Hr. 227. 29.»9. Ktjirks-KeilM If5 Jotiiiirts" für Mk«-We«. 28. Zeptember 1912. Gerichts-Zeitung» Eine fortgesetzte Versammlung— oder eine„neue"?, Unter der Anllage eine? Vergehens gegen das ReichSvereinSgesetz hatten gestern Genosse Alfred Pärsch und Genosse Johann Wussow sich vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte zu verantworten. Sie werden beschuldigt, öffentliche politische Versammlungen ohne die vorgeschriebene Anzeige veranstaltet und geleitet zu haben. Es handelt sich um Ver- sammlungen, die in Berlin am 10. Mai abgehalten wurden zum Zweck eines Protestes gegen den Gewaltakt im Abgeordnetenhaus, der am Tage vorher gegen unsere Abgeordneten Borchardt und Leinert verübt worden war. Geleitet wurde die Versammlung im„Stadt- theater Moabit" von Pärsch, die in den„Pharussälen" von Wussow. Beide Versammlungen waren, wie alle übrigen, vorschriftsmäßig angezeigt worden. Die Anklage behauptet aber, im„Stadttheatsr Moabit" und in den„Pharussälen" seien nachher noch neue Ver- sammlungen abgehalten worden, die nicht angemeldet waren. Die Angeklagten, die als Leiter der angeblich neuen Versamm- lungen jetzt zur Verantwortung gezogen werden sollten, haben von dem Sachverhalt eine andere Auffassung. Vor Gericht schilderte Pärsch, wie im„Stadttheater Moabit" infolge gewaltigen Zudranges zu der Versammlung der große Saal bei weitem nicht alle Er» schienenen hatte aufnehmen können, so daß Tausende im Garten bleiben mußten. Er habe im Saale sämtliche Türen öffnen lassen, die nach dem Garten hinausführen, und es habe dann die im Garten verweilende Menge das Referat des Landtagsabgeordneten Paul Hirsch mit anhören können. Später habe Pärich als Versammlungsleiter sich mit dem Bureau und dem Referenten in den Garten hinausbegeben, wohin ihnen auch der überwachende Polizeileutnant nebst einem Schutz- mann gefolgt sei. und die Versammlung sei hier fortgesetzt worden. In ähnlicher Weise wurde in den Pharussälen, wo Landtags- abgeordneter Karl Liebknecht sprach, nach Füllung des großen SaaleS den nachströmenden Tausenden, die in einem Nebensaal und im Garten verweilen mußten, noch Gelegenheit gegeben, an der Ver- sammlung teilzunehmen. Wussow war dabei immer Leiter der Ver- sammlung geblieben, die er, wie er vor Gericht betonte, als eine fortgesetzte ansah. Die Anklage beruft für ihre Behauptung, daß in beiden Lokalen„neue" Versammlungen veranstaltet worden seien, sich auf daS Zeugnis der in den Versammlungslokalen gewesenen Polizeileutnants und der ihnen beigegebenen Schutzleute. Im gestrigen Termin fehlten leider die Polizeileutnants, weil sie be- urlaubt waren. Der Staatsanwalt wollte auf diese Zeugen nicht verzichten. Pärsch gab hierzu an, er habe im.Stadttheater Moabit " sich sogar an einen Leutnant gewendet und ihm von vorn- Herrin feine Abficht, die Versammlung fortzusetzen, mitgeteilt. Der Leutnant habe zunächst geantwortet, daß ihm kein Genehmigungs- recht zustehe. Hinterher aber habe er zu Pärsch gesagt, er wünsche nicht mißverstanden zu werden, die Versammlung dürfe nach draußen verlegt werden, nur dürfe Pärsch sie dann im Saal nicht schließen. Die Anklage behauptet, drinnen habe man zunächst eine Resolution angenommen und die Versammlungen geschlossen, und dann erst sei draußen weiter geredet worden. Der Verteidiger, Rechts- anwalt Heine, bestritt, daß tatsächlich ein Schluß erfolgt sei. Auch die ResolutionSannabme, wenn sie wirklich erfolgt sein sollte, bedeute noch lang» leinen Bersammluugsschluß. Dazu bedürfe eS der aus- drücklichen Erklärung, daß die Versammlung geschlossen sei. Die An- geklagten versicherten, eine solche Erklärung nicht abgegeben zu haben, weil sie noch gar nicht schließen wollten. Die Verhandlung kam über diese vorläufigen Erörterungen nicht hinaus. Der Staatsanwalt erklärte, daß er ohne die beiden Polizei- leutnants nicht auskommen könne. Aus sie wolle er sich stützen auch gegenüber den etwa ander» lautenden Aussagen aller übrigen Zeugen. Infolgedessen beschloß das Gericht die Vertagung. Akademiker vor Gericht. AuS Halle a. S. berichtet man: Zwischen dem Leutnant der Reserve, Grafen v. Luckner und dem stuä. math. A p e l kam eS am Abend des 23. April auf der Straße zu einer Rauferei. Man„fixierte" sich, nannte_ sich gegenseitig Schafskopf, ruppiger Kerl und Kneifer. Dann erhielt der Gras eine Ohrfeige und der Student einen Schlag auf die Schulter. Der Graf wurde von dem Studenten gefordert; es kam zu einer weiteren Prügelei mit krummen Säbeln. Beide wollten LS Minuten kämpfen. Nachdem man aber„V6 Gänge" gefochten und der Graf ein paar blutige Verletzungen am Kopfe erhalten hatte, beruhigt man sich. Der Graf wurde von dem Kriegsgericht zu drei Monaten Festung verurteilt; der Student erhielt von dem Land- gericht dieselbe Strafe. Darauf betrat der ottid. theol. Karl Wettberg von hier die Anklagebank der Strafkammer. Er hat drei Verbindungsbrüdern aus Schränken usw. Geldbeträge von 60, 4t) und 20 M. entwendet. Da er wegen Diebstahls bereits mit fünf Monaten Gefängnis vor- bestraft ist, wurde er zu einer Zusatzstrafe von drei Monaten ver- urteilt. Sein theologisches Studium hat er inzwischen auf- geben müssen._ Vom Kampfe gegen die Arbeiterjugend. Ein recht bedenkliches Urteil des preußischen Oberverwaltungs- gerichts ist jetzt den Parteien schriftlich zugestellt worden, nachdem seinerzeit in der öffentlichen Verhandlung die Entscheidung„aus- gesetzt" worden war. Am 12. März 1311 fand im Ballhof in Linden bei Hannover eine vom Jugendausschutz veranstaltete Jugendversammlung mit folgender Tagesordnung statt:„Was will die bürgerliche, was will die proletarische Jugendbewegung?" Als der Referent Mey die von christlichen Organisationen ins Leben gerufenen Jugendvereine kritisierte und betonte, daß durch sie den Unternehmern billige und willige Arbeitskräfte gesichert werden sollten, verlangte der über- wachende Beamte die Entfernung der Jugendlichen, weil sich der Redner auf politischem Wege bewege. Der Vorsitzende Rolle er- klärte darauf: Eine Fortsetzung der Versammlung ohne die Jugend. lichen würde keinen Zweck haben, er schließe deshalb die Berfamm- luttg. Zugleich forderte er aber die Anwesenden auf, im Lokale zu verbleiben, indem er der Erklärung über den Schluß der Ver- sammlung hinzufügte:„Wir können aber noch hierbleiben und uns unterhalten, vielleicht ein Lied singen, vielleicht kann auch einer etwas vorlesen."— Hierauf erklärte der Beamte die Versammlung für aufgelöst und forderte die Anwesenden auf, den Saal sofort zu räumen, was auch geschah. Nach vergeblicher Beschwerde beim Regierungspräsidenten und beim Oberpräsidenten klagte Rolle beim Oberverwaltungsgericht. Er bestritt erstens, daß überhaupt eine Versammlung zur Erörte rung politischer Angelegenheiten, an der Jugendliche unter 18 Iah ren nach dem Reichsvereinsgesetz nicht teilnehmen dürften, vorge- legen habe. Zweitens aber habe er ja die einberufene Versamm- lung selber geschlossen und zu einem geselligen Zusammenfein auf» gefordert. Ein solches hätte nicht durch Auflösung verhindert werden können. In der öffentlichen Verhandlung vertrat dann Rechtsanwalt Wolfgang Heine mit eingehenden RechtSauSführungen die Klage. Das jetzt vorliegende Urteil des Oberverwaltungsgerichts— Aktenzeichen I. A. 92. 11— weist die Klage ab. ES führt zunächst aus, daß die Versammlung eine zur Erörterung polittscher Ange legenheiten gewesen sei. Nach allen Begleitumständen, zum Beispiel Aufforderungen im„Volkswille"-Hannover . im Mitteilungsblatt für die Abonnenten der„Arbciter-Jugend" u. a. m., fei nämlich anzunehmen, daß die Versammlung den Zweck gehabt habe, auf die Anwesenden im Sinne der Sozialdemokratie einzuwirken. So- mit wäre, da Personen unter 18 Jahren in politischen Versamm- lungen nicht anwesend sein dürfen, der Polizeibeamte berechtigt gewesen, alsbald bei Eröffnung der Versammlung die Entfernung der Jugendlichen zu verlangen. Daß er damit gewartet habe, bis der Referent mit seinem Vortrage begonnen habe, beschwere den Kläger nicht.— Nach diesen Darlegungen kommen die bedenklichsten Ausführungen des Urteils. Sie lauten:„Da die Versammlung nur oder fast nur aus Jugendlichen bestand, und jedenfalls als Jugendversammlung einberufen worden war, war sie eine solche, welche den Strafgesetzen, nämlich dem Z 18 Nummer 6 des Reichs- Vereinsgesetzes, zuwiderlief. Daher war die Polizei kraft ihrer allgemeinen Aufgabe, strafbare Handlungen zu verhindern» befugt, dem Zustandekommen der Versammlung entgegenzutreten, die Fort- setzung der begonnenen Versammlung und das fernere Zusammen- sein der Jugendlichen zu verhindern, sowie die Räumung des Lo- kals zu verlangen. Diese Wirkung suchte der Beamte zunächst dadurch zu erreichen, daß er den Leiter der Versammlung auf- forderte, für die Entfernung der jugendlichen Personen zu sorgen. Als der Leiter diesem Verlangen jedoch nicht nachkam, vielmehr die Jugendlichen im Widerspruche mit der Forderung des Beamten zum Verbleiben aufforderte, war der Beamte befugt, zur Durch- führung seiner auf die Entfernung der Jugendlichen auS dem Saale gerichteten Anordnung das Geeignete selbst zu veranlassen. Wenn er sich dabei der Worte bediente, daß er die Versammlung für aufgelöst erkläre, so ist dies nach Lage der Sache nicht dahin zu verstehen, daß er auf Grund des K 14 des Reichsvereinsgesetzes Hobe vorgehen und die Versammlung aus einem der in diesem Paragraphen genannten versammlungsrechtlichen Gründe habe auflösen wollen. Vielmehr hat er sich nur desjenigen Ausdruckes bedient, welcher auch für andere Fälle, in welchen der Fortsetzung einer ungesetzlichen Versammlung entgegen getreten wird, der üb- liche ist und in kürzester und deutlichster Form die für nötig er- achtete Anordnung zur Kenntnis und Nachachtung der Versammel- ten bringt. Diese Befugnisse des Polizeibeamten konnte dadurch nicht beseitigt werden, daß der Leiter die Versammlung schloß, zu- gleich aber die Versammelten aufforderte, im Versammlungsraum zu geselligen Zwecken zusammen zu bleiben. Denn die Räumung des Versammlungslokals gehört mit zu denjenigen Maßnahmen, die zulässig sind, um einer ungesetzlichen Versammlung entgegen zu treten. Die Polizeibehörde würde ihre Aufgabe nur ungenügend erfüllen können, wenn sie in derartigen Fällen sich mit der formellen Schließung der Versammlung begnügen und das fernere Zusammensein der Versammelten dulden müßte. Ist einmal eine Menschenmenge zum Zwecke einer gegen die Strafgesetze verstoßen- den Versammlung zusammengetreten, so ist der von der Polizeibe- Hörde zu verlangende polizeimäßige Zustand erst dann erreicht, wenn die Versammelten sich zerstreut und das Versammlungslokal geräumt haben. Nach alledem erweist sich die Klage als unbe- gründet." So das Urteil. Die Sache ist also die: Ein AuflösungSgrund aus dem Reichsvereinsgesetz(ß 14) war nicht gegeben. Ein Polizei. beamter als Beauftragter einer Behörde kann aber eine als poli- tisch erachtete Jugendversammlung, weil sie einem Strafgesetz(Z 18 des VereinsgesctzeS) widerspricht, auf Grund der allgemeinen poli- zrilichen Befugnisse auseinander treiben und dabei den prägnanten Ausdruck„Auflösung" gebrauchen. Seine Befugnitz, den„Polizei- mätzigen" Zustand wiederherzustellen, geht aber außerdem so weit, eine alsbald an Stelle der nichtgewünschten Versammlung tretende harmlose gesellige Veranstaltung ebenfalls auseinanderzutreiben. Das läßt ja noch allerhand erwarten. Unsere Jugendbewegung wird sich aber auch damit abzufinden wissen. Hub aller Melt. Die Taifunverheeruugen in Japan . DaS Reutersche Bureau in London meldet au« Tokio vom 28. September: Die Verbindungen sind noch immer unterbrochen. Die Provinzbewohner, die nach Tokio kommen, erzählen er« schütternde Einzelheiten von den Wirkungen de« Taifuns. Von der Fischerbevölkerung in Sapporo sind 409 Leute umgekommen. Drei Torpedoboote werden vermißt. Nach den Be« zirken Gifu und Aichi , wo Tausende von Familien obdachlos find, wurden Truppen entsandt, um Rettungs» und Schutzarbeiten auS- zuführen. Wo der Sturm am schlimmsten wütete, ist nichts stehen geblieben. Straßen sind eingestürzt, Tempel, Theater. Schulen und öffentlicheGebäude hinweg« gefegt und ganze Wälder verschwunden, so daß die Gegend nicht wiederzuerkennen ist. Die Sicherheit auf französische« Kriegsschiffen. Der nattonalistische Deputierte Daniölou, der al» Mitglied des Marineausschusses eine Reihe von Panzerschiffen besichtigt hat, erklärte einem Mitarbeiter de»„Echo de Paris", er habe hierbei verschiedene Feststellungen gemacht, die nach den Katastrophen der Kriegsschiffe„Jöna" und„Liberth" einfach unfaßbar seien. So habe er mehrfach gesehen, daß die Dynamomaschinen der Lastaufzüge im Innern der MunitionSkammrrn selbst unter- gebracht seien. Da« Unglaublichste aber habe er an Bord deS „C o u r b e t" festgestellt. Daselbst befinde sich gleich neben den Pulverkammern da» Petroleumrefervoir. Bisher hätte man im Falle einer Gefahr die Schiffe durch Ersäufen der Pulverkammern retten können. Aber bei dem„Courbet " würden sich bei einer Explosion V0 Tonnen brennende« Petroleum über da« Schiff ergießen. Er Hab» seine Wahrnehmungen und Befürchtungen dem Marineminister Delcassü mitgeteilt, der ihm erklärt habe, daß er nicht an der Spitze der Marineverwaltung ge- standen habe, al« die Pläne dieser Schiffe gutgeheißen wurden, und daß e» u n m ö g l i ch sei, die innere Einrichtung eine« der Vollendung M bleibt die große Hode Eigene Fabrikation, direkter Einkauf fast der gesamten Rohstoffe in ersten Fabriken ermöglichen Beste QualitSten Sehr billige Preise 65, 54, 48, 42, 34. 32, 28, 23, 18 m. SO vertehledtriQ Ulster für jeden Geschmack sind In meinen Fenstern ausgestellt, Es ist wichtig für Sie, diese vor Ihrem Einkauf*u beachten! QoltileCf IDjcI® Schöneberg , Hauptstraße 161, Ecke Stubenrauchstraße Di« Maßanlerliguns erfolgt oho# Prei»*uf»chl»g,(«Iis di« paMOode Groß« Dicht mehr vorhanden iat
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