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politifcbe Qeberltcbt. Berlin  , den 22. August 1912. Oertel kontra Oertel. Man könnte dieser Notiz auch die Spitzmarke geben:»Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein". Am vergangenen Sonntag veröffentlichte Herr Oertel in seiner»Deutschen Tages- z e i t u n g" ei»en eigenhändig geschriebenen und mit der bekannten Kognakmarke versehenen Leitartikel unter der Ueberschrift»Eine wirkliche Lebensfrage", der sich wiederum mit dem Geburteitrückgang in Deutschland   beschäftigt. Selbst- redend, daß Herr Oertel in diesem Artikel eine mächtige Pauke hält gegen die Unmoral und besonders die einer»gewissen" Presse. Er schrieb: »Es darf bei der Frage des Geburtenrückganges ein Punkt nicht unberührt bleiben, der recht heikel ist und bei dessen Er- örterung sich eine Zeitung eine gewisse Zurückhaltung auferlegen muß. Wir meinen die in erichreckender Weise zunehmende künstliche Verhinderung der Geburt und der Empfängnis. Fast täglich bringen die Blätter Berichte über Bestrafungen von Verbrechen gegen das keimende Leben..Gewisse" Zeitungen entblöden sich nicht, Anzeigen zu veröffentlichen, m denen der­artig� verbrecherische Hilfe mehr oder ntinder deutlich angeboten wird. Noch viel unverfrorener tind kecker ist die Anpreisung von Mitteln, die bestimmt sind, die Empfängnis zu verhindern. In marktschreierischer Anreisierweise werden diese Waren in.gewissen" Zeitungen an- gepriesen und angeboten..." Wir blätterten weiter in derselben Nummer der»Deutschen Tageszeitung", in der der Chefredakteur so wortgewaltig gegen gewisse Zeitungen" vom Leder zog und was entdecken wir da? Ein interessantes Inserat einer früheren Ober- hebamine der königlichen Charitö, die gegen Ein- sendung von 60 Pf. jedermann, oder richtiger gesagt, jeder Frau»d a s für die Familie wichtigste hygienische Buch" nebst einem Katalog in liebenswürdigster Weise zu über- senden sich bereit erklärt! Wir spendierten die SV Pf. und er­hielten nun postwendend: 1. Eine Schrift unter dem Titel:»Die Frau", ein unent- behrlicher Ratgeber für Ehefrauen. 2. Eine ganze Reihe von Reklamezetteln aus dem»Bersand- geschäft für Schutz- und diskrete Bedarfsartikel". die nichts anderes enthalten als Empfehlungen von Mitteln, welche um mit Herrn Oertel zu reden dazu bestimmt sind,»die Empfängnis zu verhindern". Es wird zunächst ein Pulverbläser .Omega" empfohlen. Billig I Nur 8 M. Weiter: Heins ver- bessertes Pcssarium. Es bietet angeblich der Frau ganz sicheren Schutz vor Schloängerung und wird keinem der Ehegatten hinder- lich oder... Herr Oertel hat recht: es sind Dinge, die»recht heikel sind und bei deren Erörterung sich eine Zeitung(wie die»Deutsche Tageszeitung") eine gewisseZurückhaltung auserlegen mutzl" Ist doch die Gebrauchsanweisung für dieses Pessar bis in die kleinsten Details geschildert. Auch Desinfektionstabletten(»sie wirken kräftigend auf die UuterleibSorgane", 50 Stück nur 1,20 M.) sind zu haben und ebenso:»Büsten Wasser". Aber auch für Männer hat die gute in einer»Deutschen Tageszeitung' inserierende Frau ein mitsühlendeS Herz: Sie heilt chronischen Tripper mit ihren»Radikal- kathetcr nach Cawe", Stück nur 4,50 M. Und dieselbe ehrsame, verschämte»Deutsche Tages- z?i t u n g', die im Leitartikel mit höchster Entrüstung gegen eine »gewisse" Presse eifert, welch« sich»nicht entblödet", allerlei die Empfängnis verhindernde Mittel zu empfehlen, nimmt also im Anzeigenteil selb st unbedenklich derartige In« serate aufl Ja, Flora Gab kannte ihre Leute. Tie neue preußische Steuernovelle. Der Bericht der 11. Kommission des Abgeordnetenhauses über die erste Lesung der Einkommen- und Ergänzungssteuernovelle, dessen Drucklegung sich verzögert hatte, ist jetzt den Abgeordneten zur Information zugestellt worden. Der Bericht läßt erkennen, daß in vielen Punkten zwischen den Ansichten der Regierung und der Kommission noch Meinung«- Verschiedenheiten herrschen und eine Reihe der bisherigen Beschlüsse nur provisorischen Charakter hat. Die zweite Lesung im Herbst wird ergeben, ob der Landtag die Novelle verabschieden wird, oder ob er zunächst auf ein Jahr das bestehende Provisorium ver- l ä n g e r n und dem neugewählten Landtage die endgültige Ent« scheidung überläbt. In der Kommission war die Meinung vertreten, der Staat könne bei den guten Finanzen Preußens auf die sechzig Millionen Mark Steuerzuschlag verzichten, während die Regierung gegen diesen Verzicht Widerspruch erhob mit der Begründung, die jetzt günstigen Finanzen könnten sich recht bald wieder verschlechtern, in guten Jahren müsse man für die schlechten Jahre sparen. DieKommission beschloß, die Zuschläge als provisorische vorläufig beizubehalten, bis eine Neuordnung der Tarife erfolgt sei. Ein Termin wurde nicht gestellt. Versuche, die Steuerpflicht erst bei 1200 oder 150 0 Mark beginnen zu lassen, scheiterten an dem Wider- stände der Mehrheit! Entrüftnngsmache. Wie eS scheint, beabsichtigt man in ZentrnmSkreisen, die so- genannte Jesuitenfragc dazu zu benutzen, um die katholische Volks- scele nach bekanntem Rezept wieder mal zum Kochen zu bringen. AnS Mitteilungen der klerikalen Presse ergibt sich, daß die Jesuiten  - Petition deS bayerischen Episkopat« an den Bundesrat erst der Auf- takt ist zu einer»m groben Stile beabsichtigten Massenkund« g e b u n g.»Ans dem Kreise des Klerus" läßt sich das Münchener Hertling-Organ. der»Bayr. Kurier", schreiben: Am Klerus und an dem katholischen Volke liegt eS jetzt, ihrer Liebe' und Treue zu den Bischöfen dadurch Ausdruck zu geben, daß sie vor der Oeffentlichkeit lhre S o l r d a r i t ä t mit den Ober- Hirten dartun durch Kundgebungen, in denen sie ihre Zustimmung zu der episkopalen Eingabe an den Bundesrat erklären." Natürlich geht eS dabei, wie es sich gebührt, hübschsvcuudum ordinem", dem Range nach. Zu: »Die ersten, welche dazu berufen sind, sind d,e Dom- kapitel. denen dann die D e k a n a t s k o n s e r e n z e n und die Volksversammlungen folgen sollten Dre Art und Weise der Durchführung einer solchen Aktion mutz den berufenen Faktoren vorbehalten bleiben." Es scheint hiernach, als ob die»Akteure sich hinsichtlich der Stimmung im katholischen KleruS und Bolke noch nicht recht sicher fühlen. Darum soll zuvor der KleruS von oben bis unten gehörig bearbeitet und erst dann die Sache vor dasVolk" gebracht werden. Die Beamten und die Teuerung. Die unheimlich wachsende Teuerung der Lebensbedürfnisse peitscht auch die Beamten zum Protest gegen die herrschende Wirt- schaftSpolitik auf. Von allen Seiten kommen Nachrichten über Kundgebungen von Beamtenorganisationen gegen die Teuerung, die verständigelweise das Uebel an der richtigen Stelle suchen: in dem s herrschenden agrarischen Wirtschaftssystem. Die k Konservativen sind natürlich recht wenig erbaut von dieser Be- wegung. Ihre Gefolgschaft im Beamtentum droht fahnenflüchtig zu werden. Man versuchte es erst mit Mahnungen und mit Hin- weisen auf diepatriotische Pflicht" der Beamtenschaft, und als das nicht zog. wurde man grob: man warf den Beamten vor, daß ihnen jedes Verständnis für wirtschaftspolitische Vorgänge abgehe, und daß sie keine Rücksicht auf die übrigen Berufsstände, insbe- sondere auf die landwirtschaftliche Bevölkerung nähmen. Die Berliner  Beamten-Korrespondcnz" fertigt diese konser» vativ-agrarischen Angriffe wie folgt ab: Verständnis für volkswirtschaftliche Fragen haben selbstver- ständlich nur Leute, die auf agrarische Wirtschaftspolitik einge- schworen sind, und die jeden Zusammenhang zwischen dieser Wirtschaftspolitik und der herrschenden, kaum noch einer Steige- rung fähigen Teuerung leugnen. Sie können es sich nicht er- klären, daß man jetzt fast täglich Veteranen findet, die buchstäb- lich verhungert sind oder doch dauernd an Unterernährung leiden. Der agrarische Wirtschaftspolitiker findet es sehr richtig, daß der Unterbeamte mit noch nicht 100 M. Monatsgehalt im Juli und August für 10 Pfund Kartoffeln 60 bis 70 Pf. bezahlen mutz, und hat sogar den traurigen MW, dem armen Unterbeamten, der sich bitter darüber beschwert, daß ihm auch das letzte Nahrungsmittel so enorm verteuert wird, nachdem er auf Fleisch, Butter und Schmalz schon lange hat verzichten müssen, diesem armen Unterbeamten noch vorzuwerfen, er nähme keine Rücksicht auf andere Berufsstände, insbesondere auf die Landwirtschaft. Kann man den Hohn wohl noch weiter treiben. Die Statistik des deutschen   Volkes für 1S12 weist nach, daß die Preise für folgende Nahrungsmittel in den letzten 20 Jahren, also seit 1892, durchschnittlich um 31,3 Proz. gestiegen sind, und zwar: Roggen 30,3, Weizen 40,0, Hafer 24,5, Mais 26,1, Gerste 28,7, Kartoffeln 25,0, Rindfleisch 24,5, Schweinefleisch 21,8, Kalbfleisch 40,0, Hammelfleisch 45,8, Roggcnmehl 24,4, Weizenmehl 30,1, Butter 15,8, Rüböl 34,1, Heringe 20,6, Reis 21,7, Schmalz 39,3, Rohtabak 70,5 Proz. Durch unsere Wirtschaftspolitik ist ganz zielbewußt auf diese Preissteigerungen hingewirkt worden, und wir sind noch lange nicht am Ende.... Das Beamtentum hat durch Vorstellung, Bitten und Warnungen nichts erreicht, weil die herrschende Wirtschaftspolitik eine Frage der Machtverteilung im Staate ist. Solange das Beamten- tum die jetzige Wirtschaftspolitik unterstützt, handelt es gegen seine ureigensten Interessen...." Die treffende Abfuhr, die die Beamten den Agrariern zuteil werden lassen, trifft natürlich nicht nur im Hinblick auf die Lage der Beamten, sondern überhaupt zu. Die Arbeiterschaft ist sogar noch weit schlimmer daran, denn wie viele sind ihrer, die monatlich noch nicht über ein Einkommen von 100 M. verfügen und die oben- drein ständig der Unsicherheit des Arbeitsmarktes ausgesetzt sind. Wenn nur die Beamten auch die Konsequenzen aus der Sachlage ziehen wollten, die die Arbeiter längst gezogen haben, und es bei ihrem Kampfe gegen das Wirtschaftssystem nicht nur bei Worten bewenden ließen. Vornehme(Segner. In der Woche vom 22. bis 27. Juli fand in Braunschweig   der zweite deutsche   Blindentag statt. Die Tagung warf ihre Schatten schon im vorigen Winter voraus. In dem Blatt der Hammersteine, derKreuz-Zeitung  " und in der bürgerlichen Presse Braunschweigs erschienen Artikel und Eingesandts, die den bevorstehenden zweiten Blindentag als eine sozialdemokratische Veranstaltung denunzierten und vor der Teilnahme an dem Kongreß ivarnten. Der Vorsitzende des Braunschweiger Blindenvereins, ein Privatsekretär Hart- mann, war die Seele dieses Treibens, daS auf dem Blindentage selbst eine kräftige Abfertigung erfuhr. Am Sonnabend hielt der Blindenfürsorge-Berein für das Herzogtum Braunschweig   eine Versammlung ab, und in ihr wurde noch ein besonderer Streich der Sozialistentöter an das Licht der Oeffentlichkeit gezogen. Dr. med. H o f f m a n n führte aus: Der hiesige Blindenfürsorge-Verein nehme Anregungen und Wünsche, die vom Blindentage ausgehen, gern entgegen und werde sie nach Möglichkeil zu berücksichtigen suchen. Der zweite deutsche Blindentag habe einen ungetrübten Verlauf genommen. U n- erhört seien daher die grundlosen Angriffe, die hier von gewisser Seite fortgesetzt trotz wiederholter Abwehr gegen den Blindentag während der Vorbereitung desselben er- hoben worden seien, zuletzt noch in der.Kreuz-Zeitung  " in dem Eingesandt deS Vorsitzenden des hiesigen Blindenvereins:»War- nung vor den Bliirdentagen". Der ganze Verlauf des zweiten deutschen   Blindentages in Braunschweig   habe die Haltlosig- k e i t aller Beschuldigungen und Verdächtigungen über- zeugend und schlagend bewiesen." Der Inspektor der hcrzogl. Blindenanstalt in Braunschweig  . Herr Fischer, brachte noch einen weiterensehr schönen" Versuch deS Vorsitzenden Hart mann vom Braunschweiger Blindenverein zur Sprache, der den Blindentag, noch mehr aber die Blinden selbst schädigen sollte, die den Blindentag besuchen wollten. Er führte aus: »dab hier auch versucht sei, die Eisenbahnver- waltung zu beeinflussen, damit den blinden Teilnehmern am Blindentage die erhoffte Fahrpreis- er mätzigung nicht gewährt werde. Es habe eine hierauf abzielende mündliche Unterredung des Borsitzenden deS hiesigen Blindenvereins (Hartmonns) mit einem Stationsbeamten statt- gefunden, deren Inhalt bekannt geworden sei. Dies bc- dauernswerte Vorgehen habe ebenso wie der Artikel in der .Kreuz-Zeitung  " die größte Erbitterung bei den Teilnehmern deS BlindeniageS hervorgerufen." Der Haß gegen die Sozialdemokratie zeitigt, wie man sieht, bei den Rotkollerigen recht duftige Blüten. Der nachhelfende Feldwebel. In Nr. 174 desVorwärts" wurde berichtet, daß der Feldwebel töfer von der 6. Kompagnie des 71. Infanterieregiments in r f u r t vom Kriegsgericht zu sieben Tagen gelinden A r r e st verurteilt worden war, weil er beim Strafexerzieren am 8. Juni eine Abteilung Soldaten l�/z Stunde lang feldmarschmäßig, ohne eine Pause zu gewähren, exerzieren ließ, wobei ein Rekrut ohnmächtig wurde und in die Kaserne gebracht werden mußte. Auf die Klagen des Rekruten, daß er nicht mehr könne, »ahm der die Aufficht führende Feldwebel keine Rücksicht. Vor dem Kriegsgericht sagte er zur Nechlferligung seines, den strikten Befehlen zuwiderlaufenden Verhallens:Wenn eben ein Soldat schlecht exerziert, muß nachgeholfen werden." Gegen das Urteil hatte der Gerichtsherr Berufung eingelegt, zu deren Verhandlung das Oberkriegsgericht Kassel   m Erfurt   am Dienstag eine Sitzung abhielt. Die Verhandlung ergab dasselbe Bild, wie vor dem Kriegsgericht. Die Berufung halte aber insofern»Erfolg", als das Strafmaß von sieben auf zehn Tage gelinden Arrest erhöht wurde. Ein Erfolg des militärischen Erziehungssystems. Seit einigen Tagen wurde der bei dem Göttinger Infanterie- regiment Nr. 82 im ersten Jahre dienende Musketier Aurin ver- mißt. Als am vierten Tage die Kompagnie Bajonettfechten hatte und die Bajonette und Panzer vom Boden geholt werden sollten, fand man den Vermißten unter einem Berg von Panzern halb- verhungert vor. Aurin hatte tatsächlich verhungern und auf diese eigenartige Weise seinem Leben ein Ende machen wollen, weil er von einem Mann des älteren Jahrgangs so schwer mißhandelt worden war, daß sein ganzer Körper wie zerschlagen aussah und über und über mit Spuren der Mißhandlungen bedeckt war. Gegen den Schinderknecht ist eine kriegsgerichtliche Unter- j suchung eingeleitet wortzeQ RuBlaitd. Die Gärung in der Flotte. Aus Petersburg   wird uns vom 19. August ge- schriebt»': Daß die revolutionäre Bewegung in jüngster Zeit von neuem gewisse Teile der russischen Marinemann- schaften erfaßt, ist längst kein Geheimnis mehr. Jener Monstreprozeß gegen 67 Matrosen und andere Morinechargen, der sich vor etwa zwei Wochen abgespielt hat, bot ja auch einen realen Beleg dafür. Gleichwohl war man hier darauf nicht gefaßt, daß die Regierung mit solcher Ueberstllrzung zu den berüchtigten Unterdrückungsmaßnahmen ihre Zuflucht nehmen würde. So kam die gleichzeitige Proklamierung des Kriegszustandes in Ltronstadt und S e b a st o p o l allen völlig unerwartet und überraschend. Erst vor sieben Monaten hatte Kronstadt   die Befreiung vom Ausnahmerecht, mit dem es sechs Jahre geplagt worden war, gefeiert: sämt- liche Stadtväter hatten damals zusammen mit dem Bürger- meister aus Anlaß der Aufhebung des Kriegszustandes einen Dankgottesdienst veranstaltet und schon von neuem muß Krön- stadt die Härten des Ausnahmerechts nebst strengster Beauf- sichtigung aller Ankömmlinge auskosten. Recht seltsam und geheimnisvoll klingt die Mitteilung einer südlichen Zeitung, laut welcher auf der S ch w a r z in e e r f l o t t e die Order er- teilt worden ist. daß die O f f i z i e r e selbst den nächsten Ver- wandten und sogar ihren Frauen über die Vorkomm- nisse auf den Schiffen nichts mitteilen dürfen. Was mag dort alles vor sich gehen? Die Gärung in der Marine scheint aber die zentrale und lokale Verwaltung in starke Besorgnis zu versetzen. DieVoss. Zeitung" veröffentlicht folgendes Telegramm aus Petersburg  , das die von unserem Korrespondenten zuletzt angeführte Maßregel allerdings sehr verständlich erscheinen lassen würde: Gerüchten zufolge hat die Mannschaft deS KreuzersK a au l" der Schwarzmeerflotte g e- meutert und ihre Offiziere ermordet. Da es kein anderes Mittel gab, die Meuterei zu unterdrücken, wurde der Kreuzer durch das Feuer der Küstengeschütze zerstört und siing mit seiner ganzen Besatzung unter. Todesurteile gegen Soldaten. Taschkent  , 22. August. In dem Prozeß gegen die an der Meuterei im hiesigen Sappeurlager beteiligten Unter- offiziere und Soldaten wurden heute 15 der Angeklagten zum Tode durch den Strang, 112 zu Zwangsarbeit, 79 zu Zuchthaus und 15 zur Einreihung in ein DiSzipIinar.b.ataillon verurteilt.? Angeklagte wurden freigesprochen. Marokko. Der Gegensultan in Marrakesch  . Paris  , 22. August. Aus M a z a g a n wird unter dem 29. August gemeldet: El Hiba   ist am 16. August vor Marrakesch   eingetroffen und hat bis zum 18. August mehrere Kämpfe geliefert. Nachdem dann die ein- heimische Polizeiabteilung zu ihm übergegangen war, zog El Hiba am 18. August i n d i e S t a d t ein. bemächtigte sich hier der Kasbah und wurde zum Sultan ausgerufen. El G l a u i, der treu geblieben ist, wird mit dem französischen   Konsul Maigret  , dem Vizekonsul, einem Kapitän und einem Leutnant in seinem Hause belagert. El Hiba soll nur über zwei- tausend Mann und zwei minderwertige Geschütze verfügen. An alle Stämme im Dukkalagebiet soll er Sendboten geschickt haben. Cfrina. Frieden in Tibet  . Simla, 22. August. In Gyantse ist die zuverlässige Nachricht eingetroffen, daß in Lhasa   der Frieden zwischen dem D a l a i Lama und den Chinesen geschlossen worden ist. Alle chine- fischen Truppen, mit Ausnahme der üblichen Machen für den Amban, sollen Tibet   auf dem Wege über Indien   verlassen. Ihre Waffen und Munition bleiben, nachdem sie von beiden Seiten versiegelt worden sind, in Lhasa. Die chinesischen Händler bleiben in Tibet  . Präsident und Nationalversammlung. Peking  , 21. August. A u a n s ch i ka i hat die Forderung der Nationalversammlung abgelehnt, daß er und der Kriegsminister vor der Versammlung erscheinen und Rechenschaft über die Hinrichtung der Generäle in Hankau   geben soll. Der Präsident lud die Vertreter der Provinz von Hupeh   zu sich ein und setzte ihnen in freund- schaftlicher Weise die Haltung der Regierung auseinander. Die Besucher erboten sich darauf freiwillig, den Versuch zu machen, die Nationalversammlung zu bewegen, von dem ge- planten Tadelsvotum gegen die Regierung Abstand zu nehmen. Wenn nicht eine Reaktion eintritt, ist die Krisis vorüber. Httienha. Intervention in Nicaragua  . Washington  , 21. August. Staatssekretär der Marine v. Meyer hat dem K r e u z e r. C a I i s o r n i a" Befehl gegeben, von San Diego   nach Panama   in See zu geben, wo er 750 S o I d a t e n an Bord nehmen soll, um sie nach Nicaragua   zu bringen. Das Marinedepartement hat die Absicht, dort eine Streitmacht von 2000 Seesoldaten innerhalb zehn Tagen an Land zu bringe». um das Eigentum der Fremden zu schützen und die Verbindung zwischen Managua   und der Küste aufrechtzuerhalten. Ein neuer politischer Skandal. New Jork  , 22. August. Der dekannte Anhänger Tafts, Senator P e n r o S, ist der Mittelpunkt eines schweren politischen Skandals. Hearst veröffentlicht einen Brief des Standard- Oil-Kapitalisten Arcbold, laut dem Pcnros im Jahre 1904 .25 0 0 0 Dollar von diesem erhalten hat. Penros erklärt, diese summe sowie weitere 100 000 Dollar als Kampagne-Bei- trag für Roosevelts Wahl bekommen zu haben, worüber indessen der Brief, der ganz persönlich gehalten ist, nichts enthält. Penros' Verteidigung in öffentlicher Senatssitzung war mehr einem Geständnis ähnlich. Er brachte keine Beweise für Roosevelts Per- bindung mit der Affäre bei. Jedoch scheint au» der Korrespondenz des Oiltrusts mit dem jetzigen Anhänger Roosevelts, Flinn, die der Oiltrust Penros augenscheinlich zur Verfügung gestellt hat, hervor- zugehen, daß Flinn damals die Unterstützung des Oik. trusts suchte, um Bundessenator zu werden. Der Senat wird eine Untersuchung einleiten. Roosevelt   weist darauf hin, daß Dokumente vorlängen, laut denen seine Kampagneleiter ausdrück- lich angewiesen seien, kein Geld von irgendeinem Trust anzu- nehmen.