fflllt, geben die Schlachtziffern ein annähernd zuverlässiges Bild vom Berbrauch. Die gegenwärtige Fleischteuerung brachte aber ein Ereignis, das bis jetzt einzig dasteht. Am letzten Sonntag hatten olle Pfrrdcmctzgcreicn schon in den Morgenstunden ausverkauft. Als die ständigen Kunden der Pferdemetzger ihren Sonntagsbedarf decken wollten, fanden sie die Läden leer. Aus den Reihen derer, die sich des Fleischgenusses enthalten müssen wegen der hohen Preise, waren viele neuen Freunde des Pferdefleisches erstanden. Sie wollten für den Sonntag auch wieder mal ein selten gewordenes Fleischgericht auf dem Tische hoben und kauften schon Sonnabend ein. Auf diesen starken Ansturm waren die Pferdemetzger nicht vorbereitet. Schweine aus Dänemark und Holland . In Dänemark und Schweden werden� wie die„Deutsche Flcischer-Zeihing" meldet, wöchentlich 40— 45000 Schweine für den Export geschlachtet. Der weitaus größte Teil geht leicht gesalzen und knochenlos gemacht nach England, während ungefähr 1000 Schweine wöchentlich frisch geschlachtet durch Teutschland vom Norden, nach der Schweiz ausgeführt werden. Die Einfuhr lebender Schweine aus Dänemark ist seit 15 Jahren verboten, obgleich Däne- mark, wie auch unsere Reichsregierung, weiß, völlig seuchenfrei ist. Wenn die jetzt gefahrlose Einfuhr lebender Schweine von Dänemark gestattet würde, würden mindestens 25—30 000 lebende Schweine von Dänemark und Schweden wöchent- lich den deutschen Märkten zugeführt werden» und da bei uns die Zkotierung für Schweine jetzt schon auf 90 M. per Zentner gesttcgen ist, wäre es Pflicht unserer Reichsregierung und des Bundesrates die Einfuhr lebender dänischer und schwedischer Schweine sofort zu gestatten. Der Zoll beträgt 9 M. per 100 Kilo Lebendgewicht, während er vor dem 1. März 1900 nur 5 M. per Schwein betrug, ohne Rücksicht auf das Gewicht. Die Gestattung der Einfuhr dieser lebenden Schweine würde eine Erleichterung der Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Schweinefleisch zur Folge haben. Die Oeffnung der holländischen Grenze, die ebenfalls für lebende Schweine noch Deutschland ge- sperrt ist, würde ebenfalls von Bedeutung sein. Seit einem Jahre hat Frankreich die Einfuhr lebender holländischer Schweine ge- stattet und 10—15 000 Schweine werden jetzt wöchentlich von Holland nach Frankreich exportiert. Kommune» und Teuerung. In der Stadtverordnetenversammlung zu Magdeburg kamen Interpellationen zur Lebensmittelteuerung zur Verhandlung. Die Teuerungskommission schlug vor, daß durch die Stadt aus den skandinavischen Ländern Schlachtvieh eingeführt wird, zu welchem eine besondere Kommission unverzüglich nach den Quarantäne- stationen entsandt werden soll, um Vieh einzukaufen. In der gleichen Weise soll durch die Stadt die Einfuhr von frischem Fleisch und ge- frorenem Fleisch aus Argentinien in die Wege geleitet werden. An die Regierung soll eine Petition gesandt werdem in welcher u. a. die Erleichterung der Einfuhr von Vieh und Fleisch aus dem Auslande durch AuiHeburig der darauf ruhenden Zölle und der nicht unbedingt erforderlichen veterinärpolizeilichen Vorschriften sowie die Beibehaltung der Frachtermäßigung für den Bezug von See- fischen gefordert wird. Schließlich schlug die Teuerungskommission noch vor, den im vorigen Winter von der Stadt vermittelten Ver- kauf van Sceftschen in erweitertem Maße wieder einzuführen, und aus die Abendstunden zu verlegen, um besonders der arbeitenden Bevölkerung günstigere Einkaufsmöglichkeiten zu verschaffen.— Der Magistrat erklärte sich mit den Vorschlagen einverstanden. Vom MagistratSredner wurde mitgeteilt, daß die Handelskammer sich der Eingabe an die Regierung anschließt, und daß sich eine größere Anzahl Magdeburger Jndustriefirmen bereit erklärt hätten, gemeinsam mit dem Magistrat Schritte zur Abwehr der Teuerung zu, unternehmen. Die Vorschläge der Teuerungskommssion wurden von der Stadtverordnetenversammlung nahezu einstimmig ange- uoimnem Dem Strahburger Gemeinderat lagen folgende Vorschläge einer eingesetzten Spezialkommission vor: Eingabe an den Bundesrat und Reichstag sowie an die Landesregierung, bezweckend Erleichterung der Schlachtvieheinsuhr aus den Nachbarländern durch eine mit der Erhaltung der heimischen Viehzucht verträgliche zeitweise Herab- setzung der Zölle und Milderung der veterinärpoKzeilichcn Vorschriften,— versuchsweise Einführung von Gefaierfteisch unter gleichzeitigen Eingaben, bezweckend Miloerung reS§ 12 des Fleisch- beschaugesetzeS und Herabsetzung des allzu hohen Zollsatzes zur Er- möglichung dieses Versuches,— Ersuchen an den Bundesrat um Beteiligung des Straßburger Schlachthofes an der kontingentierten Vieheinsuhr aus Ocsterreich-IIngarn;— Gestuh an die Reichseisen- bahn um ermäßigte Tarife für Vieh- und Fleischtransporte,— so- fortige Errichtung einer städtischen Mastanstalt für Schweine, wenn möglich in Verbindung mit einer ländlichen Genossenschaft,— regelmäßige Feststellung der Schlachtvieh- und Fleischpreise und Vcrsolgung ihrer Spannung.— sofortige Inangriffnahme der Vor- arbeiten zur Gründung einer Viehmarktsbank, die den Metzgern Barkredit vermittelt und ihre genossensthaftlichen Bestrebungen auf 14 Stunden) anstanden, um ein paar Pfund minderwertiges Fleisch zu erobern. Von Fleischnot ist bei unS bekanntlich keine Spur, und auch dieses erfreuliche Ergebnis beweist die Trefflichkeit unserer Wirt- schaftlichen Zustände. Erstens die Kaufkraft des Publikums! Denn nur«in ganz besonders kaufkräftiges Publikum wilch die ganze Nacht durch an- stehen, wie an der Theaterkasse, wenn Caruso singt, bloß um kaufen zu können. Zweitens beweist's die staunenswerte deutsche Volksgesundheit! Nur ein ganz gesunder Mensch kann bei Wind und Metter 14 Stun- den im Freien stehen, wegen etlicher Kilo Kuhfleisch. So gesund ist nur ein vorzüglich ernährtes Volk— werden wir nächstens in der„Nordd. Allg. Ztg." lesen.(„Jugend".) Sprachseinheiten. Oberlehrer:„Können Sie mir »inen volkstümlichen Ausspruch nennen, der Schmerz ausdrückt?" „Herrgott, Hab' i Hunger!" „Gut! Jetzt sagen Sie mir eine Interjektion, die Freude «usdrückt." «Herrgott, Hab' i Durst!"(„Der abstinent« Arbeiter".) Wonzcu. —. Die CarusitiS nimmt wieder bedenkliche Formen in Berlin an. Bei der kgl. Oper waren bloß 30 000 Vorbestellungen aus BillettS erfolgt. Diese muffen schritltich(mit bezahlten Ant- wortlarten) an die Generalintendantur eingereicht werden. An der Lotterie, in der— wie in den meisten Lotterien— überwiegend Nieten gezogen werden, hat nur die Post ihre Freude, da sie an SOOO M. daran verdient. � _ Ein Dekadent über die Dekadenz. In der nach- revolutionären russischen Literatur hat sich(abgesehen von der sozialistisch beeinflußten) eine starke Dekadenz bemerkbar gemacht. Artzibaschew der typische Vertreter dieser Literatur, der Autor deS veiiimistisch-schwülen Sanin. bat diese ganze Richtung und sich selbst treffend so charakterisiert:„Die Unkultur der Masse ist eine große Sünde aber eS ist ja Sache der Literaten, dte Maffe zu kultivieren. Können wir aber auch ein Körnchen Kultur nur heute geben? Wir find selbst schwach und unkultiviert, w-r haben femen originellen Gedanken int Kops, wir können kein wahrhaft künstlerisches Erzeugnis schaffen und auch nickt einmal unierhaltend schre.�,, Wodurch sollten wir also belehren, ergötze» oder veredeln? Mit Ausnahme von zwei, drei Männern denken dre gegenwärtigen Literaten an mcht» weiter als an ihren eigenen Erfolg, an die Zeitungsreklame und an �«uTffintnd dieser Erkenntnis will Artzibaschew, nach dem„Berl. Taaebl.". nun— nicht etwa der Literatur sich entschlagen, sondern «tnen neuen Roman(«Der Zerfall der Intelligenz") schreiben. rationelle Verwertung aller Nebenprodukte ihres Gewerbes unterstützt.— Die Vorschläge wurden vom Gemeinde rat akzeptiert. Ein Zusatzantrag, der die Einberufung des Rechstages fordert, wurde ebenfalls angenommen. Eine Abordnung des Vorstandes des sozialdemokratischen Wahl Vereins in Hannover war beim Magistrat vorstellig wegen der Teuerung. Ter Stadtsyndikus Ehl teilte mit, daß der Magistrat schon eine Kommission von vier Mitgliedern eingesetzt habe, um sich eingehend mit der Frage der Teuerung und eventuelle Abhilfe- mittel zu beschäftigen. Zu dieser Kommission hat jetzt auch das Bürgervorsteherkollegium(Stadtverordnete) vier Mitglieder bestellt. Im Herbst vorigen Jahres stand die Stadtverwaltring auf einem anderen Standpunkt, da erkannte man keine Fteischnot atr und sprach von„Wahlmache". Die graue Theorie der Herren vom Magistrat kam in der Unterredung auch darin zum Ausdruck, daß ein Magistratsmitglied darauf, hinwies, daß der im Vorjahr und im Winter eingerichtete städtische Fischmarkt keinen, Erfolg aufzuweisen gehabt habe,„trotz guter und billiger Ware im auZreichenden Maße".— Die Preise waren keineswegs so. um für eine Arbeiter- samilie billig genannt werden zu können» denn eine reine Fisch- Mahlzeit hätte sich auf mindestens 30 Pf. bis 1 M. und darüber gestellt. Das ist für Fisch viel zu teuer. In der Stadtverordnetenfitzulng in Detmold gab Oberbüvger- meister Wittje auf die Eingabe und Anregung des sozialdemokra- tischen Stadwervroneten folgende Erklärung ab:„Der Magistrat hat beschlossen� den lippischen Bundesratsbcvollmächtigten zu er- suchen, für die Aufhebung bezw. Herabsetzung der Zölle auf Lebens- mittel unb dafür einzutreten, daß die Einfuhr von einwandfreiem lebendem und Schlachtvieh nach Möglichkeit erleichtert wird. Der lip- pische Minister werde in entsprechender Weise verständigt werden." Dre Stadtverordnetenversammlung beschloß dann einstimmig auf Antrag der sozialdemokratischen Vertreter, eine Kommission zu bilden, die sofort mit dem Magistrat, gegebenenfalls unter Zu- ziehung des Vorstandes der Schlächterinnung, über Maßnahmen zur Linderung des Notstandes beraten soll. Kundgebungen gegen die Teuerung. Im Reichstagswahlkreise Kottbus-Svremberg wurden in der letzten Woche in den vier größeren Städten und Orten äußerst imposante Protestversainmlungen abgehalten. In KottbuS betrug die Teilnehmerzahl über äOOO und in Spremberg über 1200. Wegen der auch in diesem ländlichen Kreise recht sühlbaren Preissteigerung aller wichtigen Lebensmittel kam es in KottbuS und Spremberg an mehreren Marktlagen zu Markttumulten._ Fünfzehn Proteftversammlungen wurden im Wahlkreise Raum- burg-Weißenfels-Zeiy abgehalten, dreizehn Versammlungen im Wahlkreis BreSlau -Land. Weitere Kundgebungen fanden statt in Kleinwittenberg und F ü r st e n w a l d e. Originelle Bekämpfung der Fleischnot. Die italienische Regierung ist auf die merkwürdige Idee ver- fallen, die Fleischnot durch eine neue Abgabe zu bekämpfen. Vom 10. September dieses Jahres an wird von jedem Kalb, das ohne Schneidezahn geschlachtet wird, eine Extrasteuer von 2 Lire erhoben» Die Erhebung geschieht durch die Gemeinde, abev das Geld fließt zu Dreiviertel der Staatskasse zu. zugunsten eines besonderen Fonds zur Hebung der Viehzucht. Zweck der Abgabe ist. die Schlachtung der kleinen Kälber, die im Interesse der Milch- Produktion, nicht aber in dem der Fleischproduktion liegt, möglichst zu beschränken. In Mailand werden zum Beispiel alljährlich 80 000 Milchkälber geschlachtet. Würde man diese Tiere auch nur noch einige Monate aufziehen» so würde das Angebot an Schlacht- Vieh nicht unwesentlich steigen. Freilich gibt es einfachere Mittel gegen die Fleischnot, so die Herabsetzung oder Abschaffung der Zölle und Oktrois, aber diese fallen der Regierung nicht ein, Die„Soziale Aoche" in Zürich II. Der unter der Leitung von Professor Dr. v. Mahr- München stattgefundene Kongreß für Sozialversiche- r u n g behandelte die Ausdehnung des BersicherungszwangeS auf die höheren Berufe, die Hausgewerbetreibenden und Selbstän- digen; die Ergänzung der obligatorischen Rückversicherung durch eine freiwillige Kapitalversicherung(Volksversicherung)! Belastung durch die Sozialversicherung und internationale Unfallstatistik. Der Referent über die Ausdehnung des VersicherungSzwangcs, Professor Dr. P i l o t h- Würzburg, konstatierte unter an- derem, daß in Sachsen nur«.in Viertel der Selbständigen mehr als 2500 M. verdienen und demnach 75 Proz. derselben versiche- rungsbedürftig sind, wenn man das genannte Einkommen als Versicherungsgrcnze annehmen will. Der Referent empfahl die freiwillige Versicherung, da sich die Selbständigen durch den Ver- sicherungszwang gekränkt fühlen würden. In der Diskussion wurde diese Ansicht korrigiert durch den Hinweis auf die Forderung der Zwangsversicherung seitens der deutschen Handwerkerorganisationen Beschlossen wurde, über die Frage der Versicherungsart. ob staatlich oder privat oder genossenschaftlich, fakultativ oder obligatorisch, eine Enquete vorzunehmen, eine beliebte Form der vorläufigen Er- ledigung schwieriger Probleme auf derartigen Kongressen. Die Belastung durch die Sozialversicherung behandelte Dr. Freund- Berlin an Stelle des abwesenden Dr. Zach-München, aber an Hand der bezüglichen Broschüre des- selben. Der Referent hatte den Einfall, die 3- bis 3'/h Proz. des Arbeitslohnes ausmachenden Beiträge des Arbeiters an die Sozial- Versicherung in Parallele zu stellen mit dessen Beiträgen an Ge- werkschaft und Partei sowie sonstige Vereine und zu konstatieren. daß die Versicherungsbeiträge immer noch gering sind. Dr. Freund will als eine gute Folge der deutschen Sozialversicherung die Milde- rung der sozialen Kämpfe erkennen. Jedenfalls ist solche nur auf Seite der organisierten Arbeiterschaft vorhanden. Denn das fa- natische ZuchthauSgeschrei und die ewigen Scharfmachereien der Unternehmer und ihrer Söldlinge kann man gewiß nicht als„mil- dere Kampfcssornwn" bezeichnen. Bcachtungswert ist die freilich nicht mehr neue Feststellung des Referenten, daß in Deutschland Gewerbe. Industrie, Handel usw. unter der Herrschaft der Sozial- Versicherung gehoben und gefördert worden sind. Auch Staat und Gemeinde haben davon viel gewonnen. Dr. Freund berührte auch die Wichtigkeit der Anlegung von Versicherungsgeldern zu sozialen Wohlfahrtszwccken und in Gemeinde-, Staats- und Reichsanleihen zur Erleichterung der Finanzgebarung. Unser Genosse Lorenz- Zürich teilte in der Diskussion mit, daß das Schweizerische Arbeitersekrctariat durch seine im Gange befindliche Haushaltungsstatistik auch die Belastung des Arbeiter- budgets durch die soziale Versicherung ermitteln werde. Der Aache - ner Bergrat Weydtmann berichtete, daß der deutsche Bergbau an die Knappschaftskassen und die übrige Versicherung rund 250 M. für jeden Bergmann ausgibt.. Schließlich wurde eine Resolution angenommen, welche die Erhebung von allgemeinen Statistiken, aus denen die Be- lastung des Arbeitcrbudgets durch Versicherungsauslagen analog der vom schweizerischen Arbeitersekretariat ausgeführten hervorgeht, be- grüßt und das Bureau beauftragt, unter Assistenz von zugezogenen Fachleuten das Programm, die Methode und den Umfang oer auf- zunchmeudcii Statistik zu bestimmen und die Resultate hernach einer neuen Konferenz und den Landessektionen vorzulegen. Zur Unfallstatistik befürwortete Kleiu-Berlin die Annahme einer einheitlichen Methode für alle Länder, um leichter zu der angestrebten internationalen Unfallstatistik zu kommen. Die Deleziertenversammlung der internationalen Bereinigung für gesetzliche» Arbeiterschutz tagte unter dem Präsidium unseres Genossen Regierungspräsident Scherrer-St. Gallen. Sie war von nicht weniger als 45 Regierun- gen durch Delegierte beschickt, so daß sie geradezu ein offizieller Kongreß von Ministern bezw. Regierungsvertretern war. Zum erstenmal vertreten waren die Regierungen von Finnland , dessen Delegierte von Scherrer besonders warm begrüßt wurden; von Rußland , Griechenland , Brasilien und Australien . In seinem Eröff- nungswort machte der Präsident die Mitteilung, daß in wenigen Monaten eine internationale Ministerialkonferenz zusammentreten werde, um zwei durch die internationale Vereinigung vorberatene Fragen zum endgültigen Abschluß zu bringen(Verbot der Nacht- arbeit der Jugendlichen und die internationale Festsetzung der zehnstündigen Arbeitszeit für Frauen und Jugendliche), die vom Bundesrat auf das Frühjahr 1913 einberufen worden ist. Wir wollen hoffen, daß diese Arbeit von allen in Frage kommenden Ländern gewürdigt und eingeführt werden wird, zum Wohle der gesamten Arbeiterklasse. In seiner Begrüßungsansprache warf der Züricher Regierungs- rat Nägeli einen Rückblick auf die Geschichte der Arbeiterschutz- gffetzgcbung des Kantons Zürich . Schon 1779 sei das erste Arbeiter- schutzgesetz im Kanton Zürich erlassen worden, das den in der Heimarbeit beschäftigten Kindern<Mhutz gewährt habe. Ihm folgte 1315 ein Schutzgesetz für in den Fabriken beschäftigte Kin- der, das 1837 verschärst wurde. 1855 brachte dann das neue Zivil- rechtsgesetz den erwachsenen Arbeitern Schutz in bezug auf den verdienten Lohn, da derselbe Vorzugsrechte vor anderen Forderun- gen erhielt. 1859 wurde ein 12 Paragraphen umfassendes Fabrik- gesetz erlassen. daS speziell die Kinderarbeit und die Lohnzahlung regelte, bis dann 1870 das erste umfangreiche Fabrikgesetz erschien, das die Arbeitszeit in den Fabriken regelte, den Wöchnerinnen Schutz brachte und die Fabrikarbeit für schulpflichtige Kinder untersagte, welches Gesetz bis zum Inkrafttreten des eidgenössischen Fabrikgesetzes in Kraft blieb. Vom Antistreikgesetz und Militär- aufgebet gegen kämpfende Arbeiter, von Massenverhaftungen und Massenausweisungen von Arbeitern in unseren Tagen erzählte er vorsichtshalber den fremden Gästen nichts. Fünf Kommissionen diskutierten Spezialfragen deS Arbeiter- schutzes und gab es in der letzten Sitzung eine Massenproduktion von Resolutionen, die folgendes verlangen: In ununterbrochenen Betrieben soll die achtstündige Schicht eingeführt werden, nachdem sie sich in der Praxis ebenso notwendig als durchführbar erwiesen at, namentlich in den Hochöfen- und Eisenhüttenbetrieben sowie Stahl- und Walzwerken. Der schweizerische Bundesrat soll eine internationale Konferenz zur Herbeiführung bezüglicher Verein- barungen einberufen. Für Glashütten wirb die 56 Stuudenwoche mit 24stündiger Ruhepause angestrebt. Die Landessektionen der internationalen Vereinigung werden beauftragt, die Studien über die Einführung der Achtstundenschicht speziell in den Berufen zu fördern, wo die lOstündige Arbeitsbereitschaft überschritten wird, und auch dort, wo mehr als sechs Schichten pro Woche gearbeitet werden müssen, sowie in denjenigen Industrien, für welche die Verhältnisse für das Dreischichtsystem reff zu sein scheinen(Papier . Zellulose und chemische Industrie). Eine Spezialkommission soll sich mit statistischen Feststellungen über Arbeitszeit, Unfall- und Erkrankungshäufigkeit sowie die Sterblichkeit in den als gefährlich erkannten Berufen befassen und ferner die Vorschläge ausarbeiten über Beschöftigungsverbot von Kindern, Jugendlichen und Frauen in diesen Berufen. Auch den Eisenbahnern soll geholfen werden und eine Spezial- kommission bezügliche Studien machen, die sich erstrecken sollen auf a) die Unterschiede der Unfälle der einzelnen Betriebskategorien der verschiedenen Länder, eventuell die Ursachen dieser Unterschiede; d) die Differenzen im Dienstfahrplan und ihre Ursachen; c) über die Maßnahmen der Direktionen, um den Differenzen in bezug auf Lohn und Arbeitszeit abzuhelfen und die Resultate der Matznahmen; und d) endlich über die Basis der jlrankheitsstatistik des-Personals der Eisenbahnverwaltungen. Die Kommission ist auch berechtigt, die Erhebungen auf die Telegraphisten und die Seeleute auszu- dehnen. Der freie Samstagnachmittag soll für Frauen und jugenb- liche Arbeiter ebenfalls international festgesetzt werden. Ein An- trag des Professors Tay, diese Festsetzung für alle Arbeiter anzu- trecken, wurde mit 39 gegen 31 Stimmen abgelehnt. Die gleiche Kommission soll aych versuchen, eine internationale Ferienstatistik zu schaffen. Bezüglich der Durchführung der internationalen Arbeiterschutz- Verträge wurde gewünscht, daß die gegenseitigen Mitteilungen nicht nur auf diplomatischem Wege erfolgen, sondern durch Veröffent- lichung, die klar erkennen lasse, in welchem Grade die Durchführung der Arbeiterschutzgesetze gehandhabt werde. Weiter wird der ver- mehrten Anstellung von Arbeitsinspektorinnen das Wort geredet. In der Frage der Behandlung der ausländischen Arbeiter in der sozialen Versicherung soft volle Freizügigkeit und Gleichstellung aller Versicherten durch Staatsverträge angestrebt werden. Weiter wurde der gesetzliche Kinderschuh und das Verbot des Trucksystems befürwortet. Das letztere soll die Vorschrift für die unentgeltliche Lieferung der Arbeitsmaterialien durch die Unter- nehmer an die Arbeiter enthalten. Auch Bußen und Lohnabzüge 'ollen verboten werden. Bezüglich des Heimarbeiterschutzes stellte sich der Kongreß auf den Boden der Beschlüsse des internationalen Heimarbeiterschutz- kongresses. Die der internationalen Vereinigung angehörigen Parlamentarier wurden ersucht, die Schaffung� von Heimarbeitcr- 'chutzgesetzen in ihren Landesparlamenten„möglichst zu beschleu» " �°Für die Stickereiinbustrie, speziell die Schifflistickerel. wird das Verbot der Nachtarbeit, die keinerlei betriebstechnische Berechtigung besitzt, gefordert. Die Untersuchungen in der Bleffrage werden fortgesetzt und namentlich sollen Erhebungen über die Verwendung von Bleifarben in Konstruktionswerkstätten und ähnlichen Betrieben vorgenommen werden. Unser Genosse Keufer-PariS, Schriftsetzer, bedauerte den chleppenden Gang dieser Untersuchungen und verlangte prompte» Arbeit von den Landessektionen. Die Resolutionen weisen dann noch hin auf die Gefährlichkeit des Ferrosiliziums. die Wurmkrank- heit der Bergarbeiter, und verlangen Schutzmaßnahmen sowohl gegen diese Gefahren wie auch gegen die Krankheiten(Milzbrand und Quecksilbervergiftung), die sich ergeben aus gewerblichen Ar- beiten, und beauftragen die Kommission mit Erhebungen und de- züglichen Vorschlägen. Die Kommission wird ferner betraut mit Berichterstattung über die Verhältnisse der Hafenarbeiter. Caisson- arbeiter. Taucher sowie einer Statisiikaufnahme auf einheitlicher Basis über die Krankheits- und Todesfälle in der Arbeiterbevölke- rung in den einzelnen Ländern.. Damit waren auch die Arbeiten des letzten Kongresses der „internationalen sozialen Woche" in Zürich beendet, die sozialen Sport und ernste Sozialresorm, Arbeiter und Bourgeois, Sozial. demokraten und bürgerliche Politiker im Volkshause zu gemein- samer Arbeit vereinigt hatte. Deren Qualität steht nicht in lieber- eiustimmung mit der Quantität und schließlich stehen auch die besten Beschlüsse und Resoluionen nur auf dem Papier, wenn nicht die stets vorwärts treibende, nie rastende Arbeiterbewegung fix wünschenswerte Taten umsetzt. Sie ist es letzten Endes auch, welche die gesamte bürgerliche Sozialpolitik anregt und im Marsche erhält, die meint, sie schiebt, während sie geschoben wird. Die rruitmagnaten als Dxnamitaräen. Unser New Dorker Korrespondent schreibt unter dem 31. August zu dem von uns berichteten Schurkenstreich der Mit- glieder des Wollentruste», durch Dynamitattentate die Streikbewegung der Arbeiter zu diskreditieren, wie folgt:
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