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werden. Da siS aber gegen diese wissenschaftlich hinIZnglidj fest- gestellten Momente auf a'nderm als wissenschaftlichem Wege nicht gut arbeiten lSßt, so richtet sich der hartnäckige Kampf gegen das ge« frorene Fleisch, der in der Regierung einen stummen Bundesgenossen hat, vorzugsweise gegen die Genusteigenschaft. wobei dem Gegner die Imponderabilien deS Geschmacks und der Gewöhnung zugute kommen. Nun sollte auch hier der einfache Hinweis auf das Bei- spiel Englands genügen, wo eine dem Fleischgenust im besonders hohen Mahe und mit besonderen Ansprüchen an die Beschaffenheit frönende Bevölkerung seit über 30 Jahren daS gefrorene Fleisch in stetig steigendem Mäste, zurzeit SV Prozent des gesamten Fleischkonsums, aufgenommen hat. Dah dabei mit der Zeit auch die erforderlichen Erfahrungen in der richtige» Behandlung und Zubereitung gemacht werden konnten, das sollte uns gerade das englische als das zweckmästigste Lehrbeispiel zeigen im Gegensatz zu de» nach jeder Richtung hin unzulänglichen Versuchen, welche auf Grund mangeln'der Vorbereitung in Oesterreich und in der Schwei z unternommen worden sind. Auch die deutschen Versuche, die, soviel wir wissen, auf Chemnitz beschränkt blieben, haben keinerlei Beweiskraft für oder gegen sich. Die dringendste Voraussetzung ist, dast die Einfuhr von ge- frorenem Fleisch auf eine breite Grundlage gelegt wird und die Gewähr der Dauer für sich hat. Nur dann wird sich der Handel auf die kostspieligen E i n r i ch't u n g e n einlassen, die er- forderlich sind, und nur dann wird man einwandfreie Erfahrungen nach der Art der englischen machen können. Zu ihrer eigenen Beruhigung und der der argwöhnischen Bevölkerung wird die deutsche Regierung in den überseeischen Ländern selbst Tierärzte anstellen müssen, die für die Beförderung nur einwandfreien Fleisches hastbar sind. Dast ihnen diese Sorge leicht gemacht wird, dafür sorgt die überaus entwickelte Fleischindustie. Jedenfall must gesagt werden, dah keinerlei durchschlagende Gründe gegen die Möglichkeit sprechen, Deutschland mit wohlfeilem überseeischen Gefrierfleisch zu versorgen und damit den Fleischmarkt von dem Drucke zu entlasten, der nicht nur gegenwärtig, sondern dauernd auf ihm liegt. Und mit aller Schärfe must den Quertreibern entgegengehalten werden. dast der Staat nicht dazu da ist, die Gaumen der Fein- schmecker zu kitzeln, sondern dast er für eine aus- reichende Ernährung der breiten Volkskreise mit ? fleisch zu erschwinglichen Preisen zu sorgen hat. Ver- agt sich die Regierung auch diesmal wieder einer gründlichen Ab- Hilfe und die liegt nach unserer Meinung nur in einer plan- mähigen Versorgung mit Gefrierfleisch von Reichs wegen so tragen die Herren, die heute an der Spitze der Verwaltung stehen, die V e r- antwortung dafür, wenn vielleicht im nächsten oder übernächsten Jahre die Unzufriedenheit des Volkes die Däinme wegschwemmt, die unsere Volks- und unsere Biehwirtschaft so dringend nötig haben." Man sieht, unsere Betvegung trägt ihre Früchte. Die Reihen der Volksfeinde geraten ins Wanken. Aber wir haben keine Zeit mehr z« verlieren und haben lange genug gewartet. Zur Abhilfe der Not sind gesetzgeberische Maßregeln unerläßlich. Der Reichstag hat schon am 20. März die sozialdemokratische Fleischresolution angenommen, die auch die Beseitigung des Z 12 des Fleisch- beschaugesetzes fordert. Die Regierung hat die Pflicht, dem Willen des Volkes und setner Vertretung endlich nachzu- kommen. Der Reichstag muß schleunigst ein- berufen werden! ?iii' Ccuerung. Teuerung und Industrie. Die Schwächung der Kaufkraft durch die Teuerung Eirkt schädigend auch auf die Industrie zurück. Besonders die Gewerbe, �ie Güter für den Massenkonsum herstellen, werden dadurch be- ''troffen. So veröffentlicht dieTextilwoche" drei Berichte von Firmen, die sich bitter über die Schwächung der Nachfrage im Be­kleidungsgewerbe aussprechen. Eine Aachener Firma z. B. schreibt: Die einfachen, die guten und besseren bürgerlichen und die meisten, Beamtensamilien müssen sich schon seit Jahr und Tag die denkbar größte Einschränkung auferlegen, um den Ansprüchen des täglichen Lebens einigermahen gerecht werden zu können. Da Mieten, Nahrungsmittel und sonstiger Unter- halt a n d a ue r n d k o st s p i e l i g e r werden, greift die praktische Hausfrau zu dem Hilfsmittel, billigere Kleidungsstücke zu kaufen. Die Preislagcnverschiebensichzusehends mehr und mehr nach unten. Eine neue, nicht leicht«, große Aufgabe ist dadurch für solide Geschäfte entstanden: dast wir moderne, gute, haltbare Waren in Stoffen und Konfektion für wenig Geld liefern sollen. Man verlangt natürlich obendrein, dast diese billigen Artikel genau so viel vorstellen und ebenso lange halten sollen, wie die früher zu zweimal und dreimal so hohen Preisen gekauften Gegenstände. Es wäre eine unendliche Wohltat für alle Bcvölkerungsklassen sausgenommen die oberen Zehntausend, die nicht zu rechnen brauchens, wenn etwas geschehen könnte, was dem glänzenden Elend zahlloser braver Leute wirksam Abhilfe schaffte.".. Regierungsweisheit wird wahrscheinlich auch dieses Zeichen ,n ein sehr erfreuliches Ergebnis unserer Wirtschaftspolitik um deuten. Eine vorübergehende Erscheinung? Gegenüber den amtlichen und halbamtlichen irreführenden Aus- lassungen über den Charakter der herrschenden Teuerung kann nicht nachhaltig genug darauf hingewiesen werden, dast die Verteuerung der wichtigsten NahrungS - und Genustmittel schon seit nahezu zwei Jahrzehnten in flottem Tempo fortgeschritten ist und dast eS sich unmöglich um eine.vorübergehendeErscheinung" handeln kann. Dast die Preissteigerungen infolge der teilweise ungünstigen Ernteergebnisse des JahreS 1911 schärfer hervortreten, soll natürlich ebensowenig bestritten werden, wie der schädigende Einfluß der ein- seitigen Zollpolitik und die überaus verteuernd wirkende lieber- setztheit im Handel geleugnet werden kann. Die Bewegung der Lebens- mittelpreise, die sich ftir einen ziemlich großen Kreis deutscher Städte bis zum Jahre 1396 zurück mit Sicherheit verfolgen läßt, spricht deutlich dafür, dast wir es in Deutschland mit einer chronischen Teuerung zu tun haben. Die Kosten des wöchentlichen Nahrungsmittelaufwands einer vier- köpfigen Familie berechneten sich im Jahre 1896 auf 18,99 M. In der Zeit von 1896 bis 1912 erhöhten sich die Haushalts- kosten im Deutschen Reiche.durchschnittlich von 18,99 auf 25,23 M. oder um 33,1 Proz. In den einzelnen Teilen Deutschlands vollzog sich diese Verteuerung nicht ganz gleichmäßig. Für die östlich der Elbe gelegenen Provinzen Preußens berechneten sich die Kosten' des wöchentlichen NahrungsmittelanfwandeZ in Mark auf: 1896 1900 1905 1911 1913 n«D«itfccn.. 17,98 19,12 20,44 22,65 23,68 W-stvreusten. 17,59 19.13 21,13 22,31 22.90 Be n. 1803 19.11 21.96 23.75 24.70 Brandenbnra 18.53 19,27 22.22 23,85 26.81 «nmm,rn 19 26 20,35 21,11 22.21 24,62 lommern..- 18;79 20.46 24,11 26�03 1�"«.,:''* 18 86 20,00 21,82 24,22 25,03 Sch!-sw".Holst°in 18M 10,91 20,94 24 09 25,43 Demnach sind die Haushaltskosten fett 1896 m Pommern um 27 3 Pro, in Ostpreußen »m 31.1 Proz. und in Westpreusten um 3U Pro!'g!sti-g!m In Schlesien erhöhten sie sich um 32,7 Proz. Für Brandenburg ergab sich eure Verteuerung um �3-0 Proz. Jn Berlin stiegen die Kosten des NahrungSmittelaufwandeS um 37,0 Proz: In der Provinz Posen betrug die Steigerung sogar 40,3 Proz. Von 1906 bis 1912 erhöhten sich die HauShaltSkosten in den genannten Provinzen um 8,4 bis 25,0 Proz. Die Bewegung der Kosten des Nahrungsmittelaufwaudes in den westlich der Elbe gelegenen Teilen Preußens gestaltete sich in Marl wie folgt: Von 1896 bis 19l2 stiegen die HauShaltSkosten in Sachsen um 37,1 Proz., in Hessen-Nassau um 27,4 Proz., in Rheinland um 32,1 Proz., in Westfalen um 33.3 Proz. und in der Provinz Hannover um 33,2 Proz. Von besonderem Interesse ist die Eni- Wickelung der Houshaltskosten in einigen preußischen Groß- städten. Der Nahrungsmiltelaufwand einer vierköpfigen Familie kostete nämlich bei bescheidenen Ansprüchen durchschnittlich in Mark: Nicht weniger scharf als in Preußen sind die Haushaltskosten in den übrigen Teilen des Deutschen Reiches gestiegen. Sie stellten sich in Mark auf: Mithin find die Kosten des wöchentlichen NahrungSmittelauf- wands feit 1896 gestiegen in Bayern um 24,6 Proz., in Sachsen um 26,5, in Württemberg um 30,3 Proz., in Baden um 33,5 Proz., in Hessen um 23,4 Proz.. in Anhalt um 86,1 Proz, in den thüringischen Staaten um 41,2 Proz. und in Oldenburg um 48,6 Proz. Für Hamburg berechneten sich die HauShaltslosten im laufenden Jahre auf 24,70 M, daS bedeutet gegen das Jahr 1896 eine Steigerung um 7,27 M. oder 41,7 Proz. In Bremen ergab sich eine Verteue- rung de» NahrungSmittelaufwandeS von 18,87 auf 25,65 M. oder um 35,9 Proz. WaS sagen die amtlichen Märchenerzähler zu dieser eigenartigen.vorübergehenden Erscheinung"? Tenerungstumulte. Die TeuerungStumulte in Schlesien pflanzen sich von Ort zu Ort fort. Auster in Liegnitz . Glogau und Jauer erfolgten dieser Tage scharfe Zusammenftöste in Hirschberg, Neumarkt , Haynau , Goldberg, Parchwitz, Maltsch und Rawitsch . Die Polizei erlästt vor den Markttagen öffentliche Warnungen und erscheint in großer Stärke auf den Märkten. In Hirschberg wurden den Bauern die Eierkörbe umgeworfen und ihr Inhalt zertreten. In Neumarkt wurden Kämpfe mit Markttaschen und Butterkorben ausgefochten. In Parchwitz drohten.bei den Zusammenstößen die Händler die Oberhand zu behalten. Da liefen die Frauen in die benachbarten Fabriken und holten ihre Männer heraus, worauf sich die Händler aus dem Staube machten. In Haynau suchten Agrarier das zwischen Käufern und Händlern geschlossene Kompromist zu ver- eiteln. Einer von ihnen wurde in den Eierkorb gestürzt, ein anderer schwebend vom Markte getragen. In Liegnitz verbot die Polizei die weitere Ausgabe von Teuerungsflugblättern und stellte neben jeden Marktstano einen Schutzmann auf. Die Händler, welche mit dem Preise für Butter schon auf ILO M. zurück- gegangen waren, benutzten den polizeilichen Schutz zu neuen Preistreibereien. Kundgebungen gegen die Teuerung. In Elberfeld und Barmen fanden am 2. und 4. September zwei austerordentlich stark desuchte Protestversammlungen statt. Der Reichstagsabgeordnete Ferdinand Bender sprach über das Thema:Des Volles Not und die Hungerpolitik der Regierung". Eine entsprechende Resolution fand einstimmige Annahme. Im Wahlkreise Hagen . Schwelm werden am Sonnabend und Sonntag 12 Versammlungen abgehalten, die sich mit der Teuerung beschäftigen werden. Zahlreiche Versammlungen gleicher Art sind auch im Kreise Lennep-Mettmann anberaumt.- In Halle demonstrierte die Arbeiderschaft am Donnerstag- abend in zwei von taufenden Personen besuchten Versammlungen gegen die Teuerung. Eine scharfe Resolution, die Grenzöffnung, Aufhebung der Lebensmittelzölle und sofortige Einberufung des Reichstags fordert, wurde angenommei,. Die Berliner Gastwirte und die FIcischteuerung. Die Gastwirte Grotz-Berlinz waren am Mittwoch versammelt, um sich mit der Frage der Fleischteuerung, an der sie ganz be- sonders interessiert sind, zu befassen. Eine Resolution, die ein- stimmig angenommen wurde, drückt zunächst aus, dast in dem an- dauernden Steigen der Fleischpreise und der damit notwendig verbundenen Einschränkung des Fleischgenusses in weiten Volks- schichten eine schwere Gefährdung der Volksgesundheit zu be- fürchten sei. Zur Linderung der gegenwärtigen Teuerung und zur Verhütung ihrer Wiederkehr stellt die Versammlung hiermit folgende Forderungen auf: 1. Die Einfuhrzölle auf Vieh und Fleisch auch Büchsen­fleisch müssen, mindestens vorübergehend, aufgehoben oder er- mästigt werden. 2. Das Viehseuchen- und daS Fleischbeschaugesetz sind unter vollster Wahrung der Interessen der öffentlichen Gesundheits- pflege und der deutschen Viehzucht so abzuändern, daß in größerem Umfange als bisher Vieh und Fleisch aus detn Aus- lande eingeführt werden kann. 3. Die Zölle auf Futtermittel müssen aufgehoben werden, um dem Bauern eine reichlichere Viehhaltung zu ermöglichen. 4. Die Bahnverwaltungen müssen durch eine Ermäßigung der Eisenbahntarife für Vieh und Fleisch und durch aus- reichende Gestellung von Kühlwagen die Fleischversorgung namentlich der Großstädte erleichtern. Maßnahmen gegen die Teuerung. Eine zweite, besonders auch von Frauen stark besucht« Protest- Versammlung gegen die Teuerung fand am Donnerstagabend in Magdeburg statt. Nach einem Referat der Gnossin Zietz-Berlin erstattete die in der ersten Versammlung gewählte Deputation Bericht über ihre Verhandlungen mit den Fleischern und dem Magi- strat. Die Fleischer hätten sich dem Antrag auf Oesfnung der Grenzen und Aufhebung der Futtermittelzölle angeschlossen, seien auch bereit, den Verkauf von gekühltem und gefrorenem Fleisch zu übernehmen, wenn die Stadt es einführe. Sie hätten sich jedoch dagegen erklärt, daß die Stadt Viehzucht und Schweinemarkt be- treibe. Ein Ausschalten der Zwischenhändler hätten die Fleischer für ausgeschlossen erachtet, und sie hätten betont, daß eine weitere erhebliche Steigerung der Fleijchpreife zu befürchten sei, wenn das Reich nicht bald Abhilfe schaffe. Der Vertretet SeS Magistrais habe bei den Verhandlungen die Einfuhr von Fleisch als das nächstliegenidste erklärt. Darüber, ob die Stadt diese Einfuhr über- nehmen könne, werde der Magistrat Erwägungen anstellen.' Die Stadt werde wieder, wie im vorigen Jahre, den Verkauf von See- fischen vermitteln, und zwar in erweitertem Maße und wieder unter Preiskontrolle der Stadt. Der Magistratsvertreter habe den Flei- schein den Rat gegeben, durch genossenschaftlichen Einkauf den Preis zu drücken. Diese Berichterstattung rief eine ausgedehnte Diskussion hervor. Ein Antrag, der die Regierung ersucht, dahin zu wirken, dast auf den Domänen mehr Vieh gehalten wird, soll der Regierung übermittelt werden. Auch in verschiedenen anderen Städten des Regierungsbezirks Magdeburg haben bereits Protestversammlungen stattgefunden, die alle einen starken Besuch aufwiesen. Die Handelskammern in Sonneberg und Saalselt»(Sachsen- Meiningen ) beschlossen, angesichts der herrschenden Fleischteuerung bei der Staatsregierung die zeitweise Herabsetzung der Futter- mittclzölle, die Beschränkung der Einfuhrscheine, die Ocfsnung der Grenzen und die Aenderung des Viehseuchengesetzes zu verlangen. Ebenso beschloß der Gemeinderat in Meiningcn, das Ministerium um Mastnahmen gegen die Teuerung zu ersuchen und, falls dort nichts geschehen sollte, die Einfuhr von fremdem Fleisch zu bemerk- stelligen. Die städtischen Körperschaften Posens stimmten einer Vorlag? des Magistrats zu, wonach zwecks Linderung der Fleischteuerung unverzüglich Petitionen an den Reichskanzler und an den prcusti- schen Landwirtschaftsminister gerichtet werden, in denen die Oess- nung der Grenzen für die Einfuhr von Schweinen. Rindern und Schafen aus Oesterreich-Ungarn sowie von frischem Rindfleisch und Hammelfleisch aus Rußland verlangt wird. Eine Deputation der Mainzer Stadtverordnetenversammlung beschlost am Mittwoch einstimmig, der Stadtverordnetenverfamm- lung vorzuschlagen, nicht nur an die hessische Regierung, sondern auch direkt an den Bundesrat das Ersuchen zu richten, um wenigstens zeitweise Aufhebung der Zölle auf Lebens- und Futter- mittel, die Oesfnung der Grenzen für Schlachtvieh und Milderung der Bestimmungen, die der Einfuhr von frischem, zubereitetem und gefrorenem Fleisch entgegenstehen. Eine Anregung des Genossen Adlung, die Schlachthofgebühren zeitweise aufzuheben oder zu er- mäßigen, wurde abgelehnt. In Verbindung mit der Metzgerinnung soll neben den ermittelten Preisen für Lebend- und Schlachtgewicht auch eine Festsetzung des Verkaufspreises erfolgen. Ferner wurde der Bürgermeister ermächtigt, Ermittelungen über die Frage anzu- stellen, ob und wie es sich ermöglichen liehe, in Zukunft vielleicht auf genossenschaftlichem Wege, eine rationelle Beschaffung von Schweinen in die Wege zu leiten. Die Stadt Ulm hat in dieser Beziehung praktische Versuche gemacht. Ueber einen zweckmäßigen Bezug von billigen Seefischen will der Bürgermeister der Stadsp verordnetenversammlung Vorschläge unterbreiten. Das Chemnitzer Stadtkollegium hat einstimmig einen Antrag der sozialdemokratischen Stadtverordnctenfraktion angenommen, der folgenden Wortlaut hat:.Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den Rat. 1. mit größter Beschleunigung an den Bundesrat sowie an die sächsische Staatsregierung mit dem Gesuch heranzutreten, ohne Verzug diejenigen Matzregeln zu ergreifen und Verfügungen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einführung von Vieh, Fleisch und Futtermitteln w-irksam zu erleichtern, alle nicht unbedingt gegen Verseuchung nötigen Erschwerungen der Einfuhr aufzuheben und die Einfuhr von Gefrierfleisch in großen Mengen zu fördern; 2. sich an etwaigen Kollcktivschritten kommunaler Körperschaften zu beteiligen, die auf dasselbe Ziel gerichtet sind; 3. der Stadtverordnetenversammlung möglichst schon zur nächsten Sitzung eine Vorlage für die Beschaffung von inländischem und ausländischem Fletsch durch die Stadt zugehen zu lassen. Die Stadtverordnetenversammlung von Breslau stimmte am Donnerstag einem sozialdemokratischen Antrage zu, von der Re- gierung die Einfuhr von ausländischem Vieh und Fleisch zu ver- langen und eine Kommission für städtische Maßnahmen gegen die Teuerung einzusetzen. Die städtische Kommission wurde ein- stimmig beschlossen, gegen die Einfuhrerleichterungen stimmten die Konservativen und die Klerikalen. Die Stadtverordnetenversammlung in Hanau a. M. beschloß auf Antrag der sozialdemokratischen Stadtverordneten in ihrer Sitzung vom 5. d. M., den Magistrat aufzufordern, an die Reichs- regierung sowie den Reichstag eine Eingab« zu richten, in welckrr verlangt wird: Herabsetzung der Zölle auf Lebens- und Futtermittel (unsere Fraktion hatte Aufhebung der Zölle beantragt), Oesfnung der Grenzen für Einfuhr von Schlachtvieh(unter Beibehaltung wirklich unerläßlicher Schutzbestimmungen gegen Seuchenverschlep- pung), Beseitigung der Einfuhrschein« und alsbaldige Einberufung des Reichstages, um die obigen Maßnahmen sofort durchzuführen. Ferner wurde der Magistrat beauftragt, mit anderen Gemeinden Maßnahmen zu erwägen, welche geeignet sind, der Fleischteucrung entgegenzuwirken. Die Fleischnot bei de« Agrariern. Auf dem Gute Koczie bei Kirschewo, KreiS Obornik in Posen, wurde dieser Tage eine Hochzeit gefeiert, bei der es mit Speise und Trank nicht knapp herging. ES wurden vertilgt: 3 Rinder. 9 Schweine. 19 Hammel. 75 Gänse. 120 Enten. 280 Hühnchen. 13 Faß Bier, 430 Flaschen Mein und 1800 Flaschen Limonade. In Zeiten der Hungersnot verstehen es die Großgrundbesitzer vor- züglich, dem Volke zu zeigen, daß sie ein Jammerdasein führen müssen, Zum fall Craub. Von einem Berliner Lehrer wird uns geschrieben: Traub! Wer folgt nun? In der protcstan- tischen Landeskirche scheint wie in Rom ein Kollegium für die Kanonisientng heiliger Männer zu bestehen. Noch unlängst orakelte ein Pastor in einer freisinnigen Morgenzeitung, die Entscheidung des Oberkirchenrates bleibe so lange aus, weil man dort nicht wisse, was man mit diesem Manne anfangen solle. Nachdem der anscheinend freisinnige Lahusen General- superintendent geworden sei, würde wohl überhaupt ein anderer Wind wehen und Traub wahrscheinlich freigesprochen werde?,. Kennt der Mann den Polizeisinn unserer ganzen Bureau- kratiel Im Gegenteil, der Fall Traub bedeutet eine Macht- probe, die die Reaktion mit jeder von der Orthodoxie ab- weichenden Meinung zu machen gedenkt. Man fühlt sich gegen- über der schwankenden Gesellschaft, die sich als sogenannter Liberalismus in der Kirche breit macht, vollkommen in der Macht und will auch diese Macht gegen jede abweichende Met- nung gebrauchen. Was will denn Traub? Wenn sich seine Anschauungen nicht mehr mit den Lehren der Kirche vertrugen und daß sie von ihr abgewichen sind, ist doch eine Tatsache_ warum legte er denn nicht sein Amt nieder und wurde ein freier Mann? Zur Betätigung der menschenfreundlichen Seite seines Wesens, wie sie ihm ja selbst von seiner Behörde bc- stätigt wird, fand er Gelegenheit genug, und für seine mate- rielle Versorgung braucht doch in heutiger Zeit ein Mann wie Traub sich nicht allzu große Sorgen zu machen. Es ist also seine Unentschiedenheit, die Traub zu Fall gebracht hat. Was da Traub von einer Volkskirche träumt, die vielleicht wie die frühere die Glieder eines Volkes fest zusammen­schließen könnte, ist eine Sache, die sich nicht mehr verwirk- lichen kann. Die Kirche ist aufgebaut auf jenseitigen Hoff-