GewcrhrchaftUcbes. Hngft vor der Konhurretiz der Gelben. Der Ausschuß des Gesamtverbandes evangelischer Arbeiterver eine Deutschlands hat durch seinen Vorsitzenden, den allzeit eifrigen und wortreichen Pfarrer Lic. Weber(M.-Gladbach) eine Erklärung an den„Förderungsausschuß für vaterländische Arbeitervereine" erlassen, in der er versichert, daß die evangelischen Arbeitervereine seit M Jahren gegen die Sozialdemokratie, die furchtbare und noch immer wachsende Gefahr kämpfe und dafür stets Anerkennung der höchsten Reichs» und Staatsbehörden empfangen habe. Mit den Hirsch-Dunckerschen und Christlichen vertrage man sich; ein solches Band binde die evangelischen mit den vaterländischen Vereinen aber nicht. Man sei bereit, fich schiedlich-friedlich zu vertragen, dann dürften aber in Orten, wo evangelische Arbeitervereine be stehen, nicht noch vaterländische Vereine gegründet werden. Undank ist der Welt Lohn! Da hat'der Herr Pfarrer sich 30 Jahre lang im Schweiß« seines Angesichts bemüht, mit seinen getreuen evangelischen Arbeitervereinlern„die furchtbare und noch immer wachsend« Gefahr, di« Sozialdemokratie," zu bekämpfen, hat seine Truppen bei den Wahlen zu den verschiedensten Körper- schaften mit ins Feld geführt, hat sie vor den„sozialdemokratischen" Gewerkschaften und noch mehr vor der Beteiligung an Streiks gewarnt, und nun kommen die Gelben, die noch vaterländischer sein wollen wie die Weberleute und brechen in deren Gehege ein. Am schmerzlichsten aber mag den tapferen Pfarrer die Erkenntnis berühren, daß es gerade seine ehemaligen Gönner, die Montan- industriellen, sind, di« die„vaterländischen" Werkvereine gründen und protegieren, womit den evangelischen Arbeitervereinen eine tödliche Konkurrenz gemacht wird. Auch die Unternehmer wollen im Klassenkampf klares Feld haben, auch sie wollen keine ver- schwamm enen Halbheiten. Sie verlangen Abschwörung vom Streikrecht. Damit werden die evangelischen, wie die katholischen, wie die christlichen Arbeitervereine und Gewerkschaften sich abfinden müssen. DaS wird ihnen auch nicht schwer fallen. Evangelische und katholische Arbeitervereine stehen ja überhaupt nicht auf ge- werkschaftlichem Boden und haben gewerkschaftliche Interessen der Arbester noch nie vertreten. Für diese beiden Richtungen besteht also kein Grundsatz, der sie hindern könnte, sich mit den Gelben zu einem einzigen unternehmerfreundlichen Brei zu verschmelzen. Auch die Christlichen haben sich diesem Brei in letzter Zeit bedenklich genähert. Wenn die Arbeiter, welche erkannt haben, wo ihre Interessen mit Entschiedenheit vertreten werden, von den christlichen zu den freien Gewerkschaften übertreten, dann kann auch der Rest yhne Bedenken in dem schwarz-blau-gelben Ragout aufgehen. Berlin und Umgegend. Zur Aussperrung im Dachdeckergetverbe. Am 27. August sollten die Mitglieder des Kuratoriums des paritätischen Facharbeitsnachweises nochmals über di« Frage ver- hanbelu:„Sind die Arbeitgeber berechtigt, neben dem paritätischen Arbeitsnachweis noch eine Arbeitsvermittelungsstelle einzurichten, um sich gegenseitig Arbeitskräfte zuzuführen?"— Zur Sitzung waren wohl die Arbeitnehmer vollzählig da, von den Arbeitgebern ließ sich aber niemand sehen. Auf telephonisch« Anfrage, ob die Herren Arbeitgeber zur Sitzung nicht erscheinen, wurde der Be- scheid: Die letzt« Versammlung des Arbeitgeberverbandes hätte beschlossen, daß die Aroeitgeber zu dieser Sitzung nicht erscheinen sollten. Diese Anordnung scheint wahrlich nicht den Köpfen der Dachdeckermeister entsprungen zu sein; eS besteht vielmehr die be- rechtigte Annahme, daß die Arbeitgeber hierbei nach Anweisung des Kartells im Baugewerbe gehandelt haben. Noch niemals dürfte ein« Organisation so unzuverlässig gewesen sein wie in diesem Falle der Arbeitgeberverband für das Dachdeckergewerbe zu Berlin . In der Sitzung am 20. August waren die Arbeitgeber vom Kura- torium sämtlich dafür, daß am 27. August noch einmal verhandelt werden sollte. War der Arbeitgeberverband damit nicht einber- standen, so wäre es Pflicht gewesen, den Vorsitzenden des Kura- toriums.�Herrn Magistratsrat Dr. Wölbling, in Kenntnis zu setzen. Dieses hätte der Anstand wohl unbedingt erfordert. Das Verhalten der Arbeitgeber beweist aufs neue, daß sie vollständig im Banne der Scharfmacher im Baugewerbe marschieren. Wie lange noch? Auf die Dauer werden sich die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes jedenfalls nicht beruhigen lassen. Sie werden fordern, daß nun endlich etwas geschieht. Denn auf ein Nachgeben der Arbeiter brauchen die Arbeitgeber nicht zu rechnen. Dazu stehen die Dinge für die Arbeiter viel zu günstig. Fortgesetzt laufen die Bewilli- gungen ein. Es haben bis jetzt 27 Firmen die Lohn- und Arbeitsbedingungen unterschristlich aner- kannt. Darunter befinden sich mehrere Meister, welche der Innung und auch dem Arbeitgeberverband angehören. Die Anzahl der Firmen, welche bewilligt haben, ist sicher ein Beweis dafür, daß di« Arbeiter die Vermittelungsstelle der Arbeitgeber und auch die •i paar Arbeitswilligen nicht zu fürchten haben. In den letzten Tagen hat di�. Zahl der Ausständigen etwas ab- genommen, weil wieder ein Teil abgereist ist und«in anderer Teil Beschäftigung in den bewilligten Betrieben gefunden hat. Im Aus- stand befinden sich noch die Arbeiter von 42 Firmen. Die Zahl der Ausständigen beträgt mit den Arbeitslosen 3 7 g. Die christliche Organisation ist am Ausstand mit 34 Personen beteiligt. Die Gesamtzahl der Ausständigen beträgt demnach 413. Dieses ist der gesamte Umfang der Aussperrung. In der General- Versammlung der Arbeitgeber vom 8. Juli ist wohl beschlossen worden, sämtliche organisierten Dachdecker und Hilfsarbeiter aus- zusperren. Gleich von Anfang an klappte die Sache schon nicht und in der darauffolgenden Zeit erst recht nicht. In Wirklichkeit haben nur 23 Firmen ausgesperrt von 200 Betrieben, die nach den Mit- teilungen der Arbeitgeber in der Kuratoriumssitzung am 20. August in Groß-Berlin vorhanden sein sollen. Von den Arbeitgebern gewiß ein großartiger Schlag ins Wasser. Zentralverband der Dachdecker. Der Streik der Geschäfts- und Warenhauskutscher der Firma Wilske, Karlstraße 42 und Alt-Moabit 13, ist auf Beschlutz der Streikenden für� beendet erklärt. Durch Verhandlung der Firma mit der Organisation der Streikenden ist eine Verständigung her- beigeführt worden. Ein Teil der Streikenden verzichtet auf eine Wiedereinstellung, der übrige Teil wird am Sonnabend, den 31. d. M., resp. am Dienstag, den 3. September, wieder eingestellt. Den Eingestellten wird wegen ihrer Organisationszugehörigkeit nichts in den Weg gelegt. Deutscher Transportarbeiterverband. Branche der Geschäftstutscher. Ausschreitungen gegen Streikbrecher sollen nach Mitteilung einer von der Polizei informierten Korrespondenz am Mittwoch- abend am Alexanderplatz vorgekommen sein.— Es handelt sich um die Streikenden der Fabrik chirurgischer Instrumente von DeWitt u. Herz in der Georgenkirchstraße. Der Streik dauert bereits mehrere Wochen. Durch Vermittelung eines bekannten Streik- brecheragenten ist die Firma mit Arbeitswilligen jener Qualität versorgt worden, die man unter der Bezeichnung„Hintzebrüder" kennt. Diese Elemente werden allabendlich durch ein starkes Auf- gebot von Polizeibeamten in Uniform und Zivil aus der Fabrik heimgeleitet. Ein solcher Aufzug muß in einer so stark belebten Stadtgegend natürlich Aufsehen erregen und Ansammlungen des Publikums zur Folge haben. Wie das bei solchen Gelegenheiten herzugehen pflegt, kann man sich denken. Die Streikbrecher, im Bewußtsein ihres„Wertes" und sicher gemacht durch die Polizei- liche Bedeckung reizen das Publikum, Schimpfworte fallen hinüber und herüber, bis schließlich einige besonders erregbare Leute zu Tätlichkeiten übergehen, die dann von den der arbeiterfeindlichen 'Presse dienstbaren Geistern ausschließlich den Streikenden in die Schuhe geschoben werden. So geschieht es auch im vorliegenden Falle durch die von der Polizei informierte Korrespondenz. Sie behauptet, die Arbeits - willigen seien von den Streikenden in großen Massen überfallen, verhöhnt, beschimpft und blutig geschlagen worden. Fünf der am schwersten Beteiligten seien von der Polizei festgenommen und dem Untersuchungsrichter vorgeführt worden.— Die Korrespondenz weiß bereits, daß die Verhafteten ohne Zweifel eine ganz exempla- rische Strafe wegen Landsriedensbruch, Körperverletzung und wer weiß was sonst noch zu erwarten haben. Das mag ja der Wunsch der Gewährsmänner des Korrespon deuten sein. Leute, welche die Dinge nicht durch die Polizeibrille betrachten, werden indessen erst abwarten, wie das Gericht die Sache ansieht, falls die Voruntersuchung überhaupt Material zu einer Anklage ergibt. Veutfebes Reich. Lohnbewegung der Papierwarenarbeiter in Aschers leben und Umgebung. AIS ein Hauptort der Papierwarenerzeugung Deutschlands kann unstreitig Aschersleben bezeichnet werden. Noch vor einigen Jahrzehnten war davon nichts zu bemerken, da begann erst die Herstellung von Papierdüten und-Beuteln in ganz bescheidenem Maßstabe in der Heimindustrie. Jetzt ist die Hauptfirma mit allen Hilfsmitteln moderner Technik ausgestattet, und außerordentlich flinke Arbeitshände stehen ihr zu Hunderten zur Verfügung. Aber nicht nur in den Fabriken vereinigen sich Hunderte von Arbeits- kräften zu rastlosem Schaffen, auch an die tausend Heimarbeiter und Heimarbeiterinnen werden von den drei am Orte bestehenden Firmen beschäftigt. Allein für die zahlreichen Papierwaren- arbeiter in den Fabriken— mit Ausnahme der Buchdrucker und Steindrucker, die durch tarifliche Vereinbarungen günstiger gestellt sind— ist Segen nicht der Mühe Preis, denn der Lohn ist außer- ordentlich niedrig, und in keiner Stadt mit gleicher Industrie so tief gesunken. Kommt es doch vor, daß Arbeiterinnen mit Wochen- Verdiensten von 2,40 M. nach Hause gehen müssen. Ein Tarif be- steht nicht, die Löhne und die Mkordpreise werden nach Belieben der Werkmeister festgesetzt und oft noch durch willkürliche Strafen gekürzt. Endlich dämmerte aber auch in diesen schlecht entlohnten und gedrückten Arbeiterschichten di« Erkenntnis, daß es nicht so weiter- gehen könne. Zahlreich« Beitriste hatte die zuständige Organi- sation, der Buchbinderverband, zu verzeichnen, und er ist den Wün sehen der Arbeiter nach Ausarbeitung eines Tarifentwurfs nach gekommen, der jetzt den AscherSlebener Papierwarenfabriken unter breitet worden ist. Da in Aschersleben große Massen von Papierwaren aller Art für Konsumvereine hergestellt werden, so rechnet der Buch- binderverband auf deren Unterstützung bei der Lohnbewegung. Achtung! Metallarbeiter! In der Bäckereimaschinenfabrik von Haagen u. Rinau in Bremen befinden sich sämtliche Arbeiter im Streik. — Zuzug von Metallarbeitern sämtlicher Branchen ist streng fernzuhalten. Deutscher Metallarbesterverband. Verwalwng Bremen . )Ziis der frauenbewegung* Hirsch-Dunckerische Sozialarbeit. Warum organisieren wir die Heimarbeiterinnen? Die Frage wird jeder leicht beantworten, wenn er auch nur eine blasse Ahnung von dem Elende dieser ausgebeutetsten aller Prole tarierinnen hat und zum anderen ein ernsthafter Freund dieser buchstäblich vegetierenden Zehntausende ist. Dem Hirsch-Duncke- rischen„Gewerkverein" blieb es vorbehalten, eine neue originelle, aber auch zugleich schändliche Antwort auf die Frage: warum or ganisieren wir die Heimarbeiterinnen, zu finden. Ein kleines sächsisches und obskures Blättchen hatte die Hirsch-Dunckerianer an gegriffen, weil sie nicht ebenso gewissenlos gewesen sind, wie die C h ri st l i ch e n, die aus der Pfennigkasse ihrer Heimarbeit«- rinnenorganisation hundert Mark für die nationale Flug spende zum Fenster hinauswarfen. Wie es selbstverständlich ist, verurteilt der Gewerkverein das Opfern der Hungerpfennige von Heimarbeiterinnen für Blut- und Mordzwecke, meint aber zugleich, es sei nationaler gehandelt, mit den Verbandsbeiträgen die Heimarbeiterinnen in der Ver- besserung ihrer überaus traurigen Lebenslage zu unterstützen,„da- mit diese dann ihrer Aufgabe als Mütter und Erzieherinnen zukünftiger Vaterlandsverteidiger gerecht werden könne n". Ich das wirklich die Hauptaufgabe des Hirsch-Dunckerischen Gewerkvereins für Frauen und Mädchen? Gibt es nicht wichtigere Kulturaufgaben, als dafür zu sorgen, daß aus Heimarbeiterinnen zukünftiges Kanonenfutter herausgeholt wird? Fronen- und Kinderarbeit in der Holzspielwarenindustrie des Erzgebirges. Zu den Aufgaben, die der letzte Reichstag zu erledigen hatte, gehört auch eine Aenderung des Hausarbeilsgesetzes. Einige Ver- besserungen wie: der Aushang von Lohniafeln, die Verabreichung von Lohnbüchern oder Lohnzetteln, Fachausschüsse, die zur Regelung der Lohnfrage gebildet werden, sind ja geschaffen worden. Die Heim- arbeiter können aber damit nichts ansangen, weil die Voraussetzung dafür fehlt: eine große, starke Organisation, Disziplin und Schulung, um an der Hebung des Standes mitzuarbeiten. Das Kern- Problem ist aber die Lohn frage. Erst wenn für den Heim- arbeiter Mindestlöhne festgesetzt sind, wenn er keine Konkurrenz, keine Unterbietung des Arbeitslohnes zu fürchten braucht, dann ist auch das Problem der Lohnfrage für ihn gelöst. Denn das Wesen der Heimarbeit besteht ja darin, daß der Fabrikant oder Ver- leger den Arbeitslohn bestimmt. Aber nichi nur das. Er erspart in der Heimarbeit auch die Aufwendungen für Werkstätten und Werk- zeuge. Der Unternehmer zahlt niedrige Löhne und der Heimarbeiter kann diese Löhne nur erhöhen, indem er die Arbeitszeit verlängert und die Arbeitskraft seiner Familie mit benutzt. Deshalb hat die Heimarbeit zu einer restlosen Ausbeutung der Frauen- und Kinder- arbeit geführt. Der Hausinduftrielle soll ja noch billiger arbeiten wie die Maschine. Er zerlegt sich seine Arbeit. Die schweren Ar- besten verrichtet er selbst, die Hilssarbeiten erledigen Frau und Kinder. Diese Arbeitszerlegung finden wir besonders in den Spiel- Warendörfern. Der Spielwarenmacher ist als Hausindustrieller„selb- ständig". Er kauft Holz und die verschiedenen Rohmaterialien selbst ein und ist Spezialist geworden. Der eine fertigt Tiere, der andere Sol- baten, Puppenmöbel, Nadelbüchsen, Sparbüchsen, Thermometer, Bau- kästen, Schachbretter und vieles andere mehr. Das Rohmaterial für den Tiermacher z. B. ist Holz, Farbe, Leim. Der Baumstamm wird zersägt und die Klötze kommen in die Dreherei, wo sich der Spielwarenmacher gegen eine jährlich zu entrichtende Pachtsumme das Holz ausdrehen kann. Oder er gibt den Dreher den Auftrag. Die Dreher haben sich zusammengeschlossen. Sie arbeiten gemeinschaftlich, deswegen können sie auch bestimmend auf die Lohnverhältnisse einwirken. Allerdings bilden sie nur eine ganz kleine Gruppe. Die Baumstämme werden zerschnisten. Aus den Scheiben ent- stehen Ringe, so daß der Querschnitt die äußere Form der Tiere darstellte. Speziell aber das Anleimen der Hörner und Schwänze, das Eintauchen in die Farblösung oder das Bemalen und das Ver- packen ist Frauen und Kinderarbeit. Nun hat ein bürgerlicher Gelehrter, Dr. E. Westenberger. dieses Arbeitsgebiet an Ort und Stelle studiert und als Buch bei Wigand in Leipzig erscheinen lassen. Viel Material ist da zusammengetragen und in einem Kapitel beschäftigt sich der Verfasser auch mir dem Problem der Frauen- und Kinderarbeit. Sobald er aber soziale Probleme untersucht, merken wir den bürgerlichen Gelehrten, der Ursache und Wirkung nicht voneinander unterscheiden kann. Der Verfasser hält die Frauenarbeit in diesem Industrie- zweig nicht fürgesundheitsgefährlich. DieHandreichungen erfordern keine Körperkräfte. Tie langweiligen und geisttötenden Verrichtungen der Frauen in der Spielwarenindustrie sind wenig anstrengend und werden durch die Besorgung des Haushaltes unterbrochen. Nur die schlechte Ernährung und die schlechten Wohnungsverhältnisse unter- graben die Gesundheit der Frauen. Auch die Kindererziehung werde durch die Mitarbeit der Frau nicht beeinträchtigt, da ja die Mutter ständig das Kind unter ihren Augen habe. Mit dem Verschwinden der Frauenarbeit in dieser Industrie würde das Problem der Erziehungsarbeit nicht im ge- ringsten berührt oder gebessert werden. Der Haushalt ist einfach, die Hausgeräte primitiv, die Besorgung des Haushaltes lasse viel Zeit übrig. Der Verfasser hält Kinderarbeit vom kulturellen Standpunktt für tief bedauerlich. Er betrachtet aber die Arbeit, die dost von den Kindern geleistet wird, überhaupt nicht als Arbeit. ES seien nur Hilfeleistungen, keine Kraft und Geschicklichkeit brauche vorhanden zu sein. Solche Handreichungen seien oft mehr ein Spielen oder an- genehmer Zeitvertreib als eine erzwungene anstrengende Arbeit. Die Frauen- und Kinderarbeit könne nicht als schädlich angesehen werden, wenn die Arbeit in gesunden Räumen und unter Verhältnissen statt- findet, die eine Schädigung der körperlichen Gesundheit nicht erwarten lassen. Die Wohnungsverhältnisse wären aber die traurigste Erschei« nung der Hausindustste des Spielwarenbezirkes. Die körperlichen und geistigen Gesundheitsverhältnisse sind einfach furchtbar, dafür bringt der Verfasser selbst den Beweis: In der I. Klasse der zweiklassigen Volksschule in Steinhübel waren 1309 33 Kinder, von denen 17 ihren Eltern bei der Spielwaren- fabrikation halfen. Von diesen Kindern wurden 2 als völlig de- generiert, 3 als körperlich zurück, 3 als geistig zurück und 2 als dauernd kränklich bezeichnet. In der H. Klasse halfen von 10 Kindern aus hausinduststellen Familien 12 ihren Eltern regelmäßig bei der Arbeit. Von diesen waren degeneriert 3, körperlich zurück 3, körperlich und geistig zurück 2. Von 29 in der Hausindustrie mithelfenden Schulkindern waren also 18 nicht normal, das sind 62 Proz., und es ist leider anzunehmen, daß dieses erschreckende Verhältnis nicht nur in Steinhübel, sondern auch in anderen Spielwarenorten obwaltet." Der Verfasser gibt also selbst den Beweis, er findet aber nicht die Ursachen dieser Verelendung. Die niedrigen Löhne sind die Ursachen der Frauen- und Kinderarbeit, sind die Ursachen der schlechten Wohnungsverhältnisse, sind die Ursachen� der elenden Ernährungsweise und der traurigen Gesundheitsverhältnisse über- Haupt. Und unter solchen Verhältnissen, unter dem Drucke der Er- werbsarbeit kann ja auch nicht von einer Erziehung gesprochen werden. Gerade hier wird von der Proletariermutter ein solch hohes Maß von Geduld verlangt, wie sie es gar nicht besitzt. Westenberger ist auch der Ansicht, daß der Hausindustrielle heilte seine Lage nicht als eine schlimme empfinde, daß er sich glücklich fühle in seinen bescheidenen Verhältnissen daß eine weitergehende Unzustiedenheit nicht vorhanden sei, beweise, daß der Holzarbeiter- verband keine Erfolge in der Agitation aufzuweisen habe. Zu solchen Ansichten kann nur jemand kommen, der sich seine Jnforma- tionen beim Lehrer, beim Pastor, beim Gemeindevorstand holt. Da wird man immer hören, daß die Erzgebirgler ein ganz zufriedenes Völkchen sind. Heimarbeit ist heute noch Hungerarbeit. An dieser harten Tat« fache wird nichts geändert, selbst wenn bürgerliche Forscher in das düstere Gemälde ein paar helle Pörsten hineinzuzeichnen versuchen. Die elende Lage des Heimarbeiters hängt zusanmmen mit der Stellung, die dieser im Produstionsprozeß einnimmt. In den Heim- arbeiterbezirken gilt auch heute noch das Lied, das uns die Er- nährungSweise des Erzgebirglers charakterisiert:„Kartoffeln in der Früh, zu mittag in der Brüh', des abends mit samt dem Kleid— Kartoffeln in alle Ewigkeit 1" Hetzte IHadmcbten. Ein türkisches Dementi. Konstantinopel , 29. August.<W. T. P.j Alle Anzeichen sprechen dafür, daß es sich bei den Vorfällen in der vergangenen Nacht um einen falschen Alarm handle, hervorgerufen durch unrichtige Informationen der Polizeidirektion, welche die plötzliche Ankunft eines Zuges Soldaten signalisierte. Wenigstens handelt e» sich einem offiziellen Kommunique zufolge nicht um eine Demonstration von Gendarmen. Die oben bezeichneten Sol- baten waren von dem Munitionsdepot Karagatfch zurückgekehrt. um von anderen abgelöst zü werden. Der Irrtum wurde bald erkannt._ Englands Vorschlag zur chinesisch-tibetanischen Einigung.. Peking , 29. August. (Meldung des Reutexschen Bureaus.)' Der englische Gesandte Jordan hat an die chinesisch« Regierung eine Denkschrift gerichtet, in der er die Lage in Tibet und die ausgesprochene Absicht Chinas , Tibet der chinesischen Republik als Provinz anzugliedern, behandelt. Die Denkschrift tritt dafür ein, daß den Tibetanern gestattet werde, ihre inneren Ange» legenheiten selbst zu ordnen, ohne daß China sich ein- mische, und regt an, daß China eine Vertretung in Lhasa errichte. welche die Tibetaner in bezug auf die auswärtige Politik infor- mieren solle. Diese Vertreter sollen eine Leibwache haben, aber China solle in Tibet keine unbegrenzte Truppenmacht halten und der jetzt auf dem Marsche befindlichen Expedition nicht gestatten, dorthin vorzurücken. China brauche indisches Gebiet jetzt nicht alS Heerstraße nach Tibet zu benutze». Schließlich empfiehlt die Denk- schrift den Abschluß eines neuen englisck,-chinesischen Abkommens. das der Anerkennung der chinesischen Republik durch England vor» angehen müsse. Im russischen Interesse. Täbris , 29. August. (Meldung der Petersburger Telegraphen- agentur.) Auf Anordnung der persischen Regierung ist einer der mächtigsten Schach sewennenkhans. der durch seine Ueber- fälle an der kaukasischen Grenze berüchtigte Hamedkuli Khan, in Ardebil hingerichtet worden. Russische Henkerjustiz. Petersburg, 29. August. iP. C.) Das Urteil gegen die M e u. terer des Taschienter Pionierbataillons ist» außerordentlich streng ausgefallen. Vierzehn der Meuterer wurden heute hingerichtet, während einer, der seine Kameraden verraten hatte, zu lebenslänglicher Zwangsarbeit begnadigt wurde. Tie Ueberschwemmnng Norwichs. Norwich , 29. August.(28 T B) Die Fluten bedrohen die Stadt noch weiter. Das Wasser, das'im Laufe der Nacht gefallen war, ist heute infolge eines neuen heftigen Regengusses w, e d e r g e st i e g e n. Es besieht die Gefahr, daß Trinkwasser und Lebensmittel heute ausgehen. Ter Ausbruch einer Seuche wird befürchtet. Heute sind mehr als 10 000 Leute obdachlos. Das kommerzielle Leben in der Stadt ist so gut wie unterbunden. In Hunderten von Läden ist ein Handelsverkehr unmöglich. Viele Ge. baude sind e i n g e st ü r z t. Die Leiche eines ertrunkenen Kinde» ist heute gefunden worden.__ Vom Fernflug Paris — Berlin . Billaeoublah, 29. August. Der französische Flieger B r i n 10 nc ist in der belgischen Stadt Verv ie rs wegen Mot d e f e k t s gelandet.___ Pilzvergiftungen und kein Ende. Genf , 29. August.(P E.) Jn� Collonges-sous-Saleve erkrankte die aus 10 Köpfen bestehende Familie eines Bäckermeisters infolge Genusses giftiger Pilze. Ten Bemühungen der Aerzt« gelang es, fünf Personen zu retten, die übrigen fünf s ch w e, ben noch in Lebensgefahr. de- or« Lerantw. Redakteur: Albert Wachs. Berlin . Jnseratentell verantw.� xh. Glocke. Best n. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u, Verlagsanstatt PaulSingerä: Co.. Berlin SW. Hierzu 2 Beilagen u. UnterhaltungsbU
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