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»»»»« l. Ki>l>ge ksSoraitls" fifrlinet VilksdlM>»**>**« 9er Gewaltakt im pr Zu Beginn des zweiten SitzungStageS stellte der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Schmidt, durch neue Fragen an den An- geklagten Borchardt fest, daß die Beschwerde, welche dieser wegen seiner Ausweisung an das Plenum des Abgeordnetenhauses richtete, von der Mehrheit abgelehnt worden ist. Hierauf erhält daS Wort Rechtsanwalt Wolfgang Heine : Ich will von den gestern erörterten staatsrechtlichen Fragen Nichts wiederholen. Aber auf daS eine muß ich eingehen, was der Borsitzende soeben berührt hat. Das ist die Frage: Wird das, was nach unserer Ueberzeugung unrechtmäßig war, dadurch rechtmäßig, daß die Mehrheit des Plenums das Verhalten des Präsidenten ge- billigt hat? Davon kann selbstverständlich keine Rede sein. Soweit § 64 der Geschäftsordnung mit der Verfassung in Widerspruch steht, ist er ungültig. Wenn das Plenum des Abgeordnetenhauses eine unter Berufung auf diese Geschäftsordnung vorgenommene Handlung des Präfidenten billigt, so wird die ungesetzliche Handlung dadurch nicht zu einer gesetzlichen. Der Beschluß dcS Abgeordnetenhauses über die Beschwerde Borchardts ist juristisch ganz gleichgültig. Der» artige Beschlüsse einer parlamentarischen Körperschaft sind ja auch keine rechtlichen, sondern politische Aktionen. Der Oberstaatsanwalt hat sich gestern wiederholt berufen auf Kommisfionsverhandlungen über die erste preußische Verfassung und auf Verhandlungen des Erfurter und des Frankfurter Parlaments. DaS sind Aeußerungen, die nur die persönliche Meinung der be- treffenden Redner wiedergeben, aber sie bringen nicht den gesetz- geberi'chen Gedanken zum Ausdruck und können deshalb nicht zur Auslegung von Gesetzen herangezogen werden. Das ist auch der Slandpunkt des Reichsgerichts. Um die Anklage wegen Haus- friedensbruchs zu begründen, hat der Oberstaatsanwalt gestern den Präsidenten des Abgeordnetenhauses als pator kamilias sVater der Familie) bezeichnet? der das Recht haben müsse, Ruhestörer aus- zuweisen. Dieser Vergleich trifft nicht zu. Der pater familias darf den Sohn nicht seiner Staatsrechte berauben. Es ist auch die Frage nach dem Antragsrecht angeschnitten worden. Es ist nicht richtig, wenn der Oberstaatsanwalt meint, das Recht des Präsidenten, Strafantrag zu stellen, folge aus seiner Polizeigewalt im Hause. Erst jetzt liegt dem Landtage ein Gesetzentwurf vor, wonach dem Präsidenten als Vertreter des FiskuS das Hausrecht in den Räumen deS Landtages übertragen werden soll. Bis jetzt sind dem Präsidenten die auS dem Hausrecht folgenden Befugnisse nicht eingeräumt worden. Er war also im vorliegenden Falle nicht berechtigt, Swafantrag zu stellen. Ich komme jetzt zu der Frage, wie weit§ IIS des Straf» gefetzbucheS sWiderstand gegen die Staatsgewalt) hier An- Wendung findet. Ich stehe auf dem Standpunkt: Die Anordnung der Entfernung des Abgeordneten Borchardt aus dem Sitzungssaal und auch die Ausführung dieser Anordnung durch die Polizei sind Verbrechen gegen die§§ Ivb und 106 des Strafgesetzbuches. Der Widerstand dagegen ist eine berechtigte Rotwehr nicht nur gegen «inen unberechtigten Angriff, sondern gegen eine gesetzwidrige Handlung. Aber abgesehen davon, lag bei Borchardt kein Haus- friedenSbruch vor. Wenn Borchardt keine strafbare Handlung ver» übte, dann fällt die Deduktion, der Präsident und die Polizei habe hier das Recht gehabt, strafbare Handlungen zu verhindern. Selbst wenn Borchardt nicht im Recht gewesen wäre und Hausfriedens- bruch begangen hätte, dann war doch das Auftreten des Präsidenten und der Polizei nicht berechtigt. Borchardt durfte nicht gewaltsam aus dem Sale entfernt werden. /Das Vorgehen gegen Borchardt war eine Ueberschreitung der Amts- auSübung der Beamten. Es ist ein unbestrittener Rechtsgrundsatz, daß die Voraussetzung eine? strafbaren Widerstandes die recht» mäßige Amtshandlung ist. Hier aber war die Polizei gar nicht zuständig. Es ist gesagt worden, weil Borchardt eine strafbare Hand- lung. Hausfriedensbruch, verübt habe, so sei die Polizei berechtigt gewesen, das zu verhindern. DaS ist eine Redensart, die dem Spieß- bürger einleuchten niaz, aber sie ist unrichtig. Ein solche« Recht der Polizei ist durch kein Gesetz begründet. Die Grenzen der polizeilichen Befugniffe sind gezogen durch da? Allgemeine Landrecht Teil II Titel 17 8 10 und durch das Gesetz vom 12. Februar 1820 zum Schutze der persönlichen Freiheit. Nach der angeführten Be» stimmung des Landrechts hat die Polizei die Aufgabe, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und und Gefahren, welche dem Publikum oder Teilen desselben drohen, abzuwenden. Diese Voraussetzung trifft im Falle Borchardt nicht zu. Der Sitzungssaal des Ab- geordnetenhauseS ist lein öffentlicher Raum und das Publikum war durch die Angelegenheit gar nicht berührt. Für Zucht und Ordnung innerhalb der Häuser zu sorgen ist nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht das Amt der Polizei. Auch eine Persönlichkeit war durch die Handlung Borchardts nicht ge« fährdet. Man könnte vielleicht einwenden, Borchardt habe durch sein Verhalten die Ruhe des Hauses gestört und dadurch einen Angriff auf die Rechte andere�Personen ausgeführt, den die Polizei hätte verhindern dürfen. Dieser Einwand haut aber vollständig daneben, denn nicht eine der Ausweisung etwa vorhergegangene störende Handlung Borchardts war Gegenstand des polizeilichen Einschreitens, sondern lediglich sein Verweilen auf seinem Platz im SitzungS- saale. Soweit die Polizei ein Recht hat, in die persönliche Freiheit einzugreifen, ist dies durch besondere Gesetze geregelt. Die Allge- meinen Bestimmungen des Landrechts§ 10 ll 17 geben ihr nicht daS Recht, die persönliche Freiheit anzugreifen. Die gewaltsame Entfernung aus einem Raum ist nach der Praxis des Oberverwal» tungsgericht« und deS ReichSgerichlS ein Angriff auf die per- fönliche Freiheit. Die heut noch geltenden Bestimmungen des Gesetzes vom 12. Februar 1860 geben der Polizei das Recht. Personen in Verwahrung zu nehmen, wenn es dringend erforderlich ist zum eigenen Schutz der be- treffenden Person oder zur«ufcechierhaltung der öffent- lichen Ordnung und Ruhe. Auch das trifft hier nicht zu. Weitergehende Befugniffe, Personen in ihrer Freiheit zu hindern, hat die Polizei nicht. Ein kundiger Thebaner könnte sagen, die Sitzungen des Abgeordnetenhauses sind ja öffentlich, also durfte die Polizei im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung einschreiten. DaS trifft aber nicht zu. Wenn auch die Sitzungen insofern öffent- lich sind, als Zuhörer zugelassen werden, welche sich Eintrittskarten gelöst haben, so ist dadurch noch nicht der Begriff der Oeffentlichkeit erfüllt, der die Polizei zum Einschreiten berechtigen würde. Weder die Zuhörer noch die Abgeordneten sind in diesem Sinne das Publikum. Auch§ 132 des Gesetzes über die allgemeine Landesver- Spaltung spielt in solchen Prozessen eine Rolle. Dieser Paragraph » gibt für gewisse Fälle das Recht zu unmittelbarem Zwang. Voraus- setzung ist aber, daß eine Verordnung der im Gesetz genannten Behörden ergangen ist. Zu diesen gehört die Ortspolizei- behörde, aber nicht der einzelne Polizeibeamte. Eine Anordnung der Polizeibehörde ist nicht zu sehen in der Verfügung, durch öie der Polizeipräsident dem Polizeileutnant Kolb den Auftrag gegeben hat, sich dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses für die Durchführung des§ 04 der Geschäftsordnung zur Verfügung zu halten. Das ist eine rein innerdienstliche Anordnung, die eine sachliche Zuständigkeit für eine derartige Aktion nicht schaffen kann. Nun könnte vielleicht jemand sagen, in diesem Fall sei der Polizei das Recht des Einschreitens durch ein Spezialgesetz übertragen und die Beamten hätten in Ausübung eines Spezialgesetzes gehandelt. Das ist falsch. Die Befugnisse der Polizei sind gesetzlich ge- regelt und können nur durch Gesetz erweitert werden. Aber die Geschäftsordnung ist kein Gesetz. Sie kann der Polizei keine Befugnisse geben, die sie nicht schon hat. In der Presse ist der Satz aufgestellt worden, der Präsident müffe die Autorität haben, einen Abgeordneten, der sich seinen An- ordnungen nicht fügt, zu entfernen, und die Polizeibeaniten seien in diesem Falle die Organe des Präsidenten. Das ist vollkommen unjuristisch. Die Berufung auf das allgemeine Interesse ist vom Reichsgericht als eine belanglose Redensart gekennzeichnet worden. Die Polizei ist ja gar nicht eingeschritten, um weitere Störungen derRuhe und Ordnung durch denAb- geordneten Borchardt zu verhindern. Denn Borchardt hat ja nach erfolgter Ausweisung nichts mehr gesagt und sich auch nach seinem Wiedereintritt ruhig verhalten. Der Präsident Freiherr v. Erffa ist auch tatsächlich nicht eingeschritten, um weitere Störungen der Ordnung zu verhindern, sondern um seine Autorität zu wahren. Das erste Mal wollte er ja gar nicht einschreiten, er hat auf die vielen llkife:Borchardt ist wieder da!" gar nicht reagiert, bis Herr v. Pappenheim ihm die Pistole auf die Brust setzte und sagte:.Du mußt Deine Autorität wahren". Wenn das nicht auS dem Protokoll als erwiesen gilt, dann beantrage ich, den Bize- Präsidenten Dr. Po rsch als Zeugen zu vernehmen. Er wird bekunden, daß Präsident v. Erffa ihm ausdrücklich erklärt hat, er hätte die Entfernung Borchardts nicht veranlaßt, weil er weitere Störungen befürchtete, sondern weil er sich verpflichtet fühlte, die vorgekommenen Verletzungen der Ordnung zu sühnen und seine Autorität zu wahren. i Ich habe nachgewiesen, daß der Polizei die Befugnis fehlte/ Borchardt gewaltsam zu entfernen. Die sachliche Zuständig» keit zum Einschreiten der Polizei war demnach nicht gegeben. Wenn das der Fall ist, dann macht der gute Glaube der Beamten ihre unrechtmäßige Handlung nicht zu einer rechtmäßigen. DaS ist der Standpunkt der allgemeinen Judikatur. Der gute Glaube kann den Beamten wohl der Verantwortung ent- ziehen, aber nicht den Widerstand gegen eine objektiv ungesetzliche Handlung strasbar machen. Der Oberstaatsanwalt hat gesagt: Die Polizeibeamten haben ja nur den ihnen erteilten Befehl ausgeführt, und wenn sie diesen BefShl ausführten, hatte ihnen jeder zu gehorchen, mag auch sonst der Befehl unrechtmäßig sein. Diese Ansicht ist doch irrig. Der Beamte, der den Befehl gibt, muß doch innerhalb seiner Zuständig- keit gehandelt haben. Auch der Schutzmann ist nicht verpflichtet, überall zu gehorchen. Diese Frage ist kürzlich in der Fest- schrist für Laband von Meyer ausführlich behandelt worden. Die Schutzleute mußten wie jeder andere wissen, daß sie nicht in da» Abgeordnetenhaus dringen durften, um dort einen Abgeordneten zu arretieren. Selbst bei dem Militär gibt es, wie ein vor dem Militärgericht seinerzeit ver- handelter Fall zeigte, Grenzen der Gehorsamspflicht. Ein Vorgesetzter darf nicht alles Beliebige befehlen; die Gehorsamspflicht ist begrenzt durch die höheren gesetzlichen Befugniffe der höheren Instanzen. Die Befchlstheorie, die das Reichsgericht im 2. Bande der Entscheidungen aufgestellt hat, führt zu ganz absurden Konsequenzen. Wie absurd diese Befchlstheorie ist, daS zeigt der Fall des Hauptmanns von Köpenick . Dem Bürgermeister von Köpenick war dieser Standpunkt deS Reichsgerichts vielleicht bekannt. Der Hauptmann von Köpenick war kein Beamter und konnte nichts befehlen, aber bei der Abteilung, die er auf dem Tegeler Schießplatz traf, befand sich ein Gefreiter, zweifellos ein Vorgesetzter der anderen Soldaten. Der Hauptmann von Köpenick bewog nun den Gefteiten, mit ihm nach Köpenick zu marschieren. Die Soldaten waren Untergebene dieses Gefreiten und wenn der Gefreite den Untergebenen selber sagte, nehmt den Bürgermeister fest und das Geld aus der Kaste mit, dann befanden sich nach der Befehlstheorie diese Soldaten in rechtmäßiger Ausübung ihres Amtes und der Widerstand des Bürgermeisters war strafbar. Die ganze Welt hat damals gelacht über den Hauptmann von Köpenick und diesen Fall als ein Zeichen unserer staatlichen Zustände angesehen. Man hat den Bürgermeister feige genannt, aber nach der vom Ober- staatsanwalt vertretenen Befchlstheorie durfte sich der Bürgermeister nicht wehren. Diese Befehlstheorie ist also ganz absurd. Glücklicherweise gibt es noch andere Erkeimwiffe des Reichs- gerichts. wonach die Befehlstheorie nicht in allen Fällen gilt. Selbst die Befchlstheorie geht davon aus, daß es sich um Befehle handelt, denen nachzukommen der Untergebene verpflichtet ist. Wer hat im vorliegenden Falle den Befehl gegeben? Lediglich der Präsident des Abgeordnetenhauses. Seine Anordnung bezog sich nur auf Borchardt, aber nicht auf Leinert. Der Präsident hat die Verantwortung für daS Vorgehen der Beamten gegen Leinert ausdrücklich abgelehnt. Also der Präsident hat befohlen. Er ist uicht der Vorgesetzte der Beamten und diese sind ihm nicht zum Gehorsam verpflichtet. DaS hat auch der Mini st er des Innern anerkannt. AuS seine in Schriftwechsel mit dem Präsidenten geht daS hervor. Die SitzungS- und HauSpolizei des Präsi- deuten sind etwas ganz anderes als die öffentlich rechtliche Polizei- gewalt. Die Anklage hilft sich mit der Behauptung, der Polizei- leutnant habe auf eigene Verantwortung gehandelt. Der Leutnant sagt das auch. Also war er durch einen Befehl nicht gedeckt, die ihm unterstellten Beamten brauchten ihm deshalb nicht gehorchen. Wenn man die Deduktion des Reichsgerichts über die Befehlstheorie betrachtet, so findet man etwas, was glänzend für die Augeklagten spricht. Das Reichsgericht sagt, die Polizeibeamten hätten die Autorität deS Staates zu wahren und könnten nicht in jedem Falle prüfen, ob sie nicht die Grenzen ihrer Befugnisse überschritten. Will man vielleicht sagen, ein schneidiger Schutzmann» der. in dem Glauben, die Autorität des Staates zu rahause vor Serickt. schützen, einen Angriff gegen S. M. den König richtet, sei straffrei? Der Gesetzgeber hat jeden Angriff auf den König mit schwerenStrafen belegt, um seine Autorität zu schützen. Aber eS gibt noch andere Autoritäten. Die Gesetzgeber, die Abgeordneten, sind doch Autoritäten und viel wertvollere Autoritäten als die Autorität eines Schutzmanns. W i e der Angriff auf den König, soist auchderAn griff auf einen Abgeordneten mit schwerenStrafen bedroht. Zum Schutz der Abgeordneten gibt es eine ganze Reihe extremer Bestimmungen. Mit zehnmal größerem Recht wie bezüglich der Schutzleute muß man sagen: der Staat braucht Abgeordnete, die in ihrer Bewegungsfreiheit nicht gehindert werden dürfen durch andere Autoritäten. Das hohe Amt der Ab» geordneten und ihre Autorität stehen höher als. die Autorität der Beamten. Wenn man sagt, Borchardt habe die Autorität deS Hauses ver« letzt, so ist zu betonen, daß er daS gerade deshalb getan hat, um» eine Entscheidung über die Unverletzlichkeit der Abgeordneten herbei» zuführen. Was die subjektive Seite betrifft, so ist zu sagen, daß Borchardt nicht die Absicht hatte, es zu einem Zusammenstoß kommen zu lasten. Er hat nicht an die Möglichkeit seiner Ausweisung gedacht. Nachdem sie aber erfolgt war, da gab es für ihn kein Zurück. Da mußte er die Frage zur Entscheidung bringen. Er ist der festen Ueberzeugung. daß die Geschäftsordnung und seine Ausweisung unrechttnäßig war. Auch Leinert ist derselben Meinung. Dieser kann sich auch darauf berufen, daß jene Anordnung des Präsidenten nicht an ihn er- gangen ist. Bei der Frage, ob Hausfriedensbruch vorliegt, kommt es darauf an. ob jemand die Ueberzeugung hat, er verweile rechtswidrig in einem Räume. Der Oberstaatsanwalt sagte, hier müffe zweifellos der äolus svsutualis angewandt werden, denn Borchardt habe gewußt, daß sich allerhand Kapazitäten für die Rechtsgültigkeit der Geschäftsordnung ausgesprochen haben, er hätte also mit der Mög- lichkeit rechnen müffen, sich strafbar zu machen. Diese Anficht deS Oberstaatsanwalts ist irrig. Es ist doch nicht so. daß Borchardt da- stand wie BuridanS Esel und nicht wußte, waS er tun solle. Borchardt war doch nicht in der Lage, sich zu sagen: ich weiß nicht, ob dies oder das richtig ist, deshalb will ich daS Reichs- gericht fragen,- sondern er war überzeugt, daß seine Au- ficht über die Unrechtmäßigkeit der Geschäftsordnung und ihrer Ausführung das richtige ist, und daS wollte er vom Reichsgericht bestätigt haben. Ich komme zu dem Resultat: die Angeklagten müssen frei« gesprochen werden, weil die Beamten nicht einmal den Schein der Rechtmäßigkeit für sich geltend machen können und der Wider- stand gegen sie deshalb nicht strafbar ist. Ueber das Strafmaß mag ich nichts sagen. Wir haben hier zwei Männer vor unS, die nicht für sich, sondern für andere eine Sache durchfechten. Man kann das in diesem Falle nicht anders, als daß man eine Gerichtsentscheidung herbeiführt. Hätten wir einen Staatsgerichtshof, der zu entscheiden hat, ob derartige Beschlüsse, wie die Geschäftsordnung, rechtmäßig sind oder nicht, dann wäre dieser Weg nicht nötig. Auch zivilrechtlich kann diese Streitfrage nicht entschieden werden. ES bleibt also nichts anderes übrig, als daß man eine sogenannte strafbare Handlung begeht und daS Vergnügen hat, auf der Anklagebank Platz zu nehmen, um eine Rechtsfrage zur Entscheidung zu bringen. Nicht einen Schritt sind die Angeklagten weiter gegangen als notwendig war, um die Entscheidung herbeizuführen. Wenn schon verurteilt werden müßte, so entspräche eS der Würde dieser Rechtsfrage, wenn auf d a S g e s e tz l i ch e M i n d e st m a ß der Strafe erkannt würde. Angesichts einer staatsrechtlichen Frage von solcher Bedeutung wird ja die Sache ins Lächerliche gezogen durch die Frage, ob man auf vier oder fünf Wochen Gefängnis, auf 100 oder 200 M. Geldstrafe er­kennen will. In einer kurzen Erwiderung tritt Oberstaatsanwalt Dr. P r e u ß unter Hinweis auf Reichsgerichtsentscheidungen und verschiedene Landgerichtsurteile einigen rechtlichen Ausführungen des Rechts- anwalts Heine entgegen und betont, daß es für ihn ganz uuzweifel» hast sei, daß nach 8 10 H. 17 Allgem. LandrechtS die Polizei» beamten in diesem Falle berufen und verpflichtet waren, einzu» schreiten. R.-N. Heine derbleibt diesen Einwendungen gegenüber bei seinem Rechtsstandpunkte und bei seinem Antrage auf Freisprechung. R.-A. Haase erwidert dem Oberstaatsanwalt: Gegen die An- ficht, daß das Vorgehen gegen die Angeklagten in jeder Beziehung be- rechtigt war, sind erhebliche Zweifel doch auch von einer Stelle ge- äußert worden, die doch wohl auch von dem Staatsanwalt als autoritattv betrachtet werden dürste. In dem Briefwechsel zwischen dem Mini st er des Innern und dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses hat der M i n i st e r d e S I n n e r n aus- drücklich gesagt, daß sich die Mitwirkung der Polizei nur auf die Ausweisung eines Abgeordneten zu beschränken Hat, daß es aber nicht angängig erscheint, daß die Polizei, von ganz be- sonderen Ausnahmefällen abgesehen, den Ausgewiesenen am Wiedereintritt in den Saal hindert. Ein ganz be- sonderer Ausnahmefall lag hier nicht vor. Also haben die Beamten selbst nach der Auffassung des Ministers unrechtmäßig gehandelt, als sie den Abgeordneten Borchardt hinderten, den Saal wieder zu betreten. Der Hinweis des Oberstaatsanwalts auf den pator familias trifft nicht zu. Ein Vater kann seinen Sohn wohl ausweisen, aber er kann dabei nicht die Hilfe der Polizei in Anspruch nehmen. Daß die GeschästSordnungSkommisfion deS Abgeordnetenhauses selber die schwersten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dcS 8 64 hatte, geht aus dem Absatz 8 hervor, welcher bestimmt, daß vor dir Anwendung von ZwangSmaßregcln gegen einen Abgeordneten daS HauS und die Tribünen geräumt werden müssen. Die Freunde deS Herrn v. Erffa haben es auch als eine Ungehörigkeit bczeichnot. daß die Räumung des Saales unterlassen ist und der Ab- geordnete Borchardt während der Sitzung entfernt wurde. Daß Borchardts Beschwerde vom Abgeordnetenhause zurückgewiesen wurde, ist von keiner Bedeutung. Das ist kein Urteilsspruch darüber, wer in dieser Frage im Recht ist, sondern ist nur ein Vertrauensvotum, welches die Mehrheit des Hauses ihrem Präsidenten erteilt hat. Die Angeklagten verzichteten auf daS letzte Wort. Der Gerichtshof zog sich zur Beratung zurück, erschien aber nach einer Viertelstunde wieder. Der Vorsitzende fragt die Ver- teidiger, ob der Antrag aus Vernehmung des Vizepräsidenten Porsch ein Eventualantrag sei.» Rechtsanwalt Heine: Es ist ein Eventualantrag für den Fall, daß der Gerichtshof nicht zu einer