haken sich auf diesen Standpunkt gestellt und dementsprechend geumilt.— Im Unternehmerlagcr wehrt man sich gegen diese Nechtsanffassung und sucht durch Veröffentlichungen die Rechtsprechung zugunsten der allen Auffassung zu beeinflussen, wonach die ineisten Gärtnereien trotz Z 164 der Gewerbeordnung als landwirtschaftliche Betriebe be- trachtet werden sollen. Auch die bis jetzt erschienenen Kommentare zum§ 154 widersprechen sich untereinander so stark, dah sich sowohl die eine wie die andere Seite auf diesen oder jenen Kommentator berufen kann. Die Leitung deS Allgemeinen deutschen Gärtnervereins wird deshalb fortfahren, die Gründe, welche für die neue Rechtslage sprechen, öffentlich darzulegen und den in Frage konimenden Organen der Rechtspflege zugänglich zu machen. Nachdem dieser Punkt der Tagesordnung erledigt war, folgte die Behandlung derjenigen Punkte, derentwegen die Sitzung als eine geschlossene abgehalten wurde. Redakteur Albrecht begründete eine Reihe von Vorschlägen über technisch« und geschäftliche Aenderumgen am Vereinkvrgan. Tie Diskussion darüber wurde vertagt, weil die Vorschläge den Dele- gierten erst schriftlich vorgelegt werden sollen. Ncber Lohnkämpfe und Tarifbewegung referierte der VereinSvorsitzenjde B u-s ch. Er besprach eine lange Reihe von Lohnbewegungen, die in den letzten, Jahren geführt wurden. Er unterzog den Verlauf sowie die Ergebnisse dieser Be- wegungen einer kritischen Würdigung und gab Hinweise bezüglich der Taktik, die im allgemeinen bei Lohnbewegungen und Tarif- abschlüssen, zu befolgen ist. Dem dreistündigen Referab folgte eine ausgedehnte Diskussion, die sich hauptsächlich auf die vom Referenten vorgetragenen Einzel- fälle erstreckte. Dabei wurde auch die Frage erörtert, ob der Schwer- Punkt auf Verkürzung der Arbeitszeit oder auf Lohnerhöhung ge- legt werden soll. Einige Redner führten Beispiele dafür an, daß in Schlotz- sowie Stadtgärtnereien oft recht mißliche Lohn- und Arbeitsverhältnisse bestehen, die der Aufbesserung dringend be- dürfen. Ferner wurde betont, daß nach wie vor Nachdruck gelegt werden müsse auf die Beseitigung des Kost- und Logiszwanges. Dies Bestroben könne dadurch unterstützt werden, daß das von der Organisation gesammelte Matertal über Mißstände im Logsstvesen der großen Oeffentlichkeit zugänglich gemacht werde, um auch durch den Druck der öffentlichen Meinung für die Beseitigung der Miß- stände zu wirken. Nach einem Schlußwort des Referenten wurden folgende An träge zum Streikreglement angenoinmen: Der Eintritt in eine Lohnbewegung kann durch den Vorstand einer Ortsverwaltung beschlossen werden. Die zu den neuen Bedingungen arbeitenden Mitglieder haben pro Wochentag einen Wochenbeitrag als Extrabcitrag wäh- rend der Dauer des Streiks zu zahlen. Der Streik wird als beendet erklärt, wenn sich nicht Zwei- drittel der Abstimmenden füb die Fortsetzung des Streiks er- klären. 8 22, Abs. 1 des Streikreglements Wird gestrichen. Ein weiterer Beschluß verpflichtet die Streikenden, sich täglich zweimal zur Kontrolle zu melden und sich der Streikleitung zn den notwendigen Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Wird gegen den Beschluß des Vorstandes die Arbeit niedergelegt, so verzichten da- durch die Mitglieder auf jegliche Unterstützung. Außer einem Antrage, der gewisse Normen für die Einleitung ron Lohnbewegungen gibt, wurde der noch folgende Antrag an- -genommen: Die Generalversammlung beauftragt den. Hauptvorstand, mit der Sozialpolitischen Abteilung der Gcneralkommission in Ver- bindung zu treten, um die Organisationen, die am Kampf gegen den Kost- und Logiszwang beteiligt sind, zu veranlassen: 1. Material zu sammeln zn gemeinsamen Eingaben an die gesetzgebenden Körperschaften 2. Di« Frage zu prüfen, ob eS möglich ist, eine Ausstellung, ähnlich der Heimarbeiterausstellung zu veranstalten, um auf diese Weise weitere Kreise der Bevölkerung auf diese Mißstände aus- merksam zu machen� * Im gestrigen Bericht hat der Druckfehlerteufel den Vereins- Vorsitzenden Busch einmal fälschlich Leusch genannt und den A u s s ch u tz Vorsitzenden Kunze hat er ebenfalls fälschlich zum Berbandsvorsitzenden gemacht. Soziales« Wie ostpreußische Landarbeiter, die nach ihrer Heimat zurück- kehren, behandelt werden. Aus Ostpreußen wird uns geschrieben: Im Sommer 1310 wurden in einer bürgerlichen Zeitung Westfalens für ein ostpreuhisches Rittergut christliche Landarbeiter- sumilien unter sehr günstigen Bedingungen gesucht. Durch Ge- Währung von Reise- und Frachtkosten sollte abgewanderten oft- preußischen Landarbeitern Gelegenheit geboten werden, nach ihrer Heimat zurückzukehren. Sechs Arbeiter, die auf der Grube O st e r° seid bei Oberhausen arbeiteten und sich mit ihren Familien nach ihrer ostpreußischen Heimat sehnten, traten mit dem Ritter- gutsbesitzer v. Alt-Stutterheim in Koppershagen, ftreis Wehlau , brieflich in Verbindung, um dort hinzuziehen. In seinen Briefen, die sehr höflich mit„mein lieber" anfingen und„mit besten Grüßen" endeten, betonte der adlige Gutsherr, daß die Fahrkarten und die Frachtkosten von ihm bezahlt werden würden und wünschte, da er offenbar Leutenot hatte, den Dienstantritt schon zum 1. Juli, was aber erst am 1. September geschehen konnte. Vorher mußten sie aber Kontrakte unterschreiben, die neben Festsetzung deS üb- lichen Lohnes und Deputats folgenden Zusatz enthielten: „Vorschüsse(Fahrkarten 4. Klasse und Frachtauslagen, bare Auslagen für WirtschoftSbedürfnisse: Kuh, Schwein ufw.) ver- pflichtet sich der Arbeiter nach und nach zurückzuzahlen. Sollten Vorschüsse bis 1. November 1911 nicht zurückerstattet sein, so währt der Kontrakt entsprechend länger. Nach dreijähriger guter Führung hier werden die Reisekosten vergütet." Dieser schwerwiegende, mit wenig leserlicher Handschrift her- gestellte Passus ist wohl von keinem dieser Landarbeiter damals in feiner Tragweite erkannt worden. Jetzt nach zwei Jahren be- reuen alle sechs nach Ostpreußen zurückgekehrte Arbeiterfamilien, diese Kontrakte unterschrieben zu haben. Danach sind nämlich die Arbeiter verpflichtet, ihr Dienstjahr, das am 1. September beginnt, erst am 1. November zu beendigen. Da aber überall auf dem Lande der 1. Oktober Ziehzeit ist, würde es den Leuten sehr schwer fallen, eine andere Stelle zu bekommen. Ferner er- baltcn sie die Reisekosten nur dann ersetzt, wenn sie sich drei I�abre im Dienst, gut geführt haben. Ob der Arbeiter sich gut geführt, darüber entscheidet natürlich der Gutsherr. Ist dieser oder sein Inspektor mit der Führung des Arbeiters nach zwei Jahren und 11 Monaten nicht zufrieden, dann muß der Arbeiter die Reisekosten im Betrage von 130 bis 150 Mk. selbst bezahlen. Es findet sich schon immer ein Grund, schlechte Führung zu be- weisen. Schon im Februar dieses Jahres, also nach 1f- jähriger Dienst- zeit, begann Herr v. St. den Arbeiterfamilien von dem nur 8,50 Mk. betragenden monatlichen Barlohn 3 bis 5 Mk. für ver- auslagte Uebersiedelungskosten abzuziehen. Das konnten und wollten sich die Leute nicht gefallen lassen; denn um die 130 bis 150 Mk. Umzugskosten zu bezahlen,-hätten sie vier Jahre mit 5 Mk. Barlohn geradezu Not leiden müssen. Es kam daher zu Streitigkeiten, zumal der Lohn auch meistens wicht einmal pünkt. lich gezahlt wurde. Dazu kam noch, daß fast samtliche Arbeiter -des Gutes Koppershagen zum großen Aergcr des Gutsherren bei der letzten Wahl sozialdemokratisch gewählt hatten. Unerträglich wurde das Arbeitsverhältnis aber als am 1. Juli d. I. ein neuer energischer Jnspeltor nach dem Gute kam und sich den Leuten gegenüber wie ein Sklavenaufseher gebürdete. Anfangs mit einem mächtigen Knüttel bewaffnet, hantierte er später fluchend und schimpfend mit einem geladenen Rebolder umher. Und alt Männer und Frauen über dieses Verhalten des Inspektors in große Aufregung gerieten und sich bei dem Gutsherrn beschwerten, erschien auch dieser mit geladener Jagdflinte unter seinen Leuten und rief ihnen zu:„Jawohl, ich habe angeordnet, daß der In- spektor denjenigen, der rebellisch wird, niederschießen soll." Der später hinzukommende Gendarm bestätigte diese Machtbefugnis der Gutsverwaltung. Die Folge dieser an russische Zustände grenzenden BeHand. lung der Arbeiter ist, daß am 1. Oktober dieses Jahres 10 Ar- beiterfamilien von diesem christlichen Gut fortziehen. Wo sie'oas Geld zur Zurückzahlung der Uebersiedlungskosten herbekommen werden, wissen sie noch nicht. Zwei von diesen Familien haben einen ähnlichen Reinfall erlitten, wie die aus Westfalen herge- zogenen. Sie haben leichtfertigerweise einen Vertrag unter- schrieben, wonach sie jeder bei ihrem Fortzug 60 Mk. Fuhrkosten für das viermeilenweite Heranholen ihrer Wirtschaftssachen zu bezahlen haben. Wie unterträglich das Arbeitsverhältnis nun auf Koppers- Hägen geworden ist, nachdem der Gutsherr weiß, daß keiner der Leute bleibt, geht auch daraus hervor, daß ein Arbeiter, der in- folge der großen Hitze und mangelhafter Nahrung bei der Feld- arbeit erschlaffte und am 3. August erklärte, nicht früher weiter- arbeiten zu können, bis er seinen schon längst fälligen Lohn und Deputat erhalte, vom Amtsvorsteher einen Strafbefehl über 3 Mk. und vom Gutsherrn einen Extra-Lohnabzug von 1,50 Mk. erhielt, wobei letzterer erklärte, er werde Lohn geben wenn es ihm passe und seine Arbeiter erst durch Hunger zwiebeln. So sieht das Arbeitsverhältnis auf einem adligen Gute aus, das nur christliche ordentliche Leute sucht. Es ist dieses natürlich nicht das einzige Gut, auf dem solche Zustände herrschen. Trotz der angeblichen Leutenot müssen sich auf zahlreichen Gütern die Landarbeiter eine ähnliche schlechte Behandlung gefallen lassen. Hoffentlich trägt diese Schilderung dazu bei, ehemalige Land- arbeiter. die. weil sie sich auch in den Jndustriebezirken unter der kapitalistischen Ausbeutung nicht wohl fühlen und nach ihrer Heimat zurückzukehren beabsichtigen, zur größten Vorsicht zu mahne». Es ist notwendig, den vorgelegten Vertrag vor der Unterschrift genau zu prüfen und möglichst erst Erkundigungen über das Arbeitsverhältnis der angebotenen Stelle einzuziehen. Das Partcisekretariat in Königsberg ist gern bereit, derartige Auskünfte zu vermitteln. Gerichts-Leitung. Das Martyrium eines ZwangSzSglingS. Einen Beitrag zur Frage des ländlichen Arbeitermangels gab eine Verhandlung der Strafkammer in Bayreuth , vor der sich der Oekonom Ott von Neufang wegen Körperverletzung zu verantworten hatte. Ott hatte einen 13jährigen Zwangs- zögling von der Erziehungsanstalt übernommen, um ihn als Dienstknecht zu beschäftigen. Zur Bedingung wurde gemacht, daß er dem Jungen eine„richtige" Erziehung angedeihen lassen solle. Ott faßte seine Erzichungsaufgabe dahin auf, daß der Junge recht viele Prügel und möglichst wenig zu essen bekommen solle. Dieser wurde bei jeder Gelegenheit barbarisch behandelt, weil er die Arbeit eines erwachsenen Knechts nicht leisten konnte. Weil er zum Ausmisten zu lange brauchte, ivurde er mit einem Riemen über Hals und Schultern ge- schlagen, am gleichen Tage mit einem Rechenstiel bearbeitet. ein andermal wurde er wiederholt in die Kniekehle geschlagen; wenn er früh nicht sofort aufstand, an den Haaren gepackt und aus dem Bette gezerrt; ferner wurde er einmal in den „Bock" gespannt, d. h. man band ihur mit einem Peitschenriemen die Beine zusammen, steckte einen Prügel dazwischen und ließ ihn so längere Zeit liegen. Ein weiteres Erziehungs- mittel bestand darin, dem Jungen einen Strick um den Hals zu legen und ihn im Hofe herumzuziehen. Als die Sache aufkam und der Knabe untersucht wurde, war er am ganzen Körper voll blauer Flecken, auch hatte er Wunden an den Beinen. Der Staatsanwalt beantragte für all diese Roheiten zwei Monate und acht Tage Gefängnis. Das Gericht aber erkannte lediglich auf IVO Mark Geldstrafe wegen Körperverletzung und 10 Mark wegen Bedrohung, weil Ott dem Jungen einmal auf dem Felde ge- droht hatte, er schlage ihm mit der Sense den Kopf ab und grabe ihn dann verstohlen ein. Diese milde Strafe für die brutale, egoistische Mßhand- lung eines Kindes ist um so empörender, als die Strafgesetz- buchnovelle für solche Roheiten als Mindeststrafe zwei Monate Gefängnis vorsieht, falls nicht mildernde Umstände vorliegen. Worin solche im vorliegenden Fall gefunden werden können, ist unerfindlich._ Schriftstellerklagen. Der Schriftsteller A. O. Weber, der so ungewöhnlich oft die Gerichte beschäftigt, trat gestern vor der 5. Strafkammer des Land« gerichts II als Privatkläger auf. Die Privatklage richtete sich gegen den Schriftsteller Karl Schnitzler. Dieser hatte in einem Artikel der„Deutschen Montagszeitu-ng" unter Hinweis auf mehrere Aus- sehen erregend« Fälle, wie die des Marguis de la Rame, des Mar- golin usw., Betrachtungen darüber angestellt, daß an die ArbeitÄrast der Gerichte oftmals Anforderungen gestellt werden, die mit der Bedeutung der Sachen in gar keinem Verhältnis stehen. Der An- geklagte brachte mit dem Fall Name auch Herrn A. O. Weber in eine gewisse Parallele. Weber fühlte sich durch diesen Artikel be- leidigt, da er darin ein„literarischer Spekulant" genannt wurde und er den Vergleich mit einem Hochstapler ä la Rame an sich für beleidigend erachtete, zumal nach seiner Meinung aus dem Artikel herausgelesen werden müsse, daß auch er möglicherweise bald in Untersuchungshaft sitzen könnte. Das Schöffengericht hatte Herrn Schnitzler seinerzeit zu 50 M. Geldstrafe verurteilt. Auf die von beiden Seiten eingelegte Berufung hatte die Strafkammer des Landgerichts III das erste Urteil ausgehoben und die Strafe auf 100 M. erhöht. Die Sbraskanimer hielt sowohl den Ausdruck„lite- rarischer Spekulant" als auch den Vergleich mit einem Hochstapler für beleidigend. Das angerufene Kammcrgcricht hob das Land- gcrichtsurteil aus und verwies die Sache an das Landgericht II. Das Kammevgericht hielt di4 Auffassung, daß jede Parallele mit einem Hochstapler an sich eine Beleidigung darstelle, für irrig; es komme immer auf das tertium cornparationis an. Außerdem hielt das Kammergericht bezüglich deS Ausdrucks„literarischer Spekulant", wenn dieser auch nur unter Z 185 St.G.B. falle, eine Würdigung de? von dem Angeklagten angebotenen Wahrheits- beweises für- geboten,. In der gestrigen Verhandlung ging der Angeklagte in aussühr- licher Weise auf die Geschichte der Ehe des Privaiklägers, auf dessen Reklameankündigungen seiner Schriften gerade während des Allen- stciner Prozesses in einem Umfange, der mit den dem Weber-Hause zu Gebote stehenden Mitteln nicht im Einklang gestariden-, sowie auf die einzelnen Transaktionen» die er im Betriebe deS Weber- Hanfes unternommen, ein, um zu dem Schluß zu kommen, daß die Bezeichnung„literarischer Spekulant" gerechtfertigt sei.— Herr Weber protestierte gegen die Richtigkeit der vom Angeklagten vor- gebrachten Tatsachen. Wenn er zur Zeit des Allensteiner Mord- Prozesses große Summen für Ankündigung seiner Werke aus- gegeben- habe, so seien dreierlei Beweggründe vorhanden gewesen: er habe durch die Inserate die Presse günstiger für seine Frau stimmen wollen; er habe serner mit Rücksicht aus die Bemerkung des Abg. Strosser» daß er- ein„Kabarcttier" sei, dem Publikum zeigen wollen, paß er ein von ernsten Zeitun-gen günstig kritisierter Schriftsteller sei, und endlich habe er auch dem Weberhaus, an dem seine Frau finanziell iftMeflteä Bat, z«, SöcheroSsaL Snyelfen wollen.— Nach längeren Ausführungen deS R.-Ä. Goldbaum für den Privatkläger und des Dr. Philipp für den Angesagten kam die Straflammer zu einem freispreche«»«» Urteil. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt des Kammergerichts, daß eine Zu« sammenstellung mit einem Hochstapler an und für sich noch nicht als Ehreukrönkung gelten könne, es vielmehr auf den Vergleichs- punkt ankomme. Aus dem Artikel sei aber ein ehrenkränkender Vergleichspunkt nicht herauszulesen. Die Bezeichnung als„literarischer Spekulant" sei an und für sich beleidigend, bei einer der- artigen Beleidigung dürfe aber der Wahrheitsbeweis nicht aus- geschlossen werden. Nach Ansicht des Gerichts sei es nun in der Tat nicht richtig gewesen, daß der Privatkläger im zeitlichen Zu- sa mm e nie essen mit dem Allensteiner- Prozeß der sich gegen seine Ehefrau richtete, seine literarischen Erzeugnisse in den Blättern an- pries, die über den Mordprozeß zu- berichten hatten. Damit sei er in einer für einem Schriftsteller gar nicht angemessenen Weise vor- gegangen-, so daß man da wohl von einem»literarischen Speku- lauten" sprechen könne._ Ein gefährlicher Kinderfreund, der durch die Aufmerksamkeit eines Schlächtergesellen unschädlich gemacht worden war, wurde gestern in der Person des Musikers Emil Roskowski der 10. Ferienstraskammer des Landgerichts I vor- geführt. Der Angeklagte, welcher sich wegen Verbrechens gegen den | 176, 3, St.GÄ. zu verantworten hatte, ist wegen des gleichen Verbrechens schon sechsmal vorbestraft. Nach seiner eigenen Angabc hat er in allen Fällen unter dem Einfluß de» Alkohols gehandelt. Eine schon mehrmals vorgenommene Untersuchung des Angeklagten auf seinen Geisteszustand hat keinen Anhalt dafür ergeben, daß bei ihm eine geistige Erkrankung vorliegt. Eines Tages wurde R. von- dem Schlächtergesellen PoSler be- obachtet, wie er sich in dem Kleinen Tiergarten an spielende Kinder herandrängte und sich dann im Sinne des genannten Paragraphen schuldig machte.— Vor Gericht brachte der Angeklagte als Eni- schuldigung wieder nur vor, daß er in angetrunkener Stimmung zu derartigen Straftaten neige. Das Gericht erkannte mit Rücksicht auf die hohe Gemeingefährlichkeit des Angeklagten aus tzrej Jahre Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust. Hus aller Älelt. Der nttlicbe ISormalmctircb entdeckt. Seit Jahren streiten sich Juristen und Laien, wie der Mensch beschaffen sein muß, dessen normales Empfinden den Maßstab für den sittlichen oder unsittlichen Gehalt von Erzeugnissen der Kunst und Literatur darstellt. Der Langgesuchte ist nun gefunden! Die vielgcsegnete Stadt Aschaffenburg , die sich des Ruhmes erfreut, den Zentrumsmann Liborius Gerstenberger in den Reichstag entsandt zu haben, zählt den neuentdeckten Normalmenschen zu ihren Mit- bürgern. Seines Zeichens ist er natürlich katholischer Pfarrer, heißt H u f g a r d und bewahrt als Schulinspektor die heran- wachsende christkatholische Jugend vor der Bekanntschaft mit dem Teufel Sünde. Dieser Pfarrer Hufgard war, ehe Aschaffenburg LaS Glück hatte, ihn zu besitzen, jahrelang als Lehrer an der Lateinschule Amorbach Verwalter der dortigen S chü l e r b i b l i o- t h e k. Während dieser Zeit hat er die Bücherei ausS gründlichste „sittlich gereinigt". Fast jedes Buch zeigte Spuren seiner„Ver- besserung", manches nahezu auf jeder Seite. So z. B. Schwabs Sagen des klassische» Altertums. Jede„sittlich" anstößige Stelle wurde ausradiert, dafür wurden andere Worte in nachgeahmter Druckschrift eingesetzt. Auf Sinn und Zusammensetzung wurde dabei wenig Rücksicht genommen, sehr häufig entstand barer Unsinn. Was wurde von Hufgard als anstößig empfunden? Zunächst ge- wisse Wörter: Brust, Herz, Schoß, HalS, besonders wenn sie sich auf weibliche Personen bezogen. Hier ein paar Beispiele: Aus BechsteinS Märchen„DaS Nußzweiglein":„Der Bär brummte, seine« rauhen Kopf auf deS Mägdlein» H a n d(statt: Schoß) legend." Aus G. Schwab„Argonaukensage":„Da ward? der Jungfrau, als fiele ihr das Herz zu Bode»(statt: aus der Brust i)." Aus„Meleager ":„Sie zerschlug sich wehklagend das Haupt(statt: die Brust!)... den Strick um sich selbst (statt: um den Hals!!) gewunden, fand man die Leiche." Aus„Niobe ":„Da fuhr plötzlich eine der Schwestern mit der Hand ans Auge(statt: Herz!); sie zog einen Pfeil heraus." Ferner wurde es als verfängliche Situation empfunden und deshalb geändert, wenn ein männliches und ein weibliches Wesen (gleichgültig, welchen Alters) allein beisammen waren, oder wenn eine männliche Person und eine weibliche in irgendeiner Weise sich berühren. Dabei wurde nicht Halt gemacht vor dem Verhältnis zwischen Bruder und Schwester, zwischen Mutter und Sohn I Ja, selbst auf Tote wird die Versittlichung ausgedehnt. Im„Zuge der Sieben gegen Theben" hieß eS ur- sprünglich:„Antigone hatte sich in der Höhle erhängt. Vor ihr lag, ihren Leib umschlingend, dein Sohn Hämon... noch sinkend schlang er seinen Arm um die Leiche der Braut und liegt jetzt tot. wie er die Tote gefaßt hatte." Hufgard änderte das folgendermaßen um:„Vor dem Felsen außen(l) aber lag dein Sohn Hämon... noch sinkend riß er die blu- tige Waffe aus der Wunde und liegt jetzt tot. wie er die Waffe gefaßt hatte." In Liliencrons„KriegSnovellen"(Auswahl für die Ju- gend!!) sind unter anderem die folgenden gesperrten Worte ausradiert oder unleserlich gemacht:„Ulanka und Hosen sind durchaus in Fetzen.... So'n Hundsfott von Kürassier... Alle gönnten sich das Labsal einer Waschung!" Im selben Buche liest man jetzt:„Dem jungen Offizier hat der Granatsplitter das Fleisch vom rechten Oberarm(statt: Ober- schenkel!!!) völlig weggerissen." Waren längere Stellen sittlich verdächtig, dann wurden sie entweder durch große Kleckse und Radierungen unleserlich gemacht, oder es wurden einfach die betreffenden Seiten ausgerissen und durch Umnumerieren der Seitenzahlen dies verschleiert. M ö r i'ck e s einzig schönes Gedicht„Mein Fluß"(O Fluß, mein Fluß, im Morgenstrahll) ist in der ersten Hälfte unßserlich ge» macht, weil darin die Erauickuna eines BadeZ geschildert ist!! «or soviel sittlichem Empfinden muß selbst Herr Roeren vor Neid die Gelbsucht bekommen! furchtbare aeberfchwemmung in China » 40—50000 Mensche» umgekommen. Wie erst jetzt bekannt wird, hat ein von Wolken- brächen begleiteter Tatfun im östlichen China am 29. Augnst furchtbare Verheerungen angerichtet. Wie ein Telegramm aus Schanghai meldet, veröffentlicht die „Schanghai Daily News" einen Bericht aus Wöntschou. wonach durch das Unwetter die Stadt Tsinatien und zahlreiche andere kleine Städte zerstört sein sollen. Die Zahl der Umgekommenen beläust sich nach chinesischen Schätzungen auf vierzig» bis f ü n f z i g t a u s e n d.
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