Einzelbild herunterladen
 

Hetze gegen dieFremdvölker" und die aller tvirtschafts Politischen Grundlagen entbehrende auswärtige Expansion sind die wichtigsten Merkmale der innerrussischen Politik der letzten Jahre. Die dritte Duma brachte ihnen das weitgehendste Verständnis entgegen, und auch die neue Duma soll in den Dienst dieser Aufgaben gestellt werden. Grund genug, daß nicht nur die Regierung, sondem auch der Großgrundbesitz und das Großkapital alle Kräfte anspannen, um mit Hilfe des Schandgesetzes vom 16. Juni 1907 eine ihrem Willen gefügigeVolksvertretung" zustande zu bringen. politische(lebersicbt. Berlin , den 24. September 1312. Freiherr Marschall von Bieberstein. SluZ Bademveiler meldet der Telegraph:Heute früh ist im Hotel Römerbad der hier zur Kur weilende deutsche Botschafter in London Freiherr Marschall von Bieberstein gestorben. DaS Hinscheiden kam ganz unerwartet. Seit einigen Tagen mußte der Botschafter auf Anordnung des Arztes einer Unpäßlichkeit wegen die jedoch zu besonderen Befürchtungen keinen Anlaß bot, das Zimmer hüten. Der Tod trat infolge von Herzlähmung ein. Die Ueberführung der sterblichen Hülle nach dem Stammsitz der Fa- milie, Schloß Nenershausen bei Freiburg i. Br., wird Voraussicht- lich morgen erfolgen." Mit dem Freiherrn Marschall von Bieberstein ist der einzige Diplomat von Bedeutung gestorben, den das Deutsche Reich zur- zeit besitzt. Während sonst von den Erfolgen deutscher Botschafter und Gesandten im Auslande wenig Rühmenswertes zu berichten ist, hat er den deutschen Einfluß im Orient in zäher, geschickter Arbeit immer mehr zu erweitern und zu befestigen verstanden, so daß, als eS im Mai dieses Jahres sich als nötig erwies, den Bot- schafterposten in London neuzubesetzen, er trotz seiner siebzig Jahre zu dieser schwierigsten und verantwortungsvollsten aller diplomatischen Stellungen berufen wurde. Freiherr V. Marschall ist 1842 geboren. Er machte den ba- dischen Justizdienst durch und trat dann in den Reichsdienst. Unter Eaprivis Reichskanzlerschaft wurde Freiherr v. Marschall Staats. sekretär des Auswärtigen AmteS und in dieser Eigenschaft hat er dazu beitragen helfen, die grauenhafte Korruption, die in der preußischen politischen Polizei bestand, vor der Oeffentlichkeit zu brandmarken. ES war in den ersten Jahren nach der Entlassung Bismarcks, daß in deutschen und französischen Blättern eine un- glaublich wüste Hetze gegen einige Stellen der Reichsregierung, ins. besondere gegen das Auswärtige Amt, inszeniert wurde. Das ganze Treiben war darauf angelegt, die Männer des neuen Kurses nicht nur untereinander zu verhetzen, sondern auch in der breitesten Oeffentlichkeit zu diskreditieren. Nach langem Zaudern ging Marschall daran, nach den Urhebern des Verleumdungsfeld« zugeS zu suchen. Da stellte sich heraus, daß die Berliner politische Polizei in der Person des Polizeikommissars von Tausch ihre Finger in hohem Maße dabei im Spiel hatte. ES kam zur Ge richtsverhandlung, die vom 24. Mai bis 4. Juni 1807 währte, Berge von Schmutz wurden auf- und umgewühlt. Der Polizei- kommissar v. Tausch hatte sich einer ganzen Spitzelgaroe bedient, um Nachrichten aus dem Ministerium zu erlangen und sie dann in der geeignet zurechtgemachten Weise in dieSaale.Zeitung", in dieLeipziger Neuesten Nachrichten" und in auswärtigen BIät- kern zu lancieren. Alles zu dem Zweck, den Staatssekretär Mar. schall zu stürzen und den Männern desneuen Kurses" Verlegen. heilen zu bereiten. Tausch arbeitete natürlich nicht auf eigene Faust und im eigenen Interesse. Hinter ihm standen Philipp Eulcnburg und die konservative Kamarilla. Die Konservativen haben den Frciherrn v. Marschall diese Flucht in die Oeffentlichkeit, die einigen Kreaturen des Tausch ein paar Jahre Gefängnis ein- trug, sehr verübelt, und Marschall soll eS als Erlösung empfunden haben, als er kurz darauf zum Botschafter in Konstantinopel er- nannt wurde. Auf diesem Posten hat Marschall IL Jahre gewirkt. AIS die Spannung zwischen England und Deutschland im verflossenen Frühjahr außergewöhnliche Schärfe annahm, wurde Marschall an Stelle Metternichs zum Botschafter in London ernannt. Er hat den Posten nur sehr kurze Zeit innegehabt. Kaum angetreten, ging er in Urlaub und hier überraschte ihn der Tod. Das Menschenschlachthaus. Wir berichteten gestern, daß der Hamburger Volksschullehrer Wilhelm LamSzuS wegen des von ihm verfaßten, die Schrcch nissc eines künftigen Krieges schildernden BuchesDas Menschen. schlachthaus" vorläufig seines Amtes entsetzt worden und gegen ihn das Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei. Nach Mit- teilungcn auS Hamburg ist diese Maßregelung bereit« aufgehoben worden. DaSHamburger Fremdcnblatt" weiß darüber zu be- richten:Die Beurlaubung(nicht Suspension) war verfügt vom Präses der dritten Sektion der Oberschulbehörde. Senator v. Beren- berg-Goßler. weil ihm von feiten der politischen Polizei anar- chistische Zeitungen vorgelegt waren, die in alarmierender Weise aus seinem Werk aus dem Zusammenhang gerissene Szenen zu- sammengestellt hatten. Die ganze Darstellung war so. daß Se « nator von Berenberg-Goßler die Ueberzeugung gewinnen mußte, es handle sich um«ine aufhetzende Broschüre. Nachdem der Se- nator sich über ine Persönlichkeit des Dichters und über sein Werk informiert hatte, ist LamSzuS volle Rechtfertigung zuteil geworden." DaS auchfreistnnigeHamburger Fremdenblatt" scheint von diesem Verfahren des Herrn Senators sehr befriedigt zu sein; wir meinen aber, zum allermindesten hätte Herr v. Berenberg-Goßler sich die Schrift ansehen sollen, bevor er seine Maßnahmen trifft. Was soll, nebenbei bemerkt, da» Gerede von denanarchistischen Zeitungen"? Warum gesteht da? Blatt nicht offen:Senator Berenberg-Goßler ist von der politischen Polizei getäuscht worden"? Zum Jugendschntz. Der Entwurf eine» Gesetze» über da» Verfahren gegen Jugend- liche. der dem Bundesrat vorliegt, wird in derNordd. Allg. Zig" veröffeittlicht Nach dem Entwurf gelten für das Verfahren gegen Jugendlicke die Vorschriften de» GerichtsverfastungsgeietzeS und der Strafprozeßordnung nur, soweit diese» Gesetz etwas anderes be- stimmt. Für Strafsachen gegen Jugendliche werden vo» der Landes. justizverwoltung, soweit ein Bedürfnis besteht, bei den Amtsaerichren besondere Abteilungen(Jugendgerichte) gebildet. Zu Swösfen bei den Jugendgerichten sind Personen zu berufen, die in der Jugend- erziehung besonder» erfahren sind. Oeffentliche Klage soll gegen einen Jugendlichen nicht erhoben werden, wenn Erziehung«- und Besserungsmaßregeln einer Bestrafung vorzuziehen sind. Dem Jugendlichen ist von LmtSwege» ein Verteidiger oder Beistand, zu bestellen, sobald eine Voruntersuchung eröffnet oder die Er- Öffnung des Hauplverfahrcns vor der Strastammer beantragt ist. Untersuchungshaft und Hauptverhandlungen gegen Jugendliche sollen von anderen derart gesondert werden, daß eine Berührung mit er- wachsenen Verhafteten oder Angeklagten vermieden wird. Für die Verhandlung gegen einen Jugendlichen kann da» Gericht die Oeffent- lichkeit ganz oder teilweise ausschließen. Eingabe der Kölner katholischen Geistlichkeit an den Bundesrat. Die katholische Geistlichkeit der Stadt Köln hat an den Bundes rat eine Eingabe gerichtet, in der sie dringend darum bittet, dem Jesuitenorden im ganzen Reiche die Freiheit zurückzugeben, damit er unter Leitung und im Aufirage der Bischöfe und Pfarrer im Berein mit dem Weltklerus auch in Deutschland seine Tätigkeit zur Erhaltung der Religiosität und der Sittlichkeit entfalten könne. Zum Schluß wiid in der Eingabe darauf hingewiesen, daß das Empfinden des katholischen Volkes durch die letzten Erörterungen über die Jesuiten lief verletzt worden sei. Es würde zur Versöhnung bei- lrageu. wenn die erbetene mildere Auffassung des Jesuitengesetzes von dem Bundesrat angenommen würde. Mecklenburgische Steuerreform. In Rostock sind am letzten Freitag die Verhandlungen über die Steuerreform in beiden Grohherzogtümern zu Ende geführt worden. Wie dieMecklenburgischen Nachrichten" hören, ist über die wichtigsten Differenzpunkte eine Einigung erzielt worden, so daß auf dem demnächst in Malchin stattfindenden Landtag dieses Gesetzgebungswerk voraussichtlich zur Verabschiedung gelangen wird, Ausgeschloffen wegen Unterstützung der Sozial- demokratie. Die.Deutsche Tageszeitung" meldet in auffälligem Druck an der Spitze ihres politische» Teils, daß der Vorstand de« Bundes der Landwirte die beiden Bundesmitglieder Kirsten und Krieger die nach Verhandlungen mit der sozialdemokratischen Fraktion im Landtage Schwarzburg-Rudolstadt einen Sozialdemokraten zum ersten Laiidlagspräsideulen gewählt haben, aus dem Bunde der Landwirte ausgeschlossen hat._ Ei» militärischer Monsterprozeß, wie er in diesem Umfange wohl noch nie vor einem Militärgericht verhandelt wurde, fand gestern und heute vor dem Kriegsgericht der 1. Gardedivision in Potsdam statt. Die ganze 6. Kompagnie des 1. Garde-Regiments mit Ausnahme der Leutnants und Ober- leutnants stand unter Anklage, Wegen Raummangels mutzte das Militärgericht die Räumlichkeiten des Potsdamer Landgerichts in Anspruch nehmen. Es handelt sich um Vorgänge, die sich An, fang August beim Kaiserpreiswettschießen der Kompagnie afr spielten. Wie beka nt, stellte sich bpi einer plötzlichen Revision auf dem Truppenübungsplatz Döberitz vor dem Schießen heraus, daß die Mannschaften über mehr Patronen verfügten, als ihnen vor- schriftsmäßig zugeteilt waren. Durch den Ueberschutz an Munition wäre die Kompagnie gegenüber ihrer Konkurrentin im Vorteil gewesen. Es lag die Gefahr nahe, das Schießresultat durch eine Vergrößerung der Chancen zu beeinflussen. Durch Sanitätsunter Offiziere soll die Angelegenheit zur Anzeige gelangt sein. Zur Br Weisaufnahme sind 12 Zeugen, darunter 7 bereits entlassene Manm schaften, geladen. Anklagebank. Geschworenenbank und Zeugen� räum waren von den Angeklagten besetzt. Vor dem Richtertisch nahm der Kompagniechef mit seinem Feldwebel und den Unter- Offizieren Platz. Das Kriegsgericht bestand aus dem Oberst- leutnant v. Bardelsben als Vorsitzenden, den Kriegsgerichtsräten Cruse und Ullmann und den Majoren Graf zu Rantzau und Graf v. Rhoden als Beisitzern. Die Anklage vertrat Kriegsgerichtsrat Dr. Matschke. Hauptbeschuldigter war der Sergeant Matthias Huttenburg, der Schiehunteroffiziev der Kompagnie, die auch im Vorjahre den Kaiserpreis erstritt, der in Gestalt eines goldgestickten Abzeichens am rechten Arm getragen wird. Dl« Anklageverfügung ist vom Divisionär Generalleutnant v. Below am 23. August er- lassen. Sie beschuldigt 1. den Huttenburg, zu Potsdam Anfang August durch drei selbständige Handlungen, Untergebene zur Be- gehung der strafbaren Handlungen, umd in den Jahren 1010 und 1911 andere Untergebene vorsätzlich zum Ungehorsam gegen dienst- liche Befehle unter Verursachung eines Nachteiles bestimmt zu haben. 2. Die Gefreiten und Grenadiere: gegen den Befehl, beim DivisionSschießen, nur 30 Patronen pro Mann zu empfangen�, durch Nichtbefolgung ungehorsam gewesen zu sein und dadurch die Gefahr eines erheblichen dienstlichen Nachteiles herbeigeführt zu haben, in- dem sie von dem Schießunterosfizier überMssige Patroneg in Empfang nahmen und an die Untergebenen verteilten� während die letzteren sich in den Besitz der Patronen setzten, um sie beim Kaiser- wettschießen zu verwenden. 3. Gegen die Korporalschaftssührer Thiel und LageS, weil sie dabei gemeinschaftlich mit ihren Unter- aebenen handelten, und 4. gegen den Hauptmann von Schlichting, den Feldwebel Barbuke und die Unteroffiziere und den Fähnrich v. Crammern. weil sie die ihnen obliegende Beausichtigung der Mannschaften in schuldhafter Weise vernachlässigten. Die Anklage zieht die§§ 115, 03, 02, 147, 57 M.-St.-G.-B. und 74 R.-St.-G.-B. heran. Auf Antrag des Anklagevertreters wird»vegen Gefährdung militärdienstlicher Interessen für die Dauer der Verhandlung die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. » Da» heute gefällte Urteil lautet für den Schießunteroffizier Huttenburg auf vier Monate Gefängnis. Von der Mannschaft er- hielten elf Mann drei Tage, 105 zwei Tage Mittelarrest. Einer wurde freigesprochen. Gegen den Feldwebel wurde auf drei Wochen, gegen die Vizefeldwebel und Unteroffiziere aus zwei Wochen ge- linden Arrest erkannt. Der Hauptmann v. Schlichting wurde mit einer Woche Stubenarrest bedacht. Graf ßerclitolä Uber die politilcbe Situation. Wien , 24. September. Im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten der Ungarischen Delegation sagte Minister des Aeußern, Graf Berchtold , in seinem Expose unter anderem folgendes: Wenn auch der italienisch-türktsch« Waffengang noch nicht zur Austragung gelangt ist, so sind doch seit einiger Zeit Verhandlungen privaten Charakters ztvischen Unterhändlern beider Streitteile im Zuge, die der Friedenssache wesentlich Vorschub ge- leistet zu haben scheinen. Die Ereignisse, deren Schauplatz seit einiger Zeit der Balkan geworden ist, haben unsere Aufmerksamkeit als unmittelbare Nachbarn der Türkei erhöht in Anspruch genommen. Wir ver- mochten uns der Gefahren nicht zu verschließen, welche aus dem Widerstreite zwischen der ottomanischen Regierung und den in ihren althergebrachten Freiheiten sich verkürzt fühlenden Albanesen für den inneren und äußeren Frieden der europäischen Türkei entstehen könnten. Als dann ein RegierungS- Wechsel in Konstantinopel erfolgte, dessen erste Manifestation darin bestand, den Albanesen Entgegenkommen zu bezeigen, gleichzeitig aber an mehreren Punkten, namentlich infolge deS türkisch- montenegrinischen Grenzkonfliktes, der bulgarischen Erregung über daS durch ein Bombenattentat veranlaßte Gemetzel von Kotschana und der Zusammenstöße Mischen Griechen und Albanesen in EpiruS Zustände eintraten, welche das Versöhnungswerk zu er- chiveren, wenn nicht unmöglich zu machen drohten, haben wir uns mit der Anregung zu einem Gedankenaustausch über die Lage am Balkan an die Mächte gewendet. Der Zweck, den wir dabei im Auge hatten, lag vornehmlich barin, durch ein einmütiges Zu- ämmenhalten der Mächte auf der Basis der Erhaltung deS Friedens und des Statusquo am Balkan der Pforte Zeit und, wenn an- gemessen, freundschaftliche Ratschläge zu geben zur Verwirklichung Zer von ihr inaugurierten Politik und Herstellung geordneter Zustände in ihrem europäischen Besitz. Zu unserer lebhaften Be- friedigung haben sämtliche Kabinette unserer Anregung ver- kändnisvoll zugestimmt, wodurch der Kontalt unter den Mächten hergestellt und eine wertvolle Bürgschaft für die m ö g l i ch st e Verhütung einer gewaltsamen Lösung derKrise geschaffen worden ist. Namentlich ist daS russische Kabinett gleich uns ernstlich bestrebt, die Aufrechterhaltung des Friedens zu sichern, Es hieße aber sich einer bedenklichen Täuschung hin- geben, wenn man die Gefahren der gegenwärtigen Balkanlage deshalb als beseitigt ansehen würde. Die wenig befriedigenden Zustände in den Provinzen der europäischen Türkei sind nicht ohne bedenkliche Rückwirkungen in den benachbarten Ländern geblieben und haben die leitenden Persönlichkeiten daselbst vor eine schwierige Aufgabe ge- stellt. Wir wollen hoffen, daß die staatsmännische Einsicht und das Bewußtsein schlverer Verantwortung der leitenden Person- lichkeiten sie abhalten wird, Impulsen unverantwortlicher Elemenre zu folgen. Auf der anderen Seite möchten wir die Erwartung aussprechen, daß die Türkei den Ernst der Situation nicht ver- kennen und den Weg finden wird, den Gefahren von Kam- plikationen zuvorzukommen. Die uns hierüber zugegangenen In- sormationen berechtigen zur Annahme, daß sich die gegenwärtige Regierung befleißigt, die nötigen Garantien für gerechte Lebens- bedingungen der Nationalitäten zu schaffen. Wie Ihnen bekannt, hatte Graf Aehrenthal seinerzeit der Wiederherstellung der ottomanischen Konstitution besonders herz- liche Worte gewidmet. Es hat sich daraus die Legende gebildet, als hätte sich mein Vorgänger mit der Politik des Komitees für Einheit und Fortschritt im türkischen Verfassungsleben identifiziert, was den Tatsachen nicht entspricht. Die legitimen Ansprüche der verschiedenen, das vielsprachige Rumelien bewohnenden Völker mit den Exigentien des ottomanischen Staatswesens zu versöhnen, darin erblicken wir die Aufgabe der türkischen Staatsmänner, und redliche Bemühungen, eine Lösung dieses Problems herbeizuführen, werden stets unsere moralische Unterstützung finden. In der Verfolgung dieser Politik fühlen wir unS bestärkt durch die Ueberzeugung, daß dieselbe der Aufsassungunserer Verbündeten entspricht. Seit ich zuletzt die Ehre hatte, von dieser Stelle aus zu sprechen, habe ich Gelegenheit gehabt, mit den maßgebenden Staatsmännern des Deutschen Reiches in Berlin zu konferieren und konnte hierbei die neuerliche Bestätigung für die Uebereinstimmung der letzten Ziele der beiden Kabinette finden. Ebenso hat der anläßlich des Besuches Herrn v. Bethmann Hollwcgs in Buchlau mit demselben gepflogene Meinungsaustausch die volle Kongruenz der Anschauungen, namentlich auch in bezug auf die im nahen Oriente zur Richtlinie beider Verbündeten dienenden konservativen Prinzipien ergeben. Im nächsten Monat wird mir Gelegenheit geboten sein, mich Sein« Majestät dem König Viktor Emanuel vorzustellen und mit dem Marchese di San Giuliano Meinungsaustausch zu pflegen. Es entspricht dieser Antrittsbesuch bei dem erlauchten Verbündeten unseres allergnädigsten Herrn einem von meinen Vorgängern beobachteten Herkommen, dem ich mich um so freudiger anschließe, als die Beziehungen der Kabinette von Wien und Rom durch eine persönliche Aussprache zwischen den Leitern der aus- wältigen Politik der beiden Mächt« an Klarheit und Vertrauen nur gewinnen können. Wie Sie aus den vorstehenden Darlegungen erkennen werden, ist die gegenwärtige Lage trotz der Uebeveinstimmung der Kabinette der Großmächte in deren Bestreben, den Frieden zu er- halten, keineswegs beruhigender Natur. Ein kon- tinuierliches Wetterleuchten am Balkan gibt von einer erhöhten elektrischen Spannung der politischen Atmosphäre Zeugnis, ohne das Dunkel ungelöster Probleme aushellen zu können. Nur wenn wir auch zu Lande und zur See gerüstet sind, können wir der Zu- kunft ruhigen Mutes entgegensehen. Serbien . Zur Lage auf dem Balkan . Belgrad , 23. September. (Eig. Bor.) Die Informationen, die wir heute erhalten haben, be- stättgen vollständig alles, was wir schon berichtet haben. Hinzuzufügen ist noch, daß nach dem serbisch-bulgarischen Ans- gleich die Strecke bis Skutari Montenegro gegeben werden sollte. Serbien sollte ein Meeresnfer von hundert Kilometer bekommen. Besonders wichtig aber ist die Vereinbarung, daß Saloniki und Konstantinopel für freie Handelsstädte erklärt und neutralisiert werden sollten. Im allgemeinen ist eine Besserung der Lage zu konsta- tieren. Bulgarien hat angefangen einzulenken. Der beste Beweis dafür ist die plötzliche Unterbrechung des Manövers, das mit einem Einfall in die Türkei endigen sollte. Man schickte die Soldaten nach Hause gerade in dem Moment, als man die diplomatischen Beziehungen abbrechen sollte. wei Ursachen führt man an. diesen Rückzug zu erklären. rstens den Druck der Großmächte, der mit aller Schärfe einsetzte. Ein englischer und ein französischer Armeeinspektor haben die ganze Kriegsbereitschaft und die militärischen Fähigkeiten der serbischen, bulgarischen und rumänischen Armee untersucht. Diese Herren sollen einstimmig gefunden hoben, daß die in der Welt ver- breiteten Gerüchte über die unerreichbare Tüchtigkeit der bul- garischen Armee ganz grundlos seien. Die beste Armee in jeder Beziehung soll Rumänien haben, dann Serbien und erst dann Bulgarien . Die Tripel-Alliance chätte daraus die Ueber- zcugung gewonnen, ein Zusammenstoß mit der Türkei könnte nur zu einer allgemeinen Schwächung der Kräfte im Balkan "ühren. Andererseits soll Bulgarien selbst eingesehen haben, daß es den Hauptstoß der Türkeit werde aushalten müssen. Man rechnet in der Türkei : Serbien wird unter allen Um- tänden von Oesterreich-Ungarn in Schach gehalten werden, der Hauptfeind ist Bulgarien . Aus diesem Grunde verlangte Bulgarien von dem verbündeten Serbien , daß es ihm eine ganze Division und dazu noch 10000 Mann Kavallerie unter­stelle. Von Serbien wurde geantwortet, es sei bei dem besten Willen unmöglich, die bulgarische Forderung zu erfüllen. Serbien sei gezwungen, einen bedeutenden Teil seiner Militär- macht an die österreichisch-ungarische Grenzen zu stellen. Diese Antwort soll das verbündete Bulgarien nicht nur böse, sondern auch vorsichtig gemacht haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es den Marsch nach rückwärts einschlagen müssen. Cfrina. Um den Besitz von Tibet und der Mongolei . London , 24. September.Daily Telegraph " meldet auS Peking : Der neue Minister des Auswärtigen Liangnrengtuang und Präsident Auanschikai beschlossen, energische Schritte bezüglich der Mongolei und Tibet zu unternehmen. Die Regierung schlägt vor: Erstens, in Petersburg zu ermitteln, wie hoch die den Mongolen gewährten Anleihen seien. Zweitens, auf das strengste gegen den heimlichen Einmarsch einer russischen Abteilung in die Mongolei zu protestieren. Drittens, die Grenzgarnison in der Station Mandschuria bedeutend zu ver- tärten und die Gouverneure der Mandschurei anzuweisen, die Zahl der in der Mandschurei befindlichen rusk'kchen Truppen genau festzustellen. Viertens, alle Waffen und Munition in der Mandschurei , Mongolei und in Turkestan zu beschlag- nahmen. Bezüglich der Grenze von Tibet und Birma schlägt die Regierung vor: Erstens, stärksten Protest gegen die dauernde Be- setzung deS streitige» Grenzbezirkes seitens der Engländer einzulegen. Zweilens, den Vizekönig von Indien von den vorgekommenen Ver- letzungen deS Vertrages seitens britischer Untertanen Mitteilung zu machen, die Waffen Uber die indische Grenze nach Tibet schaffen. Drittens, den chinesischen Kommissar in Lhassa zu beauftragen, den chinesischen Zollbestimmunge» an der tibetanischen Grenze strengste Geltung zu verschaffen.