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Nr. 198. 29. ZahrMg. 1. fttilnjt dkg Jotiüitlg" Kttlim loiyintt Dienstag, 20. August 1912. Die Generalverlammlung des Kreis- Slablvereins für liiederbarnlm fagfe öm Sonntag im Cafe Bellevue-Rummelsburg  . Auf der Tagesordnung stand als erster Punkt: Stellungnahme zum Parteitag, Genosse Lorenz, der hierzu das einleitende Referat hatte. hing zuerst auf die bekannten Vorgänge anläßlich der Marokkoaffäre ein. Der Parteivorstand habe damals nicht rechtzeitig protestiert und sei erst durch die Genossen im Lande zu einer Aktion gedrängt tvorden. Bei dem Rundschreiben des Parteivorstandes an einzelne Redaktionen im Anschluß an den Buchdruckerstreik bei Ullstein sei Dieser zweifellos von der Generalkommission der Gewerkschaften (aspiriert gewesen. Der Parteivorstand habe hierbei nicht genügend Rückgrat gezeigt. Die Frage des Partciausschusses wolle er nicht vom Gesichtspunkt ob rechts oder links behandeln, sondern nur objektiv untersuchen, ob eine solche Einrichtung notwendig ist. Er sei zu der Ansicht gekommen, daß die Schaffung eines Parteiaus- schusscs abzulehnen ist, und zwar deshalb: Zweiunddreißig Per- sonen wären nicht imstande, so schnell zusammenzutreten und einig zu werden, als wenn es nur fünfzehn oder etwas darüber sind. Uebrigens habe der Parteivorstand auch jetzt schon die Befugnis, jeweilig Konferenzen einzuberufen, um sich zu unterrichten. Wäre ein Parteiausschuß da, so würde eine Verantwortlichkeit des Partei- Vorstandes nicht mehr bestehen, er würde sich hinter dem Partei- ausschuß und umgekehrt der Parteiausschuß hinter dem Parteivor- stand verkriechen. Darum sei der Partciausschusi abzulehnen. Der Redner schlägt vor, den Parteivorstand um fünf bis sieben unbe- soldete Mitglieder zu verstärken, die auf dem Parteitag zu wählen sind. Die Kontrollkommission, wie sie jetzt besteht, solle man weiter bestehen lassen, höchstens könne man sie noch in ihren Befugnissen weiter ausgestalten. Der Kricgsfonds sei auf die höchste Höhe zu bringen. Die letzten Wahlen hätten große Summen verschlungen und die nächsten Wahlen werden voraussichtlich noch mehr Geld er- fordern. Der Imperialismus habe die schlimmsten Formen ange- nommen und wir müßten ihn aufs schärfste verurteilen, was wir schon jetzt täglich täten, was aber in Zukunft noch schärfer zum Ausdruck kommen mühte. Bezüglich der Stichwahltaktik werde ge- sagt, der Parteivorstand hätte gute Gründe für seine Maßnahmen gehabt. Die Gründe mögen ja gut gewesen sein, aber eine solche Dämpfung des Wahlkampfes dürfe nicht mehr vorkommen. Darum müsse man es jetzt mißbilligen. Der Redner geht auf die vorliegenden Anträge ein und führt dabei unter anderem aus: Es müsse den Mitgliedern zur Pflicht gemacht werden, den l. Mai durch Arbeitsruhe zu feiern. Aller- dings müßten dann die von den Maßnahmen der Unternehmer betroffenen Mitglieder unterstützt werden. Bezüglich des Antrages, welcher Sonderkonferenzen unserer Parlamentarier untersagt wissen will, ist der Redner der Ansicht, daß man demselben sympathisch gegenüberstehen könne. Es sei zu bedauern, daß bei uns solche Konferenzen stattfänden. Alle Parteifragen müssen gemeinsam ge- regelt werden. Man sage nun, die Zusammenkünfte von Abgc- ordneten seien rein privater Natur. Das treffe jedoch nicht zu, denn solche Konferenzen nähmen zweifellos Stellung zu inneren Parteifragen. Dazu sei aber die Parteiorganisation da, der die Abgeordneten angehören. Er würde es begrüßen, wenn einmal eine Konferenz zwischen den rechts und den links Stehenden stattfände, die sich mit den Differenzpunkten beschäftigte und dieselben zu klären versuchte. Anderenfalls werde aus eine Spaltung hinge- arbeitet. Es müsse eine Form gefunden werden, um beide Teile zusammenzubringen. Zu der Resolution, die den Branntwein- boykott betrifft und von Lichtenberg   der Generalversammlung unterbreitet wird, bemerkt der Redner, er bitte, dieser Resolution zuzustimmen, bis auf den Absatz, der die Inserate betrifft. Vor- läufig sei die Durchführung dieser Forderung nicht möglich. Als erster Diskussionsredner nimmt das Wvrt Schacht. Redner geht unter anderem auf die Frage des Parteiausschusscs ein. Eine Aenderung soll durch dessen Schaffung nicht eingeführt werden. sondern man wolle nur die jetzt bestehende losere Form festigen. Wer auf demokratischem Standpunkt stehe, müsse gerade begrüßen, daß den Mitgliedern ein größerer Einfluß eingeräumt werden soll. Durch den Parteiausschuß solle die Verantwortlichkeit des Partei- Vorstandes in die Brüche gehen? Bis jetzt habe man noch keinen Grund gehabt, das Verantwortlichkeitsgefühl des Parteivorstandes anzuzweifeln. Die Rechte der Kontrollkommission sollen durch Ver- mehrung ihrer Mitglieder verstärkt werden. Dann sei es auch möglich, ihre Tätigkeit zu erweitern und die Beschlüsse und Maß- nahmen des Parteivorstandes zu überwachen. kleines fcullleton. Parsifal  " nicht für die Arbeiter. In der WienerNeuen Freien Presse" verbreitet sich Hermann Bahr   unter Bedachtnahme auf WagnersParsifal  " über die Schassung eines allgemeinen Schutz- gesetzes für jedes 5kunstwerk. Kein Ausnahmegesetz für denParsifal  " fordern wir, schreibt er, sondern das aus Anlaß der Gefahr für denParsifal  " vorgeschlagene Gesetz soll allgemein das Werk eines jeden Künstlers davor schützen, seiner notwendigen inneren Be- stiminung entrissen, um sich selbst gebracht, zu seiner eigenen Kari- katur gemacht, geköpft, gevierteilt und ausgeweidet zu werden. Aber nun sagt man: Setzt ihr dies durch und bleibt der Parsifal  " also nach dem Willen Wagners für alle Zeit Bayreuth  vorbehalten, so wird niemals die ganze Nation Wagners höchstes Werk, die größte deutsche Tat neben demFaust", kennen lernen. so werden die Arbeiter, werden die Armen immer davon aus- geschlossen bleiben. DieS ist ein ernster Einwand, wenn er auch kaum von allen, die ihn machen, ernst gemeint wird. Aber zunächst eine Gegenfrage: Wenn wir es nicht durchsetzen, sondern derParsifal  " wirklich frei wird, wird ihn denn dann die ganze Nation kennen lernen, wird er denn dann auch den Armen erreichbar sein? Wie denn? Wo denn? Durch wen denn? Bei unseren Opernpreisen? Hat denn von allen diesen nun auf einmal so volksfreundlichen Intendanten und Direktoren die ganzen Jahre her jemals einer daran gedacht. ArbeiternTristan", denRing" oderDie Meistersinger  " zugeben? Ich weiß nichts davon. Wenn die Wiener Arbeiter Wagner   gehört haben, so verdanken sie das der Freien Volksbühne  , meiner Frau, die ihnen Wesendonk-Lieder und den Schluß derGötterdämme- rung" vorgesungen, und Nebdal. der sie mit seinen, Orchester so mächtig begleitet hat. Aber es ist mir unbekannt, daß unsere Hof- oper jemals Volksvorstellungen veranstaltet oder daß das Unter- nehmen, das sich Volksoper nennt, jemals das Volk eingelassen hätte, so wenig als irgendeine Berliner, Dresdener oder München  « Oper. DaS Volk hat noch nicht einmal Gelegenheit gehabt,Fidelio  ", den Freischütz  " undEuryanthe  ", Gluck und Mozart   zu hören, und so scheint es mir unwahrscheinlich, daß man sich gerade mit demPar- sifal' so beeilen wird Wenn Intendanten und Direktoren nun auf einmal so volksbildunasbegierig tun. nein, das ist bloß eitle« Ge- flunker. Nicht für das Volk, nicht für die Arbeiter wollen sie den Parsifal  ". Ganz richtig: sie wollen ihn zu Geschaftszwecken: sie wollen ihre Kassen füllen, also nur daS, was alle Hof- und Privat- theater. die Wagners übrige Musikdramen bisher aussührten, getan haben und immer tun werden. Beim Bau des Panamakanals sind 70 000 Arbeiter beschäftigt. ES dürfte interessant sein, zu erfahren, welche Anstalten zur Unter- Haltung dieser gewaltigen Armee getroffen wurden. Den Ufern des Kanals entlang ist eine ausgedehnte Stadt entstanden, wo die Ar- IBend meint, daß bei wichtigen und dringlichen Sachen der Parteivorstand doch selbständig entscheiden müsse, da die auswärts wohnenden Genossen doch nicht alle schnell genug hier sein können. L e i p o l d bezeichnet es als Kleinlichkeit, wenn solche Genossen, die im festen Lohn stehen und frei seien, den Parteitag immer wieder mit Anträgen beschäftigen, die die Beseitigung des Nürn- bergcr Beschlusses(Antrag 90) bezwecken. Solche Genossen, die nie- mals arbeitslos seien und keine Maßregelung zu fürchten hätten, sollten sich nicht um die paar Groschen zu drücken suchen. Kiesel verlangt, daß Sonderkonferenzen von Parteigenossen unter keinen Umständen weiter stattfinden dürften. Das führe nur zu Unzuträglichkeiten und sei nicht im Interesse der Partei. In erster Linie seien die Organisationen der einzelnen Kreise berufen, in solchen Fragen zu entscheiden. Solche Konferenzen müßten von nun ab, ganz gleich, von welcher Seite sie arrangiert werden, unterbleiben. Nun nimmt Stadthagen   das Wort und geht auf die Frage der Reorganisation des Parteivorstandes ein, die er als die wich- tigste bezeichnet. Es herrsche unter den Genossen Unzufriedenheit. daß der Parteivorstand in wichtigen Fragen nicht schnell genug arbeite. Es möge dahingestellt bleiben, ob der Vorwurf berechtigt ist oder nicht, jedenfalls ist aber allgemein die Ansicht verbreitet, daß schneller gearbeitet werden müsse. Ein Parteiausschuß, wie er gefordert wird, wäre jedoch ein Nachteil und würde den Partei- vorstand in seinen Entschließungen schwerfällig machen. Es wäre nicht möglich, bei aktuellen dringlichen Fragen dann noch rasche Beschlüsse zu fassen. Er sei dafür, daß die Kontrollkommission er- weitert und in ihren Rechten gestärkt werde. Der Antrag bezüg­lich der Konferenzen sei ihm unverständlich. Was seien das für Konferenzen gewesen, von denen immerfort geredet werde. Die Zusammenkunft in Eisenach   sei eine zwanglose und unverbindliche gewesen. Von einer Konferenz könne keine Rede sein, das habe derVorwärts" schon festgestellt. Bürgerliche Zeitungen und die sozialdemokratischeChemnitzer Volksstimme" hätten die Angelegen- heit sensationell aufgebauscht. Es sei weiter nichts gewesen, als daß in Eisenach   eine Anzahl Abgeordneter zusammengekommen sei, um sich über politische Fragen zu unterhalten. Die Abgeordneten hätten dasselbe Recht, sich über Politik zu unterhalten, wie jeder andere Genossen. Trotzdem wolle man ihnen das verbieten. Ja, er müßte es sogar als Pflichtvergessenheit bezeichnen, wenn einem Abgeordneten Gelegenheit gegeben wäre, einer derartigen Unter- Haltung beizuwohnen und er derselben fern bleiben würde. ES seien bei dieser Zusammenkunft, was er ausdrücklich betonen möchte, keine Beschlüsse gefaßt worden. Er sei überzeugt, daß der Partei- tag jedes Ansinnen zurückweisen werde, wonach die Abgeordneten auf ein so tiefes Niveau gestellt werden sollen, daß sie sich noch nicht einmal mehr über politische Fragen unterhalten dürfen. Der An- trag läuft auf eine Unterdrückung der Meinungsfreiheit aus. Kiesel habe das jedenfalls nicht gewollt, sondern sich nur gegen Sonderorganisationen wenden wolle. Sonderorganisationen wolle aber kein Mensch und er, Redner, selbstverständlich erst recht nicht. Wolle man aber in dieser Hinsicht vorgehen, dann möge man dort ansetzen, wo dieSozialistischen Monatshefte" herkommen. Schwenk ist anderer Ansicht wie Stadthagen  . Je mehr die Gesamtpartei beim Parteivorstand vertreten sei, um so mehr komme der Gcsamtwille der Parteigenossen zur Geltung. Der Partei- ausschuß bedinge keine Schwerfälligkeit und in 24 Stunden sei es möglich, die Mitglieder aus allen Landesteilen herbeizuholen. B ü h l e r: Was den Parteiausschuß betrifft, so schließe er sich dem Urteil an, das die übergroße Zahl der Streife gesprochen hat, nämlich Ablehnung desselben. Der Parteivorstand würde sich sonst stets hinter dem Parteiausschuß verstecken! können. Der Partei- vorstand sei eine Instanz, die nicht zu groß sein dürfe, weryn sie nicht schwerfällig arbeiten soll. Wenn die Reichstagsfraktion auf dem Parteitag nur vertreten sein soll, dann wird eS so konuneru daß die Abgeordneten sich in ihren Streifen ein Mandat holen und somit die Delegierten aus dem Kreise der Genossen vom Parteitag verdrängen. Deshalb sage er: Entweder eS gehen alle Abgeordneten �um Parteitag oder nur eine Delegation von drei Mann, die die Fraftion ja ebenso gut vertreten kann. Ob die Abgeordneten in allen Fragen stimmberechtigt sein sollen» darüber könne man allerdings anderer Meinung sein. Konferenzen jeder Art verurteilt er, Redner, und die große Mehrheit tue es ebenfalls. Die Rechte habe damit an- gefangen und die Linke habe es nachgemacht. Vor allem sei zu verurteilen, daß so geheimnisvoll damit umgegangen werde. Wenn schon konferiert werde, dann habe die Organisation ein Recht zu wissen, was da vorgeht. Stadthagen   sage ja nun, es seien ja nur zwanglose Zusamnwnckünste, aber der Umstand, daß man erst auf Umwegen davon Kenntnis erhielt, lassen Bedeniken jeder Art zu. Deshalb fort mit solchen Konferenzen. beiter ihren täglichen Verrichtungen nachgehen, essen und schlafen. Alle Nahrungsmittel, Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände müssen durch ein Schiff, daS eine sechstägige Seefahrt zurücklegt, herbeigeschafft werden. Wenn man die 70000 Mann in Betracht zieht, ist es klar, daß eS sich um keine Kleinigkeit handelt. Die Riesenbäckerei verbrauchte im Jahre lölt 16638 Fässer voll Mehl, aus dem ö 236 474 Laib Brot, öS? öS? Brötchen und 97 ö81 Pfund Kuchen bereitet wurden. Auch die Wäscherei ist von riesiger Aus- dehnung. Im Laufe des Jahres 1911 wusch sie 3 581 323 Wäsche- artikel. Die Kaffeerösterei röstete 270 047 Pfund Kaffee. An Speise- eis wurden 33 267 Tonnen fabriziert. Theater. Trianon-Theater. Mit der vor Jahren bereits auf der- schiedenen Berliner   Bühnen heimisch gewesenen, übrigens geist- funkelnden apologetischen SatireDer Dieb" von Octave M i r b e a u als Schlußstück, glaubte man vielleicht zwei voraus- geschickte Einakter genügend entschuldigt zu haben. Allein sowohl Die Brieftasche"(vom selben Autor) wieEin Pein- licher Zwischenfall" von Andrä de L 0 r d e und M a s s 0 n- Fore stiere(gleichfalls alte Bekannte, wenn wir uns recht erinnern) entfernen sich doch zu wenig von jenem Genre, das man zensorlich beschlechtachtete Zoten nennen könnte. Zwar mag eS Leute geben, die aus dem Umstände, daß in beiden Sachen französischeselbstverständlich" französische Polizeikommissare eine ziemlich blamable Tugendwächterrolle spielen, unserer Polizeibehörde die schöne Gabe der Selbstverspottung zuerkennen. Dies Lob, mit dem wir gewiß nicht geizen würden, verliert jedoch jeden Schein von Berechtigung, sobald man sich jene grobe Portion von unqualifizier- barer Hilflosigkeit, die ebendieselbe Zensnrbehörde durch ihr schikanöses Bcrbol des R 0 s e n 0 w schen ArbeiterdramasDie im Schatten leben", bekundet hat, vor Augen hält. Aus Reichtumsverlegen- heit wurden die obigen Stücke sicher nicht gewählt. Aber die Direktion besann sich rechtzeitig oder unzeitig auf daS erproble Bolksfprichwort vom Teufel, der in dee Not sogar Fliegen frißt; und Olga Limburg  . Marie Coruny, HanS Junkermann   und Fritz Spira   sind verurteilt, sie ihm zu fangen. o-> Musik. Was vom Berliner   musikalischen Bühnenwesen den Krallen des Pleitegeiers entgangen ist, scheint jetzt in eine besonders heiße Konkurrenz hineinzugeraten. Das Theater des Westens kann allerdings noch von der R e i n h a r d t schen Inszenierung der Schonen Helena" Offen bachs zehren. Am Sonntag gab's zum Saisonbcginn eine Auffrischung oder auch nicht: Die charakteristische Konsequenz der Durcharbeitung war höchstens gleich- geblieben, die Zurücksetzung des Musikalischen hinter das Schau- spielerische noch merkbarer; und der neue Kapellmeister Fritz Redl   erreichte eS nur eben, den Operettenton überhaupt gut zu treffen. Ritter: In weiten Kreisen ist man der Ansicht, daß das bureaukratische Element im Parteivorstand überwiegt. Deshalb verlange man Reorganisation desselben. Redner wünscht, daß fünf unbesoldete Mitglieder dem Parteivorstond zugefügt werden. In Sonderkonferenzen sieht Redner keine Gefahr. Man solle die Ab- geordneten nicht beschränken und ihnen Bewegungsfrekheit lassen, was wir aber verlangen könnten, daß sei vollste Auskunft über die gepflogene Verhandlung. Brühl  : Vom Parteiausschuß sage man, er würde nur als Dekoranon dienen. Man könne sich aber ja ansehen, wer hinein- kommt, e9 dürsten nur solche Mitglieder gewählt werden, die vom Vertrauen ihres Kreises getragen sind. Vorkommnisse, wie die an- läßlich der Marokko-Afäre erfolgt sind, würden allerdings auch nicht durch einen Parteiausfchuß verhindert werden können» K ü t e r wendet sich ebenfalls gegen den Parteiausschuß. Zum Antrag bezüglich der Konferenzen erklärt er, wogegen die Genossen sich wenden ist der Umstand, daß Konferenzen einbruftn werden zu einem besonderen Zweck. Bei zufälligen Besprechungen wäre es ja etwas anderes, bei den Konferenzen aber bestehe von vornherein eine bestimmte Absicht. Durch Annahme eines Schlußantrages wurde die Debatte be- endet. In der Abstimmung wurden folgende Anträge an- genommen: Resolution zur Jugendagitation. Mit Rücksicht darauf, daß die Verfolgungen der Arbeiter- jugend durch die Polizeiorgab« bei Zusammenkünften. Spazier- gängen und Ausflügen immer mehr um sich greifen und die Jugendlichen unserer politischen Organisation bis zum 18. Jahre gesetzlich entzogen sind, beauftragt der Parteitag den Partei- vorstand Maßnahmen zu treffen» daß die Jugendlichen in der Zeit von 18 bis 20 Jahren um so gründlicher aufgeklärt und für unsere Bestrebungen gewonnen werden." Resolution zum Branntwcinbohkott. Der Chemnitzer Parteitag erneuert und bekräftigt den> von dem Leipziger   und Magdeburger   Parteitag beschlossenen Brannt- weinbvykott. Der Parteitag stellt fest, daß die bisherige Durch- führuug des Boykotts an vielen Orten eine erhebliche Verminde- rung des Branntweinverbrauchs zur Folge gehabt hat. die im Interesse der körperlichen und geistigen Volksgesundheit, der ge- steigerten Kampffähigkeit des Proletariats und der Schwächung seiner bösartigsten Feinde freudig zu begrüßen ist. Er erkennt zcdoch für viele andere Orte eine viel schärfere Durchführung des Parteitagsbeschlusses als notwendig und verpflichtet insbesondere die Vertrauenspersonen zu deren energischster Unterstützung. Der Parteitag erklärt, daß der Beschluß sich auf Spirituosen jeder Art bezieht, da er nicht allein der Bekämpfung des osdelbischen Junkertums, sondern auch als praktische Protestaktion gegen das herrschende Steuersystem dient. Diese Protestaktion ist durch die neueste, unter dem Namen:Abschaffung der Liebesgaben" er- folgte weitere Belastung der ärmsten Schichten zugunsten des Militarismus und der Schnapsproduzenten besonders dringlich geworden, zugleich aber bezweckt sie auch die Förderung der durch den Alkohol gefährdeten Volksgesundheit. Er erkennt jedoch eine viel schärfere Durchführung des Partei- befchkusscs als notwendig an und verpflichtet die Parte igenoLj«» zu deren energischster Unterstützung." Anträge. 1. Im§ 5 sechste Zeile hinter6 Pfennig" ist einzufügen: in Kreisen, wo sehr niedrige Löhne gezahlt werden» sind zunächst Ausnahmen zulässig. Doch dürfen die Beiträge nicht geringer sein, als im bisherigen Organisationsstatut angegeben." 2. Der vorgeschlagene Parteiausfchuß ist abzulehnen. Vermehrung des Parteivorstandes durch unbesoldete Beisitzer, deren Zahl auf sieben zu erhöhen ist. Ausdehnung der Rechte der Kontrollkommission und Beibehaltung der im Z 19 des Organi­sationsstatuts vorgesehenen Konferenzen. 3. Der Parteitag möge beschließen: Der Parteitag mißbilligt die Abhaltung von Sonderkonfe» renzen jeder Art. Die Abgeordneten sind in erster Linie Mit­glieder der sozialdemokratischen Parteiorganisation ihres Kreises und haben als solche daher die Pflicht, diesen ihre Anschauungen und Meinungen über alle daS Parteileben berührende Fragen zu unterbreiten." 4. ß 23 Absatz 2 deS Organisationsstatuts ist wie folgt zu ergänzen:Ueber die Zugehörigkeit zur Partei entscheidet der Vorstand der zuständigen Bezirks--' oder LandeSorgamsation oder eine von diesen eingesetzte SchiedS- g e r i ch t S k 0 m m i f f i 0 n". Die vorstehenden Anträge wurden, wie bemerkt, angenommen. Die Hauptrollen waren neu besetzt. Der Nachfolger PallenberaS in der Darstellung des MenelauS, Hermann Feiner  , hatte einen besonders schweren Stand: in der nun einmal gegebenen Gesamtanlage sollte er doch mal bleiben da kam nicht viel anderes als eine Variante feines Vorgängers heraus. Der neue Vertreter des Paris, KarlBaum als Gast, verfügt über eine gute Stimme, behandelt sie jedoch namentlich in der Hohe etwas un- gefüge. Die Titelrolle gibt jetzt Martha Kriwitz. Auch ihre schöne Stimme könnte noch besser behandelt sein. Aber in der Ausdruckgebung, in der Dialogsprache und namentlich im Spiel ist sie hervorragend; die Gegensätze zwischen Pathos und Spaß, zwischen Zurückhaltung und Entgegenkommen, zwischen Hochdeutsch und Wienerisch kamen sehr bündig heraus; und zu der sagen wir: anatomischen Konsequenz, die in der vorhandenen Inszenierung liegt, fügte sie so viel wirkliche Natürlichkeit, so viel frauenhafte Zartheit und Schalkhaftigkeit hinzu, daß weiteren Leistungen von Ihr mit Interesse entgegengesehen werden kann. a». Notizen. Der verein Berliner Presse besteht mit dem 20. August fünfzig Jahre. Nicht das ist daS Merkwürdige, sondern ein anderes. In Reklameartikeln, die dieser Tage durch alle bürger- lichen Zeitungen gingen, marschierten schon eine Anzahl berühmter Journalisten und Schriftsteller mit Nennung ihrer Namen auf. Nur von Robert Schweichel  , dem eigentlichen Gründer und sieben- maligen Vorsitzenden und nachherigen Ehrenpräsidenten wurde nicht gesprochen. Doch keineswegs, weil Schweichel tot ist, sondern weil er Sozialdemokrat war I Er hatte doch nur zu sehr recht, wenn er unter dem vergeblichen Bemühen, dieHelden der Feder" zur Selbstachtung zu erziehen, oft verzweifelte. Und heute können ihre Brotgeber mit Genugwnng sagen: Seht, das find die Kreaturen, die wir machten I Der 8. Internationale Esperantokongreß tagte diesmal vom 11. 18. August in Krakau  . Er hatte insofern eine besondere Bedeutung, als mit ihm die Feier des 2öjährigen Bestehens der internationalen Hilfssprache Esperanto verbunden war. Im Mittelpunkte deS Interesses standen die Esperantoaufführunaen des polnischen DramasMazepa  " und der polnischen OperHalka". Beide waren meisterhaft von einem der hervorragendsten Kenner deS Esperanto Antoni von Grabowski übertragen worden und gelangten durch erste polnische Künstler in vollendeter Weise zur Darstellung. Was der neueCampanile kostet. Dieser Tage sind in Venedig   die Baukosten für den neuen Campanile bezahlt worden. Der Wiederaufbau hat 2 288 819,61 Lire gekostet! Hi«von kommen 1812 063 Lire auf den eigentlichen Turm, der Rest auf die Loggietta. Der Voranschlag für die Baukosten, in dem 1 800 000 Lire angesetzt worden waren, ist also ganz erheblich überschritten worden.