn litt an einer Schwellung in der Leistengegend, sie nahm ärztliche Hilfe in An- spruch und später ging sie mit dem Jungen in die kgl. Klinik. Dort wurde die Krankheit als Tuberkulose erkannt und man empfahl eine Tuberkulineinspritzung. Diese wollte sie nicht vornehmen lassen. Ein Vertreter einer Krankenkasse, dessen Name sie nicht mehr wisse, habe ihr dann den Angeklagten Westphal empfohlen, da dieser seinem Kinde geholfen habe. Da sei fie auch hingegangen und Westphal habeBlutstockung" konstatiert und auch gesagt, der Knabe habe allgemein ungesundes Blut. Auf seine Anordnung nahm sie an ihrem Kinde Abwaschungen und Abreibungen mit Tee und ähnlichen Flüssigkeiten vor und verabfolgte auch Breiumschläge. Vorübergehend sei es dann ihrem Kinde besser gegangen, dann aber verschlimmerte sich das Befinden derart, baß der Angeklagte ihr riet, den Jungen in die Charite zu bringen. Sie hat zirka 25 M. an Westphal gezahlt. Jetzt liegt ihr Sohn in einem Krankenhause in Moabit . Dr. Biebergeil von der orthopädischen Klinik in der Charit« bezeichnete in längeren medizinischen Ausführungen die LehaMungsweijk des Wgeklagien als vollkommen unzweckmäßig. Das Kinll fei bei seiner Einlieferung in einer so traurigen Ver- fassung gewesen, daß man sich habe entschließen müssen, in diesem Falle Anzeige zu erstatten. Auf Grund mangelhafter Kenntnisse und Befähigung sei der Angeklagte auch gar nicht in der Lage ge- Wesen, das Krankheitsbild richtig zu erkennen. Die unsachgemäße Behandlung bedingte die Komplikation, die die Operation nötig machte. Es handle sich um ein Leiden, daß jeder Sachverständige erkennen nmßte. In ähnlichem Sinne äußert sich der zweite Sach- verständige Dr. Grieber-Lranienburg. Das Gericht erkannte auf Verwerfung der Berufung. Die Mittel, die der Angeklagte angewendet habe, seien völlig ungeeignet gewesen, Tuberkulose zu heilen, er habe auch keinerlei Ausbildung genossen und mußte sich, da er durch die Aerzte der kgl. Klinik von dem Ernst der Krankheit unterrichtet war, der Größe der Verantwortung bewußt sein. Dadurch, daß er sich nicht danach richtete, habe er fahrlässig gehandelt. Das kranke Kind sei in seiner Gesundheit durch die Behandlung erheblich geschädigt worden. Bei der Strafzumessung müßten noch die vielen Vor- strafen' des Angeklagten in Betracht gezogen werden. Bedauerlich, daß die Mutter des für 25 M. so arg zugerichteten Kindes den Namen desVertreters einer Krankenkasse" nicht anzu- geben vermochte, der die.Gewissenlosigkeit besaß, den Angeklagten zu empfehlen._ Ihr laßt den Armen schuldig werden... Zu einer furchtbaren Anklage gegen die bürgerliche Gesellschaft gestaltete sich eine Verhandlung, die vor der Strafkammer in Schweidnitz gegen eine 26jährige Mutter von drei Kindern geführt wurde. Mitte Januar mutzte der Mann der Frau wegen eines Vergehens eine Gefängnisstrafe antreten. Infolgedessen war der Hunger ei» ständiger Gast in der Familie. Zwar versuchte die Frau durch einen Hausierhandel mit Backware ihre und ihrer Kinder Existenz zu fristen. Aber der erzielte Gewinn war so niedrig, daß dieser selbst nicht einmal für das täglich« Brot reichte. Eine andere Beschäftigung konnte die Aermste nicht annehmen. denn die Kinder bedurften noch der Wartung. Sie hungerte mit den Kindern. Selbst ein Gesuch an die städtische Armendirektion Schweidnitz um Unterstützung wurde abgewiesen. Als die Be- dauernswerte keinen anderen Ausweg mehr sah, entwendete sie einer Fabrikarbeiterin ein Portemonnaie mit 7 M., um den Hunger der Kinder zu stillen und sich selbst zu sättigen. Da die Aermste schon einmal wegen Diebstahls vorbestraft war, lag also Rückfall- dicbstahl vor. Unter Anerkennung der Notlage erkannte das Gericht auf 2 Monate Gefängnis, wiewohl die Strafgesetzbuchnovelle m solchen Fällen Geldstrafe von 3 M. an oder Gefängnis von einem Tage an zuläßt.__ Beleidigung imHackepeter". Die Lohnbewegung der Kellner imHackepeter", Kottbufer- dam», 24, Inhaber Karl Moser, vom März d. I.. fand ein gericht- liches Nachspiel in einer Schöffcwgerichtsvcrhandlung Berlin- Tempelhof. Der Verbandsvertreter Paul Jaekel hatte den Gastwirt Moser wegen Beleidigung verklagt. Beleidigende Ausdrücke, wieLumpl", Hallunkel",Strolch!",Sch.... kerll", waren gegen den Kläger gelegentlich eines Telephongesprächs, sowie in Abwesenheit deS Ver- treters des Verbandes der Gastwirtsgehilfen gefallen, nachdem die Lohnbewegung zugunsten der beschäftigten Kellner beendet war. In der Verhandlung bestritt der beklagte Gastwirt Moser alles und suchte die Richter durch kräftiges Schwenken mit dem roten Lappen für sich einzunehmen. Auf Grund der Beweisaufnahm« mußte jedoch das Gericht den Wahrheitsbeweis als erbracht ansehen und verurteilte den Beklagten zu 49 M. Geldstrafe, Wegen eines Dreipfennigweckens 2W Jahre Zuchthaus . Vor der Würzburger Strafkammer fand am Donnerstag eine Verhandlung gegen die Tagelöhnereheleute Michael und Rosina Fessel wegen Verleitung zum Meineid statt. Die Vorgeschichte ist die: Am 11. Dezember 1911 bettelte die Fessel für ihren kranken Mann in einem Laden und erhielt einen Wecken. Ein zufällig im Laden anwesender Schutzmann in Zivil fragte die F. um ihren Namen. Da sie ihm wiederholt einen falschen Namen angab, führte er die Frau nach der Wache, wo die Personalien festgestellt wurden. Es folgte ein Strafbefchl wegen Bettels auf eine Woche und wegen falscher NamenSangabe auf zwei Tage Haft. Gegen die Bestrafung wegen Bettels erhob die F. Ein- spruch und die Verhandlung war auf den 25. April angesetzt. Vor- her versuchten sowohl die Fessel als auch ihr Mann aus Furcht vor der Strafe den Schutzmann zu bestimmen, ein Auge zuzudrücken, auszusagen, er habe sich geirrt und so dafür zu wirken, daß Frei- spruch erfolge. In der gleichen Weise wirkten beide auch aus die Verkäuferin ein, die den Wecken hergegeben hatte. Beide Zeugen sagten aber wahrheitsgemäß aus. Der Einspruch wurde verworfen. Die weitere Folge war aber die Anklage wegen Dkeineidsverleitung, die damit endete, daß die beiden Leute zu je 1 Jahr 3 M.vnate Zuchthaus und dreijährigen Ehrverlust verurteilt wurdev, Huq aller Melt. Neue Zeppelinfahrt Friedrichshafen -Hamburg . Das Luftschiff Hansa, das am» Freitag kurz vor Mitter- nacht in Friedrichshafen zur Fahrt nach Hamburg aufgestiegen war, ist am Sonnabend um 3 Uhr 5 Minuten nachmittags bei der Ham- burger Luftschiffhalle glatt gelandet. Die Hanta durchflog ganz Deutschland von Süden nach Norden, passierte zunächst Württemberg , flog über Würzburg (4 Uhr 30 Minuten früh) und HerSfeld nach Göttingen <8 Uhr 10 Minuten), bog nach Nordwesten ab, überflog Detmold , Bielefeld , Herford , passierte die �fforta Westfalica um 11 Uhr 30 Minuten, kurz darauf die Stadt Minden und flog dann in gerader Richtung weiter nach Hamburg , dessen Rathaus um 2 Uhr 5 Minuten überflogen wurde. Die Landung erfolgte nach längerer Schleifenfahrt._ Eine spanische Pulverfabrik in die Lnft geflogen. In einer Pulverfabrik in der Nähe von Corcubion ent- stand am Freitag infolge Kurzschlusses ein verhängnisvoller Brand, der mit reißender Schnelligkeit um sich griff und das gesamte Pulverlager zur Explosion brachte. Die Wirkung war furchtbar. Die ganze Fabrik mit samt- lichen Nebeugebäuden flog in die Luft. Die Detonation war bis in Corcubion hörbar. Zahlreiche Fensterscheiben wurden zertrümmert. Der Besitzer der Fabrik und mehrere Arbeiter wurden schrecklich zugerichtet und mußten in hoffnungslosem Zustande ins Krankenhaus gebracht werden. Ein Arbeiter, der den Versuch machte, den Strom der elektrischen Leitung auszuschalten, kam dem Draht zu nahe und wurde auf der Stelle getötet. Neue Eisenbahnkatastrophe in Brasilien . DieCentral-NewS" erhält ein Telegramm aus New Aork, wonach sich in R i o d e I a n e i r o auf den brasilianischen Eisenbahnen, die erst vor wenigen Tagen der Schauplatz einer furcht- baren Eisenbahnkatostrophe waren, schon wieder ein großes Unglück ereignet hat. Auf dem Zentralbahnhof von Rio de Janeiro stießen mit furchtbarer Gewalt zwei Personenzüge aufeinander- Der Anprall war so heftig, daß verschiedene Waggons ineinander- geschachtelt wurden, wodurch viele Passagiere buchstäblich zerquetscht worden sind. Den herbeigeeilten Hilfsmannschaften gelang es bisher, 200 Tote und Verletzte zu bergen. Man fürchtet jedoch, daß noch mehr Tote unter den Trümmern, deren Beseitigung nur unter kolossalen Anstrengungen möglich ist, begraben liege». Nähere Einzel- Helten fehlen noch.