Die türkische MobilmachungKonstantinopcl, 3. Oktober. Die M o b i l in o ch u n g s-Verfügung betrifft nur die erste, zweite und einen Teilder dritten Armeeinspektion.' In Syrien und M e s o P o-t a m i e n finden keine Mobilmachungen statt. Imganzen werden 88 Divisionen mobilisiert. Die Mobil-machung vollzieht sich rasch.Konstantinopcl, 3. Oktober. Die in Konstantinopeleingezogenen Reservisten ziehen mit Musik durch dieStraßen und werden überall mit großer Begeisterungbegrüßt. Die streikenden Kutscher haben sich erboten, für dieMobilisation zu arbeiten. Laut Nachrichten aus türkischerQuelle herrscht auch in der Provinz große Begeiste-rung für die Mobilisierung. Der frühere Ministerdes Auswärtigen, Assim, hatte heute eine vielbesprocheneUnterredung mit dem bulgarischen Gesandten Sarafoff.Ein außerordentlicher Ministerrat hat sich mit derLage, insbesondere mit der Frage der Zurück-Haltung der griechischen Schiffe beschäftigt.Bei seinem bereits gemeldeten Schritt zugunsten derSchiffe hat der griechische Gesandte G r y p a r i s sehrenergisch die schleunige Zurücknahme des betreffendenBeschlusses der Pforte verlangt, da die Maßregel willkürlichund, so lange freundschaftliche Beziehungen herrschten, un-angebracht sei, zumal jede Verzögerung Millionen Verlusteverursache. Der Minister des Aeußern Noradun ghianantwortete, die Regierung werde die Schiffe für Transporterequirieren, versprach aber schließlich, die Angelegen-heit dem Ministerrat zu unterbreiten.Türkische Finanzsorgck.Konstantinopel, 3. Oktober. Wie man sagt, finden zwischendem F i n a n z m i n i stc r und der Zlidministration der DettePublique Besprechungen statt über die Anwendung der Klausel desMonharrem-Dekretes, wonach im Kriegsfälle alle Einnahmen desSchuld endicnstes in den Staatsschatz fließen. Es geht dasGerücht, daß die Administration bereits ihre Zustimmung er-teilt habe. Die Einnahmen betragen ungefähr oOOlXXt Pfundmonatlich.Mißhandelte Mohammedaner.Konstantinopel, 3. Oktober. Das Ministerium des Auswärti-gen veröffentlicht ein Communique, in welchem auf die Vcrfol-g u n g e n hingewiesen wird, denen die Mohammedaner ausAnlaß der Mobilisierung in P h i l i p o p e l ausgesetzt seien. Manbefürchte, daß der türkische Konsul persönlich und das türkische Kon-sulat von Bulgaren angegriffen werden würden. Mohammedanerwürden auf den Straßen festgehalten und in Kasernen interniert.Einstellung des Verkehrs.Konstantinopel, 3. Oktober. Seit gestern abend hat der Eisen-ibahnverkehr mit Europa und Saloniki aufgehört. DieZüge Verkehren nur bis Adrianopel. Der Konventional- und derExpreßzug kommen morgen zum letzten Male in Konstantinopel an.Ter Berkehr mit Europa wird fernerhin ausschließlich über Eon-stanza möglich sein.'Nostowo a. Don, 3. Oktober. Das hiesige Börsen-komitee, die Exporteure und Banken haben den Ministerpräsi-deuten und den HandelSministcr telegraphisch gebeten, Schritte zuunternehmen, damit die türkische Regierung die von ihrangehaltenen SS Dampfer mit Kornladungenfreigebe, die unter griechischer und bulgarischer Flagge nachDeutschland, Italien, Frankreich und Griechenland ausgelaufen find.Das Verhalten Oesterreichs.Wien, 3. Oktober.(Privattelegramm.) Die Nachrichteil,daß Oesterreich-Ungarn mobilisiere, bestätigen sich nicht;gewisse Vorkehrungen sind allerdings /ge-troffen, die aber nicht als Mobilisierung anzusehen sind.Außerdem befindet sich die militärische Besatzung inBosnien und Herzegowina ohnedies so ziemlichauf Kriegsstärke.Aus B u k a r e st wird gemeldet, daß eine M o b i l i-sierung der rumänischen Armee nicht an-geordnet worden ist.Kundgebungen in Montenegro,Cetinje, 3. Oktober. Gestern wurden hier große Kund-Hebungen veranstaltet. Die Meng« zog vor das KönigSpalais,wo sie dem König und dein Kronprinzen zujubelte. Ter Königcrmahnte in einer kurzen Ansprache die Bevölkerung zur Be-j o n n e n h e i t und sagte, die Mobil isiernngbe deute nochleinen Krieg; aber in dieser ernsten Zeit müsse jeder Monte-negriner seine Pflicht zu tun bereit sein und dorthin gehen, wohinihn die Behörden schickten.Das serbische Parlament.Belgrad, 3. Oktober. An Stelle des zum Generalstübschef er-nannten Generals Putnik ist der Artillerieoberst Djovoviczum Kriegsminister ernannt wovden. Die Skupschtina istheute zusammengetreten. Der Altradikale Andra Nikol�ic istzum Präsidenten, zwei andere Altradilale sind zu Vizepräsiden-ten gewählt worden. Die Eröffnung der außerordentlichen Sessiondurch eine Thronrede des Königs wird am S. Oktober er-foigen.____nieder mit dem Absolutismus!Herr b. Bethmann Hollweg scheint den E r n stder Situation noch immer nicht begreifen zu wollen.Der Bankrott seiner„Abhilfe"maßnahmen ist zivar offen-sichtlich. Es ist der r e i n e H o h n, wenn dem deutschen'Volke jetzt noch als einzige Hilfe angepriesen»vird, auf dieFleischzufnhr ans jenen Gebieten zu warten, die vor demKriegsznstande stehen. Seine Verordnungen sind wirkungslos,mit Verordnungen allein ist überhaupt nichts zu machen, alsoNluß die Gesetzgebung in Bewegung gesetzt, der R e i ch s-tag einberufen werden I Und das muß sofort ge-schehen. Denn das deutsche Volk braucht doch nicht bloßdeshcclb länger zu hungern, weil es dem regierenden Autokratenbeliebt hat, in seiner unfehlbaren Weisheit den Reichstagbis Ende November sich vom Halse zu schaffen. Nunist die Einberufung des Reichstags heutelängst zur Forderung nicht nur der Sozialdemo-kratie, sondern des ganzen nichtagrarischen deutschenVolkes geivorden. Freilich die Berliner liberale Presse hatfür die Führung dieses ernsten politischen Kampfes scheinbarnicht allzuviel übrig. In der Mischung von Liberalismus undSensation, die ihr den Stempel aufdrückt, dominiert jetzt die'Sensation außerordentlich. Auch die Fortschritts-Partei selbst— von den armen Nationalliberalcn,die wieder einmal nicht ein und aus wissen, ganz abgesehen—hat nicht gerade besondere Energie gezeigt, und Herr W i e m e rhat neulich in der Berliner Teuerungsversammlung sich überdie Einberufung des Reichstags— ausgeschwiegen. Und dochwäre, sollte man meinen, der Kampf gegen die dem Geistejedes Konstitutionalismus hohnsprechende Nichtachtung desReichstags, wie sie Herrn v. Bethmann beliebt, doch nichtzuletzt eine liberale Angelegenheit. Denn daß sich in-folge der skandalösen Haltung der Regierung mit demTeuerungsproblem immer mehr auch das Verfassungs-Problem verbindet, ist offensichtlich. Und wenn unsereAusführungen die Herren Liberalen noch nicht überzeugthaben, so finden sie vielleicht die nötige Belehrung in der„Frankfurter Zeitung", die folgendes ausführt:Im Frühjahr 1862, im Beginn des preußischen Verfassungs-konflikts, hielt Ferdinand Lassalle in Berliner Bezirks-vereinen einen Vortrag„Ueber Berfassungswesen". Er stellte sichdarin die Frage: WaS ist die Verfassung? Und er antwortete: DieVerfassung eines Landes, das'sind nicht die Gesetze und Para-graphen, nicht das beschriebene Stück Papier, auf dem die Rechteund Pflichten aller Glieder des staatlichen Organismus so„gebildet"dargelegt sind— die Verfassung eines Landes, das sind einzigund allein die in diesem Lande bestehenden tatsächlichenMachtverhältnisse. Dieses Wort Lassalles ist die glän-zendste, wahrste, lehrreichste Definition des Verfaffungsbegriffs; einganzes Kompendium der Realpolitik steckt in dem einen Satze.Bestimmt man nach ihm die heutige Verfassung Deutschlands, wiesie sich in den Kämpfen um die Abivehr der Fleischteuerung kraßdemonstriert, so muß man sagen: Deutschland ist heuteein absolutistisch regierter Staat, mit einen,Reichskanzler von Kaisers Gnaden als unum-schränkt esn Autokraten an der Spitze.Oder ist es etwa nicht so? Kurz vor jener Rede Laffalles,im Oktober 1861, sagte König Wilhelm l.. der spätereKaiser, in Königsberg zu der Deputation des preußischenLandtags, die gekommen war, ihn bei der feierlichen Krönungzu begrüßen:„Die Herrscher Preußens empfangen ihreKrone von Gott. Ich werde deshalb morgen'die Krone vomTisch des Herrn nehmen und auf mein Haupt setzen. Dies ist dieBedeutung des Königtums von Gottes Gnaden und darin liegt dieHeiligkeit der Krone, welche unantastbar ist. Die Krone ist mitneuen Institutionen umgeben. Sie sind nach denselben berufen, derKrone zu raten; Sie werden mir raten und auf Ihren Rat werdeich hören." Diese Rede des Königs, die dem Landtage jeden be-stimmenden Einfluß auf die Leitung der Geschicke des Landes ab-sprach und ihn lediglich als beratende Instanz anerkannte, war dieEinleitung zu dem preußischen Verfassungskonflikt, der erst nach demKriege von 1866 beendet wurde. Und nun setze man in jener Redestatt Gott Kaiser und statt König Reichskanzler— dann hat manungefähr den Brief, den jetzt, fünfzig Jahre später, Herr vonBethmann Hollweg an den Abgeordneten Bebel über dieFrage der Reichstagseinberufung geschrieben hat. Oder vielmehr:dann ist die Rede des Königs, der das GotteSgnadentum seinerKrone als roober cko brou�s gegenüber allen neuen Institutionenvon Konstitution und Parlamentarismus stabilierte, immer noch umein großes Teil konstitutioneller, immer noch um eingroßes Stück weniger autokratisch als dieser Brief des gegenwärtigenKanzlers. Der König von Preußen sagte zu dem Landtag: Siewerden mir raten und auf Ihren Rat werde ich hören. Herrv. Bethmann Hollwcg aber sagt zu dem Reichstag: Zu denvon mir ergriffenen Maßnahmen brauche ich leine Zustimmungder Volksvertretung, die treffe ich aus eigener Machtvoll-.kommenheit; nur das Gesetz über vorübergehende Zollerleichterungbei der Fleischeinfuhr müssen Sie gutheißen, aber das kommt mirspäter, gelegentlich, auch noch zurecht; also bleiben Sie, bitte, hübschzu Hause, Sie sind in dieser Not des Volkes völlig überflüssig;denn Ihren Rat brauche ich nicht, ich würde doch nicht' auf ihnhören IMan muß diese Situation in ihrer ganzen Nacktheit feststellen,um zu erkennen, wohin wir auf dem Wege sind. Wir sind imBegriffe, wieder in die vormärzlichen Zuständezurückzufallen, in denen eine aufgeklärte(oder nicht auf-geklärte) Bureaukratie vom grünen Tische aus den Staat regierte,mit mehr oder minder väterlichem Wohlwollen für das Wohldes Bürgers sorgend, den Einzelnen gängelnd, erziehend, belehrendund, wo er es für gut fand, belohnend oder bestrafend— in jeneZeiten, in denen als schlimmstes Verbrechen dieses galt, daß dieBürger sich selbst regieren wollten. Herr von BethmannHollweg kennt in der ganzen Frage der Fleischnotkeine Bundesverfassung, keinen Reichstag. Erregiert, er ganz allein, und alle Weisheit vereinigt sich beiihm. Wenn er im November 1911— als jeder, der sehen wollte, diekommende Not voraussehen mußte— in starrem Doktrinarismus undallen Wünschen des Reichstags zum Trotz jede Borbeugungsmaßregelablehnt, so ist das erleuchtete staatsmSnnische Klugheit, der wir unswiderspruchslos zu fügen haben. Und wenn er jetzt, zehn Monate späterund deshalb zu spät, nun doch einige Aushilfsmaßnabmen er-greift, so ist das, was in Wirklichkeit das EiugcstäudmS eines'chweren Bersehlens ist, wiederum nur abgeklärte Weisheit, in dieniemand dreinzureden hat. Niemand! Nicht die Bundesstaaten: denndie bilden zwar nach der geschriebenen Verfassung die Reichs-regierung, aber nach den tatsächlichen Machtverhältnissen haben siegar nichts zu sagen; sie dürfen nichts tun. bevor der Reichs-kanzler seine Beschlüsse gefaßt hat, und wenn er sie gefaßt hat.haben sie sich selbstverständlich diesen Beschlüssen anzuschließen;man stellt sie einfach vor fertige Tatsachen und kümmert sich denTeufel darum, wen», wie es sich jetzt herausstellt, Bayern undBaden in der eminent wichtigen Frage der Zulassung überseeischenFleisches ganz anders denken als der Herr Reichskanzler. Erst rechtaber darf der Reichstag nichts dreinreden. DerReichstag will die Futtermittelzölle beseitigen, um einmaleinen Anfang mit einer wirtlichen Bauernpolitik zu machen? Dasist ganz gleichgültig, denn Herr v. Bethmann will es nicht. DerReichstag will das argentinische Fleisch zulassen, weil dasden Bauern doch nicht schadet, für die minderbemittelten Kon-sumenten aber die einzige ernsthafte Hilfe für den Augenblick ist? Das macht gar nichts, denn Herr v. Bethmann beharrtbei seinem Nein. Der Reichstag will gehört werden, umden Wünschen der Wählermassen Ausdruck zu verleihen, er der-langt energischere Initiative, durchgreifendere Hilfe? Das ist eineAnmaßung, denn Herr v. Bethmann herrscht in Deutschland, bei ihmliegt die Initiative, er ergreift die Matznahmen, die ihm gut dünlen,es gibt nur ein Gesetz in Deutschland— daS sio volo, sio jubeodes Herrn v. Bethmann.Freilich, ganz fest steht auch diese Verfassung nicht, und wennHerr v. Bethmann noch lange mit der Einberufung des Reichstagszögert, so kann es zum Schluß sogar noch herauskommen, daß ersich in den tatsächlichen Machtverhältnissenverrechnet hat. Der Bund der Landwirte inszeniertbereits eine wilde Hetze gegen die bescheidenen Maßnahmen derRegierung, die er mit grotesker Uebertreibung als eine„Bresche"in unserem Zollsystem, als eine„Preisgabe" des Schutzes deruutionalen Arbeit denunziert. Und man weiß nicht, was darausnoch werden wird— Herr von Bethmann mag es vielleicht nocheinmal an sich selbst erfahren, daß in Preußen-Deutschland die Machtdes agrarischen Junkertums noch immer das»vichtigste Stück derVerfassuüg ist!Aber das ist seine Privatsache. Uns kümmert hier nur dieSache des Volkes. Und wir fragen: Sollen wirklich darum Tauseudcder Besten Freiheit und Zukunft und Gut und Blut geopfert haben,sollen nur darum andere Taufende Heimat und Vaterland verlasse»und jenseits des Ozeans eine neue Heimat gesucht haben in de»ersten Jahrzehnten des vorige» Jahrhunderts— nur zu dem Ende,daß an die Stelle der autokratischcn Monarchie jetzt die autokratischcBureaukratie trete? Oder ist es nicht endlich an der Zeit, daß auchin Deutschland das Volk sich selbst regiere, in Freiheit undunter eigener Verantwortung? Nicht einer anderen ge-schriebenen Verfassung bedarf es dazu: der Reichstag hatheute jede Macht, die er nur ernsthaft haben will.Aber wollen muß er, so unbedingt wollen, daß die Regierungnicht mehr anders kann. Wenn sich im Reichstag eine ent-schlossene Mehrheit findet, die sich, auch unter Kompromissenbei allen Teilen, auf ein Mindestprogramm einigt und diedann mit jedem Mittel parlamentarischer Macht-Übung, bis zur Verweigerung des Etats, die Erfüllungdieses Programms erzwingt— dann haben wir inDeutschland die Demolratie, um die wir seit einem Jahrhundertringen, und dann haben wir auch die Hilfe in der gegenwärtigenTeuerungsnot, die wir brauchen.Im November 1968 hat da? deutsche Volk mit einem elemen-taren Ausbruch gegen das persönliche Regiment des Kaisers protestiert. Wir können nicht glauben, daß es gesonnen ist, statt dessendas persönliche Regiment eines Kanzlers zu dulden,das noch viel unerträglicher ist als jenes. Aber wann findet sich imDeutschen Reichstag eine Mehrheit, die erkennt, daß die Verfassungeines Landes nichts anderes ist als die m diesem Lande bestehendentatsächlichen Machtverhältnisse?"Jawohl, auf die Machtverhältnisse kommt es an!Und nicht nur auf die Machtverteilung im Reichstag, sondernauch auf die Macht und Entschlossenheit, die die Volksmasscnaußerhalb des Reichstags an die Erreichung ihrer Ziele zusetzen willens und fähig sind. Und die Not ist so groß, daßdie Protestbewegung gegen die agrarische Politik stetig an Um-fang und Intensität gewinnen wird. Und dann wird auchim Reichstag sich die Majorität einstellen, die der dringendstenNot Abhilfe schafft. Die Regierung aber hat die Pflicht,die Arbeit des Parlaments nicht länger zuverhindern!«-»Grobe Täuschung,Die Regierung setzt ihre AgitationSnotiz'chcn in der„Nordd.Nllg. Zeitg." fort. In ihrer neuesten Notiz stützt sie sich aufProfessor Eßlens„sachkundige Schätzungen" über die Verhältnisseder heimischen Fleischproduktion zum Bevölkerungswachstum. NachEhlen ist die Menge deS im Inland hervorgebrachten Schlacht-fleisches seit— 1816 schneller gewachsen, als die Bevölkerungsziffer.Die Zahlenschätzungen sind immerhin willkürlich, obgleich wirdie Tatsachen des raschen Wachstums der Viehbestände nicht be-streiten wollen. Wer das Regierungsblatt treibt geradezu schlimmsten Mißbrauch mit diesen' Zahlen, wenn sie ohne jegliche Skrupelaus ihnen folgert, daß zu„erwarten sei,'daß die deutsche Landwirt-schaft auch in Zukunft den Vorsprung, den sie vor dem Anwachsender Bevölkerungsziffer innehat, behalten wird". Sie unterschätztdabei bewußt alle Erklärungen und Folgerungen» die Ehlen an seineZahlen knüpft. Eßlen erklärt daS starke Wachstum deS Fleisch-bedarfs durch die zunehmende Industrialisierung Deutschlands; derheutige Städtebewohner und Fabrikarbeiter ist aus rein phhsiologi-sche» Gründen auf vermehrte Fleischnahrung gegenüber dem Land-arbeit« notwendigerweise angewiesen. Ehlen wirft weiterdie Frage aus: Ist die Fleischversorgung des deutschen Volkes g e»»ügend? und beantwortet sie mit einem glatten Nein! Derdurchschnittliche Fleischverbrauch von 38 Kilo pro Kopf ermäßigtsich für den Lohnarbeiter auf 27 bis 39 Kilo, während das Kaiser»liche Gesundheitsamt erst eine Fleischmenge von SV bis 55 Kilofür ausreichende Ernährung als notwendig erachtet.Das Kanzlevblatt vergißt aber auch weiter mitzuteilen, daßEhlen die Frage, ob eine weitere Steigerung der �deutschen Fleisch-Produktion unter den jetzigen Zollverhältnissen möglich ist, auSdrück-lich verneint. Die Fleifchvcrsorgung kann nach Ehlen nurdann erhöht und verbilligt werden, wenn entweder die Einfuhrvon F leisch und Vieh durch Aufhebung der Zölle und Grenz-sperren erleichtert oder durch Ermäßigung und Besciti-gung der Getreidezölle die Futtererzeugung und Bich-Produktion gehoben wird. Ehlens statistische Berechnungen beweisengerade, daß der größte Viehzuwachs in die Zeit der niedrigen Ge-treidepreise fällt und daß Getreidezölle die Biehproduktiow direkthemmen, weil dann die Viehzucht gegenüber dem Körnerbau un-rentabel wird.Die„Nordd. Allg. Zeitung" hat die Eßlenschen Zahlen in ihrGegenteil verdreht. Solch ein« schlimme bewußte Irre-führung der öffentlichen Meinung unter Fälschung wissenschaftlicherForschungsergebnisse zeigt nur, daß die Regierung nicht nur vonden Agrariern abhängig ist. sondern sich auch deren Kampfes-Methoden völlig zu eigen gemacht hat.Die Bundesregierungen«nd die Teuerung.Die oldenburgische Regierung schließt sich den Maß.nahmen Preußens gegen die Flcischieuerung an, soweit sie für daSGroßhcrzogtum Verwendung finden können.Die elsaß. lothringische Regierung hebt da» Vcr.bot der Einfuhr belgischen frischen Fleisches auf. Im übrigen willäc dasselbe tun, was Preußen zur Linderung der Fleischnot vor-schlägt. Das wichtigste für das elsaß-lothringische Volk, die Oeff-nung der Grenze für die Vieheinfuhr aus Frankreich, hält mangegenwärtig noch für unmöglich.Städtische Maßnahmen.Die städtische Teuerungskommission in Hagen'. W. beschloß.australische Hammel einzuführen. Außerdem soll auf Rechnung derStadt holländisches Vieh angekauft'und in Hagen geschlachtet im-den. Der Verkauf soll durch die Metzger erfolgen. Falls diese nichtbereit sind, den Berkaus zu übernehmen, wird die Stadt den Ver-kauf selbst in die Hand nehmen.— Di« Stadtverordnetenversamm-lung wird am Montag einen Kredit von 20 909 M. zu bewilligenhaben.Der Stadtgemeinderat in Löba u i. S. beschloß, mit Zittauzum Zwecke des gemeinsamen Bezuges von ausländischem Schlacht-Vieh in Verbindung zu treten und die Fleischer zu veranlassen, beieinem geringen Preisaufschlag den Fleischverkauf zu vom Rat fest.gesetzten Preisen zu übernehmen.— Auch die Gemeinde Seif.Hennersdorf will in der Teuerungsfrage mit Zittau zu»flinntcnßcBcit,Der Gcmeinderat in Neugersdorf petitioniert um Be-eitigung der Zölle auf Vieh, Getreide und Futtermittel. Weiterwurde beschlossen, den Fischverkauf und den Verkauf von Kartoffelnin die Wege zu leiten. Die Gemeindeverwaltung soll mit denStädten Löbau, Bautzen und Dresden in Verbindung treten, umgemeinsam mit diese» billiges dänische» Fleisch zu beziehe».In Halle-Saale wurde seit 14 Tagen an fünf städtischenVerkaufsständen täglich Rind- und Schweinefleisch zu Engrosvreiscnan Einwohner mit einem Einkommen unter 3099 M. abgegeben. Dasging der Fleischerinnung wider den Strich. Sie bot sich an, den Fleisch-verkauf zu übernehmen. Jetzt hat ein« städtische Kommission in den