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Nr. 220. 29. Jahrgang.

3. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt. Streitag. 20. September 1912.

Stadtverordneten- Verfammlung.

24. Sigung vom Donnerstag, den 19. September, nachmittags 5 Uhr. Vorsteher Michelet eröffnet nach Uhr mit einem Nach­ruf an den verstorbenen Oberbürgermeister a. D. und Ehrenbürger Dr. Kirschner die Situng. Die Versammlung hört die Rede stehend an. Stadtverordnetenvorsteher Michelet : Meine sehr verehrten Herren! In aufrichtiger, tiefer Trauer, das Herz boll Wehmut, haben wir gestern unseren verehrten Oberbürgermeister und jüngsten Ehrenbürger, Herrn Dr. Martin Kirschner , zur letzten Ruhe gebettet. Wer fonnte wissen, ja wer fonnte auch nur ahnen, daß die letzten Abschiedsworte, die wir in Ihrem Namen hier am 27. Juni an ihn richten durften bei seinem Abschied aus dem Amte, daß es die lezten Worte sein sollten, die wir lebend an ihn richten fonnten. Es waren Worte der Dantes und der Verehrung, die wir hier zusammen für den Verstorbenen empfanden; Worte des tief­gefühltesten Dankes für alles das, was er in selbstloser Hingabe des eigenen Ich allezeit für das Wohl der Stadt und seiner Bürger getan und geleistet. Es waren feine leeren Worte; fie tamen aus dem Herzen. Die von uns gefaßten Beschlüsse in betreff seiner Person geben darüber das beste Zeugnis. Nun ist der treue Mann dahingegangen und hat unsere Liebe und Dankbarkeit mit ins Grab genommen, und uns bleibt nur die Erinnerung an die schöne Zeit der gemeinsamen Arbeit. Sie kennen seine letzten Bestim­mungen, die er in seiner so großen Bescheidenheit erlassen, und so müssen auch wir uns in diesem Augenblicke einige Reserve auf­erlegen. Die großen Verdienste unseres Martin Kirschner be­dürfen nicht mehr der Worte. Wohin wir blicken überall emp­finden wir die Spuren seiner jegensreichen Tätigkeit. Es bleibt uns nichts, als neben den vielen Klagen unser herzliches und schmerzliches Bedauern auszudrücken, daß dem Entschlafenen für feine treue Arbeit nicht noch ein sonniger und friedvoller Lebens­abend beschieden war. Der Name Martin Kirschner , geschmüdt mit der Bürgerkrone, die ihn ziert, wird eingetragen stehen mit goldenen Lettern in der Geschichte der Stadt und wird in den Herzen unserer Bürgerschaft nicht erlöschen.( Beifall.)

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Stadtv. Caffel( A. L.): Meine Herren! Es ist mir die Ehre zuteil geworden, namens der Neuen und der Fraktion der Linken zu erklären, daß wir durchaus einig sind mit unserem verehrten Herrn Vorsteher in dem Gefühl wehmutsvollen Schmerzes über den so jähen Abtritt unseres verehrten Martin Kirschner . Wir werden seines edlen, vornehmen Charakters. seiner treuen, nimmer müden, sich selbstaufopfernden rastlosen Pflichterfüllung, seiner tiefen Kenntnis, hohen Begabung und hohen Verdienste um die Stadtgemeinde Berlin und ihre Bewohner in Zukunft stets ge­denken. Das Andenken an diesen wahrhaft vornehmen, von wahr­hafter Pflichttreue beseelten und wahrhaft großen Mann wird nimmer verblassen.( Beifall.)

Stadtv. Heimann( Soz.): Meine Herren! Auch meine Freunde wünschen in diesem Saale zum Ausbruck gebracht zu haben, daß auch sie über den plöblichen Hingang des Verstorbenen von Trauer erfüllt sind Wir haben den Verstorbenen stets hoch geschätzt als einen Mann von unantastbarem Gerechtigkeitsgefühl, dessen Ja ein Ja, dessen Nein ein Nein gewesen ist, dessen Fähigkeiten, Rennt niffe und Erfahrungen bei jeder Gelegenheit zutage traten. Seine Arbeitsfreudigkeit, seine Leistungen erschienen unerschöpflich und mußten jedem, der ihn unbefangen beobachtete, stets von neuem Staunen und Achtung abnötigen, gleichviel, wie man sich zur Rich Jung seiner Arbeit stellte. Der Verstorbene war ja auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet unser Gegner. Auf manchen Gebieten rhaben wir bekämpft, was er verfocht; auf anderen haben wir das gewünscht, was er bekämpfen zu müssen glaubte. Aber auch in der Siße des Kampfes haben wir alle dem Verstorbenen persönlich unsere Wertschäßung niemals versagt, haben niemals vergessen, die Verhältnisse gebührend einzuschätzen, die ihn häufig genug gehindert haben, das durchzuführen, was er wünschte. Nur der Unbefangene, der den unvermeidlichen Stampf beobachten fonnte, den der Ver­storbene bei Widerständen aller Art innerhalb und außerhalb dieses Hauses zu führen hatte, nur der wird zu einem wirklichen, richtigen, flaren Urteil über die Art seiner Amtsführung gelangen. glauben einen solchen unbefangenen Blick uns bewahrt zu haben, und erfennen an, daß wir den Berstorbenen bei seinen Bestrebungen um die Hochhaltung des Selbstverwaltungsrechtes fast stets da ge­funden haben, wo er nach unserer Meinung zu stehen hatte; daß in einer Zeit so stürmischer Entwickelung, wie sie feine Stadt Europas burchgemacht hat, unser Geschick in den Händen eines Mannes lag, an den kein unlauterer Gedanke heranreichte, haben wir stets an erkannt und danken es dem Verstorbenen noch in dieser Stunde. Als er sich vor kurzem veranlaßt gesehen hat, sein Amt niederzu­

Kleines feuilleton

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I legen, haben wir dies aufrichtig bedauert, und so herzlich wie nur aber auch in Neukölln die bessere Einsicht zur Geltung zu kommen. irgend jemand haben wir ihni, der sich in seiner Tätigkeit nur Jn einem am letzten Donnerstag verhandelten Termin wurde der spärlich Ruhe und Rast gegönnt, noch viele Jahre ungetrübten Angeklagte freigesprochen. Dieser Freispruch erfolgte sogar auf Lebensgenuffes gewünscht. Nun hat ein grausames Geschick es Antrag des Staatsanwalts. Da muß man doch fragen, wie ist es leider anders gefügt. Gestern ist ein Mann zur Ruhe getragen möglich, daß in ein und derselben Frage die Staatsanwaltschaft worden, von dem wir überzeugt sind, daß alles, was er getan und desselben Gerichts einen so entgegengesetzten Standpunkt ein­gelassen, nach seiner ehrlichen Ueberzeugung zum Wohl und Heil nehmen kann. Wie es scheint, liegt es nur daran, daß in den Ter­unserer Stadt geschehen ist. Sein Andenken wird auch bei den minen, in denen eine Verurteilung erfolgte, als Amtsanwälte Berliner Sozialdemokraten ein geachtetes und ehrenvolles sein. jüngere Referendare und Richter fungierten, denen der Kommentar von Landmann, auf dem das Kammergerichtsurteil fußt, ebenso ( Beifall.) Der Vorsteher verliest die beträchtliche Anzahl der einge- unbekannt ist wie das Urteil selbst. Nach der neuesten Entscheidung des Schöffengerichts darf wohl erwartet werden, daß nunmehr die laufenen Beileidsschreiben. Hierauf wird nicht, wie ursprünglich verlautete, die Berhand- noch ausstehenden ca. 20 gleichen Termine aufgehoben werden. lung zum Zeichen der Trauer abgebrochen, sondern die Versamm Sollte das nicht geschehen, so muß sich in allen Fällen das Be­rufungsgericht nochmals mit diesen Bagatellen beschäftigen, da der lung tritt in die eigentliche Tagesordnung ein. In den Ausschuß zur Vorberatung der Vorlage wegen Ab- Verband der Gastwirtsgehilfen, auf dessen Veranlassung die ge­änderung der Dienstanweisung für die Schulkommissionen sind richtlichen Entscheidungen beantragt sind, ein Interesse daran hat, auch die sozialdemokratischen Stadtverordneten Dr. Arons und endlich auch den unteren Gerichten und Polizeibehörden klar zu machen, daß die Flugblattverbreitung in Wirtshausgärten nicht Manasse gewählt worden. der polizeilichen Erlaubnis bedarf.

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Zur Beschlußfassung steht zunächst eine Magistratsvorlage betr. Anwendung von Maßregeln gegen den Elektrotechniker Ewald Beleidigtes Rechtsgefühl war es, welches eine Frau Schlegel Schulze, Münzstr. 4, der wegen Nichterfüllung seiner Pflichten als Mitglied der Einkommensteuer- Boreinschäßungskommission, beranlaßte, sich über das Verhalten des Schußmanns Selzer zu Unterkommission 205, für drei Jahre der Ausübung seines Rechtes äußern. Die Folge davon war eine Sistierung, eine Anklage und und der Teilnahme an der Vertretung und Verwaltung der Ge- Verurteilung der Frau Schlegel zu 3 M. Geldstrafe wegen groben In der von Frau Schlegel angerufenen Berufungs­meinden für verlustig erklärt und um ein Viertel stärker zu den Unfugs. instanz wurde gestern folgender Tatbestand festgestellt. In der Gemeindeabgaben herangezogen wird. Petersburger Straße hatte sich eines Abends aus Anlaß einer Sistierung ein zum großen Teil aus Kindern bestehender Auflauf gebildet, den zu zerstreuen der Schuhmann Selzer im Begriff war, wobei er lebhafte Armbewegungen machte. In diesem Augenblick tam Frau Schlegel zur Stelle. Sie hatte den Eindruck, als ob Schutzmann Selzer mit der Hand ausholte in der Absicht, einen Jungen zu schlagen. Im Vorbeigehen sagte Frau Schlegel:" Das wird ja immer schöner, jetzt will der Schußmann schon Kinder schlagen." Nun fuhr der Schuhmann die Frau an: Wer hat ge­schlagen!"- Die Frau antwortete:" Ich habe ja nicht gesagt, daß Sie geschlagen haben." Darauf der Schuhmann:" Machen Sie, daß Sie weiter tommen." Die Frau entgegnete: Sie werden doch erlauben, daß ich spazieren gehe." Hierauf schritt Schußmann Selzer zur Sistierung, indem er Frau Schlegel am Arm pacte, was diese sich verbat. worauf ihr der Schuhmann einen Stoß in den Rücken verseßte, daß die Frau an die Wand flog. Auch auf dem Flur der Polizeiwache ist Frau Schlegel ihrer Angabe nach ge­stoßen und gepufft worden.

Stadtv. Imberg( A. L.): In der letzten geheimen Sizung wurde beantragt, die Angelegenheit in die öffentliche Sigung zu berlegen, weil wir in der Oeffentlichkeit konstatieren wollten, wie wir über diese Pflichtvergessenheit denken. Wir haben in früheren Beiten derartige Dinge mit allzu großer Vornehmheit in der ge­heimen Sizung behandelt und von den uns zustehenden Straf­mitteln feinen Gebrauch gemacht. Aber das war nicht ganz recht und es zeigt ja die Vorlage, daß eine derartige Bearbeitung der Dinge in den Kreisen der Bürgerschaft, die sich der Gemeinde­tätigteit widmen, vielfach Unlust verursacht und Lust und Freude Wir bitten darum ohne weitere Aus­an der Arbeit vereitelt. schußberatung um Ihre Zustimmung zu der beantragten Maß­nahme und bedauern es, daß uns keine schärferen Mittel zu Ge­bote stehen. 03.): Stadtv. Fröhlich( Soz.): Der Magistratsantrag findet die vollste Zustimmung meiner Partei. Es tann nicht scharf genug gerügt werden, wenn ein Bürger die ihm übertragenen Ehren, pflichten eines Beamten so verletzt. Wir erblicken darin nicht nur Gegen den Schußmann Selzer schiebt aus diesem Anlaß ein eine grobe Pflichtwidrigkeit, sondern auch eine Mißachtung städti­scher Institutionen, und wir wollen feststellen, daß wir nicht ge- Verfahren wegen Körperverlegung. Frau Schlegel aber ist, wie willt sind, mit uns Schindluder treiben zu lassen. Ich möchte schon gejagt, vom Schöffengericht wegen Beteiligung an einem prinzipiell keinen Vergleich ziehen zwischen der Arbeitsfreudigkeit Auflauf und wegen Nichtbefolgung einer Anordnung des Schutz­und Opferwilligkeit meiner Freunde außerhalb des Saales und mannes bestraft worden. Vor dem Berufungsgericht vertrat der Staatsanwalt den preu­den Kreisen, denen Herr Schulze angehört; ich glaube, der Ver­gleich fällt zuungunsten der letteren aus.( Widerspruch.) Ich Bisch- polizeifrommen Standpunkt: Niemand habe das Recht, einen möchte nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß wir schon oft Polizeibeamten wegen seines Verhaltens Vorhaltungen zu machen. gebeten haben, bei der Besetzung derartiger Aemter tiefer in Wer von einem Bolizeibeamten aufgefordert werde, weiter zu unsere Kreise hineinzugehen, in die Kreise der gewerktreibenden gehen, der habe den Mund zu halten und der Aufforderung Folge Bevölkerung. Die Spuren weisen nicht darauf hin, daß Sie sich zu leisten. Beschweren könne er sich später. allzu sehr um die Arbeiterschaft bekümmern; wir haben im Gegen­teil das Gefühl, daß auch an den Magistratstischen keine große Neigung herrscht, mit uns zu verhandeln und einen uns nahe­stehenden Parteigenoffen in die Verwaltung hineinzubringen. Es steht doch fest, daß der Opferfinn und Opfermut in den Kreisen der Arbeiter weit größer ist, als bei den befißenden Klassen.( In­folge der wachsenden Unruhe werden die Ausführungen des Der Vorsteher weist die Redners immer schwerer verständlich. gegen einzelne Parteien gerichteten Worte des Redners scharf zurück.) Ich bitte Sie also nochmals, bei Besetzung dieser Ehren­ämter recht viel auch auf unsere Kreise zurückzukommen.( Zwischen­ruf: Verhältnismäßig!) So verhältnismäßig" ist das bis jetzt gar nicht geschehen. Sie brauchen teine Angst zu haben, daß wir auf dem Wege der Kommissionsbesetzung den sozialdemokratischen Bukunftsstaat in die Verwaltung hineinschmuggeln wollen.( Große Heiterkeit. Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Nach Erledigung einiger fleinerer Borlagen erfolgte Schluß Wir der öffentlichen Sigung um 27 Uhr.

Sinter den Kulissen von Bayreuth . In eine den gewöhnlichen Sterblichen streng verschlossene Welt führt ein Aufsatz des franzö­fischer Musikschriftstellers Louis Schneider in den Annales": hinter die Kulissen von Bayreuth . Schneider ist von dem Maschinen­meister des Layreuther Theaters, Friedrich Kranich , der bereits Mitarbeiter Richard Wagners war, durch die Fabrik aller szenischen Wunder und Herrlichkeiten geführt worden. Das Wort unmöglich" existiert für diesen Künstler der Dekoration nicht. Stranich macht Regen und schön Wetter in Bayreuth . In Gesellschaft des berühmten Maschinisten bin ich auf die Bühne gelangt und habe dort begreifen gelernt, daß der Crchefterdirigent und er die beiden Könige dieses Reiches sind und daß der Sänger im allgemeinen nicht mehr be­deutet, als ein einfacher Musiker in dieser ungeheuren musikalischen Regierung." Bühne und Orchesterraum, das sind die beiden Bro­vinzen, die unter einer einheitlichen harmonischen Leitung stehen. Schneider weist für das Orchester besonders auf die geheimnisvolle Wirkung hin, die darin liegt, daß die Musiker ihre Instrumente nicht im Orchesterraum stimmen dürfen, sondern dafür einen be­sonderen Saal angewieſen erhalten, so daß sich die Stimmen der Musit nicht nur aus einem geheimnisreichen Duntel, sondern auch aus einem tiefen Schweigen plöblich erheben und das Wunder der Alangwerdung dadurch erhöht wird.

2 Gerichts- Zeitung.

Die Flugblattverbreitung im Paradiesgarten" zu Treptow beschäftigt trotz des freisprechenden Urteils des Kammergerichts ( Aftenz. i. S. 92. 12) feit einiger Zeit fast täglich das Neuköllner Schöffengericht, und zwar erfolgten trop der Entscheidung der höchsten Instanz bisher regelmäßig Verurteilungen. Jetzt scheint

Demgegenüber gab der Verteidiger, Rechtsanwalt Fuchs, zu bedenken, daß man solchen blinden Gehorsam wirklich nicht er­warten könne von einer Frau, die der ganzen Situation nach glauben konnte, der Schuhmann habe Kinder schlagen wollen und deren Muttergefühl und Rechtsempfinden sich darob empörten.

Das Gericht ließ die begreifliche Erregung der Angeklagten zwar als Milderungsgrund gelten, aber nach dem Buchstaben des Gesetzes wurde sie auch hier verurteilt, denn sie ist ja nicht sofort wie die erfte weitergegangen, als der Schuhmann das von ihr verlangte, und hat sich dadurch zwar nicht des groben Unfugs aber doch der Uebertretung der Straßenord­Instanz annahm nung schuldig gemacht, wofür sie 2 M. Strafe und die Kosten zu zahlen hat.

Für Landarbeiter gut genug! Auf einem Rittergut im Kreise Neumarkt ertranften während der Ernte mehrere galizische Ernte­arbeiter unter Bergiftungserscheinungen. Die Untersuchung ergab, daß das den Leuten gelieferte Deputatmehl und Brot von schlechter Beschaffenheit war. Das chemische Untersuchungsamt Breslau stellte fest, daß das Mehl ein ekelhaftes Aussehen zeigte und von ausgewachsenem Getreide herstammte. Da einem Bäckermeister Hein aus Beuthen von mehreren Rittergütern die Lieferung des Deputatmehles und-Brotes übertragen ist, wurde dieser angeklagt und von der ersten Breslauer Straffammer zu einer Woche Ge­fängnis verurteilt. Der Staatsanwalt hatte 5 Monate Gefängnis Die wirklich Schuldigen, die Agrarier, die bei Abschluß beantragt. der Lieferung zweifellos die Preise drückten, gingen leider straffrei aus. Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen.

inbrünstig. Sie erteilt jedoch dem liebekranken Dichter einen Korb. Die zweite Szene spielt auf der von hellem Mondlicht übergossenen Ebene. Fleana hat nun doch ihr Herz an den Sänger verloren. Während Radu schläft, verbringt sie in Tamare Hütte die Nacht. Radu erwacht und hört die Liebenden. Da faßt ihn rasender Zorn. Gr übergießt die Hütte mit einer Flasche Petroleum, zündet sie an und läßt sein Weib mit dem Dichter verkohlen die herbei­geeilte Menge hält er mit feinem Dolche von der Rettung der Feiden ab. Sodann zieht er mit seinem Racheschrei in die Nacht hinaus

fie die Dekoration zu verändern haben. Es gibt kein Glockenzeichen, und traut er fie. Aber auch Tamar, der Zigeunerpoet, liebt Fleana fondern alle Befehle werden durch elektrische Lampen gegeben. Die Dekorationen werden elektrisch bewegt, so daß feine Maschinisten in den sogenannten Schnürboden" über der Bühne kommen und ein Unglüdsfall unmöglich ist. Ich wandere weiter durch diese wundersame Welt des Scheins, die in uns jene feenhafte Illusion hervorruft. Da liegt in einem Saal ruhig und zusammengefaltet der Drache Siegfrieds . Dort das Reich der Wolken: durch diese um große Stangen zusammengerollten Meter Musselin wird also meine Phantasie nach Walhalla geführt. Da ist Wolfenstoff, der 35 000 M. foſtet! Aber was bemerke ich da oben, Es sind hölzerne Tonnen: eine Erfindung Kranichs, Die Glocken im Parsifal , die hierher verbannt sind, um einen tieferen und dunkleren Ton zu haben." Man sieht aus dieser Schilderung, welchen übertriebenen Wert die Wagnerianer auf jene Hilfakünste legen, die ihnen beinahe zur Hauptsache werden.

anila Mufit.

Leoncavallos neue Oper im Londoner Hippo­drom. Die Uraufführung von Leoncavallos neuer Oper Die 3igeuner"(" I Zingari") war schon mit großer Spannung er­wartet worden: Der Maestro hatte die Oper eigens für die Hippo­drom"-Muſikhalle komponiert und erklärt, ſie überträfe an Schöne hejt und dramatischer Wirkung die Pajazzi". Nach der Premiere fönnen wir uns vorläufig dieser Ansicht kaum anschließen. Es mag sein, daß die enorme Ausdehnung des Varietéhauses die Klang­schönheiten und die gesamte musikalische Wirkung arg beeinträch tigte, daß die Oper auch unter dem überberistischen Libretto( dies­mal nicht vom Komponisten) und der selbst für eine Londoner Musikhalle traffen Handlung leidet.

Aus dieser kurzen Analyse erkennt man bereits das Krasse der Handlung, die am Ende auf die Nerven fällt, ohne sich irgendwie durch echte Schönheit auszugeichnen. Naturgemäß leidet die Kom­position darunter. Der Schluß mag sehr wirksam für ein Varieté der Weltstadt sein. Aber in Tert und Mufit vermißt man das Treff­K. W. fichere, Zwingende der" Bajazzi".

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Notizen.

Musitchronit. Ein neues Quartett Hat Brof. Henri Es wird in diesem Winter drei Marteau ins Leben gerufen. Abende in der Singakademie geben. Der Genossenschaft gehören neben Marteau die Herren Amar, Kreiner und Guaita an.

Die Humboldt Akademie veröffentlicht ihr Programm für das 4. Lehrvierteljahr 1912, das 260 Vortragsreihen enthält. Die Vorlesungen umfassen, wie früher, die Gebiete fämtlicher Wissen­schaften und ihrer praktischen Anwendung. Das Lehrvierteljahr be­ginnt am Mittwoch, den 9. Oktober. Vorlesungsverzeichnisse und örerfarten sind im Hauptbureau, Kurfürstenstr. 166, I, 1-8 usw. erhältlich.

Aus dem Nachlasse Theobor Storms wird demnächst die Novelle Die Armefinderglode" als Beigabe zu dem von seiner Tochter veröffentlichten Lebensbild herausgegeben werden. -Ein Monistentloster, d. h. eine Forschungsstätte für Monisten, will Brof. Ostwald, der Führer des Monistenbundes, in der Nähe von Eisenberg in Sachsen errichten.

Auf der Bühne ist alles gepolstert, alles mit Filz belegt. Das Pferd Grane, der treue Gefährte Brunhildens, kann das Publikum nicht stören durch den Lärm seiner Hufen. Kein Maschinist darf die Bühne betreten, wenn er nicht Rautschuksohlen an den Schuhen hat, Eine ausgesprochene Eigenart ist den Zigeunern" nicht abzu so scheinen diese 125 Menschen denn es sind 125- wie Fliegen geräuschlos zu flattern, wenn sie ihre Arbeiten ausführen. Hier streiten. Der Komponist war bemüht, ein romantisches Milieu zu find die gewaltigen Felsen, von deren Höhe die Walküren ihr schaffen. Er hat Rumänien zum Schauplatz auserforen, durch­" Hoiotoho!" rufen. Diese Felsen bestehen aus einer einzigen ge- jezt das Ganze mit der sonderbaren chromatischen Stala, auf denen waltigen Maffe; sie sind auf Kautschniträdern befestigt und vers fich die rumänischen Volteweisen aufbauen, denen er jedoch einen schwinden leicht und schnell unter der Bühne, wenn eine Verwand start italienischen Charakter aufprägt. Leoncavallo ist mit diesem lung es notwendig macht. Aber wie erhellen sich diese Felsen, bald Werk direkt zur" Nummern- Oper" zurückgekehrt. Das Tenorfolo, im Licht des Tages, bald im düsteren Dämmer der Nacht, bald in das den Namen Blaue Augen" führt, dürfte mit der Zeit große den bleichen Reflegen des Mondbea? Kranich führt mich an einen Popularität erlangen und vielleicht Rache, Bajazzo" Konkurrenz Apparat, eine Art, orgel" für das elektrische Licht. Diesem Instru- machen. Die musikalische Erfindungskraft wirkt jedoch nicht über­ment gehorchen die 4000 Lampen der Bühne, die überall in fünf wältigend. Die neue Opfer zerfällt in zwei Szenen. Die erste spielt sich Grundfarben geteilt sind. Mag es sich um ein volles Not auf der Bühne handeln oder um die Beleuchtung der Leinwand des Hinter- in einem Zigeunerlager, die zweite auf einer Ebene Rumäniens grundes für die aufsteigende Sonne oder um das Erscheinen einer ab. An den Ufern der Donau gewahren wir inmitten seiner ein ein- Bigeuner den Häuptling in Nachdenken versunken. Jede Nacht ver­einzigen Person im roten Licht mitten auf der Bühne ziger Griff durch den Elektriker bringt diese Lichteffekte in einer läßt seine Tochter Fleana das Lager. Die Stunden vergehen ihr unter Stüssen mit Radu, einem abenteuernden Prinzem. Radu und- Ein Wolfgang Kirchbach Denkmal wurde auf genau bestimmten Stärke plöblich ober langsam hervor." Bahlteiche Gesangsmeister, die in den Kulissen aufgestellt sind, Fleana werden überrascht und gebunden ins Bager gebracht. Als dem Friedhof in Lichterfelde- West zum Andenken an den vor sechs bezeichnen den Maschinisten auf das Genaueste den Moment, wo die beiden Liebenden, ihr Geheimnis dem Vater eröffnen, fegnet Jahren verstorbenen verdienten Schriftsteller enthüllt.

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Mainz gefunden. Beim Umbau eines Konzerthauses stieß man in der Tiefe von etwa 5 Meter auf die Sandsteinfigur eines mächtigen Löwen , der auf einer Sandsteinplatte ruht, die Vorder­pranken vorgestreckt und den ausdrucksvollen Kopf zur Seite gedreht. Die in weichem roten Sandstein hergestellte Plastik dürfte etiva aus dem 9. Jahrhundert stammen.

Eine mittelalterliche Tierplastik wurde in