Gewerferchaftlicbea.Zentrale Regelung der Hrbeitszeitin der Rolzinduftrie.Unternehmer- und Arbeiterorganisation im Holzgewerbehatten schon im Jahre 1907' den Plan erwogen, die wichtigstetrage des gegenseitigen Tarifvertragsverhältnisses, nämlich dierbeitszeit, auf zentraler Grundlage zu regeln, d. h. diese Frageden örtlichen Tarifkämpfen zu entziehen und vom Standpunktder Allgemeinintcressen aus zu behandeln. Bei dem bis-herigen Zustande kommt es vor, daß innerhalb desselbenWirtschaftsgebietes ganz verschiedene Arbeitszeiten fürdieselben Branchen festgesetzt oder mindestens doch desöfteren von der einen oder anderen Partei angestrebtwerden, je nachdem die Situation dazu angetan war.Dieser Zustand hat mancherlei Mißstände gezeitigt. Be-sonders die Unternehmer waren es, die aus Konkurrenz-rücksichten eine Beseitigung dieser Zersplitterung wünschtenund einheitlich geregelte Verhältnisse forderten. Auch die Ar-beiter haben letzten Endes kein Interesse daran, an dem bis-herigen ungleichen und regellosen Zustande festzuhalten, ob-wohl für sie in erster Linie der Gesichtspunkt der weiterenVerkürzung der Arbeitszeit maßgebend sein muß. Dasist auch der Standpunkt des Holzarbeiterverbandes, der ander generellen Regelung der Arbeitszeit den hauptsächlichstenAnteil nehmen muß,Bei den erstmaligen Beratungen dieser Frage im Jahre1907 einigten sich die beiden Zentralen zunächst auf folgendeGrundsätze:„Von den Fragen, welche durch allgemeine Vereinbarungenin erster Linie lösbar sind, bietet die Regelung der Arbeitszeitim deutschen Holzgewerbe im Verhältnis zur Lohnfrage undanderen die geringeren Schwierigkeiten. Nachdem in den meistengrößten Jndustrieorten bereits der Neunstundentag eingeführt ist,in den Großstädten eine noch kürzere als die ö-tstündjge wöckent-liche Arbeitszeit, und in den namhaften mittleren Ortenfast allgemein eine Maximalarbeitszeit von öS und wenigerStunden pro Woche schon besteht, kann als nächstes Zielder geplanten Städteeinteilung aufgestellt werden, die Höchst-dauer der Arbeitszeit im deutschen Holzgewerbe baldigstauf 9>/z Stunden pro Tag zu beschränken und eine Klassifizierungin dem Sinne in Aussicht zu nehmen, daß die normale vertrag-liche Arbeitszeit im deutschen Holzgewerbe in absehbarer Zeit aufneun Stunden pro Tag festgesetzt wird, wie dieselbe zum Beispielim Buchdruckgewerbe bereits seit Jahren vertraglich vereinbart ist.Daß in den Großstädten mit ihrer großen räumlichen Aus-dehnung und den weiten Entfernungen von den Arbeiter-Wohnungen zur Arbeitsstätte auch in Zukunft eine kürzere, alsdie normale Arbeitszeit besteht, mutz nach wie vor als berechtigtanerkannt werden.So lange eine völlige Gleichmäßigkeit in der Dauer derArbeitszeit allgemein nicht möglich ist, mutz bei der Klasfifizierungder Städte von der Rücksichlnahme auf folgende Bedingungenausgegangen werden: as die Größe ver Stadt; d) die Näheeiner Größstadt; o) die Bedeutung der Industrie am Orte; d) dieBetriebsart; e) Rücksichten auf Nachbarstädte und verwandte Be-triebe; f) die Wohnungsverhältnisse der Arbeiter.Die von den Arbeitern in einzelnen Städten vermöge ihrerOrganisation errungenen günstigeren Positionen werden nebender allgemeinen Vereinbarung uneingeschränkt anerkannt. Ebensodürfen selbstverständlich etwaige in einzelnen Betrieben bereitseingeführte bessere Bedingungen nicht zugunsten einer Egalisierungwieder verschlechtert werden."Trotzdem also schon vor Jahren diese Uebereinstimmung- erzielt war, ist doch inzwischen aus der Realisierung desganzen Planes nichts geworden, weil die Unternehmer dereinzelnen Orte entgegen dieser von ihrem Zentralvorstandanerkannten Grundsätze sich gegen jede Verkürzung' derArbeitszeit wehrten. In jedem Jahre wiederholten sich dieKämpfe um die Arbeitszeit, Stunde um Stunde Verkürzungmußten sich die Arbeiter erstreiten.Aus diesen Kämpfen heraus erwuchs der Unternehmer-organisation immer wieder die zwingende Notwendigkeit,schließlich doch der generellen Regelung der Arbeitszeit nichtlänger mehr auszuweichen. Es kam zu einer Vereinbarung,nach der im Laufe dieses Sommer abermals an die praktischeLösung der Frage herangetreten werden sollte. Demzufolgefand in der Zeit vom 11. bis 18. August d. I. eine Konferenzder Zentralvorstände unter Hinzuziehung der zentralenSchiedskommission statt. Die Aussprache über diese Materie,deren Lösung auch jetzt wieder auf gewaltige Schwierigkeitenstößt, beschränkte sich wiederum auf die Erledigung der zu-nächst zu überwindenden Vorfragen. Ueber die Grundzügeund die Art der weiteren Verhandlungen wurde zwischen denParteien ein Einverständnis erzielt, jedoch konnten positiveBeschlüsse noch nicht gefaßt werden. Die Zentralvorständewurden beauftragt, das von den einzelnen Organisationen vor-gelegte statistische Material einer eingehenden Durchsicht zuunterziehen und es zu vergleichen.Die Weiterberatung wurde bis nach Erledigung dieserVorarbeiten vertagt._Berlin und Qmgegend.Achtung, Tapezierer sK eber)! Die Firma K n a u e r, JaSmunderStraße 12, ist wegen. Tarifbruch gesperrt. Die Bauten befindensich: Schöneberg, Hochkirchstr. 8 und Hochkirchstr. 14; Charlotten-bürg, Danckelmannstr. 4 und Berlin, Neue Hochstr. 3. Desgleichendie Firma Ho top, Bau Neukölln, Richardstraße Ecke Richardplatz.Die Schlichtungskommission.veutfebes Reich.Streik der Klempner und Installateure in Bochum.Am 20. August stellten die Klempner und Installateure dieArbeit ein. Die ZwangSinnung hatte den Gehilfen in diesemFrühjahr den Tarif gekündigt. Die Jnnungsmeister lehnten es ab,jetzt wieder in ein neues Vertragsverhnlinis mit den Arbeitern ein-zutreten, sie wollen erst am 1. April 1913 wieder über einen Tarifverhandeln. Darin offenbart sich die Absicht, die Tarifbewegung derKlempner in die Zeil der Bauarbeiterbewegung hineinzudrängen.Die Klempner und Installateure waren aber mit diesem Vorschlageder Zwangsinnung nicht einverstanden, zumal die Unternehmer inder kurzen tariflosen Zeit schon Verschlechterungen der Arbeits-Verhältnisse vorgenommen habe». Zuzug von Klempnern und In-stallateuren nach Bochum ist fernzuhalten.Zur Lohnbewegung der Metallarbeiter des Kölner Jndnstrie-gebietes. Die eine Verkürzung der Arbeitszeit fordernde Bewegungwird voraussichtlich zur friedlichen Austragung kommen, da von" denin Betracht kommenden Firmen etwa SO, darunter viele Großbetriebe, sich zu Verhandlungen bereit erklärten. Nächste Wochedürften die Verhandlungen staltfinden.Streit in der Maschinenfabrik Flesch in Herford i. W. DieFormer, Dreher und Schlosser dieser Firma haben am 19. Augustdie Arbeil niedergelegt. Die Arbeiter fordern höhere Löhne, dader Verdien>l ein sehr niedriger war. Die Firma hat dieForderungen der Arbeiter nicht berücksichtigt. Zuzug von Metall-arbeitern ist fernzuhalten.verantw. Redalteur: Albert Wachs» Berlin. Inseratenteil verantv.:Lohnbewegung«» in der Brauindustrie.Mehrere größere Lohnbewegungen der Brauereiarbeiter sind mitErfolg beendet. Mit dem Verein der Brauereien von Chemnitzund Umgegend wurde ein neuer Tarif auf vier Jahre ab-geschlossen. Die wichtigsten Erfolge find: Verkürzung der Arbeits-zeit auf neun Stunden, in den Kleinbetrieben im Sommerhalbjahreauf 9stz Stunden, Regelung der Arbeitszeit des Fahrpersonals.Lohnzulagen von 1 M. bis 2,50 M. pro Woche; teilweise sind nochweitere Lohnsteigerungen vorgesehen.Weiter wurde die Lohnbewegung in Halle und Umgegendbeendet. Durch den abgeschlossenen Tarifvertrag wurde eine Ar-beitszeitverkürzung um eine halbe Stunde pro Tag erreicht, Lohn-erhöhungen von 1— 3 M. pro Woche, bessere Bezahlung der Ueber-stunden und der Sonntagsarbeit, volle Bezahlung für Bieransfahrenan Sonntagen, Verbesserung des Urlaubs usw.In F r e i b e r g i. S. war die Organisation der Brauerei-arbeiter nach einem erfolglos verlaufenen Kampfe mehrere Jahrezur Untätigkeit verurteilt. In diesem Frühjahr war die Organi-sation wieder so weit vorgeschritten, daß ein Vorstoß gewagt werdenkonnte. Die eingeleitete Lohnbewegung endete mit einem Tarif-abschluß mit den beiden Brauereien. Erreicht wurden Lohnerhöhungenvon 1,75 bis 4 M. pro Woche, Arbeitszeitverkürzung von einerViertel-, einer halben und einer ganzen Stunde pro Tag, Urlaubbis zu sechs Arbeitstagen ohne Lohnabzug, Entschädigung des nichtgetrunkenen Freibieres und noch mehrere Verbesserungen.Einen erfolgreichen Streik hatten nach dreitägiger Dauer dieMühlenarbeiter bei der Grotzfirma Bremme in Unna ge-führt. Der auf drei Jahre abgeschlossene Vertrag bringt u. a. Lohn-erhöhungen von 1,20 bis 3 M. pro Woche. Sämtliche Streikendenwurden sofort wieder eingestellt.Ein großes Gewerkschaftsfest mit Umzug fand am Sonntag inKönigsberg i. Pr. statt. An dem öffentlichen Umzüge durch dieStadt nahmen nach einer genauen Zählung gut 7000 Personen teil.Es waren alle Verbände vertreten. Ein uniformiertes Arbeiter«Trommler- und Pfeiferkorps(!) sowie fünf Musikkapellen spieltenim Zuge. Außer den Gewerkschaften marschierten im Zuge dieArbetter-Gesangverdine. die Freie Turnerschaft, die Radfahrer unddie Arbeiterjugend. Eine Reihe Fahnen, sowie viele mit Kränzenund Blumen geschmückte Transparente wurden mitgeführt.Das war gewiß eine stattliche Demonstration. Aber warumdenn mit uniformierten Trommlern und Pfeifern? Auf solchenmilitärischen Klimbim sollte man doch bei Arbeiterfesten nicht zurück-greifen.HusUtnd.Der gewerkschaftlichen Landeszentrale Englands(G. F. o. T. U.)gehörten am 1. Juli 150 Gewerkschaften mit 884 291 Mitgliederngegen 135 Gewerkschaften und 711 994 Mitglieder vor einem Jahrean. Der Reservefonds, der Ende 1904 fast 3'/z Millionen Markbetrug(er dient als Streik-Rückversicherungssonds), war Anfang 1911auf Ist� Million und Anfang 1912 auf 700 000 Mark gesunken,trotzdem für 1911 der doppelte Beitrag erhoben wurde. Im letztenJahre waren 21 Proz. aller Mitglieder an Streiks und Aus-sperrungen beteiligt. Diese Zahl stieg Anfang 1912 noch weiter, sodaß in diesem Frühjahr die Kasse leer war und die Zentrale ge-zwungen war, Darlehen aufzunehmen. Der Transportarbeiterstreikzwang sie schließlich, die Hilfe der Internationale anzurufen. Beidieser Gelegenheit erhielt sie von den europäischen Gewerkschaftenüber 100 000 M.— Der letzte Gewerkschaftskongreß ernannte einKomitee, das die Zusammenfassung der Kräfte im Baugewerbe vor-bereiten sollte. Nach dem Bericht des Komitees haben zwanzig dergrößeren Gewerkschaften mit über 200 000 Mitgliedern dem Vor-Ichlage auf Verschmelzung zu einem„Vereinigten Verbände derBauarbeiter" zugestimmt.— Im Juni waren 135 929 Personen anStreiks und Aussperrungen beteiligt gegen 99 156 im Vormonat.Der Streik der Straßenbahner in Lausanne war— wie unsvon dort geschrieben wird— nur von kurzer Dauer. Am Sonn-abendvormittag brach er aus und schon am Rachmittag wurde dieArbeit wieder aufgenommen, nachdem sich die Direktion bereit er-klärt hatte, die Forderungen der Angestellten zu„berücksichtigen".Die Maßregelung der Vertrauensmänner, welche den unmittelbarenAnlaß zur Arbeitsniederlegung bildete, blieb für drei Tage aufrecht-erhalten. Die Straßenbahner in Lausanne standen bisher unter demEinfluß der Syndikalisten, die in der romanischen Schweiz auch ihrWesen treiben. Jetzt, nach dem Streik, haben sich die Straßen-bahner ihrem Zentralverband angeschlossen.Dockarbeiterstreik.London, 20. August. sP. T.) Zweitausend Arbeiter find gesternabend in den Dock? in den Ausstand getreten, da die verlangte Lohn-erhöhung nicht bewilligt wurde.Die Streiks in Spanien.Madrid, 20. August. sP. T.) Der Streik in Saragossa ist da-durch beendet worden, daß die Arbeilgeber den Bertrag unterzeichnethaben, wonach sie den Neunstundenarbeitstag zugestehen. In Malagadagegen dauert der Streik noch immer fort. Trotzdem haben dieArbeiter beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen, bi§ alle Korpo-rationcn in einen Generalstreik eintreten.Die Aussperrung der Diamantschleifer beendet.Amsterdam, 20. August. sW. T. B.) Zwischen dem Verband derDiamantenschleifer und der Firma Ascher ist ein Abkommen getroffenworden, auf Grund dessen die Aussperrung am Donnerstag frühaufgehoben werden wird.8o2ia!es.Die Aerztekonflikte.Die Kämpfe, welche die Aerzte gegen die Krankenkassen führen,haben in der letzten Zeit eine Abnahme erfahren. Das vom Ver-band der Aerzte Deutschlands herausgegebene Verzeichnis„Cavetecollegae", das die Namen der Orte enthält, gegen die der„Zuzug"vermieden werden soll, führt nur noch 96 Orte auf. Vor einigenJahren waren es 300 bis 400. Es finden sich zwar noch eine Reihegroßer Städte verzeichnet, wie Aachen, Bremen, Breslau, Düffel-dorf, Frankfurt a. M., Halle a. S., Köln a. Rh., Wiesbaden, in derübergroßen Mehrzahl aber sind kleine Orte und Dörfer angegeben.Bei diesen handelt es sich meist darum, dem oder den eingesessenenAerzten unangenehme Konkurrenz fernzuhalten. Es scheint sichauch nicht mehr vorwiegend um Ortskrankenkassen zu handeln, gegendie sich der Kampf richtet. Zum großen Teil sind, soweit zu ersehen,Gemeindekrankenversicherungen und Betriebskrankenkassen ange-geben. Ist doch der ganze Verband zur Wahrung der Interessender deutschen Betriebskrankenkassen mit dem Sitz in Essen a. d. Rh.gesperrt.Man darf aus den angeführten ziffernmäßigen Angaben abernoch nicht auf verminderte Kampfeslust der Aerzte schließen. Dergegenwärtige Zustand dürfte die Ruhe vor dem Sturm sein, derlosbrechen soll, wenn der Teil der Reichsversicherungsordnung,welcher die Krankenversicherung betrifft, in Kraft tritt. Im ganzendeutschen Reiche ist man jetzt eifrigst dabei, entsprechend den Direk-tiven des Geschäftsausschusses des deutschen Aerztevereinsbundesdie Gründung rechtsfähiger kassenärztlicher Vereine zu betreiben.Dieser Zusammenschluß aller an der Krankenkassenpraxis beteilig-ten Aerzte ohne Rücksicht auf die gerade jetzt geltenden kassenärzt-lichcn Systeme soll zwar, wie versichert wird, keine Feindseligkeitgegenüber den Krankenkassen bedeuten, vielmehr den Friedenzwischen den Aerzten und den Kassen fördern, aber nur unter derVoraussetzung,„daß den Aerzten eine würdige Stellung gewähr-leistet wird".______ZhsGloiie, Berl'n. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u VerlagsanstaltES sei daran erinnerst daß die Aerzle mit dem Generalstreikgedroht haben, um die allgemeine freie Arztwahl einzuführen, dieihnen das Gesetz nicht brachte.Toppelte Moral.In den letzten Wochen waren in der Reichshauptstadt einigebesonders auffallende Zusammenbrüche von Spielerexistenzen zuverzeichnen. Das hat vielfach die Vermutung aufkommen lassen,daß im„Sündenpfuhl Berlin" das Spiel mehr Opfer fordere undgrößeren Schaden anrichte als anderwärts. Es mag sein, daßdie Spielsucht in Berlin neuerdings in einer Weise wuchert, daßman wohl von einer Spielseuche sprechen kann. Man glaube abernicht etwa, daß es anderwärts in deutschen Landen besser sei. Eswird allenthalben fleißig gejeut und im Hvnoratioreuftübcheumanches Kleinstadthotels sind die Umsätze am Spieltisch nicht ge-ringer als in den vornehmen Klubs des Westens. Wenn infolgedes Spiels Leute ins Unglück geraten, so ist das ihre eigene Schuldund auch ihr persönliches Pech. Die Oeffentlichkeit wird darüberbald beruhigt sein, denn schließlich sind es ja immer Brüder mitgleichen Kappen und Leute aus bestimmten Gesellschaftsschichtcn,die sich gegenseitig das Geld abnehmen. Von allgemeiner Be-deutung wird der Unfug aber dann, wenn durch die Zusammen-brüche von Spielern weitere, am Spiel völlig unbeteiligte Kreise inMitleidenschaft gezogen werden'. Es zeigt sich hierbei vielfach, daßdie Herren Kavaliere wohl ihre Spielschulden fast restlos beglichenhaben, denn das sind Ehrenschulden. Andere Gläubiger aber,Lieferanten, Handwerker, ja sogar Angestellte, gehen mit ihrenForderungen leer aus. Zur Illustration sei auf einen Fall ver-wiesen, der sich kürzlich in Ostelbien ereignete. Ein jungerMajoratsherr, ehemaliger Kavallerieoffizier, hat nach und nachHunderttausende im Spiel verloren. Die sogenannten Ehren-scheine sind eingelöst worden. Als aber die Lieferanten von Saat-getreide. Dünge- und Futtermitteln, die Handwerker und vieleandere kleine und mittlere Geschäftsleute zu ihrem Gelde kommenwollten, ergab sich, daß nichts mehr vorhanden war. Das Majorat,das überdies schon unter Zwangsverwaltung steht, bietet kein An-griffsobjekt für die' Gläubiger. Der Schuldner bezieht— umstandesgemäß leben zu können— eine Rente aus dem Majorat,von der natürlich auch nichts übrig bleiben wird. Einem Ver-wandten des Spielers, einem pensionierten sehr hohen Offizier,der sich verbürgt hatte, wurde ein Teil der Pension gepfändet. Dergrößte Teil der Gläubiger hat vorläufig aber keine Aussicht, seinGeld zu erhalten. Die Folge hiervon ist der finanzielle Zusammen-bruch mehrerer Geschäftsleute in der nahen Stadt, die teilweisemit sehr hohen Beträgen hereingefallen waren. Solche Vorgängesind durchaus keine vereinzelten Erscheinungen. Immer wiederzeigt sich, daß die Spielschulden gewissermaßen als bevorrechtigteForderungen behandelt und bezahlt worden sind, während die Ge-schäftsleute leer ausgehen. Wohin soll das führen! Wer die Ver-Hältnisse auf dem platten Lande kennt, weiß, daß die Großgrund-besitzer bei ihren Lieferanten oft recht hohe und langfristige Kreditein Anspruch nehmen. Die Geschäftsleute hingegen müssen Kreditgewähren, wenn sie überhaupt Geschäfte machen wollen. Solangeoie Bewirtschaftung der Güter rationell betrieben wird, ist es jaheutzutage der Landwirtschaft auch leicht möglich, ihren Verpflich-tungen nachzukommen. Sie ist also normalerweise immer kredit-würdig. Wenn jedoch im einzelnen Falle besonders noble und ver-schwenderische Passionen des Schuldners, von denen die Gläubigernatürlich nicht immer Kenntnis haben können, eine Verschlechterungder Vermögensverhältnisse binnen kurzer Zeit herbeiführen, so mußganz von selbst der Glaube an die vielgepriesene Solidität derLandwirtschaft erschüttert ckerden. Der oben erwähnte Fall istauch insofern von Interesse, als er ein Licht auf die Spielsucht inbestimmten Berufskreisen wirft. Es ist kein Wunder, wenn dieLebenshaltung der Kavallerieofiziere ganz ungeheuerliche Summenkostet. Wenn Spiel und Wette mit zur Verminderung des Zu-schusses beitragen, dann ist es nicht weiter auffallend, daß dieHerren Väter über die teuren Zeiten klagen und daß auch derGroßgrundbesitz bis über die Ohren in den Schulden steckt. Be-dauerlich bleibt es aber, daß es den Spielerit noch immer gelingt,den Verlust schließlich auf völlig Unbeteiligte abzuwälzen. Diesoliden Geschäftsleute und die Angestellten der Feudalherren müssenso die verderblichen Wirkungen einer doppelten Moral auskosten,die streng scheidet zwischen der Kavalierehre und den Grundsätzenvon Treu und Glauben im Geschäftsverkehr.(Siehe auch 1. Beilage.)&ctzt* Nadmcbtcn.Ein schwerer Strastenbahuunfallverursachte gestern abend in der Reichenberger Straße große Auf-regung. Vor dem Hause Nr. 77 war die achtjährige Elise KukowSkyvon einem Straßenbahnwagen überfahren worden. Da sie nichtbefreit werden konnte, alarmierten Passanten die Feuerwehr.Diese holte das Mädchen hervor und brachte es nach der Unfall-station am Görlitzer Bahnhof, wo man dem Kinde, das unteranderem einen Oberschenkelbruch erlitten hatte, Verbände anlegte.Abmarsch der Arnauten aus Uesküb.Uestüb, 20. August.(W. T. B.j Die Spezialzüge mit Arnautensind bereits abgegangen. Unter den zahlreichen Führern, die mitihren Leuten abgereist sind, befinden sich auch Riza Bey, Djemal Beyund Bairam Bey. Die Regierung hatte die Züge unentgeltlich zurVerfügung gestellt. Die Stadt Uesküb hat sich vollkommenberuhigt, die Geschäfte sind wieder geöffnet. Die Stadt nimmtwieder ihr gewöhnliches Bild an.Unwetter in Mecklenburg-Strelitz.Neustrelitz, 20. August.(P.-C.) Ein schweres Gewitter entludsich in der letzten Nacht über Mecklenburg-Strelitz. Der Blitz zun-dete an verschiedenen Stellen. Unter anderem wurden auf demGute Brohm des Rittergutsbesitzers v. Oertzen bei Friedland meh-rere Scheunen mit sämtlichen Erntevorräten und landwirtschaft-lichen Wagen ein Raub der Flammen. Ebenso wurde in Ribnitzeine Scheune eingeäschert, wobei zahlreiches Bieh und große Mengenvon Getreide und landwirtschaftlichen Maschine« verbrannten.Vier Arbeiter verschüttet.Brünn, 20. August.(P.-T.) Beim Abbruch eines Hauses inder Ferdinandstraße stürzte heute ein Gewölbe ein. Vier Arbeiterwurden verschüttet._Durchstechereien bei der Krakauer Eisenbahn.Krakau, 20. August.(P.-C.j Auf der Station Krakau wurdeng.roße Betrügereien aufgedeckt, die von einer Anzahl Eisen-bähnsunktionären im Verein mit mehreren Kaufleuten ausgeführtwurden. Tie Betrügereien kamen dadurch ans Tageslicht, daß fort-gesetzt Reklamationen über Gewichtmankos einliefen. MehrereBahnbeamte und Kaufleute wurden bereits verhastet.Militärluftballon aufs Meer getrieben.Sebastopol, 20. August.(W. T. B.) Ein Militärluftballon mitdrei Offizieren wurde vom Winde auf das Meer abgetrieben. Alsder Ballon, dem ein Torpedoboot zur Hilfe nachgesandt wordenwar, niederging, fiel einer der Luftschiffer, Leutnant Kuskow, insMeer und ertrank. Ein Matrose, der ihn retten wollte, ertrankebenfalls. Die übrigen Balloninsassen wurden durch das Torpedo-boot gerettet.Paul Singer& Co., Berlin SW. Hierzu 8 Beilagen«.Unterhaltungsbl.