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haben, derselben Sache dienen wollen wie wir. Wenn wir in Zu- kunft unsere Gegensätze in dieser Form austragen, dann ist es nicht nötig, daß uns vor den Auseinandersetzungen auf den Partei- tagen bangt. Redner kommt nunmehr zu den einzelnen Punkten der Tagesordnung des Parteitages. Seit einiger Zeit wird von vielen Seiten gesagt, der Parteivorstand ist nicht aktiv genug, er ist verknöchert, ihm müsse frisches Blut eingeflößt werden, wir müssen dafür sorgen, daß die unbesoldeten Mitglieder im Vorstand die Mehrheit bilden usw. Was ist nun daran wahr? Wenn ich meine eigene Auffassung sagen soll: Ich halte das ganze Gerede für eine gedankenlos übernommene Redensart. Ich bin der letzte, der streiten will, daß in den letzten Jahren manchmal eine In- aktivität geherrscht hat. Doch das war kein Wunder. Bebel war jahrelang krank ugd infolgedessen meistens in der Schweiz , und auch Singer war IV2 Jahr krank. Bei dem ungeheuren Einfluß von Bebel und Singer ist es selbstverständlich, daß einige Zeit die Zügel schleifen. Es spricht nicht gegen die Demokratie, wenn Männer wie Bebel und Sincwr, die seit Jahrzehnten an der Spitze der Partei stehen, die über ein außerordentliches Wissen, über Tat- kraft und Energie verfügen, einen ganz außerordentlichen Einfluß besitzen und daß ein Wort von denen oft Tausende zum Nach- denken bringt, linier diesen Umständen war es für die neugewählten Sekretäre ungemein schwer, bei wichtigen Entscheidungen ohne diese beiden Genossen schnell eine tief einschneidende Parole zu geben. Das hat sich jedoch durch die Zuwahl von Braun, Haase, Scheidemann , geändert. Heute ist das Wort von der mangelnden Aktivität nur noch eine Redensart. Eine Vermehrung ist über- flüssig, um so mehr, als die mechanischen Arbeiten von Hilfskräften geleistet werden. Redner geht dann die einzelnen Vorschläge durch, die zur Re- organisation des Partcivorstandes gemacht wurden, und wendet sich be. dieser Gelegenheit gegen die Eisenacher Konferenz wie überhaupt gegen alle Sonderkonferenzen von radikaler wie von revisionistischer Seite. Der Vorschlag der Eisenacher Konferenz geht dahin, den Parteivorstand durch neun unbesoldete Beisitzer aus Berlin und Umgegend zu verstärken, damit das bureaukratische Element nicht überwuchert. Bremen wünscht, daß der Parteivorstand nach der sozialen Konstruktion der einzelnen Landesteile zusammengesetzt wird. Ich kann nicht begreifen, wieso das unbesoldete Mitglied de? Vorstandes aktiver sein soll, w.ie das besoldete und warum die Beisitzer aus Groß-Berlin oder den Industriezentren genommen werden sollen. Der Sitz des Vorstandes in Berlin bürgt schon dafür, daß auf die Verhältnisse der Großstädte, der Industriezentren ge- nügend Rücksicht genommen wird. Andere verlangen, daß die Kontrollkommission mit weitesten Rechten ausgestattet wird. Auch dieser Vorschlag ist falsch. Die Kontrollkommission kontrolliert heute schon die Beschlüsse, die Maßnahmen und die Finanzgebarung deS Parteivorstandes und der ihm unterstellten Betriebe. Die Tätigkeit der Kontrollkommission ist bereits aus ihrem eigentlichen Nahmen herausgewachsen. Der Parteivorstand faßt keine wichtigen Beschlüsse, ohne die Kontrollkommission zu verständigen. Wenn nun die Rechte der Kontrollkommission noch erweitert werden, wer kontrolliert denn diese? Nein, das Vertrauen, das unserer Kontrollkommission entgegengebracht wird, könnte nur verlieren, wenn ihre Befugnisse noch erweitert würden. Für mich ist wenn überhaupt reorganisiert werden soll die geeignetste Lösung die Schaffung eines Parteiausschusses. Die Generalkommission der Gewerkschaften trommelt bei wichtigen Anlässen die Vorstände der Gewerkschaften zusammen, und wenn die Meinungen geklärt sind, gehts zum Kampf. Unser Parteivorstand hatte bisher Generalvoll- macht. Dennoch hat er bei wichtigen Anlässen die Redakteure der Parteipresse und die Parteisekretäre zusammenberufen und die Meinungen derselben gehört. Und anders kann es auch nicht sein. Ein Massenstreik z. B. wäre doch undenkbar, ohne vorher mit Ver- tretern der Landesteile und der Gewerkschaften eingehend beraten zu haben. Vielleicht kann man den Vorschlag auf Einsetzung eines Parteiausschusses auch etwas ändern. Die Parteisekretäre sind der Meinung, daß sie den Ausschuß zu bilden hätten. Nun ich will die Lösung dieser Frage Berufeneren überlassen. Eines ist sicher, hätte der Parteiausschuß in den letzten Jahren schon bestanden, wir hätten nicht so hitzige Debatten über die Budgetbewilligung der Badenser und den Hofgang der Württemberger gehabt. Die Diffe- renzen wären nicht so tiefgehende gewesen. Die Sonderkonferenzen der süddeutschen Genossen hätten jedenfalls nicht stattgefunden, die Meinungen wären geklärt worden und die Minderheit hätte sich im Interesse des Ganzen untergeordnet. Nun wird die Befürchtung ausgesprochen, die Revisionisten könnten im Parteiausschuß das Ilebergewicht erhalten. Nun ich sage: Revisionisten, die Farbe be- kennen, sind mir lieber, wie solche, die ihre revisionistischen An- schauungen in Geheimzirkeln vertreten, und außerdem sollten doch gerade die, die solche Befürchtungen hegen, mehr Vertrauen zur siegreichen Kraft ihrer Gedanken und Meinungen haben. Redner wendet sich nun dem Stichwahlabkommen zu und er- klärt seine volle Uebereinstimmung mit dem Vorgehen des Partei- Vorstandes. Bei den Stichwahlen geht es nicht ohne Abmachungen und wenn man die Freisinnigen veranlassen wollte, eine Parole für uns auszugeben, dann mußten wir auch Zugeständnisse machen. Man kann kein Abkommen treffen, wenn die anderen keine Sitze l»ekommen, und so war es nötig in den Kreisen, in denen wir aus eigener Kraft nicht siegen konnten, den Wahlkampf zu dämpfen. In all dengedämpften" Wahlkreisen standen wir in der Stichwahl dem Freisinn gegenüber und ein Sieg wäre uns nur mit reaktiv- närer Hilfe möglich gewesen, so wie eS z. B. in Nordhausen ge- Wesen ist, wo die Antisemiten aus Aerger über das Stichwahlabkom- mcn unseren Genossen Cohn wählten und den Freisinnigen durch- fallen ließen. Durch tmS Kompromiß sind 25 Sozialdemokraten mit freisinniger Hilfe und 22 Freisinnige mit sozialdemokratischer Hilfe gewählt worden. In keinem einzigen Wahlkreis ist gedämpft wor- den, in dem die leitenden Genossen nicht ausdrücklich damit einver- standen waren. Es ist also nicht wahr, wenn gesagt wird, die Parteigenossen sind verhandelt worden. Ohne da? Stichwahlabkom- men wäre der schwarzblaue Block stärker geblieben und es ist sehr zweifelhaft, ob wir nicht heute schon ein Arbcitswilligenschutzgesetz hätten. Was die Vertretung der Reichstagsfraktion auf dem Parteitag anbelangt, so halte ich die Anwesenheit der ganzen Fraktion für unnötig. Wenn es sich darum handelt. Angriffe gegen die Fraktion zurückzuweisen, so werden immer genügend Genossen dazu vorhan- den seim Und wenn einem Abgeordneten, der nicht anwesend ist, der Kopf gewaschen werden soll? Ein Telegramm genügt, um ihn am anderen Tage dort zu haben. Zudem wird es denjenigen Abgeordneten, die durchaus auf dem Parteitag sein wollen, im allgemeinen nicht allzuschwer werden, von ihrem Kreis delegiert zu werden. Wogegen ich mich ganz entschieden wende, ist die Ab- schaffung des Stimmrechts der Abgeordneten, das hieße die Abge- ordneten als zwe,tklassige Parteigenossen zu betrachten. Ich glaube nicht, daß dieser letztgenannte Antrag Annahme findet. Sollte das aber doch geschehen, so habe ich das Vertrauen zu unserer Fraktion, daß auf dem nächsten Parteitag auch nicht ein einziger von uns anwesend ist. Auf die Frage der Maifeier will ich nicht viel eingehen. Mit dieser Angelegenheit wird sich der nächste internationale Kongreß befassen. Soviel aber möchte ich sagen: Wenn es nicht gelingt, die Gewerkschaften zu einer umfassenden Propaganda für die Arbeits- ruhe zu bringen, dann sollten wir den Mut haben, die Aufhebung der Arbeitsruhe zu beantragen. Redner streift noch kurz einige Anträge auf Vergrößerung der Tagesordnung, rät jedoch davon ab, da er meint, daß die Tagesordnung vollauf genügt. In der Diskussion wendet sich Genosse Wurm gegen Fischers Auffassungen über die Sonderkonferenzen. Die Eisenacher Kon- ferenz hat keine bindenden Beschlüsse gefaßt, sondern lediglich eine Aussprache und eine Klärung der Meinungen über das Reorgani- sationsstatut versucht. Redner wendet sich gegen den Parteiaus- schütz. In den Jndustriebezirken spielt sich der Klassenkampf ab. diese Bezirke müssen den Ausschlag geben. Der Parteiausschuß ist eine große Bremse, denn bei den Vertretern der zurückgebliebenen Gegenden wird leicht die Einsicht zur Notwendigkeit großer Aktionen mangeln. Redner tritt dann für den Vorschlag ein, den Vorstand durch 5, 7 oder 9 unbesoldete Beisitzer aus Berlin und dessen weiterer Umgebung zu verstärken. Die Genossen, die nicht ständig in der Tretmühle der Parteiregierung sitzen, behalten einen freieren Blick für die außen vorkommenden Dinge. Der geplante Partei- ausschuß ist schon gestorben, bevor er geboren war, denn die meisten Orte, die überhaupt Beschlüsse gefaßt haben, votierten gegen ihn. Wölfer tritt für den Austritt aus der Landeskirche ein und bedauert, daß kein entsprechender Antrag vorliegt, moniert auch, daß selbst Reichstagsabgcordnete unserer Partei noch der Kirche angehören. G r u n w a l d hat nichts gegen das Stichwahlabkommcn an sich, er wendet sich nur gegen die Dämpfung, die mit Recht in den weitesten Kreisen Kopfschütteln verursacht hat. Die Dämpfung ist etwas ganz Neues in der Parteigeschichte. Die Gegner der Dänipfung können es nicht billigen, daß die Genossen auf einmal zurückgepfiffen werden. Verschiedenegedämpfte" Kreise haben sich gegen die Dämpfung ausgesprochen. Es ist auch ein zu großes Matz von Selbstverleugnung, daß man einem begeisterten Partei- genossen nicht zumuten kann, nach wochenlangen Kämpfen, in denen er sich geistig und körperlich aufgerieben hat, nun auf einmal Ge- wehr bei Fuß zu stehen. Der Dämpfungsrummel wird nie wieder- kehren. Redner wendet sich dann der beabsichtigten Reorganisation zu und ist der Meinung, daß diese vorläufig nicht nötig ist. Der Parteiausschuß ist undemokratisch, da den kleinen Landmannschaften mit ihren geringen Mitglicderzahlen dieselben Rechte zugesprochen werden, wie den Industriezentren. Der Parteiausschutz wäre aber auch viel zu schwerfällig. Im Kampf braucht man einige wenige Feldherren, die wissen, was nötig ist, und nicht schwerfällige Korporationen. Redner wendet sich auch gegen die übrigen Vor- schlüge zur Reorganisation. Wenn schon reorganisiert werden soll, dann müssen wir auch den Mut haben, den Massen zu sagen, daß sie sich an ihre eigene Brust schlagen sollen und mehr wie bisher ihre Pflicht tun. Man muß nicht nur oben, sondern auch unten reformieren. Nachdem Fischer noch einmal seinen Standpunkt vertreten, begründet Genossin Wurm einen Antrag, der den Parteitag er- sucht, zu beschließen, besondere Maßnahmen zur Gewinnung von Mitgliedern im Alter von 18 21 Jahren zu treffen. Der An- trag wird ein st immig angenommen. Ferner wird ein Antrag angenommen, der die Delegierten ersucht, den vor- geschlagenen Parteiausschuß abzulehnen. Ein Antrag. der die Rcichstaysabgeordneten wie bisher vollzählig zu den Partei- tagen zulassen,-hnen aber das Stimmrecht nehmen will, wird ab- gelehnt. Dritter Wahlkreis. Die Generalversammlung tagte im großen Saale des GeWerk- schaftshauses. Sie hörte zunächst einen Vortrag des Genossen Pfanniuch über die Aufgaben des Parteitages in Chemnitz . Redner führte u. a. aus: Seit Veröffentlichung der Tagesordnung des Parteitags habe sich im öffentlichen Leben ver- schiedenes abgespielt, was zu einer Meinungsäußerung der Partei herausfordere. So sei der Parteivorstand der Meinung, daß es notwendig sei, über das große Bergarbeiterunglück auf der Zeche Lothringen zu sprechen. Natürlich müsse auch über die fortwährende Steigerung der Lebensmittelpreise gesprochen werden. Auch ein anderes Vorkommnis der letzten vierzehn Tage werde veranlassen, die Meinung der Partei zu extrahieren. Das sei der Katholiken- tag. Er habe es sich dieses Mal ganz besonders zur Aufgabe gemacht, das Hifthorn zur Jagd gegen die sozialdemokratische Partei zu blasen. Der Redner wandte sich der Vorlage über die Organisation der Partei zu. Es werde selbstver- ständlich die Kommission vor dem Parteitage in Chemnitz nochmal mit dem Parteivorstande� zusammentreten, um unter Berücksichti­gung hervorgetretener Wünsche noch andere Vorschläge zu erwägen und dem Parteitag zur Berücksichtigung zu unterbreiten. Der Parteivorstand habe auch die Bezirksvorstände beziehungsweise Be- zirkssekretäre zusammenberufen, die in Gemeinschaft mit dem Parteivorstand getagt hätten und ihre Meinung niedergelegt hätten, wie sie sich den Ausbau der Organisation dachten. Neben der Regelung des regelmäßigen Beitrags habe eS sich nun auch darum gehandelt, dem Parteivorstand eine UnterstützungSbehörde zur Seite zu stellen. Wenn im vorigen Jahre dem Parteivorstand Vorwürfe gemacht worden seien, er habe günstige Gelegenheiten verpaßt in der Propaganda gegen den Imperialismus und in der Stellung- nähme zur Marokkoaffäre, und wenn Parteigenossen, selbst Reichs- tagSabgeordnete, gesagt hätten,man sei in der Partei dieser Meinung" sals ob das die Meinung der Partei sei), so habe ja die Stellungnahme deS Jenaer Parteitages bewiesen, daß«s eben nicht die Meinung der Partei sei. Im übrigen sei der Partei- vorstand sehr wohl damit einverstanden gewesen, daß ein Ausschuß ernannt werde, der neben der Kontrollkommission nicht nur den Parteivorstand kontrolliere, sondern auch mit ihm Aktionen be- schließe. Von Parteivorstands wegen hatte man in Jena den Antragstellern mindestens dabei geholfen. Nun sei ja de? Breiten über den Parteiausschuß gestritten worden. Ein Teil Genossen habe gesagt, der Parteivorstand sei zu bureaukratisch geworden und hätte neben seinen Geschäften nicht genügend Zeit, sich mit hoher Politik zu besassen. Ja, wenn man nun einen Parteiausschutz von 82 Personen aus dem Reiche schaffen würde, oder von noch mehr, da sich einzelne Bezirke nicht richtig berücksichtigt fühlten, und diese etwa 49 Leute kämen dann noch als mitentscheidend hinzu, würde dann etwa die beim Partcivorstand von den Kritikern vermißte politische Aktionsfähigkeit eintreten!? Ja, sagten da diejenigen, die immer Kritik übten, das gehe allerdings nicht. Und sie kamen auf den gescheiten Gedanken, daß dem Parteivorstnd 6 oder 7 oder 9 Personen als politischer Beirat zur Seite zu stellen seien. Er wolle bei der Gelegenheit noch auf eins hinweisen: der Partei- vorstand in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung habe doch auch den Genossen August Bebel als sein Mitglied. Den werde man doch als ernstlichen Politiker ansehen. Dann habe der Partei- borstand die Genossen Haase und Braun aus Königsberg bekommen. Beide seien doch wofl auch als Politiker anzusprechen. Und man habe Scheidemann bekommen, der sogar vier Wochen Präsident deS Deutschen Reichstags gewesen sei. Die Partei, die ihn präsentierte, müsse der Meinung gewesen sein, daß er etwas von hoher Politik verstehe. So ganz möge es also doch nicht zutreffen, daß nur Flach- köpfe im Parteivorstand säßen. ES gehe doch wohl nicht an, hypo- thelisch zu sagen: Ja, die Meinung sei aber doch in der Partei vorhanden. Die betreffenden Genossen, die so sprechen, sollten die Kuräge haben und rund heraus sagen, was ,nan wolle. Dann könnte man sich ventuell über die Personenfrage mit ihnen ver- ständigen. Es könne ruhig in der gedachten Richtung zu AuSein- andersetzungen kommen. Er habe schon darauf hingewiesen, daß der Parteivorstand die Bezirksleiter aus dem Reiche zusammen- berufen habe. DaS sei mehrfach geschehen. Und doch sei man seitens einzelner Kritiker der Meinung, es mangele der innere Konnex zwischen dem Parteivorstand und den Genossen im Reiche. Er meine: möge der Ausschuß kommen, wie er wolle, ein innigerer Konnex, als durch die Zusammenkünfte mit den Bezirksvorständen beziehungsweise den BezirkSsekretären, sei nicht denkbar. Darum hätten diese sich auch in der letzten Konferenz dahin ausgesprochen, daß auf jeden Fall die Bezirksvorstandskonferenzen beibehalten bleiben müßten. Wer seien nun die Bezirksvorstände und Bezirks- sekretäre? Nehme� man dazu nicht die Befähigsten aus den Be- zirkenl Sonst würden sich ja die Genossen ins eigene Fleisch schneiden. Werde nun der Parteiausschuß zur Institution und würden andererseits die Bezirksvorstände' weiter einberufen, so würde eine Doppelorganisation bestehen, die zum Teil aus denselben Personen zusammengesetzt sei. Ob das gut sei. erscheine fraglich. Um Gerüchten entgegenzutreten, die dahin führen könnten, wieder mal zu sagen: ja, die Meinung sei aber vorhanden, möchte er auf folgendes hinweisen. Er lese, daß ein Mitglied der Kontroll- kommission in seiner Gegend den Antrag durchgedrückt habe, daß die Kontrollkommission mit größeren Machtvollkommenheiten aus- zurüsien sei. Er habe sich gefragt, worin solle das Maß bestehen? Es wäre doch richtiger, rund heraus zu sagen, daß die Machtvoll- kommenheit in bestimmter Richtung, die genannt werde, bestehen solle. Solle die Kontrollkommission mit dem Parteivorstand Be- schlüsse fassen können, oder solle sie gesondert beschließen und vom Parteivorstand verlangen können, ihre Beschlüsse auszuführen? Noch eins, was hier auffalle. Jahrelang seien bei dem regelmäßig jährlich viermaligem Zusammentreten der Kontrollkommission alle Dinge, die einen Ausschub vertrugen, seitens des Parteivorstands gemeinschaftlich mit der Kontrollkommission beraten worden. Das sei eine Tradition gewesen, die noch aus der Zeit vor dem Jnkraft- treten des Reichsvercinsgesetzes herrührte. Mit Rücksicht auf das Verbindungsverbot des alten Rechts hieß es im Statut, Partei- vorstand und Kontrollkommission bildeten die Parteileitung. An diesem Zustand habe der Parteivorstand nicht gerüttelt. Die Kontroll- kommission sei es selber gewesen, die dieses Verhältnis aufgehoben haben wollte und auf deren Verlangen es aufgehoben worden sei, weil sie sich sagte, sie sei eine K 0 n t r 0 l l kommission. Dies habe er jetzt vorgetragen, um zu zeigen, daß in jenem Antrag nichts Neues aufgebracht werde, sondern daß man etwas verlange, was bestanden habe, und, wenn es nach den Wünschen des Parteivor- standcs gegangen wäre, noch bestände. Man werde aus dem Parteitage und in der Kommission sich über die Dinge eingcn können. Zur Frage der Maifeier äußerte sich Redner dahin, daß die deutsche Partei gar nicht anders könne als an der Maifeier in der bisherigen Art festzuhalten, solange nicht ein internatio- naler Kongreß andere Direktiven gebe. Zu dem Bestreben, die technisch-industricllen und kaufmännischen Beamten besonders zu poussieren, bemerkte Redner u. a., daß eine Partei, wie die Sozial- demokratie mit ihrer bekannten inneren und äußeren Werbekraft, sich nicht aufzuregen brauche, wenn die kleine Gruppe der Demo- traten sich so außerordentlich um diesen sogenannten neuen Mittel- stand bemühe. Bremen wolle die parteitaktische Haltung der Zeitungsorgane lediglich der Kontrolle der örtlichen Instanzen unterstellen. Nun unterliege ja diese Haltung der Organe der Kontrolle der örtlichen Preßkommissionen. Daneben aber auch der des Parteivorstandes. Und daß man diese Mitkontrolle des Partcivorstandes aufheben wolle, sei außerordentlich bedenklich. Das würde in gewisser Hinsicht die Auflösung der Zentralisation der Partei herbeiführen. Alis hochbedeutcnden Antrag bezeichnet Redner den aus München , der von Parteivorstand und General- kommission verlangt, sich in Verbindung zu setzen und die Grün- dung einer Zeitschrift in die Wege zu leiten, deren Inhalt sich auf die ganze Tätigkeit der staatlichen Versicherungsinstitute, auf die Organisation der Wahlen zu diesen Institutionen, auf die Rechtsprechung der Spruchinstanzcn sowie auf die ganze Privat- Versicherung und ihre Träger usw. erstreckt. Auch die Eisenacher Konferenz von Parteigenossen. die da meinten, die Partei vor der Versumpfung bewahren zu müssen, werde den Parteitag beschäftigen. Auf der Nicdcrbarnimer Konferenz habe der Abgeordnete des Kreises auf Vorhaltungen erklärt, was denn dabei los sei, es hätte sich nur um eine zwang- lose unverbindliche Zusammenkunft gehandelt. In Osthavelland auf der Konferenz sei es Liebknecht gewesen, welcher meinte, die Zusammenkunft in Eisenach sei nur eine Fortsetzung der in Berlin begonnenen gewesen. Und Wurm meinte auf der Konferenz in Gera , man habe sich in Eisenach geeinigt. Wer von den Dreien habe nun recht? Und Zubeil habe erklärt, der politische Beirat sei nicht von den Eisenachern ersonnen worden, sondern von einem Teil der Fraktion. Vielleicht meine er damit die, die in Berlin nicht zu Rande gekommen seien. Redner meinte, die Ge- nossen, die so zusammenkamen, hätten ruhig ihre Kritik für den Parteitag aufsparen können, oder doch in den Parteikonferenzen ihrer Kreise hervortreten können mit dem, was sie auf dem Herzen hatten. Eine große Reihe Anträge verlangten, daß die, welche mit der Kirche gebrochen hätten, austreten sollten aus den Kirchengemeinschaften. Redner meine, die Partei weiche sich nicht von ihrem Standpunkt. Religion sei Privatsache, abdringen lassen. Redner rechtfertigt das Stichwahlabkommen aus der politischcu Situation, die die Möglichkeit bot, den Volksverderb e- rischen schwarzblauen Block zu zertrümmern, beziehungsweise ihn in seinen Grundlagen zu erschüttern. Der günstige Effekt wäre noch ein ganz anderer gewesen, wenn noch acht Tage länger zwischen Hauptwahl und Stichwahl Zeit gewesen wäre. Der Parteivorstand hebe übrigens die Redaktionen desVorwärts" und derNeuen Zeit" als politische Ratgeber hinzugezogen. Es frappiere ihn, daß ein Redner am Sonntag in der Großberliner Generalversammlung habe sagen können, daß die Mehrheit der Redaktion des ZVor- wärts" sich nicht wundern könne, wenn die Achhing vor ihrem Intellekt sich mindere und wenn innerhalb der Partei die An- schauung immer mehr Boden gewänne, daß dieVorwäriS"-Re» daktion über das Parteileben im Reiche nur daS bringe, was der Parteivorstand erlaube, und über das Parieileben in Groß-Berlin nur das, waS der Aktionsausschuß gestatte. Einen größeren Vor- Wurf könne er sich gar nicht denken als den, der Parteivorstand beeinflusse die Redaktion desVorwärts". Niemals sei�daS ge­schehen, und die Redaktion, die sich daS bieten ließe, wäre nicht wert, noch einen Tag auf ihren Stühlen zu sitzen. Aber in einer so großen Sitzung einen solchen lapidaren Satz hinzuwerfen, das mach« Effekt. Manche sagen, dieDämpfung" bei einzelnen Stichwahlen hätte nicht kommen dürfen, das hatte Verwirrung angerichtet. Ach, Parteigenossen, die Hauptwahl, wo wir nach altem Brauch unsere Köpfe zählen konnten, sei ja vorüber gewesen und wir hätten unsere 4! Millionen gemustert. Und da habe man unseren Parteigenossen nicht zumuten fallen, zu verfahren, wie es geschehen sei, im Interesse einer parlamentarischen Aktion, von derem Ausgange es abhing, zu verhindern, daß wir wieder einen solchen Zolltarif aufgehalst bekommen. Ivie das letztemall Und wo die Möglichkeit bestand, eine solche Unterlage dafür zu zer- trümmern. wie eS der schwarzblaue Block sei! Er sei der Ueber- zeuge, ng, daß der Parteitag es billigen werde. Er rechne auf das Verständnis, daß dem Parteivorstand Bewegungsfreiheit gegeben werde. Gewiß könnten mal vorübergehend« Verstimmungen und auch mal eine Entgleisung vorkommen. Aber sonst würden wir uns immer zusammenffnden in unserem großen Ziel und bei der Niederwerfung unserer Gegner.(Lebhafter Beifall.) Zur Diskussion nahm als erster v. Z schock da» Wort. Er ist nicht damit einverstanden, daß die Anträge, die den Kirchen- austritt betreffen, einfach abgetan werden. Gegen die Bestrebungen der Konservativen und des Zentrums müßten Gegenmaßnahmen getroffen werden. Er könne nicht begreifen daß Parteigenossen. die sich mehrere Jahre in der Partei bewegten, in diesem Punkte nicht soweit aufgeklärt seien, um zu erkennen, daß die geistige Knechtschaft der Menschen eine der Ursachen sei, daß die Menichen sich wirtschaftlich ausbeuten ließen. Die Aufklärung in den reü - giösen D,ng«n sei ebenso notwendig, wie die in ökonomischen und politischen. Redner führt den Gedanken näher auS und verspricht sich davon, daß recht viele sich auch äußerlich von der Kircbe losen, einen erheblichen Einfluß im Sinne einer sreigeistigen Entwickr- lung. die wieder fördernd zurückwirke in politischer Hinsicht. Adolf Harndt macht den Duisburger Antrag, welcher daS Stichwahlabkommen verwirft, zu seinem eigenen und führt dazu aus, daß er die Genossen bitten möchte, sich n ich t der günstigen Beurteilung des Stichwahlabkommens anzuschließen, die der Refe- rent als Beteiligter gegeben habe. Besonder? verurteilt Redner die Dämpfung". Dies Abkommen widerspreche auch beute noch dem Empfinden vieler Genossen des dritten Kreiies. Auf keinen Fall hätte in einzelnen Kreisen bei der Stichwahl zwisch»- Sozialdcmo- kraten und Freisinnigen abgeblasen werden dürfen. Er möchte wünschen, daß ein solches Abkommen nicht wieder getroffen werde. Die Freisinnigen hatten es nur getroffen, weil sie sonst sehx wenig erlangt hätten. Bezüglich der Maifeier tritt Redner für Bei- beHaltung des Nürnberger Beschlüsse? ein. Was die Angelegenheit angehe, zu der Zschocke sich schon ausgesprochen Hab«, so hätte er (Redner) schon in einer anderen Versammlung des Kreises betont, daß man WeltanschauungSfragen nicht mehr so aus dem Wege gehen könne wie früher. Wir könnten und müßten zu solchen Welt- anschauungSfragen Stellung nehmen. Redner hcfürwortet noch fol- genden Antrag, wobei er betont, daß er ihn als Sozialdemokrat und nicht als Freireligiöser stelle: