Nr. 209.
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Ericheint täglich außer Montags.
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Vorwärts
Berliner Volksblaff.
29. Jahrg.
Die Infertions- Gebühr
beträgt für die sechsgespaltene Kolonel geile oder deren Raum 60 Bfg., für politische und gewerkschaftliche Vereinsund Bersammlungs- Anzeigen 30 Bfg. Kleine Hnzeigen", das fettgedruckte Wort 20 Pfg.( zulässig 2 fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 10 Pig. Stellengesuche und Schlafftellenan zeigen das erste Wort 10 Pfg., jedes weitere Wort 5 Bfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.
Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".
Der Kampf an der Freibank.
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Sonnabend, den 7. September 1912.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritzplatz , Mr. 1984.
Einberufung des Reichstags!
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Immer stürmischer entwickelt sich im ganzen Reich die Protest- Wenn Herr v. Bethmann Hollweg halbwegs verbewegung gegen die Herrschaft der Aushungerungspolitif. Es ist nünftig ist, wird er das Verlangen der sozialdemokratischen eine Bewegung, die sich ganz spontan entwickelt und immer weitere Fraktion erfüllen. Das deutsche Volt hat ein Recht darauf, Ihr glaubt nicht an die LebensmitteÏnot! Mollt Kreise zieht. Die Sozialdemokratie ist hierbei die Wortführerin daß seine Vertretung nicht durch absolutistische Bureaukratendaran nicht glauben, ihr da oben! Ihr meint, daß nicht nur der Arbeiterklasse, sondern aller Schichten, die unter willfür lahmgelegt werde, wenn es des gesetzgebenden wir zufrieden sein können und jeder Arbeiter im der herrschenden Teuerung leiden und diese bilden die über Apparates am dringendsten bedarf. Und Herr v. Bethmann wäre recht übel beraten, wenn er bei seiner bisherigen herrlichen deutschen Reiche seinen guten Lohn erhält? wältigende Majorität des deutschen Volkes. Einen gewissen Erfolg hat unsere Bewegung auch bereits Weigerung bliebe, die ihn als willenloses Werkzeug junkerKommt mit uns, seht euch die Fleischnot an der insofern zu verzeichnen, als die Gemeindeverwaltungen licher Habgier erscheinen ließe. Quelle an! Und verantwortet euch, wenn ihr fönnt! Aber sich anschicken, endlich lang Versäumtes nachzuholen und dem Freilich, was man bisher von den Bundesstaatsregierungen früh müßt ihr aufstehen. Die Not geht nicht nach Mitternacht städtischen Lebensmittelmarkt die längst nötige Aufmerksamkeit zu hören bekommen hat, rechtfertigt die schlimmsten Erschlafen mit Austern und Sekt. Sie ist, vom Hunger ge- zu widmen. Auch hier erweisen sich die Grundsäße sozia- wartungen. In Bayern hat es der Minister des Innern, listischer Gemeindepolitik als die allein dem Interesse der Herr v. Soden, gewagt, die Teuerungsinterpellation unserer trieben, mit der Sonne auf der Suche nach billiger Nahrung. Massen entsprechenden. Dazu ist an einzelnen Orten, wo ein Genoffen mit einer Rede zu beantworten, die das traurige Und mo in Nährmitteln das Billigste, Schlechteste massenhaft unreeller Zwischenhandel es nötig machte, die Selbsthilfe Gewäsch der„ Nordd. Allg. 8tg." von der gestiegenen Staufgehandelt wird, da steht der Gradmesser für des Volkes Not. der Bevölkerung getreten und der Fleisch bontott fraft der Massen, die die Ursache der Fleischteuerung sei, und Die sogenannte Freibant, der Schlächterladen der Groß- belehrt die Betroffenen, daß der Kampf gegen die von der bewährten Wirtschaftspolitik womöglich noch überbot. stadtarmut, hat immer ihre Gäste. Heuer ist die sonst lang- großen Monopolisten durchaus nicht dazu zwingt, die fleinen Man braucht auf dieses Gestammel eines schlechten Gewissens, das famer herankommende Kundschaft zu stürmisch andrängenden laufen zu lassen. Natürlich sind diese Hilfsmittel nur unter- nur ein Beweis dafür ist, welch geistigen Tiefstand und volksgeordneter Natur und auf einzelne Dertlichkeiten feindliche Gesinnung ein Zentrumsministerium erreichen kann, Menschenstrom angewachsen. Niemand geht gern hin, auch beschränkt, wo besondere Auswüchse die Abwehr herausfordern. nicht weiter einzugehen. Aber selbst dieser Mensch, der es in besseren Zeiten nicht. Der Stempel der Armut ist schon Die Hoffnung der Agrarier, durch ihre verlogene Heze gegen wagen konnte, von einem Fleischnotgeschrei" zu den Glasscheiben über der Ladentür aufgedrückt: Ver- die Fleischer die Aufmerksamkeit von den Hauptschuldigen sprechen, das an der Teuerung mitschuldig sei(!), selbst der kaufsstelle für minderwertiges Fleisch." Bu ablenfen, die Angriffskraft der Massen zersplittern und ihre mußte schließlich zugeben, daß etwas geschehen müsse, Energie in wenig aussichtsreichen Einzelfämpfen ermüden zu und er will einen Versuch mit der Einfuhr von gut für den Hund und gerade noch tauglich für den Hungern tönnen, diese Hoffnung wird sich sicher nicht erfüllen. Die gefrorenem Fleisch vertreten. den, der auch einmal nach Fleischnahrung verlangt. Massen wissen, daß es die herrschende Wirtschafts- Das wäre also ein grundsägliches ZugeständEine Ordnungsstüße war es, der uns gestern in aller politit ist, die die Teuerung bewußt und gewollt im nis, es tönnte aber auch eine perfide Täuschung Frühe auf dem städtischen Viehhof den Weg wies zur Frei- Interesse der Großgrundbefizer heraufgeführt hat; sie ver- fein. Denn ein Versuch", eine nur vorübergehende langen raditale Abhilfe, ste fordern den Abbruch Erlaubnis wäre absolut wirkungslos. bank in der Thaerstraße: Da stehen schon Tausende, schon seit dieser voltsfeindlichen Politit. Importeure müssen die Gewähr haben, daß es sich um gestern abend!" Ungläubig saben wir den behelmten Staats- Deshalb verlangen wir die Einberufung des eine bleibende und dauernde Maßnahme handelt, diener an. Aber die Wirklichkeit sah ja noch viel trostloser Seichstages. Und das ist nicht mehr unsere Forderung sollen sie das Kapital aufwenden, das zum Transport in geaus. Die Ersten, zu denen uns ein anderer Schußmann allein. Neben manchen anderen haben die Kommunal- eigneten Schiffen und zur Errichtung der nötigen Kühlräume bertretungen von Frankfurt a. M., Nürnberg , erforderlich ist. Sonst ist der Versuch" von vornherein zum führte, standen hier schon seit Donnerstag abend Bamberg , München sich unserer Forderung einmütig Scheitern verurteilt, da er keine preissenfende Wirkung ausüben 6 Uhr. Sie standen volle 14 Stunden, um im Höchstfall sechs angeschlossen. Und es wäre nur zu wünschen, daß auch das könnte. Zudem kann das billige australische und argentinische Pfund minderwertiges Fleisch zu ergattern. Ueber zwölf Bürgertum und feine politischen Vertretungen im Reichstage Fleisch den hohen Fleischzo II von 45 Pfennig für das Stunden hatten sie die ganze Nacht über in Wind und Wetter etwas mehr Energie aufwendeten und nicht von vornherein Stilogramm( 35 Pf. für die Vertragsstaaten) nicht vertragen. Die Beseitigung des Fleisch zolls ist also die usgeharrt. Denn erst um 127 Uhr werden die Bordersten in sich schwachmütig dem Widerstand der Regierung beugten. Die Regierung freilich schweigt beharrlich, obwohl zweite unerläßliche Bedingung für eine wirtdie Vorhalle hineingelassen, bei dem beschränkten Raume auch die Erfüllung dieser Forderung in jedem tonstitutionellen iame Abhilfe. Davon will der Minister, der in dieser r einige Hundert, und um 8 Uhr beginnt hier der Verkauf. Lande nur selbstverständlich wäre. Und wieder zeigt es sich, Frage nur Sprachrohr der Reichsregierung ist, aber überhaupt La Mitternacht war die wartende Menge nach amtlicher wie recht die sozialdemokratische Fraktion hatte, als sie mit nichts wissen, und das läßt den Verdacht fast zur Gewißheit Angabe schon auf über 300 Personen angewachsen. In allem Nachdrud gegen die überlange Vertagung des Reichs- werden, daß die Regierung beabsichtigt, durch ein Scheintags protestierte. Es ist aber nun wirklich Zeit, daß die Re- zugeständnis das Volk momentan zu beruhigen, um es der Vorhalle standen um 7 Uhr morgens etwa 300 Menschen, gierung endlich den Mund öffnet, und deshalb ist es sehr zu den Agrariern zuliebe irre zuführen und das Gefrierdraußen im Freien an der langen Viehhofsmauer entlang begrüßen, daß die sozialdemokratische Fraktion sie flipp und fleisch zu diskreditieren. weit über Tausend, und mit Beginn des Verkaufs warteten flar vor die Beantwortung der Frage gestellt hat. Die stärkste Daß nur eine dauernde Zulassung des Gefrierfleisches Abbloß an dieser einen Freibankstelle reichlich 2000 arme Graftion des Reichstags hat sich nämlich mit folgender Ein- hilfe schaffen kann, ist feineswegs nur unsere Ansicht. Das HauptBeute! Zum großen Teil kommen die Bedürftigen aus ent- gabe an den Reichstanzler gewendet:
Berlin , 5. September 1912. An den Kanzler des Deutschen Reichs , Herrn v. Bethmann Hollweg , Exzellenz! Die unterzeichneten Reichstagsabgeordneten verfehlen nicht, Euere Exzellenz zu ersuchen,
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Die
organ der Nationalliberalen bringt einen Leitartikel, in dem sich die ganze Angst des Großkapitals vor der zum Durchbruch fommenden Volksbewegung spiegelt. Was heute für die Viehzölle verlangt wird, kann morgen für die Getreideoder Eisenzölle gewünscht werden." Ja, die Eisenzölle! Die Kartellmagnaten helfen den Großgrundbesitzern beim Brotwucher, damit ihr Eisenwucher keinen Schaden leide. Aber weitfichtiger in diesem Falle als die Agrarier, sehen sie ein, daß doch etwas Wesentlicheres getan werden müsse als Statistit fälschen und gegen die Fleischer hezen. Und so verlangt die " Stölnische Zeitung" wenigstens kleine Mittel" und befürwortet die folgenden:
daß unverzüglich Maßregeln ergriffen werden, um die herrschende Teuerung zu mildern. Der Notstand hat das wird allgemein anerkannt einen Grad erreicht, wie nie zuvor. In den Streifen der Arbeiter und des Mittelstandes bis tief in die Reihen der Beamten herrscht eine Erregung, eine Erbitterung, an der die gesetzgebenden Faktoren nicht achtlos vorübergehen können. Da die exorbitante Das sind vor allem die Mittel, die der Stärkung der Heimischen Teuerung feit einer Reihe von Jahren nicht nur immer wieders Produktion zugute kommen und damit auch über die jetzigen Notkehrt, sondern sich auch verschärft, so fann man von ihr jetzt nicht monate hinaus von Segen für unsere Viehwirtschaft sein können. mehr als von einer vorübergehenden Erscheinung sprechen. Immer Dazu rechnen wir einmal die Aufhebung der Futtermittelzölle, die doch nur aus der Tasche des kleinen Landwirtes in dringender wird deshalb die Forderung nach Beseitigung die des großen gezahlt werden, dazu rechnen wir der gefeßlichen Bestimmungen, unter deren Wirkung ferner eine weitherzige Tarifpolitik der deutschen Eisenbahndie weitesten Schichten des Volkes leiden und an ihrer Gesundheit verwaltungen, so daß wenigstens das gesunde ausländische geschädigt werden. Zu diefem 8wede erscheint erforderlich die Aufhebung der Einfuhrzölle auf Lebensmittel, insbesondere auf Bich und Fleisch,
Iegenen Vororten. Die Frauen, dicht in Tücher eingehüllt, haben sich Bänke, Stühle, Klappsite mitgebracht. Mit flammen Fingern striden und nähen sie, um die kostbare Zeit nicht ungenutt vergehen zu lassen. Wieder war es der Staatshüter, der als Zeuge bestätigte, daß Kinder schon um 5 Uhr morgens sich in Reih und Glied stellen. Sie werden energisch nach Hause geschickt. Wir bemerkten leider auch nichtschulpflichtige Kinder bei den Müttern, was andere Frauen mit Recht hart tadelten. Ist es aber nicht erklärlich aus der furchtbaren Not, aus der Sorge, die hungrigen Kindermäuler nicht mit Sand und Kieselsteinen stopfen zu können? Und trozzalledem stehen Hunderte hier ganz vergebens! An allen Freibankstellen wurde geklagt, daß die Borräte der Nachfrage nicht genügen. Hunderte, die in der Thaerstraße viele Stunden und Stunden gestanden haben, bekommen nichts. Aufmucken und Aussuchen gibts erst recht nicht. Man muß nehmen, was hingeschoben wird, auch einen Haufen Knochen. Täglich, außer Donnerstags und Sonntags, wo die Freibanken geschlossen halten, ist der Andrang gleich enorm, am Freitag und Sonnabend am stärksten. Vor der die Aufhebung der Futtermittelzölle. Freibank Manteuffelstr. 74 standen um 8 Uhr etwa 300 Per- die Beseitigung der Einfuhrscheine, sonen, die sich bis zur Eröffnung um 9 Uhr verdoppelten. Erheblich größer war der Verkehr in der Grünthalerstraße. Hier brach ein alter Mann, der in der vorderen Reihe seit 5 Uhr wartete, gleich nach der Eröffnung ohnmächtig zufammen. Die vierte Freibank befindet sich in Moabit , in der Waldenserstraße.
Wird es bald besser werden?", jammerten Frouen und Männer.
Welch furchtbare Anklage, welche Schande für dieses Reich der Reichen ist dieser Kampf um minderwertiges Fleisch!
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die Deffnung der Grenzen für die Einfuhr von Bich unter Aufrechterhaltung unerläßlicher Sicherheitsmaßnahmen gegen die Einschleppung von Seuchen,
und vor allem
die sofortige Deffnung der Grenzen für die Einfuhr frischem und zubereitetem Fleisch,
von
da dadurch am wirksamsten in fürzester Frist eine Milderung der
Not erreicht werden kann.
Zur Herbeiführung der gebotenen gesetzlichen Maßnahmen erfuchen wir Ew. Exzellenz
die schleunigste Einberufung des Reichstages zu veranlassen.
Hochachtungsvoll
Vieh auch den Weg bis ins innerste Deutschland finden fann. Auch gegen die vorübergehende Aufhebung der Bichzölle ließe sich grundiäglich taum etwas einwenden. Aber die Hoffnungen derer, die glauben, daß solche Mittel die Fleischteuerung bannen fönnten, würden bald getäuscht sein. Zur Befriedrigung des Volkes mit Fleisch müssen andere Mittel ergriffen werden, und hier setzt der Punkt ein, der von der Reichsregierung bisher nicht mit der Sorgfalt behandelt worden ist, die er verdient. Wenn die Regierung fich der Deffnung der Grenzen entgegenstemmt und wenn sie die deutsche Landwirtschaft ihres Schutzes nicht entblößen will, so stehen ihr gewichtige boltswirtschaftliche und nationale Beweggründe zur Seite. Volkes mit wohlfeilem überfeeischen Gefrierfleisch Wenn sie aber dauernd sich der Versorgung des deutschen widersetzt, so begeht sie einen Fehler. Noch stehen ja der praktischen Zulassung dieses Ersatzmittels gefeßliche Be stimmungen entgegen. Vor allem gilt das von dem§ 12 des Fleischbeschaugesetzes, der die Einfuhr von Gefrierfleisch tatsächlich zu einer Unmöglichkeit macht, weil er vorschreibt, daß das Fleisch zusammen mit den Eingeweiden der Tiere herüberkomme. frorenen Fleisches längst, und zwar im bejahenden Sinne entschieden. Dasselbe gilt von dem Nährwert und dem Nutzungswert und den Verdaulichkeitseigenschaften des Fleisches, die durch den Gefrier- und Auftauungsprozeß in feiner Weise beeinträchtigt
Im Auftrage der 110 Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion n und für sich ist ja die Frage der Gesundheitsunschädlichkeit des ge