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Nr. 196. 29. Jahrgang. 3. Stilnjp desöjrmnils" Kerlim{olUlott. Fltttlls. 23. August 1912. Partei- Angelegenheiten. Zur Lokalliste! Die Berliner Arbeiterschaft wird gebeten, fich bei Aaeflüge» Nach dem Spreewalde zwecks Fährleute usw. an den Genossen P. Äuscht), Lübbenau , zu wenden. In Lübbenau ist das Lokal von Spitzeck von der Lokalliste zu streichen; zur Verfügung steht uns das Lokal von Trimolt, Vor- städtische Hauptstr. S9. Auf mehrfache Anfragen teilen wir mit, dah der Inhaber des Restaurants.Neu-Heringsdorf' neben den Elektrizitätswerken an der Oberspree nicht gewillt ist, der organisierten Arbeiterschaft sein Lokal zur Verfügung zu stellen. Herr Rob. Bludschutz verzichtet auSdrück- lich auf Arbeiterkundschaft. In Reinickendorf -Ost, N.*B., findet am Sonntag, den 25. und Monlag, den 26. August, in den drei Lokalen, Hauptstrahe, groheS Erntefest statt. Wir machen darauf aufmerksam, dah das Lokal von Kuhrmann für organisierte Arbeiter gesperrt ist. Desgleichen findet in Rosenthal <Dorf) am Sonntag, den 25. August, das übliche Erntefest statt. Da die dortigen Saalbesitzer uns ihre Säle ver- weigern, machen wir darauf aufmerksam, dah uns nur daS Lokal Zur Mühle, Inhaber Kabelitz, zur Verfügung steht. In Glienicke an der Nordbahn. Il.-B., ist das Lokal»WirtShauS Waldesruhs, Inhaber A. Schneider, frei. In Schmöckwitz , 7.-8.. steht uns das Lokal.Segler-Schloh", Inhaber A. Noack, zur Verfügung. Wir bitten dix Lokalliste genau zu beachten. Die Lokalkommission. 5. KreiS, Abt. 1 B. Heute, Freitag, den 23. August, abends ö'/° Uhr, findet die Abteilungsversammlung im Restaurant.Zum Prälaten", Greifswalder Straße, Ecke Lehder Strohe, statt. Mühlenbcck sBezirk Nieder-Schönhausen). Di« Sonntag, den 25. August, fällige Mitgliederverfammlung des Wahlvereins fällt aus._ Die Bezirksleitung. Berliner Nachrichten. Ein begrabenes Bolköfest. Es war einmal... Aelteste Berliner singen und sagen noch heute von ihm, vom Stralauer Fischzug. Als moderner Grohstadtmensch kann man sich nicht so leicht hineindenken in die Anno dazumal echt volkstümlichen Festtage, die sich seit Jahrhunderten stets am 24. August, am Bartholomäustage, auf der vom Rummelsburger See und von der Oberspree gebildeten Halbinsel Stralau abspielten. Das populärste Berliner Fest hatte Aehnlichkeit mit den aus der Geschichte bekannten alten süddeutschen Volksfesten, bei denen auf offenem Marttplatz der Festochse gebraten und verzehrt wurde. Tat- sächlich reicht ja die Entstehung der Feier des Stralauer Fischzuges bis weit in das Mittelalter hinein, und noch bis zum Ansang der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat sich der Brauch fast unverkürzt erhalten. Aus Be- schreibungen vor hundert Jahren ersieht man, wie sich im Dorfe Stralau und seiner allernächsten Umgebung am 24. August mehr als fünfzigtausend Menschen zusammenfanden. Man war damals durchaus nicht verwöhnt mit Vergnügungs- stätten, ergriff also begierig die Gelegenheit zum Massen» amüsement. Der Verkehr war nicht so frei und einfach wie heute. Die Berliner mußten aus Gondeln und großen Kähnen die Spree benutzen oder das mit zwei Oeffnungen versehene, ziemlich enge Stralauer Tor. Eisenbahnen, Dampfschiffe so etwas gab es noch nicht. In Stralau selbst, das sich damals als echtes Fischer- darf repräsentierte, waren auch die Wirtshäuser nur spärlich gesät und auf Massenbesuch nicht eingerichtet. Zum Feste wurden daher fliegende Kneipen, meist unter Zelten, auf allen Aeckern und Wiesen, selbst auf dem alten Stralauer Kirchhof,, aufgeschlagen. Die meisten machten es sich auf dem Erdboden bequem, zündoten Feuer an, brieten und schmorten nach Herzenslust, was Küche und Keller aus Berlin hergeben konnten. Eine große Rolle spielte auch der bleierne, buntgefärbte Fischzugsorden als Zeichen, daß man da war". Er kostete einen Sechser und wurde so stolz ge- tragen wie in unserer Zeit am 1. Mai. dem Fest- tage des Proletariats, die rote Blume im Knopfloch. Von dem eigentlichen Fischzug sollen die guten Ber- liner schon damals nichts gesehen haben. Er fand nämlich kurz vor Sonnenaufgang statt, die Wiederholung am Nachmittag war nurMache". Getanzt wurde zu dudelnder Musik an zahlreichen Stellen im Freien, und die paar hundert Leuchtkugeln und Raketen, die am Abend zum Himmel stiegen. wurden ebenso bestaunt wie viele Jahrzehnte später die auch schon wieder aus der Mode gekommenen Brillant- und Parade- Feuerwerke zu Wasser und zu Lande. Was ist von alledem übrig geblieben? So gut wie nichts. Die Stralauer atmen Großstadtluft, fühlen sich nicht mehr als Dörfler und Fischer. Die Fischerfamilien sind dezimiert, ebenso auch die Fische. Das älteste Berliner Volksfest ist so gut wie begraben und es wird niemals wieder aufleben._ Wieder eine Riesenunterschlagung. Zu den drei ungetreuen Bankangestellten Haase, Zebell und Brüning, die vor kurzer Zeit nach Unterschlagung von Riesen- summen dir Flucht ergriffen haben, hat sich jetzt ein vierter Bank- angestellter gesellt, der jedoch schon wenige Stunden nach seinem Verschwinden festgenommen werden konnte. Es handelt sich um den am 18. Oktober 1886 zu Nikolai in Schlesien gebürtigen Bank- bcamten Friedrich Klopsch, der bei dem Schaaffhausenschen Bank- verein in der Französischen Straße angestellt war. Klopsch hat seit April v. I. nach und nach der Bank für ungefähr 120 006 M. 4proz. preußische.Konsols unterschlagen und diese bei derselben Bank zu Geld gemacht. Am Mittwoch versuchte er durch eive dritte Person wiederum Konsols zu verkaufen, und zwar für nicht weniger als 70 000 M. Dies fiel dem Bankverein auf und er nahm eine Revision der Mrtpapier« vor. Dabei stellte sich daS Fehlen der Konsols heraus, ebenso, daß die Unterschlagung von dem Beamten Klopsch verübt wvrden ist. Als dieser von der Ent- deckung erfuhr benutzte er einen unbewachten Augenblick, aus dem Geschäft zu entfliehen. Der sofort benachrichtigten Kriminal- Polizei gelang es gestern Mittag den Defraudanten zu fassen. Als sie seine Wohnung in der Niebuhrstraße 67 zu Charlottcnburg durchsuchen wollte, fand sie diese verschloffen,.ie Beamten öffneten die Tür gewaltsam und fanden nun den Defraudanten vor. Er versuchte sich zu erschießen. Doch gelang es, ihn festzunehmen, ehe er!>on der Waffe Gebrauch machen konnte. Ungefähr 50 000 Mark die K. sich im Lause der Zeit durch den Verkauf der Konsols verschafft hat. will dieser durch seinen leichtsinnigen Lebenswandel verbraucht haben, Böse hineingelegt hat ein Vergnügungskomitee die im Glüh lampenwerk der A. E. G.(Sickingenstraße) beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen. Das Komitee hatte zum Sonnabend, den 17. August, eine Mondscheinfahrt mit Musik nach dem Prinzen- garten(Müggelsee) arrangiert und hatte Billetts zu diesem Zwecke ausgegeben, auf denen das Ziel der Fahrt aufgedruckt war. Die Fahrt ging auch von statten. Als der Dampfer hielt, stiegen die Fahrgäste aus und mit Musik, die die Arbeitermarseillaise spielte, ging es in das Festlokal. Wie erstaunten aber die Festteilnehmer. als sie bemerkten, daß sie gar nicht im Prinzengarten am Müggel see gelandet waren, sondern im Seglerschloß zu Schmöckwitz . War man deswegen schon ungehallen. so griff Empörung Platz, als sich herausstellte, daß das neue Ziel der Fahrt, das Seglerschlotz, ein für die organisierte Arbeiterschaft ge- sperrtes Lokal war. Kellner, die nach ihrer Organisations- zugehörigkeit gefragt wurden, antworteten auch ganz ungeniert, daß die Anftagenden nicht in ein gesperrtes Lokal kommen sollten, wenn sie durchaus von organisierten Kellnern bedient werden wollten. Als der Wirt von der Entrüstung Kenntnis erhielt, stellte er sich auf einen Stuhl und erklärte:Heute gebe ich Ihnen das Lokal fteil" Auch ein Mitglied des Vergnügungskomitees erklärte dasselbe. Womit natürlich gar nichts gesagt war. Gewiß wird ein Wirt sein Lokal einem Massenbesuch öffnen, wenn von ihm nichts weiter verlangt wird, als bei einem Vergnügen das Geld der Arbeiter einzunehmen. Man frägt sich, wie war es möglich, daß ein Vergnügungs- komitee organisierte Arbeiter so hineinlegen konnte, wie daS im vorliegenden Falle geschehen ist. Erst fährt man gar nicht nach dem auf den Billetts angegebenen Ziel und dann geht die Fahrt nach einem für die Arbeiterschaft gesperrten Lokal. Es klingt oben- drein wie Hohn, daß die Musik die Marseillaise spielt in dem Augenblick, da man in ein gesperrtes Lokal einzieht. ES muß gefragt werden: Wer sind die Veranstalter dieses Vergnügens, die ihre Kollegen in dieser schandbaren Weise hineingelegt haben. ES mutz mit aller Schärfe gegen ein solch dunkles Treiben von Ver- gnügungsmenschen Einspruch erhoben werden. Der Hungertod des Beteranen Drux, der vor einigen Wochen erhebliches Aufsehen erregte, hat dieamtlichen Stellen" veranlaßt, eine Untersuchung über den Lebensgang des Toten einzuleiten, deren Ergebnis von derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" jetzt wie folgt veröffentlicht wird: Vor kurzem ging durch die Tagespresse die Nachricht, daß der Veteran Drux auf der Straße in Berlin-Wilmersdorf den Hunger- wd erlitten habe. An diese Mitteilung knüpfte ein Teil der Blätter mehr oder minder heftige Anklagen gegen die betreffenden Stellen im Reich, derenunzureichende Fürsorge für den alten Kriegsteil- nehmer" man mittelbar für den Tod des Drux verantwortlich machte. Mit Rückficht auf die Erregung, die durch diese Zeitungs- artikel in weite Kreise hineingetragen worden ist, erscheint es notwendig, hier kurz das Ergebnis der amtlichen Ermittelungen mitzuteilen, die gleich nach dem Vorfall eingeleitet wurden und jetzt abgeschlossen sind. Drux war in feiner Heimat als Trinker, Bettler und Land- ftreicher bekannt. Seit mehr als zwanzig Jahren hielt er sich von seinen in Westfalen lebenden Angehörigen, seiner Ehefrau und mehreren Söhnen, fern und trieb sich von Ort zu Ort umher. Die Söhne hatten sich immer wieder erboten, für ihren Vater vollständig zu sorgen, doch waren alle Bemühungen, Drux zu Hause zurück- zuhalten oder zur Rückkehr zu bewegen, vergeblich. Drux verließ stets von neuem die Heimat, seine Familie ohne jede Nachricht zurücklassend, so daß diese schon seit langer Zeit von seinem Aus- enthalte und seinem Ergehen keine Kenntnis hatte. Von 1889 bis 1911 war Drux nicht weniger als 7Kmal wegen Bettelei und Landstreichcns bestrast worden, 12 Jahre hat er im Arbeitshause zugebracht. Außerdem erlitt er verschiedene andere Strafen wegen Betruges, Beleidigung, Sachbeschädigung und wurde zuletzt noch anfangs 1911 wegen gefährlicher Körperverletzung zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Bis wenige Wochen vor seinem Tode befand sich Drux im Landkrankenhause in Hanau , wo er seit Ende 1911 auf Kosten des Landarmenverbandes verpflegt worden war. Die unmittelbare Ursache des Todes des Drux war ein Herz- schlag, der auf Entkräftung wie angenommen wurde nicht zurückzuführen ist, da sich der Verstorbene, laut ärztlicher Fest- stellung, in einem guten Ernährungszustande befunden hat. Drux hat nach vorstehendem ganz allein seine Lage seiner Trunksucht und seiner unglücklichen Veranlagung zuzuschreiben, die ihn das ungeregelte Leben dem sorgenfreien Aufenthalt bei seinen Angehörigen vorziehen ließen. Zu einem besonderen Mit- leid lag hiernach jednfalls ein Anlaß in keiner Weise vor. Es darf erwartet werden, daß die beteiligten Blätter nunmehr ihre Leser über den wahren Sachverbalt aufNären werden. Im übrigen zeigt auch wieder oer Fall Drux, mit welcher Vorsicht Mitteilungen dieser Art behandelt werden müssen, ehe der wirkliche Tatbestand festgestellt ist." Selbst wenn das zutrifft, was in der amtlichen Erklärung von dem Hungers verstorbenen Veteranen behauptet wird bleibt die Tatsache bestehen, daß das Reich die alten Krieger mit Bettel- Pfennigen abspeist. Im übrigen hätten sich die amtlichen Er- Mittelungen vielleicht auch darauf erstrecken können, inwieweit die Teilnahme an den drei Feldzügen den inneren Zerfall des auf der Straße Verstorbenen herbeigeführt hat. Daß er wegen Bettelns und Landstreichens häufig bestraft, ja sogar ins Arbeits- haus gewandert, wegen Betruges, Beleidigung, Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung zu 10 Monaten Gefängnis ver- urteilt worden ist, beseitigt nicht das Faktum des Hungertodes. Und die Lage der noch taufenden darbenden Kriegsveteranen wird durch die Aufzählung all der schlechten Eigenschaften des ver- hungerten Vaterlandsverteidigers um kein Deut besser. Im übrigen sind erfahrungsgemäß auch amtliche Unter- suchungen mit größter Vorsicht auszunehmen. Nachtrag zum Berliner FernsprechverzeichniS. Zu dem Ver- zeichnis der Teilnehmer an den Fernsprechnetzen in Berlin und Umgegend vom April hat die Oberpostdirektwn einen Nachtrag her- gestellt, der demnächst verteilt wird. Der Nachtrag enthält auf 56 Seiten etwa 6500 neue Anschlüsse aus den Ober-Postdirektions- bezirken Berlin und Potsdam . Aenderungen und Streichungen sind nicht besonders mitgeteilt. Eine Anmerkung besagt, daß für den Monat Oktober eine Neuauflage de? Verzeichnisses beabsichtigt ist. die Mitte November zur Ausgabe kommt. Anträge auf Aende- rung oder Vervollständigung der Eintragungen sind möglichst früh- zeitig, spätestens bis zum 8. Oktober, schriftlich und frankiett an das zuständige Fernsprechamt zu richten. Umleitung einer Strahenbahnlinie. Die Straßenbahn ist ge- nötigt, wegen Kanalisationsarbeiten an der Kreuzung der Gneisenau- und Zossener Straße die Linie 14 statt durch die Belle Alliance und Gneisenaustratze vom Sonnabend, den 24. August an über die Blücher - und Zossener Straße zu leiten. Die Arbeiten und die Umleitung werden etwa fünf Tage dauern. Die großen Tunnelbauten im Westen Groß-BerlinS nähern sich ihrer Bollendung. Für die Wilmersdorfer Schnellbahn muß he- kanntlich das Eckhaus Tauentzien- und Nürnberger Straße unter- fahren werden. Hier sind die Arbeiten in letzter Zeit derart ge- fördert worden, daß der Tunnelbau in kurzer Zeit wird fertiggestellt werden können. Der eingleisige Tunnel, der zwecks Abzweigung der Bahn nach dem Rursürstendamm(Uhlandstraßenecke) die Stamm- linie an der Kaiser-Wilhelm-GedächtniSkirche unterfährt, ist im Rohbau schon fertig, so daß auf dem Auguste-Viktoria-Platz wieder mit der Umlegung der Straßenbahngleise an ihre frühere Stelle hat begonnen werden können. DaS gleiche gilt von der Spichernstraße und dem Kurfürftendamm._ Hier ist freilich noch ein schwieriges Werk zu überwinden: die Unterfahrung de? großen im Zuge der Joachimsthaler Straße liegenden Notauslasses. Die Arbeiten sollen aber auch an dieser Stelle so gefördett werden, daß die Fertigstellung noch in diesem Jahre erfolgen kann. In der Nürnberger Straße endlich soll mit der Wiederherstellung des Pflasters und der Umlegung der Straßen« bahngleise demnächst begonnen werden. Am weitesten zurück sind noch die Arbeiten am Wittenbergplatz, woselbst allerdings_ die größten Schwierigkeit zu bewältigen sind. Die alten Tunnelwände sind hier noch nicht völlig beseittgt, so daß der Umbau des sechs- gleisigen Bahnhofs wohl erst im nächsten Jahre wird vollendet werden können. Unter dem Verdacht, der gesuchte Defraudant, der Kassenbotö Brüning zu sein, ist am gestrigen Mittwoch mittag auf dem Fern- bahnsteig in Charlottenburg eine Dame verhaftet worden, die in dem um diese Zeit eingelaufenen D-Zug Köln -Berlin in Be­gleitung einer anderen eleganten und auffallend schönen Frau die Reise von der rheinischen Hauptstadt nach Berlin zurückgelegt hat. Auf der Fahrt nach hierher war dem Oberkellner des Speisewagens in dem genannten Zuge die tiefe Stimme der schönen Frau auf- gefallen und er erinnerte sich auch, die jüngere der Damen in den letzten Monaten wiederholt beim Diner im Speisewagen bedient zu haben. Und zwar glaubte der Oberkellner, diese Dame in Ge- sellschaft eines Herrn gesehen zu haben, der mit der schönen Frau eine sprechende Aehnlichkeit besaß. Der Oberkellner besprach den Fall sofort mit seinen Kollegen und man kam zur Ansicht, daß es sich hier wahrscheinlich um den Destaudanten Brüning handele, der in Damenkleidern der Stätte seiner ehemaligen Tätigkeit einen Besuch abzustatten gewillt sei. Auch der Zugführer wurde von dem Verdacht verständigt. Unterwegs wurde die Charlottenburger Kriminalpolizei telegraphisch von dem Eintreffen der beiden Damen informiert. Als der Zug auf dem Bahnhofe des genannten Vorortes eintraf, traten mehrere Kriminalbeamte an das Coupe, in welchem die Damen saßen, heran, legitimierten sich und brachten die Herrschaften in durchaus unauffälliger Weise vom Bahnsteig, um sie nachher nach dem Charlottenburger Polizeipräsidium zu überführen. Hier legitimierten sich aber die beiden Damen als ein Ehepaar aus Frankfurt am Main . Der als Frau gekleidete Gatte gab an, daß er ein TranSvestit fei und sich auf dem Wege zu Dr. Magnus Hirschfeld in Berlin befinde, den er konsultieren wolle. Die jüngere Dame erklärte, daß sie die Frau des TranS« vestiten und vollkommen damit einverstanden sei, daß ihr Mann weibliche Kleidung trage. Den Verdacht, der Kassenbote Brüning und seine etwaige Begleiterin zu ,sein, wies das Ehepaar mit Entrüstung zurück. ES stellte sich auch bald heraus, daß der Gatte mit dem gesuchten Kassenboten nicht identisch war und daß es sich hier um ein Frankfurter Ehepaar handelte. Gegen 10 Uhr abends wurde das seltsame Ehepaar aus seiner Haft egklasscu. Einen umfangreichen Schwindel mit gefälschten Rabattmarke« hat die Kriminalpolizei aufgedeckt. Der Reichs-Span- uns» Rabatt­verein in der Gitfchiner Straße fand in der letzten Zeit wieder- holt, daß die Bücher, die er von den Kaufleuten gefüllt-zurück bekam, gefälschte Rabattmarken enthielten. Er machte feine Kunden hierauf aufmerksam und bat sie, acht zu geben. Auf biefe Warnung hin sah auch ein Kaufmann in der Weserstraße in Neukölln genauer zu, als ein Mann ihm bei einem kleinen Einkastf ein Markenbuch in Zahlung gab. Weil alle Marken ganz neu waren, schöpfte er Verdacht und ließ den Käufer festnehmen. Auf dem Polizeipräsidium wurde der Verdächtige festgestellt als der 30 Jahre alte Lithograph Gustav Ruthe, ber in der Kaiser« Friedrichstraße 176 eine Küche gemietet hatte, um Marken im großen herstellen zu können. Er hatte zu diesem Zweck eine Stein- druckhandpresse, eine Perforiermaschine und die nötigen Farben angeschafft und seine Versuche unermüdlich solange fortgesetzt, bis ihm die Fälschungen zuletzt durchweg gut gelangen. Besonders ähnlich fielen die Einmark- und die Zehnpfennigmarken aus, während er bei den 25-Pfennigmarken die Farbe nicht recht traf. In der Fälscherküche fand die Kriminalpolizei noch ungefähr 300 Bogen nachgemachter Marken. Ruthe, der wegen Falschmünzerei schon mit 3 Jahren Gefängnis bestraft ist, gestand ein, die Fäl- schungen der Rabattmarken schon seit längerer Zeit betrieben zu haben, um davon zu leben. Seit zwei Jahren ist er wegen Krank» heit arbeitslos._ Ein weiterer Berliner Bankdefraudant wurde auf Veranlassung der Berliner Kriminalpolizei in Swakopmund verhaftet. Kurz nach der Unterschlagung des Kassenboten Haase bei der American Expreß Compagnie stellte sich heraus, daß derselben Bank 16 000 M. veruntreut worden waren. Zwei Wertbriefe, die das Berliner Zweiggeschäft nach dem Hauptsitz der Bank in New gork sandte, enthielten statt der darin angekündigten 16 000 M. nur Papier­schnitzel. Bei der Absendung waren den Beamten vier Tausend« dollarnoten zum Einstecken in den Brief gegeben worden. Es mußte also einer von ihnen die Scheine für sich behalten haben. Der Verdacht fiel zuerst auf den Kassenboten Haase, der bei seinem Geständnis die Unterschlagung dieses Geldes jedoch bestritt. Es stellte sich auch bald heraus, daß diese Veruntreuung von einem an» deren früheren Angestellten de? Geschäfts verübt worden war, und zwar von dem 27 Jahre alten Verwaltungssekretär Karl Bennent, der auS Düsseldorf gebürtig ist und zuletzt in der Wind« scheidstr. 30 zu Charlottenburg wohnte. Bennent erschien am 10. v. M. bei einem Lotterie- und Bankgeschäft, wo er auf Englisch bat, ihm eine Tausend-Dollarnote zu wechseln. Der Geschäftsinhaber tat dies auch. Später wurde der Dollarschein in Hamburg , wo die Nummer der Note bekannt war. angehalten. Der Inhaber deS Bankgeschäfts erkannte auS den ihm vorgelegten Bildern den Ver- waltungssekretär Karl Bennent bestimmt wieder. Die Kriminal» Polizei ermittelte bald, daß sich Bennent, der sich nach Berlin ab« gemeldet hatte, in Wirllichkeit den DampferPrinzessin" bestiegen hatte, um nach Südafrika zu fliehen. Bei seiner Ankunft in Swakopmund wurde er jetzt von der benachrichtigten Hafenbchörde erkannt und festgenommen. Die Affäre der verhafteten Inhaber derBerliner Fleisch- und Wurstwarenfabrik A. Müller" in der Neuen Königstraße. Kaufleute Max und Rudolf Schmager, hat gestern eine unerivartete Wendung genommen. Die unter dem Verdacht des KonkurSver- brcchens und Vergehens gegen das Gesetz betr. die Gesellschaften m. b. H. verhafteten Inhaber wurden in erster Linie beschuldigt, angesichts des drohenden Konkurses in der Absicht, ihre Gläubiger zu benachteiligen, Vermögensstücke beiseite geschafft zu haben. Außerdem sollten sie die Geschäftsbücher unordentlich geführt und bei Gründung der Gesellschaft unrichtige Angaben gemacht haben. Tie Verhasteten bestritten von Anfang an mit aller Entschieden- heit, sich irgendeiner strafbaren Handlung schuldig gemacht zu haben. Vom RcchtSbcistand der beiden Verhafteten wurde sofort der Antrag auf Haftentlassung gestellt, der wie folgt begründet wurde: Durch ein plötzlich aufgetauchtes, völlig unbegründetes Gerücht, nach welchem die Gebrüder Schmager zahlungsunfähig seien, habe sich ein förmlicherRun" der Gläubiger entwickelt, die plötzlich sämtlich ihre Forderungen einziehen wollten. Die hier. durch entstehende Krisis habe sich dann durch den völlig übereilten Antrag auf Eröffnug des Konkursverfahrens zur Katastrophe ent- wickelt. Die Nachprüfung dieser einzelnen Momente durch den