-• versucht«» l.iikitärische» Protestes. Ein« Beschiverde an das Kriegsmittisterium war die Folge. Die von dieser Seile er- theilke Auskunft war jedoch durchaus ungenügend, während auf eine weitere, auf vollem Rechtsboden befindliche Erklärung — datirt 17. Juli— eine Antwort überhaupt nicht erfolgte. Wird dieselbe noch kommen? Es ist mehr als ein Vierteljahr darüber vergangen! Wie der Fall Dr. Gradnauer liegt, läßt sich zur Zeil noch nicht im Einzelnen beurtheilen."— Weiter wird der„Vossischen Zeitung" zu dem Fall Gradnauer aus Zittau , 27. Oktober, geschrieben: „lieber die in den letzten Tagen bei einem Führer der hiefigen Sozialdemokraten stattgesundene Haussuchung, sowie über die Verhaftung mehrerer hiesiger Soldaten, die zweifellos mit dem Fall Gradnauer in Verbindung stehen, wird jetzt von angeblich zuverlässiger und gutunterrichteter Seile folgendes gemeldet: Schon zur Zeit der Reichstagswahlen wurde ein Soldat hiesiger Garnison, namens Berger, in Haft genommen, weil man ein sozialdemokratisches Flugblatt in einem seiner Röcke vorgefunden hatte. Verger ist damals vom Dresdener Militärgericht zu mehrwöchentlicher Freiheitsstrafe verurthcilt worden. Vor seiner Jnhaflirnng soll nun dieser Berger entweder selbst oder durch Vermittelung ihm bekannter Sozialdemokraten bei Dr. Gradnauer in Dresden brieflich angesragr haben, welche Strafe ihn wohl erwarte. Auch soll bei diesem Briefwechsel, der in die Zeit vor Einberufung Gradnauer's zu einer Reserveübung fällt, von Berger angefragt worden sein, welche Staaten einen desertirten Soldaten aus- liefern. Hierauf hat nun Dr. Gradnauer brieflich an einen Führer der hiesigen Sozialdemokraten geantwortet und auf diese Fragen Auskunft erlheilt, so gut er es vermochte, jedoch bat er gleichzeitig den Soldaten Berger dringend ermahnen lasten, während seiner Dienstzeit die größte Vorsicht zu beobachten und nichts zu thun, was er später zu bereuen habe» würde. Dieser Brief des Dr. Gradnauer ist es nun, der bei der hier stattgebabtcn Haussuchung beschlagnahmt wurde. Zur Manöverzeit ist Berger übrigens wieder frei ge- wesen, auch soll er damals persönlich mit Dr. Gradnauer verkehrt haben. Ueber die weiteren Verhaftungen in hiesiger Kaserne ist bis jetzt näheres nicht bekannt geworden.— Ter„Rcichsbote" denunzirt heute wacker darauf los. Das Organ des Stöckerthums schließt seinen Artikel über den Fall Gradnauer voll Haß mit den Worten: Man darf nach allem annehmen, daß die sächsische Militärverwaltung den Fall etwas objektiver und unbeug- sanier anfassen wird, wie die bayerische den Fall Hofmeister, dessen Erledigung uns den peinlichsten Eindruck hinter» lassen hat. Woher weiß denn der„Reichsbote", daß gegen Hof- meister auch nur das Mindeste vorlag, wie kann das Pastorcnblatt die im geheimen Gerichtsverfahren urtheilen- den uniformirten Richter mangelnder Objektivität und Un- bcngsamkeit zeihen. So lange gegen Gradnauer nicht mehr als bis jetzt bekannt vorliegt, kann der verbissenste Sozialistentödter das Verfahren der Militärbehörden nicht begreifen, die Ver- urthcilung Gradnauer's nicht wünschen. Selbst die schärfsten politischen Gegner Gradnauer's in Dresden , dem Wirkungs- kreise unseres Kollegen, haben loyal zu dem Falle Stellung genommen, ja selbst die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" hat es bis jetzt an Objektivität nicht fehlen lassen. Desto schniählicher erscheint uns das Vorgehen des„Reichs- boten".—» Zum Fall Hofmeister. Wie die„N. Bayr. Landes- Ztg." mittheilt, erhält Lieutenant Hofmeister den Abschied mit Pension bewilligt.„Die Armeeverwaltung hätte ihn auf grund der Ergebnisse der Verhandlung einfach mit schlichtem Abschied ohne Pension entlassen können, wenn sie aus den strengen Buchstaben des Gesetzes sich gestützt hätte. Ein Offizier, der noch nicht zehn Jahre gedient hat, hat im Falle der Unbrauchbarkeit keinen Anspruch auf Pension. Wenn Herr Hofmeister trotzdem die Pension erhält, so ver- dankt er das der Auffassung, daß seine nervöse, erregbare und empfindsame Anlage durch den Dienst beim Regiment in ungünstiger Art beeinflußt wurde."— Zur Gcwerkschaftsfrage. Die Debatte des Partei- tages über die Stellung der Gewerkschaftsbewegung zur Sozialdemokratie ist leider so sehr auf das persönliche Ge- biet hinübergezogen worden, daß sie nicht in vollem Maße zu der erwünschten Klärung hat führen können. Eins ist aber erreicht worden: die Zerstörung der Illusion, als ob die Mehrheit der Parteigenossen, und nanientlich die Mit- glieder der Parteileitung der Gewerkschaftsbewegung kühl oder gar feindlich gegenüberstünden. Die Resolution, die gerade von den angeblichen oder vermeintlichen Gegnern der Gewerkschaftsbewegung eingebracht, und die von dem Parteitag in erster Abstimmung mit überwältigender Mehr- heit, in zweiter Abstimmung einstimmig angenommen war- den ist, schließt sich genau der von dem Hatte'schen Parteitag gefaßten Resolution an und drückt, so weit dies durch Worte geschehen kann, die lebhafteste Sympathie für die Gewerkschaftsbewegung aus, und verpflichtet die Partei aufs energischste zu deren Unterstützung und Förderung. Nur ein Mißverständniß ist noch zu beseitigen. Im Laufe der Debatte fiel eine Aenßerung, die verschiedentlich dahin ausgefaßt wurde, als sollte sie besagen, daß die Gewerkschaften mit der immer mehr sich steigernden Konzentration des Kapitals machtlos und damit überflüssig werden würden. Diese Auffassung ist eine durchaus unrichtige. Daß der konzentrirte Großkapitalismus stärker, und folglich schwerer zu bekämpfen ist als der Klein- kapitalismus— das unterliegt keinem Zweifel; allein mit der wachsenden Konzentration des Kapitalismus wächst auch das Proletariat und wird auch entsprechend stärker. Hierzu kommt, daß auch unter der Herrschaft des Großkapitalismus der Konkurrenzkampf der Kapitalisten unter sich nicht auf- hört— nur, daß an Stelle der„Kleinen", die bereits in einem früheren Stadium aufgezehrt, die„Großen" treten, die von den Größeren ausgezehrt werden. Wir sehen das jetzt in England, das uns in der ökonomischen Entwickelung nm mindestens ein Menschenalter voraus ist. Tie unvermeidlich scheinende Niederlage der Gruben- a r b e i t e r in ihrem Ricsenstreik ist dort abge- wendet und in«inen Sieg der Arbeiter verwandelt , vorden. Und wodurch? Durch die Fahnenflucht eines beträchtlichen Thciles der Mitglieder des Unteruehmerver- bandes. Kleinkapitalisten sind nicht unter ihnen; der wenigst reiche ist noch steinreich. Allein die Kleineren unter den Großen werden bedroht von der Konkurrenz der Größeren und Größten, die den Streik länger aushalten können als sie, und nur in der Absicht, sie zu Grunde zu richten und„aufzuzehren", den Streik zu verlängern wünschen. Thatsächlich ist der Unternehmerverband durch die gewerkschaftlich organisirten Arbeiter gesprengt worden— ein großartiger Triumph der Gewcrkschafts- Organisation, der den schlagendsten Beweis dafür liefert, daß auch bei der höchsten Entwickelung des Kapitalismus, wie sie in der englischen Grubenindustrie zu finden, die ge- werkschaftliche Organisation eine wirksame, sieg- bringende Waffe des Proletariats ist.— Das Ministerium Taaffe soll seine Demission ein- gereicht haben. Während man früher annahm, daß der Rücktritt des Ministers Steinbach, des Anregers und Ver- sassers der Wahlreformvorlage, genügen wird, um die Opposition zu versöhnen und den Weiterbestand des Mi- nisteriums zu ermöglichen, scheint nun diese Aussicht ge- schwunden zu sein. In Wien geht das Gerücht, daß die Demission des Kabinets angenommen sei. Alle großen Parteien, die Polen , die Konservativen und die Liberalen, Parteien, die sich seit fünfzehn Jahren schroff be- kämpften, haben sich aufs engste verbunden, um die Wahtreformvorlage des Grafen Taaffe zu Fall zu bringen. So haben wir wieder den Beweis für den Satz von der einen reaktionären Masse. Wir und unsere österreichischen Genossen werden dem Grafen Taaffe keine Thräne nach- weinen. Die Wahlreformsrage kann auch nicht mehr ins Stocken konimen. Dafür sorgt schon genügend die erstarkte Bruderpartei hinter den schwarz-gelben Grenzpfählen.— Spieler und Wucherer gedeihen überall in der Bourgeoisgesellschaft, im Militärstaat wie in der Republik . Gleichzeitig mit dem Hannoverschen Prozeß, der uns die vornehmsten Namen in intimer Verbindung mit einer Gaunerbande aufweist, meldet man aus Paris die Ver- Haftung des Direktors eines der größten Pariser Spierklubs, des sogenannten Betting-Klubs, Bertrand. Die Verhaftung erfolgte infolge einer Anzeige des Grafen Marcilly, welcher in dem Klub große Spielverluste erlitten. Bertrand hatte ihm 80 000 Franks vorgestreckt und sich dafür einen Wechsel über 230 000 Franks ausstellen lassen. Gleichzeitig mit Bertrand wurde ein Notar festgenommen, welcher beurkundet hatte, daß Marcilly die Summe von 230 000 Fr. wirklich empfangen hätte.— Arbeiter als Fabrikinspektoren. Der Versuch des englischen Ministers Asquith , IS Arbeiter zu Fabrik- inspektoren zu ernennen, hat sich selbst nach Ansicht der „Vossischen Zeitung" bewährt. Sie haben dazu beigetragen, während ihrer sechsmonatigen Amtszeit wesentliche Ucbelstände im Fabritwesen abzustellen, die sonst unentdeckt geblieben wären. Der Minister des Innern hat im Hinblick aus diese Erfolge in seiner letzten Rede die Ernennung von weiteren Fabrikinspektoren in Aussicht gestellt, die ihre Er- fahrungen als regelrechte Fabrikarbeiter gesammelt haben. Auch die weiblichen Fabrikinspettoren, die frilher Arbeiterinnen gewesen sind, sollen vermehrt werden.— Tokitsch, der serbische Ministerpräsident, der todtkrank sein soll, hat seine Stelle niedergelegt. Nach seinem Rück- tritte dürften die persönlichen Kämpfe innerhalb der radikalen Partei, welche das Ministerium stützte, wieder beginnen.— Zum Charitee-Boykott. Man schreibt uns: Die„Vossische Zeitung" von heute bring: aus der Feder eines Arztes einen Artikel, welcher die Ursachen deS gegen die Charitee gerichteten Boykottes hauptsächlich in der Behandlung der G e- schlechlsk ranken findet und zum Schluß bemerkt: W a h- res und Falsches sei in„unentwirrbarer Ver- k n ü p f u n g" vorgebracht. Beide Boraussetzungen sind irr- t h ü in l i ch.— Die Ursachen, welche den Boykott veranlaßt haben, liegen auf allen Gebieten der Krankenbehandlung, und es ist als eine Langmuth der Arbeiterschaft— aus welcher sich trotz aller gegentheiligen Behauptungen das Krankenmaterial der Charitee zusammensetzt— zu betrachten, daß sie bisher zu der unangemessenen Behandlung geschwiegen hat. Jetzt ist diese Langmuth erschöpft und der Stein ist ins Rolle» gekommen. Einsender dieses ist ein genauer Kenner der in der Charitee obwaltenden Verhältnisse und kann dem Herrn Korrespondenten der„Vossischen Zeitung" nur empfehlen: Er- fahrnng, verehrter Herr Doktor, Erfahrung am eigenen Leibe, und Ihr Urtheil würde sicherlich anders ausfallen. Uebrigens sei hier die Frage aufgeworfen: Wie lange wird die Chariiee-Direktion sich noch in Schweigen hüllen? Sind die gegen sie erhobenen Anklagen unberechtigt, dann möge sie ant- worten— andernfalls soll sie sich nicht wundern, wenn ihr Schweigen nach dem Sprichwort gedeutet wird: gui tacot, consentive videtur. Der Moloch sendet de» Steuerzahlern Griiße. Das „Berliner Tageblatt" berichtet: Vor einigen Tagen schlug auf der dem bekannten Dendrologen Dr. Bolle gehörigen Insel Scharfenberg im Tegeler See um die Mittagszeit in Gegenwart der Familie des Oekonom Bergemann und nahe vor dem Wohn- Hanse des Besitzers ein Artilleriegeschoß vom benachbarten Schieß- platze mit furchtbarem Getöse und Sausen ein. Aus Reklamation des Dr. Bolle ist eine militärisdie Deputation auf der Insel er- schienen, welche den Thatbestand aufgenommen hat. Wäre das Geschoß in das von Menschen bewohnte Haus eingedrungen, so halle es schreckliches Unglück anrichten können. Bnld darauf wurde an der Südspitze von Scharfenberg, Valentins- werder gegenüber, ein zweites Geschoß, eine ältere Feldgeschütz- Granale aufgefunden, welche scharf geladen war und ebenfalls großes Unheil hätte anrichten können, sobald sie, beispiels- weise beim Grasmähen, an der Zündung von einem Sensen- schlag getrosscn worden wäre. Ein Artilleriekommando hat dies zweite Geschoß, ebenfalls ans Reklamation des Dr. Bolle, an Ort und Stelle vorsichtig gesprengt. Es wird immer heilerer. Ei» General knallt seinen Pusser absichtlich auf einen wehrlosen Menschen ab und vom Tegeler Schießplatz her giebt Moloch»nabfichUich dem harmlosen Bürgersmann Proben seiner Fähigkeit. Lieb' Vaterland, magst ruhig sei». Vergrößerung des Victoriaparks. Der Magistrat be- schloß i» ferner vorgestrigen Sitzung, das Mnncksche Erben- grundstück an der Lichterselderstraße zur Vergrößerung und besseren Abrundung des Vicloriaparkes zum Gesammtpreis von 370 00» M. anzukaufen und eine bezügliche Vorlage sofort an die Stadtverordneten-Versammlung zu richten. Der Preis stellt sich auf etwas über 100 M. pro Quadratmeter. Es liegt in der Absicht, den häßlichen Giebel nach dem Nachbargebände an der Lichterselderstraße, welches sich fünf Stock hoch erhebt, baulich zu verdecken, im übrigen aber das sehr bewegte Terrain an den vor- handenen Park nahe der Wolssschlucht anzuschließen. Nuigestaltung der Neuen Friedrichstraße. Das Magistrats- Kollegium hat gestern beschlossen, der Stadtverordneten-Bersamm- lung ein Projekt zur Umgestaltung der Neuen Friedrichstraße, der Rosenstraße und des Eingangs der Klosterstrape mit Wegfall der Schmalen Gasse vorzulegen. Nach Fertigstellung dieser Um- gestaltnng würde jene Gegend«ine der Hauptstadt angemessene und würdigere Gestaltung erhalten. Das Spielen der Kinder mit Streichhölzern hat wieder einmal ein Unglück im Gefolge gehabt. Die drei Kinder einer in der Dachetage des Hauses Jakobykirchstraße 4 wohnenden Frau setzten heute Mittag gegen 12 Uhr in Abwesenheit ihrer Mutter. die sie in der Wohnung allein eingeschlossen, durch das � Spiel mit Streichhölzern die Wohnung in Brand. Bei der Rückkehr der Frau stand bereits alles in hellen Flammen; die Kinder waren jedoch durch die von der Nachbarschaft alarmirte Feuer- wehr aus der gefährdeten Wohnung entfernt worden. Das Feuer hat einen nicht unbeträchtlichen Schaden verursacht, der durch Versicherung nicht gedeckt ist. Um ihre ganze Habe gekommen ist ein armes Mädchen aus der Reise von Treptow a. R. nach Berlin . Am 22. d. M. lernte die unverehelichte Minna B. auf der Fahrt eine etwa 30 jährige Frau mit dunklem Haar und dicker rother Nase kennen, die mit einem schwarzen Cachemirekleid bekleidet war und auch nach Berlin fuhr. In Alt-Damm mußten sich beide neue Fahr- karten lösen. Als die Unbekannte bereits in den neuen Zug eingestiegen und das Gepäck beider untergebracht ,var, setzte sich der Zug in Bewegung und Minna B. blieb zurück. Ihr Reise- korb ist hier nicht abgegeben, und es scheint, daß die Fremde, die aus Greiffenberg sein wollte, in Berlin einen Onkel(Schutz- mann) besuchen und dann nach Westend fahren wollte, das Ge- päck an sich genommen hat. Darin befanden sich die ganzen Habseligkeiten; die Wäsche ist M. B. bezeichnet. Berichtigung. Zu dem Schlußsatz der von uns gebrachten Mittheilung über die Angelegenheit des Rechtsanwalts Dr. Fritz Friedmann theilt uns Herr Adolf Lindner, Jägerstr. 10, be- richtigend mit. daß der bekannte Börsenspekulant Arendt nicht sein intimer Freund, sondern sein intimer Feind sei. Wir fügen dieser Mittheilung hinzu, daß die unrichtige Qualifizirung des genannten Herrn durch einen Druckfehler unsererseits ver- schuldet ist. Polizeibericht. Am 27. d. MtS. Nachmittags sprang eine in Wochen liegende Frau aus einem Fenster ihrer.im dritten Stock des Hauses Pankstr. 32b belegenen Wohnung aus den Hof hinab und' erlitt schwere innere Verletzungen.—"Im Laufe des Tages fanden drei Brände statt. Geritltks--Zsttutrg: Der Bergarbeiter- Krawall auf der Grube„Centrum" zwischen Schcnkendorf und Königs- Wusterhausen welcher am 1. Juli v. I. entstand, beschäftigte am Sonnaben.d das Schwur- gericht beim Landgericht II. Auf der Anklagebrmk standen sechs Bergarbeiter, sechs weitere Angeklagte waren nicht erschienen. Dieselben haben aus ihrer Heimath im Waldenburger Kreise an den Gerichtshof telegraphirl, daß sie nur dann zur Haupt»' Verhandlung kommen könnten, wenn sie Reisegeld erhielten oder auf Staatskosten hierher befördert würden. Der letztere Theil des Wunsches wurde sofort nach Beginn der heutigen Hauptverhandlung gebilligt, auf Antrag des Staats- anwalts wurde beschlossen, die Sache der anwesenden Angeklagten von der der nicht anwesenden zu trennen und dieselben ach» Tage vor der nächsten Verhandlung zu verhaften. Im Monat Juni v. I. tauchten zwei Vertreter der Grube„Zentrum" in der Gegend von Waldenburg i. Schi, auf, welche Bergarbeiter, Häuer, Schlepper und Gruben-Hand werker für hier zu werben suchten. Es kam schließlich eine Versammlung zustande, in welcher der Betriebsinspektor Kimeß und der Steiger Gürtler die hie- sigen Ärbeits-Berhältnisse in günstigstem Lichte darzustellen suchten. Den Schleppern, Häuern und Handwerkern wurden 3 Mark, 3,30 Mark und 4 Mark Tageslohn versprochen. Das Reisegeld sollte vorgeschossen und nur dann in Abzug gebracht werden, wen» die Arbeit des Betreffenden bald abgebrochen würde. Den Angeworbenen wurde zwar gesagt, daß die Grube etwas naß sei und sie sich mit wasserdichten Kleidern und Stiefeln versehen sollten, doch wurde gleichzeitig zugesagt, daß die. Bergleute, welche nicht im Besitze wasserdichter Ausrüstung wären, solche von der Grube auf Abzahlung bekommen könnten. Infolge dieser Zusage kamen 72 Bergleute von Waldenburg nach Schenkendorf, die aber zum großen Theil nicht länger als zwei Tage arbeiteten, weil die thatsächlichen Verhältnisse den ihnen vorgezeigten Bildern nicht entsprachen. Die Grnbe war nässer, als wie erwartet, das Versprechen der Lieferung wasserdichten Zeuges, welches die Ab- gesandten ob mit oder ohne Zustimmung der Zentralverwaltung geben, wurde von dieser nicht anerkannt, erst kam es zum Streit niit einzelnen Arbeitern, darauf hörten mindestens 30 Mann auf der Stelle auf, sie schickten eine Deputation an den im Zechen- Hanse befindlichen Grubendirektor Blume, dieser soll die Depu- tation mit Schimpfworten wie„schlesische Vagabo n den!" „Lumpenpack!"„s ch l e s i s ch e s Gesindel!" u. s. w. empfangen haben und als der Sprecher der Deputation, Gruben» maurer Eichholz, sich darauf berief, seinem Kaiser gedient zu haben, soll er am Halse gefaßt und geschlagen worden sein, worauf er hinausgeworfen wurde. Die Grubenbeamten bestritten zwar die Richtigkeit dieser Darstellung, indessen gab doch das Hinauswerfen des Eichholz das Signal zu einem Sturme auf das Zechenhaus. Ein Theil der erregten Arbeiter stürmte in das Bureau, ein anderer Theil schlug die Fensterscheiben ein und eröffnete ein Bombardement mit Kohlenstücken und Steinen. Die Grubenbeamten vertheidigten sich mit Hilfe ansässtger Arbeiter so gut es ging. Nach den umliegenden Ortschaften wurden Tele- gramme nm der Bitte um polizeiliche Hilfe gesandt. In Zossen waren die Gendarmen des Kreises gerade zur„Kommnnikatton" versammelt. Vier Berittene jagten im Karriere nach der Grube und dämpften den Aufstand. 23 Mann wurden verhaftet, 12 jedoch nur unter Anklage gestellt. Die Beweisaufnahme ergab, daß die Grube wirklich„etwas naß" war. Stellenweise standen die Arbeiter bis an die Knie im Wasser, und wurden dieselben auch von oben her so angefeuchtet, daß sie nach kurzer Zeit voll- ständig durchnäßt waren.(Der Ge werberath, der die Verhältnisse in der Grube kennen müßte. war zur Hauptverhandlung nicht gelade n.)' Nach dem Veroikt der Geschworenen wurden die Angeklagten theils des schweren, thcils des einfachen Lanfriedensbruchs schuldig befunden, dreien wurden mildernde Umstände bewilligt. Das Urtheil lautete auf 4 Monate bis 1 Jahr 3 Monate Ge- fängniß. Wer saß auf der Anklagebank der öffentlichen Meinung? Die armen Bergarbeiter, die frivol unter falschen Vorspiegelungen nach der Grube Zentrum gelockt worden waren und, als sie sich in fast allen Versprechungen getäuscht und obendrein höhnisch und roh behandelt sahen, in erklärlicher Zornesaufwallung die bedauerlichen Exzesse begingen? Oder die Herren, die leichten Herzens die Veranlassung gaben, daß die Bergleute in dem festen Glauben, ihre Lage zu verbessern, aus der Heimath fortzogcn und nun an ihrer neuen Arbeitsstätte sich in allem ent- täuscht fanden? Die Antwort braucht nicht gegeben zu werden. Die Geschworenen walteten ihres Amtes nach dem Buchstaben des Gesetzes, und die heutige Gesellschaftsordnung, verkörpert in dem Grubendirektor, feiert wieder einmal einer ihrer schönsten Triumphe. Sechs unglückliche Bergarbeiter sinnen aber im Gefängniß darüber nach, wie Weib und Kind mährend ihrer langen Ver- lassenheit zu Brot konimen und sechs weitere Bergarbeiter gehen dem gleichen Schicksal entgegen. Die heutige Gesellschafts- ordnung aber wie gesagt, legt sich beruhigt zu Bett«. VvUflt äffen vee Dedakkton. H. Z. Wenn Ihnen das Geld bedingungslos geliehen wor- den ist, so kann es jederzeit eingeklagt werden. Vereine der von Ihnen bezeichneten Art brauchen nicht angemeldet zu werden.
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