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Nr. 186.

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Berliner Volksblaff.

29. Jahrg.

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Zelegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritplak, Nr. 1983.

Der Katholikentag.

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Sonntag, den 11. August 1912.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritzplatz , Nr. 1984.

Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, unsere Vorgänger und wir selber in dieser Angelegenheit er ihn zu lieben, ihm zu dienen und dadurch in lassen haben". den Himmel zu kommen".

Hier liegen die beiden wunden Punkte, die dem heutigen Man weiß, was hinter diesen gesalbten Worten fich für Klerikalismus zu schaffen machen. Einmal die Sozialdemo Heute beginnt in Aachen mit einem Pontifikalamt zur Absichten verbergen: völlige Unterordnung der fratie, die ihm auf den Fersen fizt und ihm die Massen ent­Anrufung des heiligen Geistes, dem heilige Messen in allen Schule unter die Kirche, Absperrung der fremdet, dann die Kirche, die an die Gläubigen herantritt Kirchen der Stadt folgen, die 59. Generalversamm- Jugend des Volkes von jeder Berührung mit dem Anspruch, sich ihr in allem, auch in ihren wirtschaft. Iung der Katholiken Deutschlands . Einen mit der Wissenschaft, Berewigung der leiblichen und politischen Bestrebungen, unterzuordnen: eine Zu Katholikentag vorzubereiten ist keine Kleinigkeit. Dieses viel- lichen wie der geistigen Anechtschaft der mutung, der allenfalls ein rückständiges Kleinbürger- und gestaltige System der Ausschußsizungen, der geschlossenen und arbeitenden Massen. In Aachen soll dies Werk zur Kleinbauerntum, nimmermehr aber die nach Macht und Reich­der öffentlichen Versammlungen, die zahlreichen Nebenveran- höheren Ehre des Klerikalismus gefestigt und erweitert tum strebende klerikale Bourgeoisie zu genügen vermag. Da staltungen von Organisationen aller Art, das Drum und Dran werden. Und auch für diesen Plan ist die Stadt der heiligen her der Krach im ultramontanen Lager, daher der Kampf der von Gottesdienst, von Wallfahrten, Umzügen, Rommersen, Windeln" der richtige Ort. Bildung hat in Aachen von jeher Starrgläubigen gegen die Kölner Richtung. Festessen, Theater- und Musikaufführungen das alles in als Lurus für das Volk gegolten. Wenn nur die Arbeiter ein Programm von fünf Tagen und dann zur regelrechten fromm genug waren, um die Armut und das Elend für eine Abwicklung zu bringen, erfordert ein Maß von Geschick, das Schickung Gottes und, weil dafür die Freuden im Jenseits nur durch lange Uebung in der Anordnung solcher Massen- um so reichlicher winften, für ein Glück zu halten, so genügte schauspiele erworben wird. Und dieses Geschick ist vorhanden: das vollauf. Im Jahre 1865 brachten auf dem Ratholiken es klappt allemal auf einem Katholikentag, und es wird auch tag in Trier die Aachener Ultramontanen den Antrag ein, Klappen in Aachen . Die Festhalle steht und ist geeignet, auch die. Versammlung möge den Schulzwang für ein der lebhaftesten Stimmungsäußerung der kochenden Volks- unheilvolles Eingreifen in die Rechte der seele standzuhalten. Die Anträge für die Ausschüsse sind ge- Familie erklären und die Katholiken auffordern, überall prüft und siebenfach gefiebt, daß fein Bankapfel in die ge- da, wo der Schulzwang bestehe, auf seine Beseitigung hinzu­schlossenen Versammlungen eindringen kann. Die Redner wirken. An dem Schulzwang ist ja nun nichts mehr in und ihre Themata für die öffentlichen Versammlungen sind Deutschland zu ändern; dafür verlegt sich aber der Klerikalis­bestimmt, die Reden sind gedruckt und die zu erwartenden mus darauf, das Maß des Wissens für die Jugend des Volkes Beifallskundgebungen in ihren verschiedenen Graden im vor- tunlichst zu beschränken und ihnen damit den Weg zu ver­aus beigefügt. Die Stimmung der Besucher ist seit Monaten sperren zu geistiger Befreiung. Zum ersten Male tritt in durch die Zentrumspresse wohlvorbereitet worden, und weiß Aachen die Organisation zur Klerikalisierung der Volksschule das katholische Volk, das morgen und die folgenden Tage in die Deffentlichkeit, ihre Verhandlungen werden an Be­nach Aachen kommt, im einzelnen auch nicht, was dort seiner deutung für die Allgemeinheit an erster Stelle stehen. wartet, so ist es doch gerüstet mit all der Beifallswilligkeit, die fich ziemt gegenüber einem Werk, dem der Papst seinen Segen erteilt hat und dem die weltliche und geistliche Blüte der katholischen Christenheit ihren Glanz verleihen wird.

Von diesen inneren Schwierigkeiten wird indes in Aachen nicht geredet werden; und doch sind sie bestimmender für das Geschick des deutschen Klerikalismus, als alle die glänzenden Veranstaltungen und hochtönenden Reden, die von heute bis Donnerstag die fromme Stadt Aachen in Erregung versezen werden. Das glänzende Paradeschauspiel, das sich in diesen Tagen im Westen entfaltet, mag manchen stärken in dem Glauben, daß es mit der Macht und der Herrlichkeit des Kleri­falismus seine unveränderte und ewige Dauer habe. Dieser Glaube trügt. Der Klerikalismus ist das, was er heute ist, nur von Gnaden einer durch die reaktionären Parteien ge­stüßten Regierung. An dem Tage, wo die Demokratie die Macht hat, ist es mit der Macht des auf Volksbedrückung und Volksverdummung gegründeten Klerikalismus vorbei. Und dieser Tag wird kommen, mag es in Deutschland auch länger dauern als anderswo.

Zur Grubenkatastrophe auf der Zeche ,, Cothringen".

Die armen Bergleute! Ueberall stößt man im Ruhr gebiet auf diesen Ausspruch, sei es in der Bahn, auf der Straße, in der Wirtschaft oder in der Zeitung. Die Zeiten ändern sich. Noch vor wenigen Monaten verlangte man gegen dieselben armen Bergleute nach Polizei und Militär. Maschinen­gewehre wurden gegen die für mehr Luft, für mehr Licht, für mehr Lebensschutz kämpfenden Bergleute aufgefahren. Nicht schnell genug konnte der Kampf niedergedrückt, er­brosselt werden. Und jetzt dieses Bedauern! Der Ruhrberg mann kennt dieses Gebaren schon und nennt es Heuchelei. In wenigen Tagen sind die Klagen verstummt. Das Ruhrgebiet ist um ein Massengrab reicher und- alles ist in Ordnung!

Zum dritten verheißt das Schreiben des Lokalkomitees, daß in Aachen die Werkeder christlichen Nächsten­liebe einen nehmen neuen Aufschwung. werden". Auch auf diesem Gebiete darf Aachen als bor Die Macher der Katholikentage arbeiten auf Spannung. bildlich angesehen werden. Man kann mit gutem Gewissen Niemand außerhalb der Leitung kennt die eingelaufenen An- sagen, daß wohl nirgendwo in Deutschland das christliche träge und die in den öffentlichen Versanımlungen zu behan- Unternehmertum unter Duldung und Förderung von ebenso delnden Fragen. Nur ganz kurz und in allgemein gehaltenen christlichen Behörden und einer noch viel christlicheren Geist Wendungen ist in dem Schreiben des Lokalkomitees an den lichkeit sich von jeher so an dem materiellen, geistigen und Bapst angedeutet worden, was der Aachener Katholikentag sittlichen Wohl des arbeitenden Volkes versündigt hat, wie in bringen wird. Wir hören da von der Notwendigkeit, in Aachen . Die greulichste Kinderausbeutung hat im vorigen Anbetracht der schwierigen Zeitlage" beizutragen zur Jahrhundert der Bevölkerung am Mark gezehrt; bei den Er­Förderung der katholischen Wissenschaft wachsenen wurde fortgesetzt, was an den Kindern begonnen nach den vom hl. Stuhl verkündeten Grund- war; es kam in den dreißiger Jahren zu gewaltsamen Auf­fäßen". Zur Behandlung dieser Frage ist Aachen durch behnungen der Masse, die dann in der Folge einer dumpfen seine Ueberlieferung der richtige Ort. Hier wurde 1862 auf Verzweiflung anheimfiel. Im Jahre 1853 konnte im preu­Die Zeche Lothringen" und ihre Verwaltung war schon dem damaligen Katholifentage zum ersten Male die Frage Bischen Abgeordnetenhause der klerikale Peter Reichensperger oft der Gegenstand heftiger Kritik und zwar mit vollem Recht. der Gründung einer fatholischen Universität er seinem Gesinnungsgenossen Lingens vorhalten, daß sich nir nirgends ist die Bedrückung, die Gesinnungsschnüffelei, die wogen. Der Befürworter des Planes, Domkapitular Hein- gendwo in der ganzen Monarchie die Berkommenheit Denunziantenzüchterei größer wie auf Beche Lothringen ". rich( Mainz ), erläuterte die katholische Universität als eine und das Elend der Arbeiter bevölkerung mehr Die Beche liegt in der Gemeinde Gerthe . Diese Gemeinde Lehranstalt, die als ihr oberstes Prinzip die göttliche und bemerkbar mache als in Aachen . In den siebziger Jahren hat ungefähr 10 000 Einwohner. Das ganze Gemeinwesen unfehlbare Autorität der katholischen Kirche in ihrem von haben die katholischen Arbeiter Aachens , geführt von einigen wird aber von der Bechenverwaltung beherrscht. Bei Ge­Gott eingesetzten Lehramt anerkennt, und die sich prinzipiell jungen Geistlichen, einen Anlauf zu selbständigem Vorgehen meindewahlen müssen sich die Beamten unter Anführung in allem dieser höchsten Autorität unterwirft". Die an dieser auf politischem und sozialem Gebiete gemacht die Bewe- des Betriebsführers Linz mit Wucht in den Wahlkampf Universität gelehrte katholische Wissenschaft" war bestimmt, gung ist durch das Zentrum mit Gewalt unterdrückt wor- stürzen. Unter Androhung der Brotlosmachung wurden bei der gottlosen" und glaubensfeindlichen" den. Bis auf den heutigen Tag zeigen sich in der der legten Wahl die Bergarbeiter aufgefordert, den Kandi­Wissenschaft der staatlichen Hochschulen ent- materiellen Lage, in der geistigen und sittlichen Haltung daten der Zeche zu wählen. Der Kaplan der katho. gegenzuwirken. Und wo es galt, sich auf diesem Ge- der Aachener Bevölkerung die Folgen jener christlichen Iischen Gemeinde wagte es, gegen den Stachel zu biete auszuzeichnen, da hat Aachen auch in der Folge seinen Nächstenliebe", die das fromme Unternehmertum an der Ar- löcken. Er wählte einen polnischen Kaufmann, der Mann gestellt. Im Jahre 1886 auf dem Ratholikentage in beiterschaft zu erproben Gelegenheit hatte. Und auch für katholischer Religion war. Das sollte für den Herrn Breslau wetterte der Aachener Zentrumsmann Dr. Lingens diese Frage ist es von Bedeutung, daß in dem Lokalkomitee Kaplan zum Verhängnis werden; der katholische sowohl wie gegen die von Gott abgefallenen und verkom- des Katholikentages als zweiter Vorsitzender jener Herr Albert der evangelische Geistliche der Gemeinde Gerthe hatte es bis menen Universitäten" und 1895 in München rief er Kern fikt, der jüngst im Verlage J. P. Bachem( Köln ) hat dahin nicht verschmäht, von der Zeche Lothringen" ein auf zum Kampf gegen den Unglauben, gegen den Geist der eine Schrift erscheinen lassen, worin er an der Hand scharf- jährliches Geschenk von ie 600 M. anzunehmen. Hochschulen und Universitäten". Zur Kennzeichnung dieser macherischen Materials den Nachweis zu erbringen sucht, mit dem Tage, wo der Herr Kaplan nicht den Kandidaten der katholischen Wissenschaft" genügt es wohl, darauf hinzu- daß die deutsche Industrie durch die Sozial. Beche gewählt hatte, wurde ihm das jährliche Ge. weisen, daß der Vorfizende im Lokalkomitee des Aachener gefeßgebung übermäßig belastet sei, und worin schenk entzogen! Katholikentages, der Arzt Dr. Winands, ein eifriger Ver- er seine Partei, das Zentrum, beschwört, endlich mal mit der teidiger der Wunderheilungen" in Lourdes ist, daß er 1905 Arbeiterpolitik Halt zu machen und mehr auf das Wohl der auf dem Ratholifentage in Straßburg aufforderte, Studenten Industrie, d. h. auf den Profit des Unternehmertums, be­nach Lourdes zu schicken, damit sie dort ihren Glauben fräf- dacht zu sein. tigen und später im Namen der Wissenschaft" die Anerken­nung der von der Mariengrotte in Lourdes ausgehenden Wunder" fordern könnten!

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SHO

Als die Explosion am 8. Auguft sich ereignet hatte, konnte man überall von den Bergarbeitern hören: Es ist ein Wunder, daß es hier solange gut gegangen ist."

Will man denn nun endlich bald auf die Klagen der Berg­arbeiter hören? Werden nun wirklich bald Arbeiterkon­trolleure fommen, die frei und unabhängig ihres Amtes walten können, so wie es die gefahrvolle Berufsarbeit der Bergarbeiter erfordert? Der Keim zur Massenkatastrophe ist täglich im Ruhrbergbau vorhanden. Wenn nicht bald Aenderung erfolgt, wird diesem Lothringen " troß der Sicher beitsmänner vielleicht sehr bald noch ein Radbod folgen!

" Die Beiten sind ernst und schwierig" heißt es in dem Schreiben des Lokalkomitees an den Papst. ,, Auch bei uns machen sich leider immer mehr die Ideen gel­Der Aachener Katholikentag wird sich ferner, wie das tend, die die bestehende Ordnung umstürzen und den von Schreiben des Lokalkomitees andeutet, mit jener Strömung" Gott gewollten Standesunterschied gewalt beschäftigen, die darauf ausgeht, die Schule ihres sam unterdrücken möchten." Gewiß! Das Zentrum christlichen Charakters zu entkleiden und so die hat die Macht dieser Ideen bei den letzten Wahlen zu spüren Jugend schon im zartesten Alter von der bekommen, und es ist begreiflich, daß es die Zeiten als ernst Brust der Kirche zu reißen". Auf dem vorjährigen und schwierig" empfindet. Der Papst hat diesen Satz mit Katholikentag in Mainz ist auf Betreiben des Zentrumsabge- besonderer Freude vernommen. Er ermuntert in seiner Ant­ordneten Marr die Gründung der Organisation der wort die deutschen Katholiken, in dem Kampf gegen den Katholiken Deutschlands zur Verteidigung Umsturz fortzufahren, das wirtschaftliche und religiöse deben richteit wieder auf das Gefeß betreffend die Sicherheitsmänner. der christlichen Schule und Erziehung" beschlossen der arbeitenden Bevölkerung zu fördern, dabei aber müsse es Dieses Gesetz war die Folge des Unglüds auf Beche Radbod" und worden. Der Urheber des Planes fand in Mainz , das 3iel als unverbrüchliches Gesetz gelten, den Anordnungen und sollte den Zweck haben, durch die Teilnahme der Arbeiter an der der Erziehung und des Unterrichts am treffend- Ratschlägen" der Bischöfe gewissenhaft zu gehorchen, indem Kontrolle in der Grube bezüglich des Arbeiterschutzes die Sicherheit ſten in den lapidaren Sägen des Katechismus ausgedrückt: jeder seine Tätigkeit nach den Vorschriften einrichte, die, in der Grube zu erhöhen. Die Forderung der Arbeiter geht schon

Unficherheitsmänner.

Das gräßliche Unglück auf Zeche Bothringen" lenkt die Oeffent