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richtigung zugestellt. Der Laudrath verlaugte aber den Abdruck s einer Berichtigung und die Redaktion kam diesem Gesuche nach, setzte dem Texte aber die Bemerkung voraus, daß der Herr Landrath Werth darauf zu legen scheine, die Leser mit seiner Prosa zu erbauen. Hierin erblickte der Staatsanwalt eine Be- lsidigiing und beantragte drei Monate Gefängniß nebst Ivo M. Geldbuße für die Nichtaufnahme der Berichtigung. Der Gerichtshof verurtheilte den Angeklagten zu sechs Wochen Gefängniß und 50 M. Geldbuße(!) und ordnete die nach- trägliche Aufnahme der Berichtigung an. Prozeß Hugo Löwy. Zur Verhandlung des Prozesses gegen Hugo Löwy und Genossen wird eine besondere Schwur- gerichtsperiode eingeschoben werden, welche am 20. d. M. ihren Anfang nehmen soll. Die auf betrüglichen Bankrott bezw. An- stiflung dazu lautende Anklage richtet sich gegen Hugo Löwy, dessen Ehefrau geb. Gold st ein, seinen Schwager Lewin, den Bankier Paul Ehrlich und den früheren Kriminal- komntissarius v. A r n a u l d. Die zweite Auflage deS Prozesses Polke scheint aus die lange Bank geschoben zu werden. Der Bankier Polke wurde bekanntlich im vorigen Jahre nach einjähriger Unter- snchungshaft freigesprochen und hatte sich bald darauf zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nach Nizza begeben. Das Reichsgericht hatte das freisprechende Erkenntniß aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung an die dritte Straf- kaunner zurückgewiesen. Die Zusammensetzung derselben ist in- zwischen eine andere geworden; es sitzen in der Kammer nur noch zwei Räthe, welche bei dem ersten Prozeß Polke mit- gewirkt haben. Staatsanwalt Balke, welcher damals die Anklage vertreten hatte, ist erst nach den Gerichtsferien von einem mehr- monatigen Urlaub zurückgelehrt. Für die erneute Verhandlung war ein Termin zur Hauptvcrhandlung auf den 6. November und die folgenden Tage bezw. Wochen festgesetzt worden, der jetzige Vorsitzende der dritten Strafkammer, Landgerichtsdirektor R ö s e l e r, hat zum Studium des umfangreichen Aktenmaterials bereits seit einiger Zeit Urlaub genommen und zahlreiche Zeugen sind zum 6. November vorgeladen worden. Der Angeklagte, welcher sich seit Monaten in Paris befindet, hatte in Aussicht gestellt, daß er pünktlich zum Termine erscheinen würde, hat aber diese Absicht jetzt aufgegeben. Dem Vernehmen nach hat der Angeklagte dem Gericht ein Schreiben aus Paris zugestellt, in welchem er die Bitte ausspricht, ohne seine Anwesenheit den Prozeß zu verhandeln. Dies ist natürlich nicht möglich. Eine aus Mutterliebe bcgauaene Strafthat gelangte gestern zur Kenntniß der zweiten Strafkammer des Landgerichts l. Tie Ehefrau des Schuldieners Jaedicke war der Bestechung be- schuldigt. Der Sohn der Angeklagten steht beim 11. Ulanen- Regiment in Saarburg . Seine Bitte, ihm während der Psingst- feiertage Urlaub zu gewähren, wurde abgeschlagen. Die An- geklagte griff nun zu einem leichtfertigen Mittel, um doch ihren Sohn zu sehen. Sie sandte ihm eine Depesche des Inhalts: Bruder gestorben, sofort kommen!" Nun erhielt der junge Jaedicke Urlaub. Dem Wachtmeister kam die Sache aber ver- dächlig vor, er gab dem Beurlaubten auf, bei seiner Rückkehr eine polizeiliche Bescheinigung mitzubringen, daß sein Bruder gestorben sei. Jaedicke hatte eine solche Be- scheinigung bei seiner Rückkehr nicht, er machte allerlei Ausflüchte, worauf eine amtliche Auskunft bei dem hiesigen Polizeipräsidium eingefordert wurde, woraus hervorging, daß die fragliche Depesche unwahren Inhalts war. Als die An- geklagte dies erfuhr, besorgte sie, daß ihr Sohn bestraft werden würde, sie sandte nun an die Ehefrau des vorgesetzten Feld- webels ihres Sohnes ein Geschenk und bat in dem Begleit- schreiben, sie möchte zu gunsten ihres Sohnes auf ihren Ehe- mann einwirken. In diesem Verhalten wurde die Bestechung gesunden, die der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung mit einer Gesängnißstrafe von 14 Tagen zu ahnden beantragte. Ter Gerichtshof billigte der Angeklagten mildernde Umstände zu und erkannte nur aus 30 M. Geldstrafe. Der Spieler- und Wuchererprozeß iu Haunover. (Fortsetzung). In der Dienstags-Sitzung bekundet der Oberkellner Pürtzel- Berlin: Er sei im Jahre 1884 Oberkellner im Hotel de Russie hicrselbst gewesen. Sobald Samuel Seemann nach Hannover ins otel de Russie gekommen sei, habe sich des Abends eine Anzahl ffiziere eingefunden. Es sei Roulette gespielt und Champagner getrunken worden, den Champagner habe Seemann bezahlt. Außerdem habe er einmal gehört, daß in dem Roulette des See- mann eine zweite Kugel gesunden worden sei. Ueber eine Spielaffäre, den Lieutenant v. Mülen betreffend, der angeblich nach Amerika gereist, aber dort nicht aufzufinden ist, können nur die Angeklagten Max Rosenberg und Heß ver- nonimen werden. Der betreffende Fall unterscheidet sich kaum von den anderen verhandelten Fällen. Die kommissarische Ver- nehmung des Lieutenants v. Mülen wird verlesen. Er ist um 13 400 M. geschröpft worden. Nach Verlesung einiger Briefe Lichtner's an seinen Anwalt und der Frau von Meyerinck, wird die Beweisaufnahme ge- schlössen und die Sitzung auf Mittwoch vertagt. lieber die Miltwochssitzung wird telcgraphisch gemeldet: Der Staatsanwalt beantragte gegen von Meyerinck 4Vz Jahre Gefängniß und 5 Jahre Ehrverlust, gegen Fährle 5 Jahre Ge- fängniß und 5 Jahre Ehrverlust, gegen Abter 7 Jahre Ge­fängniß und 5 Jahre Ehrverlust, gegen Samuel Seemann 4 Jahre Gefängniß und 5 Jahre Ehrverlust, gegen Heß 4 Jahre Ge- fängniß und 5 Jahre Ehrverlust, gegen Max Rosenberg 2 Jahre Gefängniß und 5 Jahre Ehrverlust, gegen Julius Rosenberg 1500 M. Geldstrafe oder 150 Tage Gefängniß, gegen Sußmann 1500 M. Geldstrafe oder 150 Tage Gefängniß. Soziale ltebevliclzr. Nach de» im Ncichs-Versicherungsamt gefertigten Zu- sammenstellnngen, welche auf den von den Vorständen der Ver- sicherungsanstalten und der zugelassenen Kasseneinrichtungen ge- machten Angaben beruhen, betrug am 1. Oktober 1693 die Zahl der seit dem Inkrafttreten des Jnvaliditäts- und Altersversich e- rungsgesetzes erhobenen Ansprüche auf Bewilligung von Alters- rcnte bei den 31 Versicherungsanstalten und den 9 vorhandenen Kasseneinrichtungcn 253 700, Von diesen wurden 200 532 Renten- ansprüche anerkannt und 44 195 zurückgewiesen, 3S07 blieben un- erledigt, während die übrigen 536S Anträge auf andere Welse ihre Erledigung gefunden haben. Bon den erhobenen Ansprüchen entfallen auf Schiesten 29 376, Ostpreußen 23 012, Brandenburg 19 477, Rhem- Provinz 16 68?, Hannover 14 675, Sachsen-Anhalt l4537, Posen 13 186, Schleswig-Holstein 9699, Westpreußen 9685, West­ falen 9617, Pommer» 8546, Hessen-Nassau 5563 und Berlin 2830. Auf die 8 Versicherungsanstalten des Königreichs Bayern kommen 25 458 Rentenansprüche, auf das Königreich Sachsen 10 642, auf Württemberg 5715, Baden 4804, Großherzogthum Hessen 4129, beide Mecklenburg 5253, die thüringischen Staaten 5306, Oldeu- bürg 920, Braunschweig 1782, Hansestädte 1802, Elsaß-Lothnngen 7417 und auf die S zugelassenen Kasseneinrichtungen ms- gesammr 3631. Tie Zahl der während desselben Zeitraums erhobenen An- spräche auf Bewilligung von Invalidenrente betrug bei den 31 Versicherungsanstalten und den 9 Kasseneinrichtungen ins- gesammt 71 335. Von diesen wurden 44 642 Rentenansprüche anerkannt und 17 925 zurückgewiesen, 5378 blieben unerledigt, während die übrigen 3440 Anträge auf andere Weise ihre Er- ledigung gefunden haben. Von den geltend gemachten Jnvalidenrentenansprüchen ent- fallen auf Schlesien 9950, Rheinprovinz 5723, Ostpreußen 5155, Brandenburg 3827, Hannover 3716, Sachsen-Anhalt 3233, West- preußen 2912, Westfalen 2572, Posen 2553, Pommern 2524, Hessen-Nassau 1551, Schleswig-Holstein 1092 und Berlin 1042. Auf die 3 Versicherungsanstalten des Königreichs Bayern kommen 8607 Jnvalidenrentenansprüche, auf das Königreich Sachsen 2609, auf Württemberg 1933, Baden 1994, Großherzog- thum Hessen 842, beide Mecklenburg 770, die thüringischen Staaten 1203, Oldenburg 194, Braunschweig 463, Hansestädte 396, Elsaß-Lothringen 1339 und auf die 9 Kasseneinrichlungen insgesammt 5130. Unter den Personen, die in den Genuß der Invalidenrente traten, befinden sich 1220, welche bereits vorher eine Altersrente bezogen. Eine öffentliche Slrbeitslose»- Versammlung fand in München am Dienstag Abend zwischen 6 und 7 Uhr in der Theatinerstraße statt, ohne daß vorher der Polizei eine Anzeige erstattet worden wäre. Nach derM. Post" war der unfrei- willige Einberufer der Besitzer des Konfektionshauses von Lob in der Theatinerstraße. Derselbe hatte eine Annonce in ein Abend- blatt einrücken lassen, wodurch bekannt gegeben wurde, daß im Konfektionshause von Lob in der Theatinerstraße ein Ausgeher gesucht wird. Beioerber wollen sich Abends 6 bis 7 Uhr im Laden melden. Da nun viele Arbeitslose lieber eine magere Ausgeherstelle dem aufgezwungenen sogenannten Vagabunden- thum vorziehen, wurde ein förmlicher Auflauf verursacht. Etwa 400 arbeitslose Personen sammelten sich an und wiederholt mußte die Gendarmerie die Leute auseinandertreiben, um den gestörten Verkehr einigermaßen aufrecht zu erhalten, ehe sie sich nach und nach zerstreuten. So sieht's jetzt schon aus, wie wird's da erst im Winter werden? Vagabunden, die durch eigene Schuld sich ihr Elend geholt haben, bleiben aber die Arbeitslosen in den Augen mancher Bourgeois dennoch. Wer arbeiten will, bekommt auch Arbeit, lautet ja die bekannte Iiedensart und Anklänge an dieselbe hört man ja selbst am Richtertisch den Armen gegenüber aussprechen, die durch Elend und Roth schließlich dem Verbrechen in die Arme getrieben worden sind. TozialreformerischeS. In Haynau fand kürzlich eine Ver- sammlung der Arbeiter statt, die durch den gänzlichen Stillstand der Handschuh-Jndustrie arbeitslos geworden sind. Es war aus diesem Anlaß eine große Zahl von Gendarmen nach Haynau berufen worden; daß das Knurren der hungrigen Magen da- durch beseitigt worden wäre, davon verlautet nichts. Die Ver- sammlung verlief vollständig ruhig, die Vorsicht hat sich auch in diesem Falle, was ja auch ganz selbstverständlich, als überflüssig erwiesen. Was hätten wohl im anderen Falle die Gendarmen den Hungernden zu bieten gehabt? Auf hauende Säbel und schießende Flinten haben die Haynauer Arbeiter trotz allein Hunger doch sicher keinen Appetit. Verla»»ttttlu ngen. Charitec-Boykott. Die Vorstände der Berliner Krankenkassen, welche sich bereits für den Boykott der Charitee erklärt haben resp. noch erklären wollen, hielten am 31. Oktober in Deigmüller's Saal, Alte Jakobstr. 43a., eine öffent- liche Versammlung ab. Dr. Zadel gab nochmals in kurzen Zügen ein Bild von den Mißständen, die in der Charitee existiren und die in der Presse wiederholt bemängelt wurden. Sticht aus Haß gegen das Institut, sondern nur um eine Besserung der schlechten Zustände zu erwirken, seien die Kassen zum Boykott gedrängt worden; ist die Besserung erreicht, dann sei auch der Kampf zu Ende. Zwei Drittel aller in Krankenhäusern sich be- sindenden Personen sind Kassenmitglieder; daraus ergebe sich der Beweis, daß bei einigem Vorgehen der Kassen die Verwaltung der Charitee bald zu Zugeständnissen gezwungen werden kann. Er empfahl die Wahl einer Kommission, zu welcher jeder Krankenkassen-Vorstand ein Mitglied entsenden soll. Diese Kam- Mission solle sich aus drei.Subkommissionen zusanimensetzen, von denen die erste sämmtliches Material über die Mißstände in der Charitee sammelt, die zweite hätte die Agitation für den Boykott in weitere Kreise zu tragen eventuell öffentliche Ver- sammlungen der Kassenmitglieder einzuberufen und für den Boykott zu interessircn, während die dritte Kommission ein Pro- gramm von Minimalsorderungen festsetzt und mit der Verwaltung der Charitee in Verbindung zu treten habe. Zu fordern wäre: 1. Humane Behandlung der Kranken von der Aufnahme bis zum Verlassen der Anstalt; 2. 8040 Kubikmeter Luftraum für jeden Kranken; 3. Vermehrung des Personals und zwar so, daß auf 510 Kranke ein Wärter resp. eine Wärterin kommt; 4. bessere Verpflegung der Kranken; 5. Fortfall der Verwendung der Kranken zu Studienobjekten gegen ihren Willen, serner der Strafen(sogenannte vierte Form) w.; 6. Räume für Kranke, in denen die sich aufhalten, welche nicht mehr bettlägerig sind ec. Es seien das alles Forde- rungen, die bei gutem Willen durchführbar sind. Die Kassen-Vor- stände müssen schnell anfassen, dann habe binnen wenigen Wochen der Boykott seine Wirkung gethan. Die Durchführung hänge von den Vorständen ab. In allen Generalversammlungen müsse das Thema behandelt werden, wenn 300 000 Kassenmitglicder hinter ihnen stehen, seien sie wohl in der Lage, den nöthigen Druck ausüben zu können. Da viele Aerzte nicht wissen, daß auch die drei städtischen Krankenhäuser Geschlechtskranke ausnehmen, so müsse auch auf die Bekanntgabe dieser Thatsache Werth gelegt werden. Inzwischen war die Präsenzliste festgestellt worden. Vertreten waren 24 Ortskassen, 6 Hilfskassen und eine Jnnungs- lasse. Die Vertreter von 18 Orlskassen mit insgesammt 185 Tausend Mitgliedern und die Vertreter von 5 Hilfskassen mit zirka 14 Tausend Mitgliedern gaben die Erklärung ab, daß ihre Vorstünde resp. Kassen sich vollständig für den Boykottaus- gesprochen haben, die übrigen vertretenen Kassen mit zirka 43 Tausend Mitgliedern werden, wie mehrere Herren mittheilten, in den nächsten Tagen ebenfalls Stellung zu dieser Frage nehmen, bindende Erklärung konnten sie noch nicht abgeben. Nachdem König, Herr mann, Adler, Polier, Näther und weitere Redner sich für die Vorschlüge des Dr. Zadel ausgesprochen hatten, wurde sofort die Kommission aus den anwesenden Vertretern derjenigen Kassen gebildet, die sich bereits für den Boykott erklärt haben. Nach- stehende Resolution gelangte hierauf zur einstimmigen Annahme: Die:c. öffentliche Versammlung der Vorstünde der Berliner Krankenkassen welche ca. 240 000 Kassenmitglieder vertreten erklärt: Zur wirksamen Durchführung des Boykotts der Charitee ist ein schnelles und gemeinsames Vorgehen sämmtlicher Krankenkassen durchaus nothwendig. Die Versammlung fordert alle Kassenvorstände aus, in kürzester Zert aus ihrer Mitte eine Person zu bestimmen, welche in die bereits ge« wählte Kommission sofort einzutreten hat. Die derart zusammen- gesetzte Kommission hat die Aufgabe: 1. weiteres, die Zustände in der Charitee betreffendes Material zu sammeln: 2. die Agitation für den Boykott in weiteren Kreisen zu betreiben, sowie 3. ein Programm von Forderungen aufzustellen und der Verwaltung der Charitee zu unterbreiten, von dessen Erfüllung die Aushebung des Boykotts abhängen würde." Alle Zu- sendunge», welche den Boykott betreffen, sind an Dr. Z a d e k, Annenstr. 46, oder an den Genossen Herr mann(Hausdiener), Lindenstr. 93 II, zu richten. Die Zahlstelle Berlin l! deS Zentralverbandes deutscher Maurer ec. hielt am 28. Oktober eine Versamm- lung ab, in welcher der Stadtverordnete Dr. Zadek einen lehr- reichen Vortrag über:Die moderne Heilkunde" hielt. Zum Schluß forderte derselbe die Anwesenden auf, die Bestrebungen der Sanitätskommisston, sowie der Krankenkassen, die sich dem Boykott gegen die Charitee angeschlossen haben, kräftig zu unterstützen, um die Verwaltung derselben zu zwingen, menschen- würdige Zustände dort einzuführen. In der Diskussion brachte der ehemalige Krankenwärter der Charitee, Coswig , nochmals verschiedene Mißstände zur Sprache, die aber bereits an anderer Stelle genügend erörtert sind. Im Verschiedenen wurde auf Antrag Schigolski beschlossen, einen Maskenball im Laufe des nächsten Winters abzuhalten; alles weitere hierzu soll in der nächsten Mitgliederversammlung behandelt werden. Hierauf folgte Schluß der Versammlung. Im Anschluß hieran fand ein geselliges Beisammensein ver- Kunden mit Tanz und deklamatorischen Vorträgen ernsten und heiteren Inhalts statt. Eine Versammlung der Bau- und gewerblichen HilfS- arbeiter für Schöneberg und Umgegend tagte am 22. Oktober. Die vom Kassirer verlesene Abrechnung vom dritten Quartal ergab eiue Einnahme von 24,20 M. und eine Ausgabe von 10,60 M., bleibt mithin ein Kassenbestand von 50,81 M. Zu Vereinsangelegenheiten sprach Kollege B ehrend über die Reibereien zwischen den gewerkschaftlichen Organisationen und wünschte, daß der Kölner Parteitag in dieser Sache etwas Er- sprießliches leisten möge, damit endlich der Zank um die Form der Organisation aufhört. Dann erinnerte Koschenz die Vor- standsmitglieder daran, doch als solche ihrer Pflicht nachzukommen, denn bis jetzt ist noch viel zu wünschen übrig geblieben. Hieraus machte der Vorsitzende bekannt, daß die nächste Versammlung am 19. November stattfindet. Der Verband der deutschen Gold- und Silberarbeiter und verwandten Berufsgenossen tagte am 23. Ok- tober. Ueber den Stand der Kasse berichtet Kollege Tschentscher und giebt folgende Abrechnung bekannt: Einnahme vom dritten Quartal 379.50 M., Ausgabe 284,00 M., Bestand 95,50 M. Jahresübersicht: Einnahme 1157,85 M., Ausgabe 1062,35 M., Bestand 95,50 M. Der Unterstützungsfouds weist eine Einnahme von 833,85 M., und eine Ausgabe von 234,00 M. auf, mithin ein Bestand von 104,85 M. Kollege Wagner berichtet über den Arbeitsnachweis, derselbe zeigt die sehr günstige Wirkung dieser Einrichtung für die Kollegen. Bei der Wahl des Vorstandes werden als erster Vorsitzender Kollege Brückner, als zweiter Vorsitzender Kollege Wenzel, als erster Kassirer Kollege Tschentscher, als zweiter Kassirer Kollege Krause, als erster Schriftführer Kollege Holöhr, als zweiter Schriftführer Kollege Herrmann, als Beisitzer Kollege Lohse, als erster Revisor Kollege Almendinger, als zweiter Revisor Kollege Feister gewählt. Nachdem noch bei Verschiedenem Mehreres vorgebracht wurde, schließt der Vorsitzende die Versammlung um 11V» Uhr Nachts. Nixdorf. Die Zahlstelle des deutschen Holzarbeiterverbandes hielt an: Dienstag, den 24. Oktober, eine Mitgliederversammlung ab, in der der Kassirer Kollege Brödenfeld die Abrechnung für das 3. Quartal erstattete. Die Einnahme betrug 171,85 M., Ausgabe 163,31 M., davon sind 100 M. an die Hauptkasse nach Stuttgart geschickt. Bleibt Bestand für das nächste Quartal 3,54 M. Auf Streiklistcn wurden 18,50 M. gesammelt, die gleich- falls nach Stuttgart geschickt wurden. Die Mitgliederzahl be- trug am Schluß des Quartals 107. Reise-Unterstützung wurde an zwei Kollegen gezahlt. Sodann erstattete die Arbeit- Vermittelungs-Kommissiou den Bericht über den Arbeitsnachweis. Verlangt wurden 9 Tischler und 7 Drechsler. Unter den Arbeits- suchenden waren 15 Tischler, 9 Drechsler, 1 Bürstenmacher und 1 Stellmacher. Davon haben 8 Tischler und 1 Drechsler Arbeit durch den Nachweis erhalten, die anderen Stellen waren theils schon befetzt oder sie wurden von den mnschauenden Kollegen besetzt. Da der Arbeitsnachweis von den hiesigen Kollegen sehr wenig benutzt wird, so werden die Kollegen aufgefordert, den Nachweis mehr wie bisher in Anspruch zu nehmen. Derselbe befindet sich Hermannstraße 23 bei Schmidt. Die Arbeits- vermittelung geschieht funentgeltlich für Arbeitgeber und Arbeit- nehmer. Auch die Reise-Unterstützung wird daselbst ausgezahlt. Reinickendorf . Am 29. Oktober tagte im Lokal des Herrn Gottschalk in der Eichbornstraße eine Versammlung des Ar- beiter-Bildungsverein für Reinickendorf und Umgegend. Auf Anweisung des wieder die Versammlung überwachenden Gen- dann Klötzsch mußten die Getränke durch die hintere Thür über den Hof in den Saal gebracht werden. Die Genossen Schilling und Knaus besprachen eingehend die Gemeinde-Angelegenheiten und forderten die Anwesenden zu recht reger Betheiligung an den Gemeindewahlen auf. Hierauf hielt Genosse A. Hoff- mann den angekündigten Vortrag über:Das moderne Raub- titterthum". Mitten in seinem Vortrag unterbrach der Gendarm den Redner und forderte den Vorsitzenden auf, dem Redner das laute Sprechen zu untersagen, da nach seiner Ansicht jeder Passant Zuhörer des Vor- träges ist. Genosse Hoffmann wieS dieses Ansinnen ganz entschieden zurück und erwiderte dem Beamten, daß in Preußen jeder so sprechen darf, wie ihm der Schnabel gewachsen, Sache der Beamten sei es, die Passage auf der Straße frei zu halten. Die Versammlung applaudirte lebhaft zu dieser Abfertigung. In der Diskussion kam es noch einmal zu einem ähnlichen Auftritt. Nach Ansicht des Gendarmen sollte Genosse Schneider eine Bis- marckbeleidigung begangen haben und forderte der Beamte den Vorsitzenden aus, den Redner zu veranlassen, diese vermeintlich beleidigende Aeußerung zurückzunehmen. Wieder mußte der Ge- nosse Hoffmann dem Beamten eine Rechtsbelehrung zu theil werden lassen. Als Genosse Glas in Hinblick auf die sich soeben abgespielten Austritte bemerkte: Es wäre doch zu wünschen, daß zur Ueberwachung der Versammlung Beamte geschickt werden, die auch mit dem Vereinsgesetz vertraut sind, derf Gendarm Klötzsch habe aber denn doch bewiesen, daß ihm die genügende Kenntniß fehlt, erhob sich der Beamte und erklärte wörtlich:Ich erkläre die Versammlung für auf- gelöst durch mir." Die Genossen verließen ruhig den Saal. Es wäre doch wirklich zu wünschen, daß die vorgesetzte Be- Hörde diesen in letzter Zeit geradezu lächerlichen Auftritten ein Ende macht, indem sie Beamte zur Ueberwachung der Versamm- lung beauftragt, die sich streng an die gesetzlichen Bestimmungen halten.(Die Redaktion.) Potsdam . Am Dienstag, den 24. v. Mts., fand hier eine öffentliche Volksversammlung statt, in der der Rohtabak-Händler Golbschmidt aus Berlin das Referat über die bevorstehende Tabak- Fabrikatsteuer übernommen hatte. Die Versammlung, zu welcher auch der Reichstags-Abgeordnete des hiesigen Kreises, Herr Prediger Schall, geladen war und auch auf kurze Zeit erschien.(Derselbe erklärte, er könne seine Stellung zu der Tabaksteuer- Erhöhung noch nicht präzisiren), nahm nach den trefflichen Ausführungen des Referenten folgende Resolution einstiminig an: 1. Die heute hier tagende Versanim- lung der Tabakarbeiter, Fabrikanten und Interessenten erklärt sich entschieden gegen jede Mehrbelastung des Tabaks, weil dadurch die gesammte Tabakindustrie auf das Schwerste geschädigt, ca. 7030 000 Arbeiter brotlos werden und dadurch die mittleren und kleineren Betriebe, sowie die Haus- industrie gänzlich ruinirt würden; sie spricht die Erwartung aus. daß die königlich preußische Regierung im Bundesrath ihren Einfluß dahin geltend machen wird, daß von der geplanten Tabaksakluren- Werthsteuer, wie von jeder Mehrbelastung des Tabaks Abstand genommen wird und diesen, Industriezweig sowohl aus voltswirthschaftlichen wt« auch auS sozialpolitischen