Solchen Brotwucher nennt ein bürgerliches Blatt mit Recht einen Politischen Skandal für die Regierung. Nachfrage nach Schlachtpferden. Ein Frankfurter Pferdemetzger klagt in einer Einsendung an die bürgerliche Presse, datz es ihm infolge der Teuerung kaum noch Möglich sei, ein Geschäft zu machen; von weither kommen aus- wärtige Pferdemetzger und schnappen ihm die ,.b e st e n G ä u l e' vor der Nase weg. Die meisten Pferdemetzger könnten nur mehr an zwei bis drei Tagen ihre Läden offen halten, so stark ist die Nachfrage nach Pferdefleisch. Wenn das so fortgehe, werde 1 Pferdefleisch bald so teuer werden, wie das Ochsenfleisch. Nur die „Oeffnung der Grenzen für das Schlachtroß" könne da helfen. Die Tenerungsdebatte im bayerischen Landtage. In der Fortsetzung der Teuerungsdcbatte in der Abgeordneten- kammcr, in der das Zentrum nur Hochagrarier reden ließ, gab der liberale Bauer Scheu unumwunden Teuerung und Unterernährung zu. Er sprach sich gegen sede Erhöhung der Zölle aus und für einen sehr vorsichtigen Abbau des jetzigen Systems. Die einheimische Viehproduktion könne nicht Schritt halten mit der Bsvölkerungs- zunähme, deswegen sei die Einfuhr von Fleisch notwendig und Aufhebung der Futtermittelzölle zu erwägen.— Der Bauernbündler Lutz glaubt ein Abflauen der Teuerung zu erkennen. Er ist für die Aufrechterhaltung der heutigen Zollpolitik, sympathisiert aber mit der freien Einfuhr von Futtermitteln. Maßnahmen gegen die Teuerung. Die Stadtverordnetenversammlung Frankfurt a. M. richtete Vor einiger Zeit an das preußische Landwirtschaftsministerium und an den Reichskanzler eine Eingabe, in der die Oeffnung der Gren- zen und die Herabsetzung der Zölle auf Vieh und Fleisch verlangt wurde. Diese Forderungen wurden nun gleichzeitig einer schon bestehenden Deputation überwiesen, damit diese die Fleischver- sorgung für die Stadt Frankfurt in die Hand nehme. Ferner wurde ein Antrag angenommen, der 30000 M. zu Studienzwecken für Linderung der Fleischnot verlangt, und auf sozialdemokratischen Antrag beschlossen, die sofortige Einberufung des Reichstages zu fordern.* Kundgebungen. Frankfurt o. M. wurde am Montagabend in fünf, von der sozialdemokratischen Partei einberufenen, stark besuchten Volksversammlungen energischer Protest gegen die ungeheure Fleischnot erhoben. Die Versammelten forderten einmütig: die sofortige Einberufung des Reichstages; die Aufhebung der Zölle auf Lebens- und Futtermittel; die Oeffnung der Grenzen zur Ein- führung von Schlachtvieh; Beseitigung der Bestimmungen deS Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetzes. Der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung von Frankfurt a. M. wurden auf- gefordert, auch ihrerseits Mittel zur Milderung der augenblicklichen Notlage zu ergreifen. Als solche werden angesehen: Die Beschaffung von billigem Fleisch aus dem Auslande und Verkauf in städtischer Regie an die minderbemittelte Bevölkerung; die Einrichtung von Skesischmärften in eigener Regie. In der flnnenliche Ctlde». Wieder berichtet der Telegraph von Mordtaten in Armenien . Im Wilajet Wan sind 14 Männer getötet, 8 Frauen fortgeschleppt und zwei Dörfer eingeäschert worden. In der alten Türkei wurden die Armenier bekanntlich als die «inneren Feinde" betrachtet und man erinnert sich noch der schrecklichen Metzeleien in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und deS schauderhaften Blutbads von Adana im ersten Jahre der konstitutionellen Türkei ......... ,,v Unter dem neuen Regime änderte sich die Lage voll- ständig. Die neue Türkei war zu sehr mit ihren inneren und äußeren Schwierigkeiten beschäftigt, um sich um die asiatischen Provinzen kümmern zu können. Die Massenmetzeleien hörten auf, aber vereinzelte Mordtaten wiederholten sich beständig. Ja, psychologisch wurde die Lage unter dem neuen Regime noch schlimmer. Unter Hamid stand die christliche Bevölkerung, »venigstens formell, unter dem Protektorat der Großmächte und nährte ständig die Hoffnung, daß diese Mächte sie aus unerträglicher Lage befreien werden. Jetzt fehlte aber diese Kontrolle der Mächte, und die Bevölkerung, die auf diese Weise der„Obhut" der türkischen Beamten über- lassen war, verfiel in vollständige Verzweiflung. Es ist un- möglich, alle Fälle von Gewalttaten aufzuzählen, die sich auch nur im Laufe der letzten Monate in den sechs armenischen Wilajets ereignet haben. Allein im Wilajet Wan wurden in drei Monaten etwa 50 Ueberfälle und Mordtaten verübt. Zwei- oder dreimal wurden Gruppen von 4—8 Per- sonen niedergemetzelt, und täglich fast finden Raubzüge und andere Gewalttaten statt. Die türkische Regierung hat zwar Abhilfe versprochen, in Wirklichkeit aber nicht das geringste getan. Die Geißel der Armenier sind die K u r d e n, ein halb- wildes Volk, dessen Hauptbeschäftigung neben der Schafzucht die Plünderung der ansässigen Bevölkerung ist. Da Hamid sich vor der armenischen Revolution fürchtete, entwaffnete er die Armenier bis zum letzten Messer, erlaubte dagegen den Kurden, Waffen zu tragen und die Armenier ungehindert zu berauben. Dort, wo die Armenier sich noch Waffen sichern konnten, konnten sie den Räubern erfolgreichen Widerstand leisten, aber im allgemeinen geriet die wehrlose Bevölkerung unter die Gewalt der Kurdenhäuptlinge, die sich mit der Zeit auch des Landes der Armenier bemächtigten und große Feudalherren wurden. Und nicht nur die Armenier, sondern auch die türkischen Behörden waren von diesen Räubern ab- hängig, teils weil sie sich vor ihnen fürchteten, teils weil sie deren Freigebigkeit genossen. Und die kurdischen Feudalen plünderten, notzüchtigten, töteten und blieben trotzdem immer straflos. Unter dem neuen Regime änderten sich diese Verhältnisse wenig, da die konstitutionelle Regierung die alten Beamten auf ihren Posten ließ. Diese, aufgewachsen in der Atmosphäre der Gewalttaten, der Bestechlichkeit und der Korruption, und nicht gewöhnt, jemandem Rechenschaft über ihre Handlungen zu geben, haben die alte„Ordnung" bis zum heutigen Tage aufrechterhalten. Dazu kam noch ein politisches Moment. das Mißtraue» der chauvinistischen Jungtürken gegew die «revolutionären Nationalitäten" und besonders gegen die Mazedonier und Armenier. Gegen die Mazedonier ließen die Jungtürken mohammedanische Answanderer aus Bulgarien , Bosnien , Rußland und sogar Afghanistan kommen und gegen »die Armenier hielten sie die bewaffneten Kurdenbanden als eine ständige Drohung bereit. Es ist wahr, daß man jetzt den Kurden nicht erlaubt, zu weit zu gehen, aber man verbietet ihnen ihre„kleineren" Ausschreitungen nicht. Hier spielt die Nähe der russischen Grenze gleichfalls eine gewisse Rolle. Die Türken sind noch nicht imstande, sich von dem alten Vorurteile loszulösen, daß im Falle eines Konflikts mit Rußland die Armenier, als christliches Element, den Russen helfen werden. Und zieht man in Betracht, daß im letzten Jahre unter den Grenzkurden eine heftige Propaganda zugunsten! Rußlands geführt wird, so versteht man die Beunruhigung der! Türken und ihre Nachsicht gegen die Kurden. Hier findet man 1 die Arbeiter am Sonntag in einer Massenversammlung gegen die auch den Schlüssel des wunderlichen Rätsels, daß Räuber, wie z. B. Mussa und Kassum in Müsch oder Keor Hussein und Said in Wan , trotzdenr sie eine lange Reihe von Mordtaten verübt und öfters auch die Regierungstruppen und einst sogar den Generalgouverneur angegriffen hatten, bis heute nicht nur auf freiem Fuße bleiben, sondern auch Be lohnungen von der Regierung erhalten. Die Armenier haben öfters die Regierung um Hilfe gegen die Räuber und Mörder gebeten, aber alle ihre Schritte blieben erfolglos. Es ist selbstverständlich, daß es nicht weiter so gehen kann. Und wenn die neue Regierung, sich nicht beeilt, Maßregeln gegen den Unfug der Kurden und die Nach ficht der Beamten zu ergreifen und Sicherheit in den armenischen Provinzen zu schaffen, so kann sich dort die arabische oder albanische Geschichte wiederholen. Daß die Armenier fähig sind, zur Selbsthilfe zu greifen, geht daraus hervor, daß sie sich nicht fürchteten, sogar gegen die eiserne Despotie Hamids zu kämpfen und dies in Zeiten, wo noch keines der anderen Elemente des türkischen Reiches wagte, die Stimme des Protestes gegen die unerträglichen Zustände zu erheben. Albanische Autonomie. Wien , 4. September. Dem Wiener K. K. Telegr.-Korrespond.« Bureau geht eine Depesche aus Konstantinopel zu, wonach dort authentische Meldungen vorliegen, daß die Behörden in Mitro- witza nur noch nominell funktionieren. Die Verwaltung werde ebenso wie die Gerichtsbarkeit von einem Wohlfahrts- a u s s ch u ß ausgeübt, dessen Entscheidungen von der Gendarmerie vollstreckt werden. Jssa Boletinatz zeigte dem Mali von Kosiowo die Konstituierung des Ausschusses an, indem er mitteilte, die Nation wolle über ihre Angelegenheiten selbst entscheiden. Neue Zngeständniffe. Saloniki, 4. September. Die Regierung hat Ibrahim Pascha beauftragt, in Uesküb den Arnautenführern mitzuteilen, der Ministerrat habe ihre vierzehn Forderungen an- genommen, die Regierung sei bereit, die Gymnasien in Uesküb , Monastir , Skutari und Janina in Hochschulen umzuwandeln, neue Gymnasien zu errichten und die Lehranstalten für Religion zu ver- niehren. Die Arnautenführer sollen angeben, welche Straßen und Bahnen sie zunächst gebaut zu haben wünschen. Die Regierung überläßt es der Kammer, die Forderung zu stellen, daß die Kabi- nette H a k k i und Said vor Gericht gestellt werden. Die Regierung verweigert unter Hinweis aus das Ansehen des Sultans sowie unter Hinweis auf die Interessen des Reiches, auf die Frage deS regionalen Militärdienstes einzugehen. politiscbe CUberficbt. Berlin , den 4. September 1912. Juristentag und Todesstrafe. Auf dem zurzeit tagenden 31. deutschen Juristentag wird auch das Thema der Todesstrafe behandelt. Bereits vor 60 Jahren hat sich der erste deutsche Juristentag, der im Jahre 1862 statffand, mit dieser Frage beschäftigt und mit großer Mehrheit für die Ab- s ch a ff u n g der Todesstrafe ausgesprochen. Ob der 81. deutsche Juristentag nach einem weiteren halben Jahrhundert moderner Kulturentwickelung gleichfalls gegen die Todesstrafe Stellung nehmen wird, bleibt abzuwarten. Denn auch unsere juristischen Auffassungen hängen ja immer innigst zusammen mit den all- gemeinen und sozialen Anschauungen. Als der deutsche Juristentag vor 60 Jahren zum ersten Mal« stattfand, hotte das deutsche Bürgertum seine humanitären und kulturellen Ideale noch nicht in einem solchen Matze preisgegeben, als gegenwärtig. Allgemeine philosophische und soziale Erwägungen bestimmten damals die Mehrheit der zusammengekommenen Juristen. Heute dagegen wo das Bürgertum nicht nur zur herrschenden Schicht geworden ist, sondern auch in den schärfsten Gegen- satz zu den nichtbesitzenden Schichten getreten ist, sind die alten Ideale der Humanität stark verblaßt. Zwar schlägt einer der beiden Gutachter, Professor Dr. Liepmann- Kiel, vor. für die B e- s e i t i g u n g der Todesstrafe zu resolvieren. Er weist darauf hin, daß eS hoffnungslos sei, die Todesstrafe absolut recht- fertigen zu wollen. Gegen die Todesstrafe sprächen drei Momente, von denen zwei besonders wichtig sind. Erstens die Möglichkeit des Justizirrtums, und dann vor allem der Umstand, daß die Todesstrafe insofern eine ge- f ä h r l i ch e und unzulängliche Waffe sei, als sie die Auf- merlfamkeit deS Volkes und die Gesetzgebung von den wichtigsten Maßregeln zur Verhütung der allgemeinen Ursachen des Ver- brechens ablenkt. Demgegenüber vertritt der Justizrat Professor Dr. Finger in Halle den entgegengesetzten Standpunkt. Daß die Todesstrafe nicht abzuschrecken vermag, ist längst be- wiesen. Bewiesen dadurch, daß die schweren Verbrechen abgenommen haben, trotzdem die Strafen unendlich viel milder geworden sind. Denn wenn man bedenkt, wie noch vor hundert und erst recht noch vor mehreren Hundert Jahren die Verbrecher nicht nur mit dem Tode bestraft, sondern in der scheußlichsten Weise durch Pfählen. Vierteilen, Rädern, Verbrennen und dergl. zu Tode gemartert wurden, so wird man zu- gestehen müssen, daß die Abnahme der Verbrechen auf ver- änderte soziale Zustände zurückzuführen ist. Wollte man heute die alte AbschreckungSiheorie wirklich auftecht erhalten, so müßten die Hinrichtungen wieder genau in dem Maße zu öffent- lichen Exekutionen gemacht werden, wie ehemals. Außerdem aber weist Professor Dr. Liepmann ganz mit Recht darauf hin. daß beispielsweise auch für politische Verbrechen die Todesstrafe wie überhaupt jedes Martyrium keineswegs ein Abschreckungsmittel be- deutet. Der einzige w ir kli ch e Grund, weshalb man in den Kreisen der reaktionär gerichteten Juristen und Politiker an der Todesstrafe festhält, ist der, daß man eben nicht die Ursachen des Verbrechens, daS soziale Elend und die daraus ent- springende körperliche, geistige und moralische Degeneration beseitigen, sondern lediglich an d?n Symptomen herumpfuschen will. Außerdem ist die lebenSlängHÄe Verpflegung eines schweren Verbrechers, gegen den sich die Gesellschaft zu schützen genötigt ist, viel kostspieliger als die Vollstreckung des Todesurteils. Man will sich eben in höchst einfacher Weise der Verbrecher, der Opfer des heutigen Gesellschaftssystems, entledigen und hält dazu die Todes- strafe für daS bequemste Miltel. Natürlich drückt man das nicht brutal aus. sondern verkleidet seinen Standpunkt mit allen möglichen Ausflüchten. Charakteristisch ist es übrigens, daß selbst der Gegner der TodeS- strafe, Professor Dr. Liepmann, die Todesstrafe für die SuS- nahmezustände der Revolution, des KriegSrechts und kolonialer Verhältnisse für unentbehrlich hält. Hier verlasse» also die rein rechtlichen und humanitären Gesichts- punkte selbst diesen fortgeschrittenen Juristen, obwohl es sich doch gerade hier keineswegs um gemeine Verbrechen, sondern um Vergehen handelt, die vielfach auf die i d e a l st e n Motive zurückgeführt werden können I_ Gummiknüppel füjc das hungernde Volk. In B r a u n s ch w e i g protestierten, wie wir schon berichteten, solche I Fleischberteuerungspolitik der Regierung. Obgleich sich die Ver- ' sammlungsteilnehmer nach Schluß der Versammlung nach allen Richtungen der Stadt in Trupps zerstreuten, kam es durch die Maßnahmen der Polizei zu zwei ernsthaften Zusammenstößen Die Polizei hatte förmlich mobil gemacht, wie der nachstehende polizeiliche Dienstbefehl zeigt: Befehl vom 30. August ISIS. Am Sonntag, den 1. September d. I., vormittags ll'/a Uhr, findet im Konzerthaus eine große öffentliche Protest Versammlung statt. Alle Beamte, em- schließlich die der Spezialabteilung, versammeln sich UVa Uhr vormittags in der Herzog!. Polizeidrrektion. Die Bezirksbureaus bleiben mit einem Beamten besetzt. Die Wächter der Bezirke 3 und 4 versammeln sich zur selbigen Zeit im Bureau des 4. Polizeibezirks, die Bezirke 8 und 9 in der Herzog!. Polizeidireklion. Außerdem kommandieren die Bezirke 1 und 2 und 6 und 6 und 7 je vier Wächter, die sich ebenfalls UVa Uhr in Herzog !. Polizei zu melden haben. Dem Polizei-Oberwachtmeister Schulze stehen 4 vom Polizei- Oberwachtmeister Gerecke näher zu bezeichnende Kriminal- P o l i z e i s e r g e a n t e n zur Verfügung. Polizeisergeant Conrad benachrichtigt bei einem eventuellen Ausrücken die Schloßwache in üblicher Weise. Die Besetzung der Straßen wie immer. In Herzog !. Polizei- direktion bleibt zur Entgegennahme von Anzeigen Kriminalpolizei - Oberwachtmeistcr Gerecke. Bei einem Ausrücken vertritt der Polizei-Oberwachtmeister Müller den beurlaubten Polizei-Oberwachtmeister Giesecke. Polizei- Wachtmeister Bode übernimmt die Reserveabteilung am Herzog- Wilhelm-Denkmal. Die R a d f a h r e r der Bezirke 8 und 9 stehen in Herzogl. Polizeidirektion bereit. Der Radfahrer des 3. Polizeibezirks be- fährt die Bezirke 3 und 4. der des 6. Polizeibezirks die Bezirke 6 und 6, der des 7. Polizeibezirks den Polizeibezirk 7. Polizei-Oberwachtmeister Erdmann bleibt im Bureau des 4. Polizeibezirks und regelt den Dienst mit dem Wächter dort wie üblich." Die Polizei sperrte die am Schloß vorbeiziehende Straße, den Bohlweg, gegen die aus der Versammlung kommenden Arbeiter ab. während die Angehörigen der besseren Gesellschaft zu Hunderten un- gehindert die Straße benutzen durften. Auf eine Gruppe von einigen Hundert Arbeitern, die durch das Massenaufgebot von Polizisten zusammengedrängt wurde, schlug die Polizei sofort mit ihren neu« eingeführten Gummiknüppeln los und verhaftete auch einige Per- sonen. Selbst Frauen wurden mit dem Polizeilnüppel bedroht, und auch aus manchen Häusern wurden die fliehenden Menschen von den.Kämpfern für die Ordnung" herausgeprügelt. Die Polizei wird vielleicht ihr völlig unmotiviertes Vorgehen mit dem Einwand begründen, daß sie eine Verkehrsstörung durch die Ver- sammlungSbesucher habe verhindern müssen; die Verkehrsstörung entstand aber erst durch die Absperrungen der Polizei. Ucbcrdics vermag die Polizei, wenn eS ihr paßt, auch wirklicher Verkehrs- störung ruhig zuzusehen. Zum SedanSrummel waren am Sonnabend» abend auf dem Altstadtmarkte Tausende von Hurrapatrioten ver- ämmelt, um die Rede eines Geistlichen anzuhören. Stunden« lang wurde der Verkehr auf einer der verkehrreichstcn Stellen der Stadt gehemmt. Jeglicher Wagenverkehr war unmöglich, und die Fußgänger mußten größere Umwege machen, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Auch am Sonntag fanden mehrere Umzüge der Hurrapatrioten statt. Alles war den Herren erlaubt. Den in völliger Ruhe ihren Wohnungen zustrebenden Arbeitern aber trat man mit dem Gummilnüppel entgegen, obgleich sie, wie die übrigen Straßenpasianten. plaudernd in regellosen Gruppen, nur das Recht für sich in Anspruch nahmen, den Weg zu wählen, der a>» Schloß vorbeiführt._ Ein verfehlter Beschluh. Auf dem Bczirksparteitag für das östliche Westfalen und die Fürstentümer Lippe wurde nach einem Referat des Ge- nossen Dr. A. Müller- Hamburg über„Sozialdemokratie und Genossenschaften" folgende Resolution angenommen: Der Parteitag ist der Ansicht, daß angesichts 1. der Fleischteuerung in Deulichland, die durch die Hoch- schutzzoll» und Absperrungspolitik der reaktionären Parteien und der von diesen abhängigen Regierungen verursacht ivird, wogegen die politische Vertretung der Arbeiterschaft vorläufig noch machtlos ist, 2. deS schon seit geraumer Zeit stetig wachsenden Konsums von Seefischen in Deutschland , der sich trotz aller Schwierig- leiten und Hemmnisse immer weiter entwickelt hat, als einzige Möglichkeit, sofort Abhilfe für die Fleischteuerung und Fleischnot zu schaffen, die Versorgung deS Proletariats mir See- fischen besteht und daß es die Aufgabe in erster Linie der Konsumgenossenschaften ist, den Fischkonsum zu organisieren da- durch, daß sie die Regelung des Versande« der gewaltigen Mengen der gefangenen Seefische an die Orte der Konsumtion' in die Hand nehme». Der Parteitag fordert die Vorstände der Konsumvereine auf, die nötigen Matzregeln auf breitester Grundlage ungesäumt zu ergreifen. Die Möglichkeiten, sofort Abhilfe für die Fleischteuerung zu schaffen, sind in dieser Resolution merkwürdig eng gefaßt. Neben der„einzigen", der Versorgung des Proletariats mit Seefischen durch die Konsumvereine, gibt es eine ganze Reihe, um den notleidenden Massen schnellstens zu helfen. die Regierung muß nur dazu gezwungen werden. Auch die Beschaffung jeglicher Nahrungsmittel(darunter vor allem von Fleisch) durch die Kommunen gehört in erster Linie dazu. Die Konsumvereine konnten auch schon längst, ehe die Teuerung den jetzigen hohen Grad erreichte, Vorsorge treffen; einer besonderen Aufforderung eines Parteitages hätte es dazu überhaupt nicht bedurft. Aber schon auf dem letzten Genossenschaftstag in Berlin ist mit Recht gerügt worden, daß die Konsumvereine es völlig unterlassen haben, an der herrschenden Wirtschaftspolitik die notwendige Kritik zu üben. Umso notwendiger ist es, daß die politische Vertretung der Arbeiterklasse, die ja auch den Kern der Konsumvereine bildet, den Kampf gegen die Lebens- mittelwucherpolitik mit allem Nachdruck führt. Daß Genosse Dr. Müller, als Vertreter der Hamburger Ueberneutralität, dafür kein Verständnis zu besitzen scheint, ist bedenklich genug. Daß aber mitten im Kampfe ein Parteitag einer Rcso- lution zustimmt, die die Arbeiterklasse als machtlos erklärt, ist schon gar merkwürdig. Der Kampf um Beseitigung der Einsuhrscheine und Oeffnung der Grenzen für Fleisch und Vieh ivird geführt im Interesse und unterstützt von der über- wiegenden Mehrheit des deutschen Volkes. Und es wird sich doch wohl erst zeigen müssen, ob die Regierung in der Tat imstande sein wird. diesem Ansturm auf die Dauer zu widerstehen. Der Einfall, die Arbeiter voni p olitischen Kampf abzuziehen, um so— auf frei- lich ganz ungeeignete Weise— für die Konsumvereine Propaganda zu machen, kann nur einem unpolitischen Nur- genossenschaftler kommen, aber keinem wirklichen Sozialdemo- kraten. Abgesehen davon, daß die deutsche Arbeiterklasse kaum auf die Dauer auf den Fleischgenuß wird verzichten wollen. Soweit sind wir in der verdammten Bedürfnislosigkeit doch noch nicht gekommen.
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