Nr. 232.
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Freitag, den 4. Oftober 1912.
Toch keine Entscheidung.
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neue Gefahren mit sich bringen. Zweifellos ist er unter dem Drude Rußlands entstanden und hat seine Spitze gegen Desterreichs Vordringen auf dem Balkan . Sein Entstehen bedeutet eine gewaltsame Lösung der schwe benden Balkanfragen im Einklange mit Rußland Die Situation ist bis zur Stunde im wesentlichen un- haupt und speziell in ihren fortgeschrittensten europäischen Gebieten oder der Tripelentente. Desterreich wird sich wahrverändert. Die Nachrichten aus dem Balkan selbst fließen anzusehen. Ein aus allen möglichen Nationalitäten zusammen- scheinlich bewogen fühlen, früher als es für angebracht hielt, für die heute noch spärlicher eine Wirkung der strengen Zensur. gesetztes Reich kann für die ihm angehörenden kulturbedürftigen und Invasion Mazedoniens und die Besetzung Salonitis in Jedenfalls sind die diplomatischen Beziehungen zwischen fortschreitenden Menschen nichts anderes fein als eine Plage. Die Aktion zu treten. Serbien und der Türkei noch nicht abgebrochen, obwohl die Administration, das Gerichts- und Finanzwesen werden in mittel- Das ist die eine, die offizielle Seite der bulgarischen Frift für die Beantwortung der serbischen Forderung auf alterlichem Sinne ausgeübt von einer militärischen und bureau- Regierungspolitik. Die Führung der anderen Politik hat König freie Durchfuhr des Kriegsmaterials bereits abgelaufen ist. fratischen Oligarchie, in der die herrschende Nation die Ferdinand selbst. Sie steht nicht immer im Gegensatz zu der Auch haben die Balkanstaaten das gemeinsame Ultimatum, zurückgebliebenste nach jeder Hinsicht ist und deren völliger offiziellen Politit, die sie kreuzt und vereitelt, wenn sie nicht ganz das von ihnen angekündigt worden ist, noch nicht überreicht. Willfür die übrigen Nationen, besonders die christlichen, mit der königlichen Politik zusammenfällt. Der König hat die Taktik In diesem Schriftstück wollen die Verbündeten von der Türkei überlassen sind. Die Entwickelung des Reiches bestand seit der Equilibristik und stützt sich gern auf zwei Seiten, Rußland die sofortige. Durchführung wirksamer Reformen und Be - hundert Jahren nur in dem Abbrödeln, Sichlosreißen und Absondern und Desterreich. Neigt seine Regierung nach der einen Seite, so seitigung der Mißstände in der europäischen Türkei verlangen. der fortgeschrittensten Teile vom Ganzen. Rumänien , Serbien , ergänzt er sie nach der anderen, und schließlich siegt immer Geht die Pforte auf diese Forderung nicht ein, so würde der Griechenland , Bulgarien , Bosnien rissen sich los und jetzt kommt feine Richtlinie. Im gegenwärtigen Falle ist er nicht etwa gegen Krieg trotz aller Vermittelungsversuche unfehlbar ausbrechen. die Reihe an Mazedonien , Albanien und Armenien . Die Türkei ist die Autonomie Mazedoniens oder die Berstückelung der Türkei durch Man darf aus der Verzögerung der Ueberreichung des ein Reich, das sich weder durch seine eigenen sozialen Kräfte refor- die Balfanstaaten. Er wird sich nicht der Gefahr der Verfeindung Ultimatums nun keineswegs optimistische Schlüsse ziehen. mieren kann noch von außen her reformieren läßt. mit der einen oder andereren Seite aussehen, wenn man ihm das Denn diese Verzögerung erklärt sich einfach damit, daß die Die Christen fliehen aus der Türkei in die angrenzenden Balkan - entschieden abrät. Bulgarien fann rüsten, Triegsbereit sein, die Gegner der Türkei ebensowenig wie diese selbst schon friegs- staaten Montenegro, Serbien , Bulgarien , Griechenland und ver- anderen Balkanstaaten können ihm beistehen und mit ihm zusammen fertig sind. Dazu wird es noch mindestens einer Woche ursachen hier unter ihren Glaubens- und Sprachgenossen eine fort- losgehen. Aber wenn die bulgarische Regierung nicht die heimliche bedürfen. währende, unversiegbare Gärung, die, verbunden mit den auf- 3 ustimmung Rußlands hat und der König leinen Wink Daß die Türkei aber die Forderungen ihrer Feinde er- teimenden kapitalistischen, eroberungssüchtigen Tendenzen der jungen von Wien bekommt, dann wird aus all dem Kriegsgefchrei nichts. füllen sollte, ist ganz unwahrscheinlich. Denn eine von den Bourgeoisie dieser Länder, zu einer dauernden Gefahr für den So war es wenigstens bis jetzt. Ob die Tripelentente die halbBalkanstaaten erzwungene Autonomie in dem angrenzenden Baltanfrieden geworden ist. Fügt man diesen unerträglichen Zu- laute Zustimmung geben wird und ob der Wink yom Ballplaze türkischen Gebiet würde höchstens einen, momentanen Auf- ständen noch die Intrigen und die sich am Balkan freuzenden kommen kann, das weiß man jezt nur in Balmoral und in Wien . schub für die Türkei bedeuten, den schließlichen Abfall dieser Interessentämpfe der großen Mächte hinzu, dann hat man alle Das hier getriebene zwiefache Spiel fann aber die größte Gebiete aber nur beschleunigen. Die Türkei würde in der Faktoren vor Augen, die den Frieden auf dem Balkan stören. Katastrophe für den europäischen Frieden heraufbeschwören. Zat damit die Herrschaft über den größten und ökonomisch Das ist jedoch der allgemeine, bereits Jahre dauernde Zu- Die Balkanvölker können frei aufatmen, wenn das Spiel eine entwickeltsten Teil ihres europäischen Gebietes verlieren, in stand. Das, was jetzt die Lage verschärfte, waren die Ereignisse wirkliche Besserung der inneren Lage in der Türkei herbeiführen demfelben Augenblick, in dem der ihr jezt aufgezwungene, des letzten Jahres und der türkisch - italienische Strieg, tönnte. wie es scheint, unmittelbar bevorstehende Friedensschluß der nicht nur auf dem Balfan viele Hoffnungen und Gelüste Die bulgarische Sozialdemokratie und der Krieg. mit talien ihr auch den Rest ihres nordafrikanischen weďte. Zweitens tommt hinzu das endgültige Scheitern Die bulgarische Sozialdemokratie ist selbstverständlich gegen den Besizes raubt. Zugleich bedeutete ein tampfloses Nachgeben, der Hoffnungen, die auf die Jungtürken gesetzt worden waren, und Strieg. Die radikale Fraktion ist der von den bürgerlichen Parteien daß die türkische Stellung in der ganzen mohammedanischen das Wiedererscheinen der Alttürken an der Spitze der Regierung. propagierten Forderung der Autonomie Mazedoniens Welt außerordentlich geschwächt würde und die Türkei ihre als dritter Faftor kommt in Betracht der Aufstand der Albanesen, scharf entgegengetreten. Deren Erfüllung bilde überhaupt keine Autorität weder in Arabien noch in Armenien behaupten denen man die gewünschten Reformen gewährte, und viertens die Lösung der Ballanfrage. Denn das autonome Mazedonien Maffaters und Greuel in Kotschani und anderen Gebieten des wäre ebenso der Zankapfel der rivalisierenden Ballanstaaten und Behält also die Türkei ihre freie Entschließung, dann kann türkischen Reiches. Alles das verursachte eine große Bewegung unter deren Dynastien, sowie der europäischen Diplomatie, wie das ver thre Antwort um so weniger zweifelhaft sein, als auch die Kriegs- den mazedonischen Emigranten und nationalistischen Parteien in abte Mazedonien . Sodann würden auch die an der Ballanstimmung in der türkischen Bevölkerung und insbesondere in der Bulgarien , die in großen Meetings den Krieg mit der Türkei und richtung einer wirklichen Autonomie Mazedoniens gestatten. Ein Halbinsel interessierten europäischen Großmächte keineswegs die ErArmee zusehends an Stärke gewinnt. Nur ein Zwang der Groß- die Erlangung der Autonomie Mazedoniens predigten und Krieg auf dem Balkan käme mur der Eroberungspolitik mächte, ein ganz außerordentlicher diplomatischer Druck könnte die die Kleinbürgerlichen und Kleinländlichen Massen mit fortrissen. Alle der interessierten Großmächte zugute. Heute werden Türkei bewegen, ihr eigenes Todesurteil zu unterschreiben. Aber bürgerlichen Parteien hielten die Lage in der Türkei für unerträglich die Ballanstaaten, insbesondere Bulgarien , am auffälligsten auch dazu sind die Aussichten kaum vorhanden. Zwar scheinen und forderten eine Bression auf die türkische Regierung. von Rußland zu einem Kriege mit der Türkei aufgehegt. Es verschiedene diplomatische Schritte getan worden zu sein, aber liegt nun auf der Hand, daß ein Krieg zwischen Bulgarien und der von einem Erfolg wagen die Diplomaten selbst nicht zu Türkei nur ein Schrittmacher für die Eroberungsbestrebungen Rußsprechen. Herr Sassanoff, der russische Minister des Auslands auf dem Balkan wäre. Dann träte auch die russische Geheimwärtigen, ist zwar aus London in Paris eingetroffen und die Nun erfreut sich Desterreichs Regierung feines guten Rufes auf mit der Türkei die russische Flotte die bulgari fonvention mit Bulgarien in Kraft, wonach im Kriegsfalle französische Regierung scheint nochmals versuchen zu wollen, der Balkanhalbinsel . Lange Jahre hindurch hat fie ebenso wie die schen Hafenstädte am Schwarzen Meer befeßen den Ausbruch des Krieges zu verhindern. Frankreich hat deutsche Diplomatie die Greuel des Sultan Hamidschen Regimes und somit den Einzug Rußlands in Südbulgarien, ja viele Milliarden in der Türkei und am Balkan angelegt unterstügt. Außerdem tut Cesterreich alles, um die seiner Politit von wo aus der kürzeste Landweg nach Konstanti und der Ausbruch des Krieges bedeutet für das Land die nicht freundlich gesinnten kleinen Balkanstaaten in ihren Fort- nopel führt, sichern soll. Ein Krieg um die" Autonomie" denkbar schwerste ökonomische Schädigung. Deshalb hat ja schritten möglichst aufzuhalten. Desterreichs Freunde auf dem Mazedoniens würde, würde, ohne das eigentliche Ziel erreicht zu Frankreich schon in der bosnischen Annexionskrise im Jahre Balkan sind die fürstlichen Dynastien. In Serbien haben diese aus- haben, Bulgarien total erschöpfen, um es dann dem russischen 1908 all seinen Einfluß für die Erhaltung des Friedens aufgespielt, aber desto größere Freunde hat die Wiener Diplomatic im Despotismus auf Gnade und Ungnade auszuliefern. gewandt. Auch jetzt erklärt die französische Presse die bulgarischen Könige und seinen politischen Dienern. Graf BerchtDeshalb nimmt die Sozialdemokratie in Bulgarien gegenwärtig Bereitwilligkeit, mit Deutschland zusammen für tolds Vorschlag traf mit der Rückkehr des bulgarischen Königs aus mit aller Energie für die Bereinigung der Ballanvölker entschieden gegen diesen Krieg Stellung und tritt den Frieden eintreten zu wollen. Aber der deutschen Desterreich in Sofia zusammen. Gleichzeitig berbreitete sich in einer föderativen Republik auf. Diese Aufgabe ist Diplomatie scheint es auch jetzt an Straft und Fähig das Gerücht, daß die Regierung ein Memorandum an die für die Sozialdemokratie Bulgariens und der Ballanländer über keit zu mangeln, die großen gemeinsamen Interessen, europäischen Mächte vorbereite, in dem die Autonomie Haupt umso gebieterischer, da ja mit Bestimmtheit vorauszusehen ist, die in Wirklichkeit zwischen Deutschland und Frankreich Mazedoniens als einziger Weg zur Beendigung der türkischen daß ein Ballantrieg zu einem Weltkrieg führen kann, vorhanden sind, zu erkennen und dementsprechend zu Wirrren empfohlen oder gefordert werde. Diesen Plan hat aber die gegen den sich das gesamte internationale Proletariat aufbäumt. handeln. Es zeigt sich eben immer wieder, daß der feind Regierung fallen gelassen und andere Wege gesucht. Der Vorschlag Dagegen bezeichnet der opportunistische Flügel als sein Ziel: liche Gegensatz zwischen Deutschland und den Berchtolds war zu allgemeiner Art und die konservativen Tendenzen Durch die Selbstbestimmung der Ballan- Nationalitäten zur BalkanWest mächten, den die Politik unserer herrschenden Desterreichs der Türkei gegenüber zu bekannt, um etwas Tröstliches föderation, also eine mehr abgeschwächte Formulierung, von der sich Stlassen in unverantwortlicher Weise hat entstehen lassen, die davon zu erwarten. Da auch die Auflehnung der bulgarischen Re- diefe Richtung die Möglichkeit einer mehr unmittelbaren Einwirkung Re- auf die national erregte Bevölkerung verspricht. eigentliche Quelle jeder Kriegsgefahr bildet. gierung gegen die Tripelentente fein für den Moment günstiges und Dhne diesen Gegensatz hätte Rußland nie seine Rolle als direttes Resultat gebracht hat, suchte sie auf Umwegen durch Veragent provocateur in allen Welthändeln der letzten Jahre ständigung mit anderen Balkanregierungen ihrem Ziele näher zu Belgrad , 3. Oktober. Die Blättermeldung von einem heute spielen können, hätte Desterreich nicht eine Politik machen tommer So tam der Baltan- Bierbund zustande, dessen zu erwartenden Ultimatum ber vier Balkanstaaten dürfen, die die Türkei geschwächt, die Reformwünsche der Zwed es ist, im Notfalle, wenn die zwei europäischen Lager, an die Türkei wird an maßgebender Stelle als absolut unrichfleinen Nationen ermutigt und schließlich zu einer mit Dreibund und Dreiverband, fich im Schach halten, gegen tig bezeichnet. Das gehe schon aus dem Umstande hervor, daß an bestimmenden Ursache ihres aggressiven Vorgehens ge- die Türkei gewaltsam vorzugehen. Vor etwa zwei Wochen antwortete ein Ultimatum im gegenwärtigen Stadium der Mobilmachung nicht worden ist. das Regierungsblatt Mir" auf einen friedliebenden Rat des gedacht werden könne. So sind die Hoffnungen auf Erhaltung des Friedens offiziösen französischen Blattes Le Temps" gereizt, die kleinen heute so gering wie gestern, wenn auch andererseits noch Balkanstaaten tönnten auch anderswo Zuflucht finden, wenn die feine Ereignisse eingetreten sind, die den Krieg unabwendbar großen Mächte nur ihren eigenen Interessen gehorchten. Jetzt schreibt machen. das Blatt hochfahrend, daß am Balkan ein neuer Fattor entstanden ist, der die Türkei zwingen wird, entweder sich zu reformieren und mit den übrigen Staaten zusammenzugehen oder unterzugehen.
Bulgarische Stimmungen.
Da kam die Nachricht von dem Vorschlag des Grafen Ber ch told auf eine fortschreitende Dezentralisation der türkischen Verwaltung.
Aus Sofia wird uns geschrieben: Der Krieg steht vor der Tür. Als erste und grundlegende Urache der drohenden Lage auf dem Balkan sind die unausrottbaren Die Folgen solchen Vorgehens sind nicht abzusehen. Aber eins politischen, sozialen und ökonomischen Mißstände in der Türkei über- lift gewiß. Der neue politische Faktor auf dem Balkan " wird auch
Kein gemeinsames Ultimatum
Keine Abberufung des serbischen Gesandten,
Konstantinopel , 2. Oktober. Obwohl die Frist, die Serbien betreffend die Durchfuhr des Kriegs. hat die Pforte dem serbischen Gesandten Nenadematerials gestellt hat, um 7% Uhr abgelaufen war, witsch bisher keine Antwort übermittelt. Indessen erklären serbische Kreise, es werde kein sofortiger Abbruch der Beziehungen erfolgen. Nenadowitsch erwartet Inſtruktionen.