Einzelbild herunterladen
 

Wecken an die sozialdemokratische Organisation ab. Das wäre genau dasselbe, weil der Bund der Landwirte eine rein poli- tische Organisation ist. Diese politische Organisation ver braucht alljährlich Hunderttausende von Mvrk so eingekommener Gelder; anders könnte sie ihren kostspieligen iltiesenapparat, der Hut politisich-agrarischen Zwecken dient, gar nicht erhalten. Ans der politischen Agitation der Kriegervereine. Dieunpolitischen' Kriegervereine scheinen sich ganz besonders sür berufen zu halten, dennationalen" Parteien in der Köderung nicht nur der Wahlberechtigten, sondern auch der zukünftigen Wähler gu helfen. Sie glauben das am besten zu machen, wenn ste schon den jungen, noch nicht zuni Militär eingezogenen Rekruten einzu fangen suchen. Die Mittel sind nicht ungeschickt gewählt. Der Militärverein Nordhausen versendet z. B. an die zu- künstigen Rekruten folgendes Schreiben: Der Tag, an welchem Ihre aktive Militärzeit beginnt, rückt immer näher und damit ein Wendepunkt in Ihrem Leben, welcher Sie in eine Ihnen ganz neue Umgebung mit unbekannten Gc bräuchen und ungewohnte Anforderungen stxllt. Die Kricgervereine, welche bis jetzt nur den Militärentlassenen ihre Aufmerksamkeit schenkten, haben sich nun insofern ein neues Ziel gesteckt, als dieselben auch den Rekruten ihre Fürsorge an- gedeihen lassen wollen. Ist Ihnen also daran gelegen, sich schon jetzt über Ihre bevorstehende militärische Dienstzeit Aufklärung und gute Ratschläge zu verschaffen, was wir Ihnen zu Ihrem eigenen Wohle nur empfehlen können, da Sie sich dann erheblich schneller und leichter in der ungewohnten Umgebung zurecht finden, so besuchen Sie die Versammlung des Vereins«Kameraden der Infanterie", welche am 2. August d. I. und jeden ersten Freitag im Monat in dem EtablissementZur Hoffnung" stattfindet. Ueber die Teil nähme, an den zu veranstaltenden Vorträgen wird Ihnen eine Bescheinigung ausgestellt, welche beim Eintritt zum Militär abgegeben Iv erden kann und eine gute Empfehlung d a r st e l l t. Sie sind unS stets willkommen I Mit kameradschaftlichem Grufi Der Vorstand. I. A.: Rühl-e, Schriftführer." Auch einHüter der öffentlichen Ordnung". Wegen Sittlichkeitsverbrechens wurde dieser Tage in Königs- berg i. Pr. derSchutzmann" Hermann SymanSky zu drei Jahren Gefängnis verurtei.lt. Als er eines Tages seinen«Dienst" ausübte, sah er im FestungSglacis auf dem Rasen ein Liebespärchen liegen. Der gestrenge HerrSchutzmann" nahm daransittlichen Anstoß", verbot den Beiden das Lagern, und er- klärte dem Mädchen, daß er es mitnehmen müßte. Das Mädchen ging mit und wurde vom«Schutzmann" gewaltsam mißbraucht. Es erstattete Anzeige; die Justiz mußte einschreiten und derHüter der öffentlichen Ordnung" wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. In der Verhandlung, die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfand, wurde festgestellt, daß Shmansky bereits im Alier von 18 Jahren wegen Sittlichkeitsverbrechens zu einem Jahre Gefängnis verurteilt worden war. Trotzdem wurde erSchutzmann" in dem selben Preußen, in dem Sozialdemokraten als Mitglieder der Schul- deputationen nicht bestätigt werden, lveil ihnen angeblich die dazu erforderlichesittliche Qualifikation" fehlt. Die Furcht vor Spionen. In Eckernförde sind a>n Sonnabend unter dem Verdachte der Spionage fünf Engländer verhaftet worden. Ihre Namen sind: Wr. Macdonald, Dr. D. Stone, L H. Sheffield , Gregory Robinson und Dr. N. Roberts. Als Stand haben sie angegeben: einer Rechts- änwalt, einer Ingenieur, einer Marinemaler und zwei Aerzte. Die Untersuchung har ergeben, daß die Verhafteten in ihrer Dampsjacht vor drei Tagen von England abgefahren sind. Sie begaben sich durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal und den Kieler Kriegshafen nach Eckernsörde. Das Boot, die photographischen Apparate, Platten und Papiere sind beschlagnahmt, die Akten über die Voruntersuchung sind dem Reichsanwalt nach Leipzig übersandt worden. Die Verhafteten werden heute nachmittag in daS Kieler Untersuchungsgefängnis über geführt werden. Zugleich wird ans Metz gemeldet: Der Schirrmeister Maark vom Artilleriedepot und ein Vizefeldwebel Welk von der hiesigen Garnison 'sind verhaftet worden. Ueber die Gründe, die zu dieser Festnahme geführt haben, wird von der Militärbehörde Stillschweigen beobachtet._ Zur Ermordung zweier Tcuts�en in Mexiko . Wie die Pretz-Zentrale aus Mexiko zu melden weiß, ist auf Verlangen des deutschen Gesandten wegen der Ermordung der beiden deutschen Staatsangehörigen Johann Hertling und Guido Schubert, die in Monte Vista im Staate So» ora erhängt auf- gefunden wurden, eine strenge Untersuchung eingeleitet worden. Die mexikanische Regierung behauptet, daß die Ermordung der Deutschen lediglich einen Willkürakt der Rebellen darstelle, in der Absicht, eine bewaffnete Intervention der Mächte herbeizuführen. Englanä. Aenderungen im Ministerium? London , 5. August. Die Abendblätter bezeichnen verschiedene Aenderungen im Ministerium als tvahrscheinlich. Lord - Präsident des Geheimen Rats Viscount M o r l e y soll danach aus Gesundheitsrücksichten zurückzutreten beabsichtigen und der Sekretär von Indien , Marqueß of Crewe, sein Nachfolger wer- den. Gencralpostmeister Samuel werde an die Stelle des Chef. sckretärs für Irland B i r r e l' treten, der zum Peer ernannt wer- den solle. Mit weniger Bestimmtheit tritt in den Blättern die Behauptung auf, daß der Patronagesekretär im Schatzamt M a st e r of Elibank, der Haupteinpci tscher der Regierung und eines ihrer einflußreichsten Mitglieder, zurücktreten und möglicherweise an Stelle Lord Gladstoncs zum Gcneralgouverneur von Süd- afrila ernannt werde. Marokko. Kämpfe und Unruhen in allen Gebieten. Rabat , 4. August. In der letzten Nacht wurde ein französischer Militärtransport am lled Kcmissat von. 50 Reitern angegriffen. Mannschaften der Kolonne Gouraud rücken morgen in die Gegend nördlich v;3 Fes ab, um das Vorrücken des Rogi zu verhindern und das politische Werk zu vollenden, das im Juni bei den Hay- aina begonnen wurde. Der Prätendent E l H i b a gewinnt fortgesetzt an Einfluß bei den Stämmen. Ein Bombardement in Agadir . Rabat , 5. August. DaS RcgierungsschiffCosmao" soll Befehl erhalten haben, die Kasbah von Agadir , den Re- gierungSsitz des Prätendenten El Hiba, zu bombardieren. China . Die Ernennung Morrisons. London , S. Angnst. DerDaily Telegraph " meldet ans Peking voin 4. August: Mit der Ernennung desTimeS"-Korrespondenten Dr. Morrison zum politischen Berater der chinesischen Regierung ist ein Posten wieder besetzt worden, der«ine reine Sine- kure war und keinem Ressort angegliedert ist. Das chinesische Auswärtige Amt lehnt jede Verbindung damitab. Die Pekinger Presse fragt, was eigentlich hinter dieser Ernennung stecke, die sie bitter beklagt. Der frühere Inhaber dieses Postens war der Sinologe Sir Walter Hillier , der seit 1867 in China gelebt hat. Er wurde im Jahre 1908 zum Ratgeber der chinesischen Regierung ernannt und trat nach einiger Zeit wieder zurück, da er fand, daß er nichts zu tun hatte. Diese von der Konkurrentin derTimes" gebrachte Notiz, die vom Wölfischen Bureau so prompt weiter befördert wird, soll wohl über die Bedeutung der Ernennung hinweg- täuschen. In Wirklichkeit ist Dr. Morrison schon bisher für die englische Politik oft wirkungsvoll eingetreten und wird es in der Zukunft in offizieller Stellung noch mit größerem Erfolge tun können._ Die Tötung russischer Uutertaue». Peking , 4. August. Die ch i n e s i s ch e Regierung hat ge- maß der Forderung des russischen Gesandten eine Entschädigung für die kürzlich durch chinesische Soldaten bei Khotan verübte Tötung von hundert russischen Untertanen und die Bestrafung der Täter zugesagt. Der Präfekt von Khotan ist als verantwortlich erklärt und abgesetzt worden und der chinesische Offizier, der den Zusammenstoß veranlaßt hatte, wird vor ein öffent- liches Gericht gestellt. Der rusfische Konsul in Kaschgar und die chinesischen Ortsbehörden werden die Höhe der Entschädigung fest- setzen. ZZmerika. Rooscvelts Parteitag. Chicago , 5. August. Auf dem ersten Konvent der neuen fortschrittlichen Partei, der morgen hier eröffnet wird, um Roosevelt zum Präsidentschaftskandidaten zu nominieren, werden 47 Staaten vertreten sein. Nur Südkarolina ist nicht vertreten, weil es darauf bestand, Neger als Delegierte zu senden. Die Kommission, die die Beglaubigung der Dele- gierten zu prüfen hat, hat bereits Neger, die als Vertreter von Alabama gewählt waren, zurückgewiesen. Es wird wahrscheinlich bei allen Südstaaten so verfahren, dagegen werden Neger als Vertreter der Nordstaaten zugelassen werden. Viele Frauen sind als Delegierte zum Konvent gewählt. Roosevelt wird morgen hier eintreffen. Wachsende Erkenntnis. Genosse Seidel., der sozialistische VizepräsidentschaftSkan- didat, der in den letzten Monaten Versammlungen in fast sämt- lichen östlichen Nordstaaten abgehalten hat, meint, daß einige der dümmsten und tiefeingewurzelten Vorurteile gegen den Sozialis- mus im Verschwinden seien. Niemals habe man ihm die Frage gestellt, wie es nach der Teilung alles Besitzes verhindert werden solle, daß der Reichtum wieder in die Hände seiner heutigen Besitzer zurückfließe; auch. nicht, ob nicht der Sozialismus die Familie zerstören und die freie Liebe einführen wolle; ebensowenig nach derFeindschaft gegen Religion" oder derVerteidigung von Gewalttaten und Anarchie". Nur einmal stellte jemand die Frage nach derfreien Liebe". Es ergab sich aber, daß es ein Parteigenosse war. der ihn veranlassen wollte, über dieses populäre Vorurteil zu sprechen.Diese albernen Fragen, die so lange dazu gedient haben, vernünftige Diskussionen wirtschaftlicher Fragen zu verhindern, sind nun völlig ins Vergessen gekommen." Seidel, der seit 14 Jahren in allen Teilen von Wisconsin ge- sprachen hat, stellt für die jetzige Wahlkampagne ein völlig ge- ändertes Verhalten der Bevölkerung fest. Während früher viele aus-' NeugMde ka mctc manche äuch, um Ulk zu treiben und den Redner zu stören, herrsche jetzt Stille und ernstes Nachdenken. Es ist zweifellos daß sehr viele jetzt ernsthaft über Sozialismus nachdenken. Leute, die früher nur Neugier oder amüsierte Geduld zeigten, sie beginnen sich zu fragen, ob sie in irgendeine andere als die sozialistische Bewegung gehören. Sie wollen Sozialismus lerne n. Dieser Durst nach mehr Wissen um einen Weg zur Be- Handlung der großen Tagesfragen prägt sich schon auf den Gc- sichtern der Leute aus." Australien . Ter Antimilitarismus. Die zwangsweise militärische Ausbildung�>die neuerdings, hauptsächlich aus Furcht vor einer japanischen Invasion, in Austra lien eingeführt wird, begegnet in einem großen Teil der Arbeiter- bevölkerung, namentlich in Victoria und NeusüdwoleS, heftigem Widerstand. Etwa 10 000 junge Leute, die den Protest der Sozialisten gegen die Neuerung durch Verweigerung der Uebungen in die Tat umgesetzt haben, sind angeklagt tyorden. Min- destens ebensovicle haben sogar die E i n sch r e i b u n g ver- weigert. An der Bewegung sind auch verschiedene religiöse Sekten beteiligt, die in Anlehnung an Tolstoi das biblische Verbot des Tötens wörtlich anwenden wollen. Hus der Partei. Aus den Organisationen. Der Jahresbericht deö Sozialdemokratischen Vereins für den Wahlkreis Mansfcld, der auf dem am Sonntag in Eislebe» stattgefundencn Kreistage erstattet wurde, gibt ein anschauliches Bild von den erfolgreichen Kämpfen, die unsere Genossen gegen die be- rüchtigte Mansfelder Gewerkschaft und ihrenSilber-Arendt" im ver- .flossenen Jahre geführt haben. Der Kreis gehört zu den denjenigen, wo dieentschiedenen" Liberalen bei der Stichwahl mit fliegenden Fahnen ins konservative Lager abrückten und dadurch noch einmal dem Reichsparteiler Arendt das Mandat zuschanzten. Das.Hallesche Volksblatt" wird in 42 Orten des Kreises ver- breitet gegen 37 im Jahre vorher. Außerdem wird noch der un- entgeltlich verbreiteteStadt- und Laudbote" in etwa 10 000 Exemplaren gelesen. Die Mitgliederzahl hat sich auf der gleichen Höhe gehalten, trotz der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, die in der Ab- Wanderung von rund 2500 Bergarbeitern in die Erscheinung traten und trotz des Terrorismus, den die Schergen der Mansfelder Macht- haber gegenüber denverdächtigen" Arbeitern in unverhüllter Weise betätigen. Bemerkenswert ist noch, daß es bisher nicht möglich war, im Wahlkreise auch nur eine einzige Versammlung unter freiem Hiinmel abzuhalten. Stets haben AnitSvorsteher, Landrot und Re« gierungspräsident die öffentliche Sicherheit für gefährdet ge« halten, wenn um die Genehmigung solcher Versammlungen nach- gesucht wurde. Ohne nennenswerte Debatte wurde einem Antrage zugestimmt, ab 1. Oktober für die männlichen Mitglieder den Zehnpfennig- Wochenbeitrag einzuführen und den Beitrag für dte werblichen Mit- glieder von 10 auf 15 Pf. pro Monat zu erhöhen. Nach einem kurzen Referat über die im nächsten Jahre bevorstehende Landtags- wähl wurde beschlossen, trotz des berüchtigten Mansfelder Terrors in eine intensive Wahlagitation einzutreten. Bon einer Beschickung des Chemnitzer Parteitages wurde aus Sparsamkeitsrücksichten ab» gesehen. Eine Sch icds gcrich tövcrh lmdlung in Stuttgart . Bei den Stuttgarter Gemeindewahlen vom 3. Dezember 1011 war gegen den von der Parteiorganisation vorgeschlagenen Stimm- zettel ein lithographierler Gegenzettel in Massen verbreitet worden, auf welchem die nach dem Proportionalwahlverfahren gesetzlich zu« lässige Stimmenhäufung anders vorgenommen worden war, als- dies in der Organisation beschlossen war. Neben diesen ge- druckten Zetteln, die fälschlich als Vorschlag der sozialdemokratischen Partei Stuttgarts bezeichnet wurden, fanden vielfach noch Hand- schriftliche Aenderungen aus den offiziellen Stimmzetteln statt. Da solche Zettel auch in dem zu Groß-Stuttgart gehörigen Cannstatt in Umlauf waren, belchloß die Versammlung des sozialdemokratischen Vereins in Cannstalt, gegen die Verbreiter geänderter Zettel das Ausschlußverfahren einzuleiten. Der Verbreitung angeschuldigt wurden die Genossen Dußler.Uhlrich und Sonder, gegen die am 81. Juli und 2. August d. I. unter dem Vorsitze deS Ge­nossen Müller- Berlin Schiedsgerichtssitzungen stattfanden. Die Beweisaufnahme ergab, daß es sich bei den Genossen Dußler und Uhlrich nur um Agitation sür handschriftlich geänderte Zettel handelte. Die Urheber des gedruckten gefälschten Wahlvor­schlags sind bisher nicht ermittelt. Handschristliche Abänderungen kamen auch bei früheren Gemeindewahlen, als eine Ku- mulierung von Partei wegen nicht beschlossen war, vor. Dies wurde früher schon nach den Wahlen gerügt. Außer- dem hatte das Zentralwahlkomttee für Groß- Stuttgart vor der Wahl vom 8. Dezember vor Abgabe geänderter Zettel in Versammlungen, in der Presse und durch Plakate gewarnt. Genosse Dußler gab zu, zwei handschriftlich geänderte Zettel gezeigt und dazu bemerkt zu haben:So wähle ich I" Die beiden Zettel wurden bei der Wahl nicht abgegeben, sondern dem Parteiausschutz übergeben. Im Falle Uhlrich wurde eine Verbreitung geänderter Zettel nicht behauptet, ihm aber vorgehalten, daß er sür Abgabe abgeänderter Zettel agitiert habe, und daß er erklärt habe, daß sich unter ähnlichen Voraussetzungen bei künftigen Wahlen daS Gleiche wiederholen dürfe. Der Genosse Sonder hatte in drei Fällen die lithog.raphierten Zettel weitergegeben, die er von dem Vertrauensmann des Geschäfts erhalten haben will, dem die Zettel wiederum zugeschickt worden seien. In einem Falle will er den Zettel nur in ironischer Absicht weitergegeben haben, im zweiten Falle habe er durch Abgabe dieses Zettels an einen nur gewerlschaftlich organisierten Genossen diesen überhaupt zum Wählen veranlassen wollen; im dritten Falle war der Empfänger inzwischen verstorben. In dem zweiten Falle wurde der Zettel von dem be- treffenden Empfänger bei der Wahl nicht abgegeben. Von den Warnungen in der Presse, in Versammlungen und durch Plakate will Sonder nichts erfahren haben, da er im Dezember beruflich stark beschäftigt gewesen sei. Die angeschuldigten Genossen glaubten zu ihrem Vorgehen berechtigt zu sein, weil auch früher schon bei den Wahlen, wenn auch in weit geringerem Prozentsatze. Zettel anders abgegeben wurden, als durch die Organisation beschlossen worden war, weil ferner ihrer Auffassung nach die Kandidaten- aufstellung nicht ordnungsgemäß erfolgt fei(was von der Organisation bestritten wird) und weil alte bewährte Genoffen, die bisher dem Gemeinderat angehört hatten, durch die Kumulierung des offiziellen Borschlages der Parteiorganisation, zu aussichtslosen Kandidaten ge- worden wären. Die Angeschuldigten behaupteten ferner, daß auch von der Gegenseite bei der Wahl in großer Zahl abgeänderte Zettel abgegeben wurden. Das Schiedsgericht stellte in den Fällen Dußler und U h I- r i ch einstimmig fest, daß eine ehrlose Handlung nicht vorliege und entschied mit Mehrheit, daß ein beharrliches Zuwiderhandeln gegen den Beschlutz der Parteiorganisation vorliege, weshalb gegen Dußler und Uhlrich auf Ausschließung von Vertrauensämtern auf die Dauer von zwei Jahren zu erkennen sei. Im Falle Sonder sah das Schiedsgericht in der Weitergabe des lilhographierten Zettels mindestens in dem einen Falle eine erwiesene ernstgemeinte Verbreitung. Das Schiedsgericht stellte mit 4 gegen 8 Stimmen fest:Der lithographierte Zettel war eine rafft» nierte Fälschung, mit der der Eindruck erweckt werden sollte, als ob es sich um den Vorschlag der Stuttgarter Parteiorganisation handele. In der Herausgabe und Propagierung dieses gefälschten Vorschlages sieht das Schieds- gericht eine ehrlose Handlung und in dem Falle Sonder die Unterstützung einer ehrlosen Handlung. Als mildernder Um- fftand miisfen" die scharfen Gegensätze in Stuttgart und ihre viel» fachen unparteigenösfischen Begleiterscheinungen in Betracht gezogen werden." Das Schiedsgericht erkannte demgemäß mit 4 gegen 3 Stimmen auf Ausschließung von Vertrauensämtern für fünf Jahre. Die Sozialisten und der antiklerikale Block der römischen Stadtverwaltung. Rom , 1. August. (Eig. Ber.) Wie bekannt liegt die Stadtver- waltung Roms in Händen eines antiklerikalen Blocks, an dem sich auch die Sozialisten beteiligt haben, und in dem sie 18 Vertreter zählen. Da nun der Parteitag von Reggio sich gegen Wahlbijnd- nisse ausgesprochen hat, hat die römische Parteisektion die Frage aufgeworfen, ob sie weiter das WahlbündniZj aus dem die römische Stadtverwaltung hervorgegangen ist, aufrechterhalten soll oder nicht. Der Parteitagsbeschluß selbst löste diese Frage nicht, da er sich nicht mit der Frage der kommunalen Wahlen beschäftigt. Nach drei- tägiger lebhafter Diskussion beschloß die Sektion mit großer Mehr- heit, die als Stadwerordnete wirkenden Parteigenossen zur Nieder- legung ihres Mandats aufzufordern. Es werden somit die Ge- nossen Deila Seta, Paglierini, Armeni, Cam» p a n o z z i und Montemartini ihr Mandat niederlegen. Es ist zu bedenken, daß unsere Partei bei Eingehung des Wahlbünd- nisses sich stillschweigend für einen Zeitraum von 6 Jahren ver- pflichtet hatte, in welcher Periode sich in Italien die Stadtver- waltungen erneuen. Gleichzeitig hielt auch die reformistische Parteisektion, zu der ein Teil der sozialistischen Stadtverordneten übergetreten ist, ihre Sitzung ab. Sie beschloß, die eingegangene Verpflichtung aufrecht zu erhalten und hat somit ihre 8 Stadtverordneten, unter denen sich auch Podrerca und Bonomi befinden, aufgefordert, ihr Mandat weiter auszuüben. Zwei Reformisten, die 1 Professoren Bonfiglio und Carrara lieferten aber gleich den Beweis ihrer Auffassung der Parteidisziplin, indem sie erklärten, trotz des Beschlusses der Sektion, ihr Mandat niederzulegen. Somit treten im ganzen Stadtverordnete zurück, was wahrscheinlich die Auf- lösung des Stadtrates und die Uebernahme der Verwaltung durch einen königlichen Kommissär in Erwartung»er Neuwahlen zur Folge haben wird. Man kann der Haltung unserer Parteifraktion die Logik nicht absprechen. Es fragt sich nur, ob eine Partei bündnisfähig bleibt, wenn sie ihre Bündnisse nicht einhält. In seinen praktischen Folgen bedeutet die Auflösung des römischen Blocks einen großen Triumph der Aktiengesellschaften, die mit ungeheurem Profit die öffentlichen Dienste in Rom monopolisierten und denen die antiklerikale Stadt- Verwaltung die Krallen beschnitten und Konkurrenzunternehmen entgegengestellt hat. Vielleicht hätte unsere Partei besser abge- schnitten, wenn sie da» Wahlbündnis damals aufgesagt hätte, als der Bürgermeister von Rom durch Beteiligung an der Ehrung des Zaren in Racconigi den Bündnispakt in dreister Weise verletzte und den Gefühlen der sozialistischen Partei Hohn sprach. Damals rechtfertigten äußere Wandlungen der Verbündeten den Rücktritt vollkommen, ob ihn die innere« Wandlungen unserer Partei während der Fortdauer der Bündniszeit zu rechtfertigen vermögen, das wollen wir dahingestellt sein lassen. Rcdakteurfreuden. Der frühere Verantwortliche der Chemnitz er V o l k s st i m m e", Genosse Hermann Müller, hat an: Montag das Zwickauer Gefängnis bezogen, um dort auf vier Monate Aufciit- halt zu nehmen, die er wegen angeblicher Beleidigung des Chemnitzer Bürgermeisters Dr. Hllbschmann erhalten hat. Bei seiner Vor- stellung in Zwickau erklärte man ihm, daß er im Gefängnis keine Vergünstigungen bekomme. Ob es dabei bleibt, muß ab« gewartet werden.*