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gelegen. Viele don den Mazedoniern und besonders ihre Inspiratoren aus Sofia begnügen sich nicht niit der Autonomie. sondern fordern die Einverleibung Mazedoniens durch Bulgarien . Von diesem Standpunkte aus er- scheinen die Erfolge der Albaner als ein Hindernis, da erstens das Territorium Mazedoniens verkleinert und zweitens das Prinzip der Integrität der Türkei erklärt ivird. Denn es unterliegt keinem Zweifel, daß das autonome Albanien der eifrigste Gegner der Einverleibung Mazedoniens sein würde. Unter diesen Umständen scheint es sonderbar, daß die mazedonischen Bulgaren nicht den kritischen Moment der albanischen Bewegung und die durch die innere Krise hervor- gerufene Schwierigkeiten schon früher ausnützten. Aber die Untätigkeit der Mazedonier hat ihre tiestren, äußeren und inneren Ursachen. Ter bulgarische König mußte während seines Besuches in Wien und Berlin versprechen, Verwickelungen auf dem Balkan vorzubeugen. Der Einfluß des Hofes in Sofia auf die Führer der mazedonischen Bewegung ist groß, und der König hat zu- nächst die Revolutionäre von Exzessen in Mazedonien zurück- gehalten. Aber im Laufe der Zeit machte sich in Bulgarien eine starke Strömung zugunsten der Einmischung in die mazedonischen Angelegenheiten geltend, die anscheinend den Einfluß der offiziellen Sphären überwunden hat. Von den inneren Ursachen der Zurückhaltung der maze- donischen Revolutionäre ist am wichtigsten der O r g a n i- sations Mangel. Vor der türkischen Konstitution existierten zwei mazedonische Organisationen: dieinnere" und die äußere". Die erstere, die in Sofia entstand, hatte als ihr unmittelbares Ziel, durch eine Erhebung in Mazedonien die Einmischung der fremden Mächte zu provozieren und auf diese Weise die A n n e x i o n dieses Landes durch Bulgarien zu erwirken. Mit der Zeit entstand in Mazedouien selbst, als eine Reaktion gegen die bulgarischen Tendenzen in deräußeren" Organisation, eine neue, die sogenannte innere Organisation, die sich zur Aufgabe die Autonomie Mazedoniens stellte. DieAeußere Organisation" verfiel rasch; dieInnere" spaltete sich in zwei und nachher sogar in drei Fraktionen, blieb aber bis zur Erklärung der türkischen Konstitution bestehen. Unter dem neuen Regime restaurierte sich eine dieser Fraktionen alsBund der bulgarischen konstitutionellen Klubs". wurde jedoch einige Monade später auf Grund des Gesetzes, das die rein nationalen Vereinigungen verbot, ge- schlössen. Die andere Fraktion derInneren Organisation" jedoch bildete dieFöderative Volkspartei" mit den gewesenen Deputierten der türkischen Kammer Wlachoff, Sandansky, Tschnernopejeff u. a. an der Spitze. Diese Organisation forderte demokratische Reformen und die Lösung der Agrar- frage lind erklärte sich für die Befestigung des neuen Regiines und die Unteilbarkeit der Türkei . Dies rief die Unzufrieden- heit derjenigen Elemente hervor, die den Standpunkt der Ein- Verleihung Mazedoniens an Bulgarien vertraten. Die junge Organisation war nicht imstande diese in den breiten Massen sehr populäre Idee zu bekämpfen und löste sich bald auf. Seit zwei Jahren gab es daher in Mazedonien keine Organisation mehr. Erst in letzter Zeit wurde dank den An- 'strengungen der ehemaligen Mitglieder derInneren Organi- sation" Christo Matoff und Thodor Alcxandroff in Sofia ein Komitee organisiert, das jetzt die neue Bewegung in Maze- donien leitet. zun rDa es zweifellos ist, daß die mazedonischen Bulgaren im Grunde ihres Herzens mit den Revolutionären sympathisieren, so ist anzunehmen, daß das bulgarische Komitee bald viele Anhänger in den Massen der Bevölkerung zählen wird. Das einzige Mittel, den Erfolg der mazedonischen Revo- lutionäre zu hintertreiben, wäre die Verwirklichung einer Reihe gründlicher Reformen, vor allem die Reform der gänzlich unhaltbaren Agrarverhältnisse. Ferner wäre es sehr wichtig, die alttürkischen Beamten zu ent- fernen, eine wirkliche Gleichberechtigung der christlichen Be- völkernng Mazedoniens herbeizuführen und dieser Bevölkerung die volle Freiheit in der Einrichtung ihrer national-kulturellen Aufgaben zu geben. Wenir aber die neue Regierung weiter zaudert oder gar aus Mißtrauen zu den Mazedoniern die LieblingLidee des Dr. Nasim, die Ansiedelung islamitischer Einwanderer in Mazedonien zu verivirkltchcn fortfährt, so wird die Velvegung rasch noch größere Ausdehnung gewinnen. Dann wird es die Türkei nicht nur mit den Mazedoniern, sondern auch mit deren Freunden jenseits- der Grenze, den Balkanstaaten, zu tun bekommen. Und alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Flugwesen und Reichsfcijnorrerei. In einem seiner Romane schildert Jules Verne , der technische .Realphantast", eine Erdumschiffung mittels eines Luftschiffes schwerer als die Luft". DieS Lustschiff ist kein Lentballo», keine mit Motoren ausgestattete Gasblase, sondern eine schiffsförmige Maschine, die ausschließlich durch 78 horizontale Luftschrauben in der Lust erhalten und durch 2 vertikale Propeller vorwärts ge- trieben wird. Mit 200 Kilometer Stundengeschwindigkeit saust das 30 Meter lange Fahrzeug durch die Lüfte, bald dicht über Erde und Meer, bald hoch über den Wolken. Heute schwebt es über den Gletscherwüsten und Eisgipscln des Himalaya , um ein paar Tage später schon über Moskau , Petersburg und Paris dahinzustrcifeni. Wieder wenige Tage später zieht es über den geheimnisvollen Urwaldregioncn des tropischen Afrika seine Bahn, um dann wieder den Ozean zu überqueren. Als Verne diese technische Phantasie schuf, gab es weder einen leistungsfähigen Lenkballon, noch hatte je ein Neroplan seine Kreise in der Luft gezogen. Aber was damals wie ein Märchen klang, ist heute schon halbe Wahrheit geworden. Schon legt der mit moto- rischer Kraft ausgestattete Gleitslieger, auch eine Maschine schwerer als die Luft", an einem Tage 600.700 Kilometer zurück; schon fliegen die Zeppelinen in einer Nacht vom Voden'see bis zum Belt. Noch freilich müssen sich die großen Luftschiffe der Gas- füllung bedienen, noch haften den Flugmaschinen böse Kinderkrank- heften an, so daß die Zahl der tödlich verunglückten Jkariden tief in das zweite Hundert vorgerückt ist. Nock) ist das große, sichere Flugzeug, das Passagierluftschiff Jules Vernes , ein Traum der Zukunft, aber vielleicht nicht mehr allzu ferner Zukunft. Verne läßt das Phantasielustschift mit seinen, voneinander unabhängigen Flugschrauben durch elektrische Kraft antreiben, deren er enorme Mengen in leichten Akkumulatoren ausgespeichert sein läßt. Nun, wenn erst das Problem der Uebertragung unbegrenzter elektrischer Kraft durch die Lust geldst ist und nach Zeitungsmewungen soll es ja bereits gelöst sein, zweifellos aber steht seine Lösung in sicherer Aussicht. so steht der Konstruktion des Verneschcu Flugschiffts kaum noch etwas im Wege. Es ist daher gar nicht ausgeschlossen, daß dir wundervollen mechanischen Riesenvögel, die wir heute im B«ther schwimmen, sehen, in. gar nicht allzu ferner Zeit nur noch Erinnerungen aus der romantischen Jugendzeit der Flugtechnik sind; gerade so, wie schon heute das poetische Segel- schiff in unserer Aera der Turbine und des Dieselmotors dem Aussterben gewxiht erscheint.. die Türkei die Kraft zu einer solchen Reformpolitik bereits verloren hat. Die Haltung der Albaner. Saloniki, 17. August. Die Zahl der bisher in u e s k ü b an- gekommenen Arnauten wird bereits auf m e h r als 4000 geschätzt. Nach Privatmeldungen ist die Zahl der in und um Uesküb versammelten Arnauten bedeutend höher. Riza B e h und I s s a Boletinaz. die mit 2000 Mann in llesküb eintrafen, stellen die Bedinguug, daß die Regierung hinsichtlich der Auslieferung der Waffen genau den Forderungen der Arnauten zu ent- sprechen habe. Andere Gegenvorschläge werden als u n a n- n e h m b a r bezeichnet und die Arnauten drohen, andernfalls den Marsch nach Saloniki anzutreten. Bisher verhielten sie sich ruhig. Nach amtlichen Berichten aus E l b a s a n haben sich in der dortigen Gegend etwa dreitausend Arnauten zusammen- geschart, die in die Ortschaften einzudringen beabsichtigen. Es sollen ihnen Truppen entgegengesandt werden. Ibrahim Pascha ist von der Regierung beauftragt, den Arnautenführern mitzuteilen, ihre Forderung betreffend Ableistung deS Militärdienstes in der europäischen Türkei könne nicht angenommen werden, da ihre Annahme dos Ansehen der Regierung gefährden würde. Ibrahim soll über diesen Punkt mit den Arnautenführern ein Einvernehmen zu erzielen ver- suchen. In Starowa sWilajet Monastir) sind die Insassen deS dortigen Gefängnisses ausgebrochen und bis auf einen ent- kommen. Aus Monastir wird gemeldet, daß sich der Amneftieerlaß auch auf Tahiar Beh und die übrigen aus albanesischen Garni- fönen desertierten Meuterer erstreckt. Die Meuterer können nunmehr straflos in die Garnisonen zurückkehren. Ein Dementi. Sofia , 17. August. DieAgenee Bulgare' ist ermächtigt worden, die von dem Korrespondenten desMatin" dem Unterrichtsminister B o b t sch e w in den Mund gelegten Aeutzerungen kategorisch z u dementieren. An zuständiger Stelle wird erklärt,.der Bericht desMatin" entspreche in keiner Weise den Anschaumigen des Ministers, s?)_ poUtifcbe Gcberficbt. Berlin , den 17. August 1912. Eine.,Kreuz'Zeitttngs"-Attacke gegen den Umsturz. Eine wüste und kreuz(zeitungs)dumme Attacke gegen die Sozialdemokratie reitet in dem Organ des seligen Hammer- stein ein Herr E. G. Offenbar ist dieser Mann, sintemalen ihm das �schmückende v. fehlt, einer jener Geldmänner des konservativen Hauptorgans, denen für die patriotische Pflicht, das Defizit decken zu helfen, auch gelegentlich das Recht ein- geräumt werden tnuß, ihre journalistischen Versuche in den Spalten derKreuz-Ztg." abzulegen. Denn so wenig wir bei diesem Blatte an hervorragenden Leistungen gewöhnt sind, so sehr läßt doch der Erguß des E. O. jene demagogische Routine und politische Vorsicht vermissen, die selbst für konservative Zeitungsschreiber unentbehrlich ist. Der Artikel fordert eine rücksichtslose Bekämpfung der Sozialdemokratie mit allen Machtmitteln des junkerlich- kapitalistischen Staates. Der Kampf mit geistigen Waffen nütze ja doch nichts. Denn so oft auch die Sozialdemokratie wissenschaftlich widerlegt" worden sei, so wenig Eindruck habe das auf die roten Wählermassen gemacht. In der Tat: die agrarisch-konservativeWissenschaft" hat der Sozialdemokratie noch nicht wehe getan, und auch das konservative Pflügen mit dem liberalen Kalbe, etwa mit Herrn Eugen RichtersIrr- lehren", hat den Effekt nicht zu vermehren vermocht. Was aber freilich nichts für die geistige Unempfindlichkeit der Sozialdemokratie, sondern nur umsomehr gegen dieWissen- schaftlichkeit" agrarisch-kapitalistischer Klopffechter beweist I Schrecklich sind dann die Klagen über die Verbrechen der Sozialdemokratie: sie richte ihre Angriffegegen die Person des Kaisers", gegendas ihm getreue Heer", gegendie dienstgetreue Beamtenschaft", gegenjedwede Autorität in Kirche und im Staate".*Als ob nicht die derKreuz-Zeitung " gar nicht allzu fernstehenden Freikonservativen die Person des Kaisers schlimmer verunglinipft hätten, als irgend jemand, geschweige denn die Sozialdemokratie, die sich stets nur gegen volksfeindliche autokratische Kundgebungen ge- wendet hat l Und als ob nicht die Heidenangst um dieTreue" von Heer und Beamtenschaft auch dem Blindesten das böse Gewissen derKreuz-Zeitungs'-Ritter verriete! Richtig ist eben Aber auch ohne solch kühne Ausblicke auf die Entwickelungs- Möglichkeiten der Luftschiffahrt können wir uns deS bereits Er- rungenen mit berechtigtem Stolze erfreuen. Und diese Genug- tuung braucht uns auch die bedauerliche Tatsache nicht zu trüben, daß einstweilen nur der internationale Militarismus die Vorteile der neuen glorreichen technischen Errungenschaft, zu haben scheint. Auch braucht uns die Freude am Flugwesen die Skepsis eines schier unausrottbaren Pcdantentums nicht zu verderben, das da meint, der bisherigen Menschenopfer seien allzu viele gefallen und es wäre besser gewesen, wenn erst die exakte Wissenschaft eine gefahrlose und vollkommene Lösung des Flugproblems gefunden hätte. Probieren geht auch hier über Studieren, und wenn die Menschheit hätte warten sollen. bis erst das Flugproblem in der Studierstube einwandfrei gelöst war, hätten wir vielleicht noch lange auf den Lenkballon und den Aero- plan warten könne» I So wenig wir skrupellose Kapitalisten- Methoden und ein frivoles Aufsspielsetzen von Menschenleben, ent­schuldigen wollen: das Fliegcrwesen verkörpert ein Stück Helden- tum, und es sind Kulturpioniere, die im Kampfe um die BeHerr- schung der Luft den Tod gefunden. Denn auch das beweist nichts gegen diese Auffassung, daß der Wagemut der Flieger den mannig- fachsten psychischen Triebkräften entstammt. DieGunst schöner Frauen" und eineStange Gold" wünschte beim großen deutschen Rundflug im vorigen Jahre Major Parseval den Fliegern. Diese Lockungen und Ehrgeiz und jugendlich überschäumender Tatendrang mögen die Flieger zu ihren Wagnissen angespornt, mögen viele von ihnen in den Tod getrieben haben,. Aber mit der Philosophie des reinen Mittels kommt man nun einmal in der Wellgefchichte nicht aus. Ehrgeiz ist noch stets und überall eine der Triebfedern kühnen Vorwärtsdrängens gewesen, auch in der Politik. Und die Dämonie der Liebe hat gelegentlich auch ihre Rolle gespielt, von Ferdinand Lassalle , den ein Liebeshandel zum unglückseligen Duell trieb, bis zurück zu Ulrich Hutten , der der Lustseuche erlag. Wobei freilich schon David Friedrich Strauß in seiner Hutten-Biographie die Fest- slellung des Berliner Kaufmannsgerilyt vorwegnahm, daß sich jemand eine Geschlechtskrankheit zuziehe,., könne, ohne ein Wüstling iU �Trotzdem hat sich derVorwärts" gegen, den, Blumen tag ge- wendet, der zur Füllung der Reichsfliegersttfwng dienen soll, aus der verunglückten Luftpionieren oder ihren Hinterbliebenen Unter- stützungen zu gewähren sind. Und mit Recht: denn die Blumentag- seuche wird nachgerade gemeingefährlich! Wenn die Flugzeug. fabrikanten nicht für die Opfer der Flugkunst sorgen können, so müßte etzen der Staat mit seinen, Mitteln eingreifen. Er ist ver«, nur, daß die Junker von dem Kampf mit geistigen Waffen nichts wissen wollen, weil sie solche Waffen zu führen längst verlernt haben und daß sie alles Heil nur von der rohesten und stupidesten Gewaltpolitik erwarten I Zu den geistlosen Mitteln des Herrn E. G. gehört auch die Denunziation, wenn er klagt, daß gegen diemaß- losen Angriffe" der Sozialdemokratie gegenThron und Altar" nurselten und vereinzelt" die Staatsanwaltschaft einschreite, und daß die Paragraphen des Strafgesetzbuches über Aus- reizung zum Klasienhaß und Hochverrat nicht mehr in Kraft zu sein scheinen I Das müssen sich preußische Staats- anwälte sagen lassen! Dann wird verstärkter Mittelstandschutz empfohlen, um derstaatserhaltenden" Elemente sicher zu bleiben. Auch der wäre doch nur möglich, wenn die Herren Sttohdachflickenden ein wenig mehr in den eigenen Geldbeutel greifen wollten, statt nicht nur der Arbeiterklasse, sondern auch dem Mittel- stand durch Brot- und Fleischwucher immer mehr die Existenz zu erschweren I Da E. G. seine Pappenheimer gut genug kennt, um nicht eine solche Mittelstaridspolittk von ihnen zu er- hoffen, fordert er zu guter Letzt denHieb", denAn- griff". DerMut der Kaltblüttgkeit", von dem Caprivi gesprochen habe, sei jetzt nicht mehr am Platze. Der gute Mann will also wohl Ausnahmegesetze, Stand- gerichte, Polizeiattacken ä la Moabit I Das hat der Sozial- demokratte gerade noch für die nächstjährigen Landtags- Wahlen gefehlt I Endlich aber verlangt Herr E. G. Schaffung eines konservativen Witzblattes zur höheren Volks- Verblödung. Da meinen wir denn doch, daß solch ein Witz- blatt so lange wirklich überflüssig ist. als sich dieKreuz- Zeitung " solche Mitarbeiter wie E. G. zu sichern weiß! Nach einer neuen Liebesgabe schreien wieder einmal die ostpreußischen Junker. Und zwar find es die Remontezüchter, die mehr Geld vom Reich für ihre Pferde ver- langen, obwohl sie diese sehr gut bezahlt erhalten. Agrarische Blätter in Ostpreußen schreiben, die Züchter wären im allgemeinen unzufrieed en mit den gegenwärtigen Remonte- preisen. Sie arbeiteten unter den jetzigen Verhältnissen, was außer Frage zu stehen scheine, mit einem Defizit oder mit nur sehr geringem Gewinn. Die Ursachen seien zu suchen in den hohen Preisen für die Füllen, in den teuren Kosten der Aufziehung und in den großen Anforderungen der Remonteankaufskommissionen. Man glaube, daß aus diesen Gründen die Remontezucht eine Einschränkung erfahren werde. Daraus aber resultiere eine nationale Gefahr, weil keine andere Provinz in der Lage sei, Ersatz für den Ausfall an Remonten in Ostpreußen zu liefern. Es müsse daher als eine Notwendigkeit bezeichnet werden, daß d a S Kriegsministerium den Etat für den Remonte« ankauf erhöhe. Die Schädigung, die durch eine Einschränkung der Remontezucht nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den Handel entstehe, werde illustiert durch die Tatsache, daß die Provinz Ostpreußen etwa 75 Proz. und der Regierungsbezirk Gum- binnen allein etwa SS Proz. sämtlicher deutscher Militärpferde liefere. Also wenn den Remontezüchtern die Taschen nicht noch mehr als bisher gefüllt werden, dann gibt eS einenationale Ge» fahr", d. h.. dann mag das teure Vaterland, da» einzig und allein zum Schröpfe» da ist, sehen, wo eS seine Remonte» herbekommt. Und solche Drohung kommt aus Kreisen, die sonst mit ihrer wahrhaft nationalen Gesinnung" nicht genug zu prunken wissen und die sich in der Regel als die festesten Stützen deö Thrones preisen. Aber verdient muß dabei gehörig werden, sonst wird dem Racker Staat der Stuhl vor die Türe gesetzt. Es kann gar keine Rede davon sein, daß die Remontezüchter mit Defizit oder nur mit geringem Gewinn arbeiten. Sie haben bisher bei dem Handel mit dem Reiche sehr gute Geschäfte gemacht. Unsere Behörden sind durchaus nicht so agrarierfeindlich, daß fie den Junkern schlechte Preise bieten. Hinter diesenKlagen" stehen vor allem die Großgrundbesitzer, da das Reich jenen Bauern, die auch Remonten züchten, nur selten Pferde abkaust. Wollen die Kleinbauern ihre Pferde an den Staat losschlagen, so müssen sie gewöhnlich die Remonten an die Großgrund- besitzer verkaufen, und diese liefern fie dann natürlich mit einem entsprechenden Gewinn den Militärbehörde». Ueber diese schöne Praxis ist schon wiederholt von den Bauern bitter ge« klagt worden. pflichtet, nicht nur den MiliwrismuS zu mästen und den Polizei- staat zu alimentierrn, sondern auch für den, Kulturfortschritt zu sorgen. Und es ist eine unsinnige Behauptung, daß er das nicht könne. Er könnte es sehr»vvhl, wenn er nur wollte. Er könnte es sogar, ohne deshalb einen Pfennig direkter obct indirekter Steuern mehr zu erheben. Oder glaubt man wirklich, daß sich or den anderthalb Milliarden, die das Reich Jahr für Jahr für Mili- tarismus, MarinismuS und Weltpolitik opfert, nicht ein paarmal hunderttausend Mark für die Fliegcrversorgung ersparen ließen?! Aber vom Reiche ganz abgesehen, auch der preußische Staat hätte Mittel in Hülle und Fülle, wenn es ihm nur ernst wäre mit der Förderung der Flugtechnik und seinem Wohlwollen für die Piloten. Warum vergeudet denn Preußen anderthalb Millionen jährlich für die Jugendpflege, die gar keinen anderen Zweck und Simr hat, als der geistigen EntWickelung der Nation Hemmschuhe anzulegen und die Kinder des Proletariats wieder zur Polizei- und Pfaffen- fürchtigkeit zurückzuführen? Oder warum verzichtet man nicht zu- gunsten der Flieger auf die 300000 Mark, die im Etat für geheime Ausgaben der Polizei vorgesehen sind, für Zwecke der Spitzelei unÄ Spionage? Oder warum streicht man nicht die 265 000 Mark jähr- lich. die für die sieben preußischen Legationssekretäre in Rom . München . Dresden . Karlsruhe , Hamburg , Stuttgart und Oldenburg zum Fenster hinausgeworfen werden? Der Gesandte beim Vatikan kriegt ollein jährlich 75000 Mark; dafür quittiert dann die Kurie mit Nasenstübern, wie die Borromäus-Enzyklita und der Moder- nisteneid. Für diese unfinnigen Sinekuren hat man Geld in Menge übrig. Ja, der preußische Landtag hat noch in der letzten Session eine halbe Million Mark für Ankauf der ehemals Laeiszschen Villa in Hamburg bewilligt, um dem armen obdachlosen preußischen Ge- sandten in Hamburg eine Unterkunft zu schaffen! Der arme Kerl mußte, so wurde in der 5kommission erzählt, bislang ftn Hotel wohnen, weil in der großen Hansastadt Hamburg partout kein standesgemäßes Quartier für ihn aufzutreiben war! Und da soll- ten keine öffentlichen Mittel für eine Fliegerversorgung vorhanden sein, so daß der Bettelsack geschwungen werden müßre?! So gut es mancher der Organisatoren der Reichsfliegerstiftung meinen mag, und so sehr wir den Fliegern eine ausreichende Ver- sorgung gönnen, die Sozialdemokratie kann den Blumentagbettel weder gutheißen noch mitmachen! Sie ist bereit, jeden Kultur- fortschritt von Staats wegen fördern zu helfen. Mögen die übrigen Partejen, Mg gutep UMn nur auch betpcjje«!