Hr. 185. 29. Zahrgang. 2. Itildjf Ks Jormärts" Sttliiift JiUislilatt. Sonnabend. 10. Angust 1912. partci- Hngele�enbeiten. Erster Kreis. 1. Abteilung. Sonntag, den 11. August: Heren- Wander- und Badepartie. Treffpunkt früh 947 Uhr Schl�ischer Bahnhof an der Koppenstraße. Vierter Kreis. Am Sonntag, den 11. August, findet die Ur- wähl zum Kreis- und Zentralvorstano sowie der Beschwerde- kommission statt. Die Wahl beginnt um 8 Uhr vormittags und endet um 12 Uhr mittags. Siehe Inserat vom Freitag und am Sonntag. Grünau . Die Mitgliederversammlung findet nicht Mittwoch, den 14., sondern erst Mittwoch, den 2 8. August, statt. Alles Nähere wird noch bekanntgegeben. Der Vorstand. Lichtenberg . Sonntag, den 11. August, findet bei Klugmann, „Neue Scheune", das diesjährige Kinderfest statt. Der Ein- trittspreis beträgt IS Pf.— Jedes Kind erhält ein Geschenk. Großer Fackelzug. Kinderbelustigung aller Art. Rudow . Sonntag, den 11. August, nachmittags 4 Uhr, bei Rolle Wahlvereinsversammlung. Die äußerst wichtige Tagesordnung wird in der Versammlung bekanntgegeben. Tegel . Die nächste Mitgliederversammlung des sozialdemo- kratischen Wahlvereins findet umständehalber am Donnerstag, den 15. August, statt. Die Bezirksleitung. Zernsdorf . Heute, Sonnabend, abends 8 Uhr, findet im Lokale von I. Knorr die Mitgliederversammlung des Wahlvereins statt. Tagesordnung wird in der Versammlung bekanntgegeben. _ Der Vorstand. Berliner Nachrichten. Bandalismus in der Natur. Die Geschichte weist uns Namen von Personen und Völ- kern auf, deren Ruhm unvergänglich ist: sie erzählt uns aber auch von Völkern und Menschen, deren Namen uns nur im Zusammenhang mit Zerstörung und Unkultur überliefert sind. Zu ihnen gehören die Vandalen.— Ursprünglich biedere Germanen und im mittleren Odergebiet seßhaft, kam ihnen die Wanderlust, wie unseren modernen Alldeutschen und Kolonialpolitikern. Auch sie gingen dahin, wo„was zu holen war", und ohne das Lied zu kennen mit dem Refrain„mein Vaterland muß größer sein", drangen sie bis über Italien hinaus nach Afrika vor und gründeten an der Nordküste Afrikas das vandalische Reich. Unsere Alldeutschen könnten also beweisen, daß Tripolis nicht den Italienern, sondern uns gehört und eigentlich dem— Oderbruch zugeteilt werden müßte.— Aber nicht dem Umstand, daß sie der Kultur nachzogen, wie die Wespen den Kuchenbuden, sondern der furchtbaren Verwüstung Roms durch sie im Jahre 455 verdanken die Van- dalen es, daß man stets da, wo Kultur zertrampelt wird, von Vandalismus redet. Die Vandalen sind längst dahingegan- gen, aber der Vandalismus ist uns leider erhalten geblieben. Gerade an dieser Stelle plaudern Naturfreunde so oft über die schöne Umgebung Berlins , von unseren prächtigen .�märkischen Seen und den Fußpartien an ihren Usern eist- lang: von den schönen Wäldern mit ihren lauschigen Wegen, von Vogelgesang und Blumenpracht, und den Herz und Auge » erfreuenden Wanderungen zwischen Wiesen und Felder und durch stille Dörfer.— Wer hätte diese Schilderungen nicht gern gelesen, wieviele sind nicht diese gleichsam empfehlende Wege gegangen, voll Freude, das Geschilderte bestätigt zu finden. Heute mag wieder einmal hingewiesen werden auf die Spuren, die unsere modernen Vandalen in jenen reizenden Gefilden hinterlassen.— Hundert Zentner Papier , in allen Farben und Formen, schleppen sie jeden Sonntag mit hin- ans, um das Grün in Wald und Feld, das Wasser und die Wiesen, Wege und Stege damit zu verschönen.— Ganze Pappbogen und Kartons, Zigarrentüten, Zigarettenetuis, Schokoladen- und Bonbonetuis, Zeitungen in allen Größen und aller Parteien, dienen zur Dekoration der Natur. Hin- zu gesellen sich noch Holzwolle, zerbrochene Gläser, Flaschen, Geschirr, Blechbüchsen und was sonst entbehrlich. Alles dies drapiert die Wege und Uferrände der Gewässer, als wäre eine geschlagene Armee hier durchgeeilt und hätte, um besser laufen zu können, alles Hinderliche weggeworfen. Und doch rührt dies alles von Kulturmenschen her, die uns erzählen, daß sie hinausgehen, um frische Luft zu schöpfen und das Auge weiden zu wollen am Anblick der Natur. — Dabei haben sie die Natur in eine öffentliche Lesehalle umge- wandelt. Der Sparsame braucht Sonntags keine Zeitung zu kaufen. Er findet im Freien alles gratis, sobald er sich ein Fleckchen am Wasser zur Ruhe und Beschaulichkeit ausge- sucht hat. Besonders liebliche Plätze darf man außerdem noch mit besonderer Vorsicht betreten. Der Vandalismus verfolgt uns überall hin, auf Straßen und Platzen, in die öffentlichen und gepflegten Parkanlagen, auf unsere Ausflüge in'die weitere Umgegend, auf das Wasser, ja. bis hinauf ins Gebirge.— Und dieselben Menschen, die über geschmacklose Farben und Formen in der Kleidung ihrer Mitmenschen lachen, finden nichts darin, Wald und Feld durch ihr Stullenpapier zu verunzieren.— Wir treten ans Wasser. Vor uns lagert eine Familie, die sich eben„gestärkt" hat. Selbstverständlich bleibt das Papier liegen, soweit nicht die Kinder sich ein Vergnügen daraus machen, es auf das Wasser zu werfen. Uns interessiert aber jetzt etwas anderes. Vater hat die Hosen aufgekrempelt und„stippt", d. h. er angelt. Natürlich nur zum Vergnügen: er will nur sehen, ob sie „beißen". Und sie beißen wirklich.— Eben wird es heraus- gezogen, ein Fischchen, so lang wie ein kleiner Finger, silbern glänzt sein Leib im Sonnenlicht.—„Kiek mal, Mutter, wie er zappelt", ruft freudig der kleine Junge. Ja, mein Junge, wenn Mutter deine Stulle an dem Angelhaken befestigte, und du die Stulle und den Haken verschlingest, der dir dann aus dem Halse herausgerissen werden müßte, du würdest nicht nur zappeln, wie dieser kleine Fisch, sondern briillen— brüllen, daß man es von Grünau bis Berlin hören könnte. Der arme Fisch kann das leider nicht, er muß„zappelnd" am Ufer sein Leben enden, wenn ihn nicht zeitig noch eine mitleidige Krähe verzehrt.— Den Fisch mitzunehmen, lohnt sich nicht, war auch gar nicht beabsichtigt, denn Vater hat ja nur zum „Vergnügen gestippt". Daß er dabei auch ein kleines Leben unnütz vernichtete, kümmert ihn weiter nicht.— Da ein Schmetterling.„Den muß ich haben", ruft ein kleiner Junge.„Ja, warum denn, Junge"?„Den piek ick ne Nadel, vor meine Sammlung".-- So, na wenn ich dich nun auf die Stahlspitze meines Stockes aufpieken würde"? Der Junge guckt mich verwundert an: offenbar ist ihm so ein dummer Kerl noch nicht vorgekommen.— Schmetterling und Käfer, überhaupt alles Lebende, was sich greifen läßt, wandert in die Sammlung oder wird zertreten. Was braucht die Natur auch Lebewesen,— alles muß kahl und ausgefegt sein, wie eine Bauernheide.— Dort steht ein Pilz, noch dazu ein hübscher Fliegenpilz mit rotem Dach und weißen Pünkt- chen:„Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stunim, es hat von lauter Purpur ein rotes Mäntlein um."— Was soll der Pilz? Ein Stoß mit dem Fuß und er war. — Fliegenpilze—, ja wenn es noch Pfefferlinge wären, aber „gewöhnliche" Pilze—, die haben doch keinen Wert! Ja, haben denn diese Vandalen keinen Sinn für Natur? Können sie sich wirklich nicht freuen über das, was die Erde hervor- bringt? Wissen sie außerdem nicht, daß Pilze mancherlei Tieren als Nahrung dienen, wie dem Menschen die Pfeffer- linge? Ist es Gemütsroheit oder Dummheit bei der hübschen Tochter, dem muntern Jungen, der selbstbewußten rundlichen Mama und dem„qualmenden" Papa, das solchen Vandalis- mus ermöglicht? Ich nehme zu ihrer Entschuldigung an, daß es Dummheit ist. Der Sinn für die Schönheit der Natur ist in ihnen nicht genügend geweckt; sie kennen die Zusammen- hänge und das Bestimende in der Natur nicht; es fehlt ihnen die naturwissenschaftliche Erkenntnis. Hätte doch jede Familie den Inhalt des kleinen Buches von Grvttewitz,„Spaziergänge eines großstädtischen Arbeiters in die Natur", sich zu eigen gemacht, dann gäbe es schon weniger Vandalen in der Natur. Im übrigen aber ist es Aufgabe der Schule, die Liebe zur Natur zu pflegen und naturwissenschaftliche Erkenntnis mehr und mehr zu fördern. Mit dem Abc und dem Einmaleins müssen die Kinder zugleich die Natur respektieren und lieben lernen, dann käme neben der Verstandes- auch die Herzens- bildung zu ihrem Recht. Und es schadete denn auch nicht, wenn die Eltern von den Kindern lernen, wie man Wald und Feld sehen soll. Jede Zeitung aber sollte an hervortretender Stelle in großen Lettern die Aufschrift tragen: Ausflügler, verschont Wald und Feld mit eurem Stullenpapier! Seid keine Vandalen!_ Scherereien, die im Gesetz keine Stütze finden, werden den um Aufnahme in den preußischen Staatsverband Nach- suchenden seitens der Polizeiorgane bereitet. Das Gesetz be- sagt:„Die Aufnahmeurkunde wird jedem Angehörigen eines anderen Bundesstaates erteilt, welcher um dieselbe nachsucht und nachweist, daß er in dem Bundesstaate, in welchem er die Aufnahme nachsucht, sich niedergelassen habe, sofern kein Grund vorliegt, welcher nach den§§ 2— 5 des Gesetzes über die Freizügigkeit die Abweisung eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des Aufenthalts rechtfertigt". Hiernach hat der Nachsuchende nur den Nachweis über seine Staatszugehörigkeit zu einem deutschen Bundesstaat sowie den Nachweis über seine Niederlassung zu erbringen; zur Beschaffung weiterer Urkunden ist er nicht verpflichtet. Will die Behörde prüfen, ob die Bedingungen der Freizügig- keit erfüllt sind oder nicht, so hat sie—.die Behörde— die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Der Nachsuchende ist zur Beibringung von Nachweisen zum Zwecke derartiger Feststellungen nicht verpflichtet, ebensowenig als wie ein in einer Gemeinde Neuanziehender dazu verpflichtet ist. Die Aufnahme in den Staatsverband ist nicht abhängig von der Willkür der Polizeibehörde, wie die Naturalisation eines Reichsausländers, sondern jeder Deutsche hat ein gesetzlich gewährleistetes R e ch t auf Aufnahme, sofern der Polizei nicht Gründe bekannt sind und von ihr bewiesen werden können, die die Freizügigkeit beschränken oder aufheben. Aus wiederholten Mitteilungen entnehmen wir, daß die Polizei z. B. Führungsatteste verlangt von den Polizei- oder Ortsbehörden all der Orte, in denen sich der Antragsteller seit seiner Geburt aufgehalten hat, selbst dann, wenn der Nachsuchende hier schon jahrelang ansässig ist, ebenso werden Taufscheine, Zeugnisse von Arbeitgebern usw. verlangt. Zur Beschaffung all dieser Urkunden ist der Antragsteller nicht verpflichtet, man weise ein derartiges Ansinnen ein- für alle- mal zurück. Sollte die Polizeibehörde alsdann Schwierig- keiten machen oder den Antrag ablehnen, so beschwere man sich bei dem Oberpräsidenten, eventuell dem Minister des Innern: gegen dessen Bescheid kann die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts angerufen werden. Die Beamten der Polizei sollten zu nützlicherer Tätigkeit verwendet werden als zu Arbeiten, die eine vom Gesetz nicht gewollte Belästigung des betroffenen Publikums darstellen. Der Verkehr auf der Linie Warschauer Brücke— Leipziger Platz— Spittclmarkt, der infolge der Umbauarbeiten im Gleisdreieck seit dem 25. Juli über die Station Bülowstraße geleitet werden mußte, wird vom Sonntag, den 11. August, S Uhr vormittags ab wieder in alter Weise durchgeführt werden, so daß dann ein Um- steigen auf Bahnhof Bülowstraße nicht mehr erforderlich ist. Da- gegen wird es durch die Bauarbeiten notwendig, vom Sonnabend, den 15. August, S Uhr abends ab bis voraussichtlich zum 14. Sep- tember, den Betrieb der Linie Warschauer Brücke— Zologischer Garten über die Station Leipziger Platz zu leiten. Vom Sonntag vormittag ab, nach Wiederinbetriebsetzung des durchgehenden Ver- kehrs zwischen Warschauer Brücke und Spittelmarkt, mutz also bei den Fahrten auf der Strecke Warschauer Brücke— Zoologischer Garten auf der Station Leipziger Platz umgestiegen werden; für sofortigen Anschluß in beiden Fahrrichtungen wird vorgcsorgt wer- den. Für wenige Stunden, nämlich vom Sonnabend, den 15. August, abends 9 Uhr, bis zum folgenden Sonntag vormittags 9 Uhr, mutz der Verkehr über das Gleisdreieck sowohj zwischen Bülowstraße— Hallesches Tor, als auch zwischen Leipziger Platz— Hallesches Tor unterbrochen werden, so daß eine Beförderung von Fahrgästen zwischen den genannten Stationen in dieser Zeit nicht stattfinden kann. Der Zugverkehr auf der Oststreckc wird während dieser Zeit nur zwischen Hallesches Tor und Warschauer Brücke aufrecht er- halten werden. Der Betrieb zwischen Westen und Spittelmarkt, auf dem die Bauarbeiten überhaupt ohne Einfluß sind, bleibt auch während der genannten Stunden aufrecht erhalten. Ueber das kürzlich gemeldete Vorkommen von Rissen und Sprüngen im neuen Stadthause berichtet das Nachrichtenamt des Magistrats folgendes: Das Stadthaus steht seit 6 Jahren, ohne daß sich ein Riß im Mauerwerk gezeigt hätte; erst mit Ausführung der Bauarbeiten an der Untergrundbahn sind solche Schäden ein- getreten. Die Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrund- bahnen wird die Schäden auf ihre Kosten beseitigen. Um das Ncbcrfahren von Kindern beim Eisenbahnbetrieb nach Möglichkeit zu verhüten, hat die Staatsbahnverwaltung angeord- net, daß die Austichtsbeamten und das Bahnbeivachungspersonal Kinder mit de, größten Strenge vom Betreten der verbotenen Stellen der Bahnanlagen fernhalten sollen. Die in der Nähe der Bahn wohnenden Bediensteten werden wiederholt aufgefordert, ihren Kindern den Aufenthalt an den Schienensträngen zu der- bieten, ferner sollen die Schrankenwärter angewiesen werden, beim Schließen der Schranken auch aus die Kinder zu achten, die sich in der Nähe aufhalten, besonders dann, wenn eine Zugbegeg- nung stattfinoet, wegen der die Schranken nach der Vorbeifahrt des einen Zuges noch geschlossen bleiben müssen. Wo die örtlichen Verhältnisse es erheischen, sollen die Einfriedungen und Schranken- anlagen so eingerichtet werden, daß sie nicht umgangen oder durch- schlüpft werden können. Die genaue Beachtung dieser Vorschriften wird mit Rücksicht auf die neuerdings vorgekommenen Ver- unglückungen von Kindern allen Beamten zur Pflicht gemacht. Etwa 1555 Franzosen, Aerzte, Journalisten. Industrielle, Großkauflcute usw., sind gestern in Berlin eingetroffen. Der Besuch gilt wohl lediglich den Sehenswürdigkeiten von Groß-Berlin. Wegen betrügerischen Bankerotts verhaftet wurden die früheren! Inhaber der A. Müllerschen Fleischwaren- und Wurstfabrik in der Neuen Königstraße 66, Rudolf und Max Schmager. Die Verhaf- tung des einen der beiden Brüder erfolgte in Zinnowitz , die des anderen in Berlin . Die Bücher wurden beschlagnahmt. Die Müllersche Flcischwarenfabrik genoß unter ihrem Be« gründer in allen Kreisen ein großes Ansehen und galt als ein best- fundiertes Unternehmen. Der Zusammenbruch der Firma, die als Arineelieferantin große Gewinne cingeheimst hatte, erregte seiner- zeit ungeheures Aufsehen. Das Geschäft wurde nach dem Tode des Inhabers von der Witwe, einer geborenen Schmager, fortgeführt und ging schließlich in Besitz der beiden ihr nahestehenden Brüder über. Aber auch diesen gelang es nicht, den Betrieb gewinn- bringend zu gestalten, und so erfolgte vor etwa zwei Jahren ein neuer Zusammenbruch. Die Passiven hatten eine Höhe von etwa einer Million erreicht. Ein Vergleichsvorschlag mit 35 v. H. wurde von den Gläubigern abgelehnt und Konkurseröffnung beantragt. Den hierzu geforderten Kostcnvorschutz von 55 555 M. brachten die Gläubiger nicht zusammen und so unterblieb die Eröffnung. Schließlich kam ein Moratorium zustande, in dem sich die Firmen- inhaber unter Mitwirkung von Verwandten verpflichteten, die Gläubiger durch Ratenzahlungen zu befriedigen. Aber schon nach ganz kurzer Zeit stellte sich heraus, daß die Firma nicht in der Lage war, diese übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen. In- folgedessen taten sich die Gläubiger aufs neue zusammen und es kam zu recht stürmischen Auftritten in den Gläubigerversamm« lungen, wobei schon damals mit dem Staatsanwalt gedroht wurde. Die Leichen zweier junger Mädchen wurden vorgestern nach- mittag aus dem Wasser gelandet, die eine am Frieorichsgracht aus der Spree , die andere am Kottbuser Ufer aus dem Landwchrkanal. Die Persönlichkeiten der beiden Toten, die ungefähr 25 Jahre alt sind, konnten bis jetzt noch nicht festgestellt werden. Zwei junge Leute sahen gegen 5 Uhr die Leiche eines jungen Mädchens auf dem Wasser treiben. Mit Hilfe eines Kahnes gelang es ihnen, sie im Schleusenkanal gegenüber dem Hause Friedrichsgracht 44/45 zw landen. Die Tote muß schon etiva vier Tage im Wasser gelegen haben. Ihrem Acußeren nach scheint sie dem Mittelstande ange- hört zu haben. Sie trug eine schwarz und weiß gestreifte Bluse mit grünem Besatz, braune hohe Schnürschuhe, braune Strümpfe und einen grauen Unterrock. Ihr Haar ist dunkel. Die Leiche des anderen Mädchens wurde gegen 3 Uhr von Schiffern vor dem Hause Kottbuser Ufer 4s aus dem Wasser gezogen. Sie war schon stark in Verwesung übergegangen und muß schon mindestens acht Tage im Wasser gelegen haben. Die Tote ist ungefähr 1,58 Meter groß und war bekleidet mit einem grauschwarz gestreiften Oberrock, einer weitzblau karierten Bluse, einem braunen Gürtel, der mit Gold durchwirkt ist, einem weißen Umlegekragen, langen, bunten Strümpfen und schwarzen Schnürschuhen. Die Leichen beider Mädchen wurden nach dem Schauhause gebracht. Zwei neue Polizeivcrordnungen treten mit dem heutigen Tage in Kraft. Die eine betrifft den Verkehr mit Arzneimitteln, deren Verkauf von nun an im Landespolizeibezirk Berlin weder direkt noch indirekt angekündigt und angepriesen werden dürfen. Die zweite Polizeiverordnung regelt die Sonntagsruhe im Brauerei- gewerbe, sowie den Handel mit Eis; sie gilt vom heutigen Tage ab für den Landespolizeibezirk Berlin und für eine große Anzahl, in einem Umkreise von 25 Kilometer um Berlin gelegenen Ort- schaften. Es soll danach das Ausfahren von Bier und Eis nur in der Zeit von 5 bis 15 Uhr vormittags stattfinden. Die Rückbe- förderung der Wagen nach der Betriebsstätte, sowie das Abrechnen der Kutscher darf bis 12 Uhr erfolgen. Vorhereitungsarbeiten für das Ausfahren dürfen bereits um 4 Uhr morgens begonnen wer- den. Diejenigen Gehilfen usw., die an Sonntagen im Handels- gewerbe länger als 5 Stunden und diejenigen, die im Gewerhe- betriebe länger als drei Stunden beschäftigt werden, sind entweder an jedem 3. Sonntage vqlle 36 Stunden oder an jedem 2. Sonn- tage in der Zeit von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends pon jeder Beschäftigung frei zu lassen. Dem Flammentode entronnen. Die Unsitte, bei offenem Licht im Bett zu lesen, hat wiederum einen bedauerlichen Unglücksfall herbeigeführt. Das 24 jährige Fräulein Hedwig Gärtner aus der Heilbronner Straße 21 hatte gestern spät abends noch im Bett die Zeitung gelesen und war schließlich dabei eingeschlafen. DaS Zeitungsblatt fiel auf den Nachttisch und entzündete sich an der auf dem Tisch in einem Leuchter stehenden brennenden Kerze. Auch die Betten wurden von den Flanimen ergriffen und bald brannte auch das Haar der Schläferin. Infolge der durch Brand» wunden am Kopfe hervotgerusenen Schmerzen erwachte Frl. G. und erkannte fasort die gefährliche Situation, in die sie ihre Leichtfertigkeit gebracht hatte. Mit Aufbietung aller Kräfte ge» lang es dem erschreckten und durch die Rauchentwickelung halb be« täubten Mädchen, sich von dem Lager zu erheben und sich bis zur Zimmertür zu schleppen, wo es laut um Hilfe rief und dann be- sinnungslos zusammenbrach. Glücklicherweise wurden die Rufe sofort gehört und Hausbewohner brachten die Verunglückte ins Freie. Ihnen gelang es denn auch bald den Brand zu löschen. Fräulein G., die erhebliche Brandwunden am Kopf und an den Armen er« litten hat und außerdem den Verlust des größten Teiles ihres reichen Kopfhaares zu beklagen hat, mußte ärztliche Hilfe in An- spruch nehmen._ Lauft keinem Pastor nach! Diese Mahnung, die wir schon so oft an unsere Leser gerichtet haben, müssen wir heute angesichts eines unS erneut mitgeteilten t alles wiederholen. Bei der Benzinexplosion in der Dresdener trahe, die sich in der vorigen Woche ereignete, wurde auch der 15jährige Laufbursche Fritz Winzler getötet. Die Beerdigung sollte am vergangenen Sonntag stattfinden, und da die Mutter des Verstorbenen den Beistand eines Geistlichen wünschte, begab sie sich in Begleitung ihres Schwiegersohnes zu dem Pastor From- menhagen von der Stephanusgemeinde auf dem- Gesund- brunnen. Dieser Herr hatte den Verstorbenen konfirmiert und sollte nun auch die Leichenrede halten. Nachdem er sich von der Mutter hatte vortragen lassen, wie der junge Mensch zu Tode gekommen ist, soll Herr Fr. dieselbe etwa folgendermaßen ge- tröstet haben:„Liebe Frau, ich bedauere das sehr. Aber das will ich Ihnen sagen, der Junge war immer ein Faultier und vn Windhund, er hätte Ihnen später doch noch manche schwere Prü- fung bereitet." Nachdem die Mutter des Verstorbenen über diese Worte in Erregung geraten und dem Herrn Postor gesagt hatte: „Aber Herr Pastor, Sie werden doch solche Worte nicht auch am Grabe gebrauchen", erwiderte dieser:„Selbstverständlich, meinen Sie, ich werde lügen?! Ich werde es vielleicht etwas verschönern,' aber ich werde der Jugend sagen, wie leichtsinnig sie mit ihrem Leben umgeht." Hierauf betonte die Mutter, ihr Sohn wäre nicht
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten